| Titel: | Chemische Beiträge zur Geschichte der chronischen Arsenvergiftungen in Folge der Bewohnung von Localen, die mit arsenhaltigen Farben ausgekleidet sind; von Dr. Chr. Fabian, Assistent am chemischen Laboratorium der kgl. polytechnischen Schule in Augsburg. | 
| Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LI., S. 212 | 
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                        LI.
                        Chemische Beiträge zur Geschichte der chronischen
                           Arsenvergiftungen in Folge der Bewohnung von Localen, die mit arsenhaltigen Farben
                           ausgekleidet sind; von Dr. Chr.
                              Fabian, Assistent am chemischen Laboratorium der kgl. polytechnischen
                           Schule in Augsburg.
                        
                           Auszug einer der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften in
                              				    München eingereichten Abhandlung.
                           
                        Fabian, chemische Beiträge zur Geschichte der chronischen
                           Arsenvergiftungen.
                        
                     
                        
                           Die nachfolgenden Untersuchungen, von denen ich behaupten zu dürfen glaube, daß sie
                              mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausgeführt worden sind, tragen vielleicht
                              dazu bei, die so vielfach erörterte Frage: „Sind die grünen, arsenhaltigen
                                 Farben, sofern sie zur Auskleidung von Wohn- oder Schlafzimmern dienen,
                                 der Gesundheit schädlich oder nicht?“ ihrer Entscheidung nahe zu
                              führen.
                           J. Hr. N. N., Vorstand eines industriellen Etablissements hierselbst, bot dem ihn
                              schon seit längerer Zeit behandelnden hiesigen praktischen Arzte und Oberarzt der
                              Intern-Abtheilung des Krankenhauses, Hrn Dr. F.
                              Müller, endlich solche eigenthümliche
                              Krankheitssymptome dar, daß dieser schließlich auf die Vermuthung geführt wurde, es
                              trage vielleicht die grüne Tapete des Schlafzimmers in Folge eines etwaigen
                              Arsengehaltes die Schuld. Diese Vermuthung gab Veranlassung, daß mir ein Stück
                              derselben mit dem Ersuchen zugestellt wurde, sie auf Arsen zu prüfen. Die Tapete mit
                              vorherrschendem Grün zeigte sich nur wenig satinirt, weßhalb durch schwaches Reiben
                              die aufgetragene Farbe leicht abgelöst werden konnte. Wie das lebhafte Grün schon
                              erwarten ließ, war es leicht, mit Hülfe des Löthrohrs und des Marsh'schen Apparats bedeutende Mengen von Arsen, und mit Blutlaugensalz
                              in der von Eisen befreiten Lösung Kupfer nachzuweisen. Dieses Resultat trug dazu
                              bei, Hrn. Dr. Müller in
                              seiner Ansicht, daß die besprochene Tapete die Schuld der Krankheit trage, zu
                              bestärken, und bestimmte ihn auch, den Harn des Patienten auf etwaigen Arsengehalt durch mich
                              untersuchen zu lassen. Ich gestehe nun offen, daß, als mir die Aufforderung zuging,
                              diese Untersuchung vorzunehmen, ich mich der festen Ansicht hingab, dieselbe werde
                              ein negatives Resultat ergeben, in welchem Sinne ich mich auch wiederholt aussprach.
                              Um indessen sowohl dem Wunsche des Arztes als auch des mir befreundeten Patienten zu
                              willfahren, wurde gleichwohl die Analyse des Harnes vorgenommen.
                           Ich gebe nun in Nachfolgendem die Untersuchung des Harns jenes Hrn. N. N., wie sie am
