| Titel: | Ueber die Bereitung des Sauerstoffgases im Großen; von H. Saint-Claire Deville und H. Debray. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XII., S. 51 | 
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                        XII.
                        Ueber die Bereitung des