                              13. December v. Js. ausgeführt wurde.
                           a) 912 Gramme des fraglichen Urins, im Wasserbade in
                              einer neuen Schale von achtem Porzellan auf etwa 100 bis 120 Kubikcentimeter
                              eingedampft, wurden mit Salzsäure und chlorsaurem Kali behandelt, die resultirende
                              Flüssigkeit, durch zuvor auf Arsen geprüftes Papier in einen Kolben filtrirt, das
                              erwärmte Filtrat mit gewaschenem Schwefelwasserstoffgas gesättigt, der nach
                              24stündigem Stehen an einem warmen Orte in der noch stark nach jenem Gase riechenden
                              Flüssigkeit entstandene Niederschlag auf einem Filter gesammelt, mit
                              schwefelwasserstoffhaltigem Wasser ausgewaschen, und nun, um etwa vorhandenes Kupfer
                              von Arsen zu trennen, mit Aetzammoniak ausgezogen, die Lösung zur Entfernung des
                              Ammoniaks erwärmt, mit Salpetersäure im Ueberschuß versetzt, vorsichtig bis fast zur
                              Trockne verdunstet, nochmals zur Entfernung alles Organischen mit Salpetersäure
                              behandelt, der Säure-Ueberschuß durch behutsames Abdampfen möglichst
                              entfernt, der Rückstand mit Wasser aufgenommen und die so erhaltene Lösung in den
                              zuvor auf das sorgfältigste geprüften Marsh'schen Apparat
                              gebracht. Nachdem das Gas über eine halbe Stunde durch die stark zum Glühen erhitzte
                              Reductionsröhre geströmt war, hatte sich neben der erhitzten Stelle ein
                              schmutzigweißer Anfing gebildet. Dieser, beim Erhitzen mit einer Weingeistlampe
                              leicht sublimirbare Anflug nahm unter Beibehaltung seiner leichten Flüchtigkeit beim
                              Darüberleiten von Schwefelwasserstoffgas eine hellgelbe Farbe an, und zeigte sich
                              hernach als in Ammoniak leicht löslich; beim Verdunsten seiner ammoniakalischen
                              Lösung auf einem Uhrglase blieben wiederum Spuren eines hellgelben Körpers zurück.
                              – Nach diesen Resultaten konnte es kaum noch irgend einem Zweifel
                              unterliegen, daß hier Arsen vorlag. Obgleich nun alle Apparate neu, alle Materialien
                              genau geprüft waren, glaubte ich dennoch den Arsengehalt irgend eines Reagens
                              übersehen zu haben, und begann sofort mit einer neuen Prüfung aller angewandten
                              Reagentien.
                           So wurden von mir untersucht: Salzsäure, chlorsaures Kali, Filtrirpapier,
                              Salpetersäure, Aetzammoniak, destillirtes Wasser, Schwefelsäure und Zink. Das Resultat blieb das
                              gleiche; trotz der größten Achtsamkeit war es nicht möglich, in irgend einem dieser
                              Materialien die geringste Spur Arsen zu entdecken. Es unterlag hienach keinem
                              Zweifel, daß der untersuchte Harn geringe Mengen Arsen enthielt. Um nun gleichzeitig
                              etwa anwesendes Kupfer aufzufinden, wurde derjenige Theil des durch
                              Schwefelwasserstoff entstandenen Niederschlags, welcher in Ammoniak unaufgelöst
                              blieb, in Salpetersalzsäure gelöst, der Säureüberschuß durch Abdampfen möglichst
                              entfernt, und mit Blutlaugensalz auf Kupfer geprüft. Nicht die geringste Menge
                              dieses Metalls wurde angezeigt.
                           In Folge der Resultate dieser Untersuchung wurde auf Antrag des Arztes sofort die
                              erwähnte Tapete entfernt und durch eine andere ersetzt.
                           b) Am 23. December v. Js. wurde sodann, nachdem dem
                              Patienten, um eine schnellere Elimination des Arsens herbeizuführen, fortgesetzt
                              Jodkalium verordnet worden war, eine neue Untersuchung des Harns vorgenommen. Die
                              der Untersuchung unterworfene Menge Urin betrug 892 Gramme, und es wurde dabei in
                              der vorher beschriebenen Weise verfahren.
                           Wenn die bei der ersten Untersuchung gefundene geringe Menge Arsen noch irgend einen
                              Zweifel hätte zulassen können, so mußte dieser vor der Deutlichkeit, wie die
                              Gegenwart des Arsens bei dieser Prüfung erkannt wurde, vollständig verschwinden. Es
                              wurde hier nicht mehr ein weißlicher Anflug, sondern ein schön glänzender, brauner,
                              beim stellenweisen Befeuchten mit unterchlorigsaurem Natron leicht löslicher
                              Arsenspiegel erhalten. Kupfer war auch hier nicht aufzufinden.
                           Da sich in diesem Falle das Jodkalium als so ausgezeichnetes Eliminationsmittel
                              erwies, wurde dem Patienten der fernere fortgesetzte Gebrauch desselben
                              vorgeschrieben, um die Ausscheidung des Giftes vollständig zu bewirken.
                           Am 19. Januar d. Js. wurden 921 Grm. Harn aufs Neue untersucht und durch diese
                              Untersuchung die nunmehrige vollständige Abwesenheit des Arsens constatirt.
                           Nach diesem ersten Falle, wo die chemische Untersuchung im Harne unzweifelhaft Arsen
                              nachwies, war natürlich das Interesse für diesen Gegenstand sowohl bei Hrn. Dr. Müller als auch bei mir
                              im höchsten Grade rege geworden. Bei der Beliebtheit und deßhalb häufigen Verwendung
                              dieser schön grünen Farbe zu Tapeten, so wie zu Anstrich, war mit voller
                              Berechtigung anzunehmen, daß Fälle wie der obige nicht isolirt dastünden. In der
                              That gelang es bald, einen zweiten noch interessanteren Fall, den ich in
                              Nachfolgendem mittheile, aufzufinden.
                           
                           II. Frau N. N. bewohnte schon seit längerer Zeit mit ihrem 1 1/2 jährigen Kinde ein
                              grün austapezirtes, durchaus trocken gelegenes Zimmer. Sowohl Mutter als Kind
                              zeichneten. sich durch sehr bleiches Aeußere aus und namentlich die Mutter war
                              vielfach, bald mehr bald weniger leidend.
                           Die, wie im vorigen Falle vorherrschend grüne, äußerst wenig satinirte Tapete, deren
                              Farbe durch Reiben ebenfalls leicht abzulösen war, erwies sich bei der Untersuchung
                              sowohl bedeutend arsen- als auch kupferhaltig.
                           Der Harn der Frau N. N. wurde am 28. Januar untersucht.
                           a) 720 Gramme, in gleicher Weise untersucht wie Oben
                              angegeben, ergaben zweifellose Spuren von Arsen, deutlicher als im Falle Ia. Kupfer war nicht aufzufinden. Wie im
                              ersteren Falle wurde nun auch hier der Patientin Jodkalium ordinirt und die
                              sofortige Entfernung der Tapete veranlaßt.
                           b) Am 10. Februar ließ die Untersuchung von 692 Grm.
                              Harn vermehrten Arsengehalt wahrnehmen; Kupfer war nicht nachweisbar.
                           c) 716 Gramme ergaben am 27. Februar verminderten
                              Arsengehalt, Kupfer war nicht zu entdecken.
                           d) 708 Grm. Harn vom 29. März erwiesen sich endlich als
                              vollkommen arsenfrei.
                           Bei der Deutlichkeit, mit welcher bei diesen wiederholten Prüfungen das Arsen
                              nachzuweisen war, muß es ungemein überraschen, daß es nicht gelang bei der
                              Untersuchung von 550 Grm. Harn des Kindes, welches, wie erwähnt, das Schlafzimmer
                              mit der Mutter theilte, auch nur eine Spur dieses Körpers zu entdecken. Worin dieses
                              seinen Grund hat, ist schwer zu sagen, doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß
                              kurz vor jener Zeit, wo die Untersuchung des Harnes ausgeführt wurde, dem Kinde
                              längere Zeit als Ordination vom Arzte Pulvermischungen aus milchsaurem Eisen, weißer
                              Magnesia und phosphorsaurem Kalk gereicht wurden. Es ist nicht ganz
                              unwahrscheinlich, daß das Arsen einerseits durch die Gegenwart des Eisens,
                              andererseits durch diejenige der Magnesia Gelegenheit fand derartig unlösliche
                              Verbindungen einzugehen, daß hiedurch der Uebergang in den Harn unmöglich gemacht
                              war. Speciell in diesem Falle würde es nun von größtem Interesse gewesen seyn, die
                              Wirkungen des Jodkaliums verfolgen zu können; bei der sehr zarten Constitution des
                              Kindes schien es indessen dem Arzte nicht gerathen, eine solche Cur anzuordnen.
                           Während ich noch mit den vorbesprochenen Untersuchungen beschäftigt war, erhielt ich
                              Kenntniß von der Arbeit des Hrn. Dr. Oppenheimer,Heidelberger Jahrbücher der Literatur, 1859, Nr. 51.
                              welcher gezeigt hat, daß
                              man im Staube von Zimmern, die mit Schweinfurtergrün ausgemalt sind, mit
                              Leichtigkeit' sowohl Arsen als auch Kupfer nachweisen kann. So viel mir bekannt, ist
                              Hr. Oppenheimer der erste, welcher auf diese so einfache
                              Idee der Staubuntersuchung kam. Er ließ sich hiebei von der sehr richtigen Ansicht
                              leiten, daß, wenn der Gesundheit nachtheilige Wirkungen wirklich der mechanischen
                              Ablösung der grünen Farbe zuzuschreiben sind, indem sich feiner Farbestaub
                              vorübergehend der Luft beimischt, der in den betreffenden Localen gesammelte Staub
                              nothwendig arsen- und kupferhaltig seyn muß. Ich ließ daher die Sammlung von
                              Staub in dem mit der unter II erwähnten Tapete ausgekleideten Zimmer vornehmen, und
                              zwar in der Weise, daß er nur von solchen Gegenständen genommen wurde, die in keiner
                              directen Berührung mit der Tapete standen.
                           Zur Prüfung dieses Staubes auf Arsen wurde ein Theil mit verdünnter Salzsäure unter
                              gelinder Erwärmung ausgezogen, filtrirt und die Lösung direct in den Marsh'schen Apparat gebracht; ein deutlicher Arsenspiegel
                              war das Resultat. Zur Prüfung auf Kupfer wurde ein anderer Theil des Staubes mit
                              Ammoniak digerirt, filtrirt, mit Salzsäure schwach übersättigt und mit
                              Blutlaugensalz versetzt; der entstandene, freilich geringe, braunrothe Niederschlag
                              ließ keinen Zweifel über die Anwesenheit dieses Metalles zu.
                           Leider war es nicht möglich, Staub aus dem Zimmer, welches mit der Tapete I
                              ausgekleidet war, der Untersuchung zu unterziehen, da diese zu der Zeit, als man an
                              die Staubuntersuchungen dachte, schon durch eine andere unschädliche ersetzt war;
                              aber in dem Staube eines andern Zimmers, welches ebenfalls mit der unter I erwähnten
                              Tapete ausgekleidet war, ließ sich auf die deutlichste Weise Arsen und Kupfer
                              nachweisen.
                           Außer diesen beiden, im Zusammenhange mit den Harnanalysen stehenden Fällen, wo es
                              gelang, im Staube auf das Deutlichste sowohl Arsen als auch Kupfer nachzuweisen,
                              hatte ich noch wiederholt Gelegenheit mich zu überzeugen, daß da, wo Arsenfarbe,
                              gleichgültig, ob als Tapete oder als Leimanstrich zur Zimmerauskleidung dient, man
                              auch meistens im Stande ist die mechanische Ablösung von Farbetheilchen durch den
                              Arsen- und Kupfergehalt des Staubes zu constatiren.
                           Der Vollständigkeit wegen lasse ich auch diese Beobachtungen hier folgen.
                           A. Tapete mit weißem Grunde und hell- und
                              dunkelgrünen Dessins, stark satinirt, die Farbe fester haftend als bei I und II.
                           Der betreffende Staub ließ geringe Spuren von Arsen und Kupfer erkennen.
                           
                           B. Tapete mit vorherrschendem Hellgrün, wenig satinirt,
                              die Farbe daher durch Reiben leicht abzulösen.
                           Der in einem, mit dieser Tapete ausgekleideten Zimmer gesammelte Staub ergab sich als
                              nicht arsenhaltig. Dieses hat vielleicht darin seinen
                              Grund, daß das Zimmer sehr selten bewohnt und die Tapete noch sehr neu war.
                           C. Vorherrschend dunkelgrüne Tapete, stark satinirt,
                              daher deren Farbe sehr fest haftend.
                           Weder Arsen noch Kupfer ließ sich in dem betreffenden Staube nachweisen.
                           D. Leimanstrich, einfarbig dunkelgrün, Farbe leicht
                              abstäubend.
                           Mit größter Deutlichkeit war sowohl Arsen als auch Kupfer im Staube aufzufinden.
                           E. Leimanstrich, weißer Grund mit hellgrünen Dessins,
                              die Farbe auch hier äußerst leicht abstäubend.
                           Der Staub war deutlich arsen- und kupferhaltig.
                           F Einfarbiger weißgrüner, äußerst schlecht haftender
                              Leimanstrich.
                           Der Staub war stark arsen- und kupferhaltig.
                           Daß wirklich die Farbe der Zimmer die Quelle des im Harne gefundenen Arsens war,
                              dafür spricht noch das alsbaldige Besserwerden der Kranken, nachdem die Tapeten
                              durch andere unschädliche ersetzt wurden, was in beiden Fällen gleich nach dem
                              Bekanntwerden ihres Arsengehaltes auf Anrathen des Arztes geschah.
                           So sehr es nun überraschen muß, daß es nicht gelang im Harn neben Arsen auch Kupfer
                              zu entdecken, wodurch allein der definitive Beweis geliefert würde, daß das
                              gefundene Arsen durch mechanische Ablösung in den Organismus gelangte, so nehme ich
                              doch keinen Anstand, dieses als unzweifelhaft zu betrachten. Die Möglichkeit der
                              Bildung von Arsenwasserstoff, resp. Kakodyl, muß wenigstens in den hier vorliegenden
                              Fällen durchaus bestritten werden. Beide Zimmer hatten eine so trockene Lage als nur
                              irgend möglich, und ein auffallender Geruch wurde in denselben nie, weder von den
                              Bewohnern, noch von Besuchenden beobachtet, kurz die Bildung jener Arsenverbindungen
                              kann vernünftiger Weise nicht angenommen werden.
                           Daß es dessenungeachtet nicht gelang, Kupfer in dem Harne zu entdecken, mag
                              vielleicht zum Theil seinen Grund darin haben, daß wir überhaupt nicht im Stande
                              sind so geringe Mengen von Kupfer nachzuweisen, als uns dieses vermittelst des Marsh'schen Apparats beim Arsen möglich ist; aber ganz
                              abgesehen hievon, sind wir bei dem gegenwärtigen Standpunkte der physiologischen
                              Chemie so selten in der Lage, uns genügende Rechenschaft über Processe, wie sie unter dem Einflüsse
                              des Organismus stattfinden, zu geben, daß es nicht sehr auffallen kann, wenn auch
                              hier ein Fall vorliegt, welcher sich zur Zeit nicht erklären läßt. So viel erhellt
                              indessen aus den vorliegenden Resultaten, daß das in den Organismus gelangende Arsen
                              in demselben größtentheils in unlöslicher, resp. schwerlöslicher Verbindung
                              zurückgehalten und erst durch Jodkalium in leichter lösliche Form übergeführt
                              wird.
                           Nach dem Vorstehenden scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, daß das
                              Schweinfurtergrün, sowie sämmtliche mit Hülfe dieser Farbe dargestellten grünen
                              Nüancen, unter den meisten Umständen, sofern sie als Tapete oder Leimanstrich zur
                              Auskleidung von Wohn- oder Schlafzimmern dienen, der Gesundheit schädlich
                              sind. Dieses gilt allerdings vorzugsweise vom Leimanstrich und von schlecht
                              satinirten Tapeten, doch bieten selbst die gut satinirten Tapeten, wie aus dem Fall
                              A erhellt, keineswegs hinreichende Sicherheit, daß
                              nicht geringe Mengen der Farbe abstäuben und so in die Respirationsorgane eingeführt
                              werden.
                           Nach den Erfahrungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, ist es wahrscheinlich, daß
                              der Gesundheit nachtheilige Wirkungen dieser Farben, namentlich da, wo der grüne
                              Leimanstrich, wie in der hiesigen Gegend, fast in jedem Hause in verschiedenen
                              Nüancen zu finden ist, viel häufiger vorkommen, als man gewöhnlich glaubt, und es
                              dürfte daher im Interesse des Publicums an der Zeit seyn, daß die arsenhaltigen
                              Farben zum Gebrauch für Tapeten und Zimmeranstriche verboten werden.Wir verweisen noch auf die Abhandlung, welche Hr. Dr. F. Müller in der Wiener medicinischen Wochenschrift, Jahrgang
                                    1860, „über die sanitätswidrige Verwendung arsenhaltiger
                                       Farbstoffe“ veröffentlicht hat. A. d. Red.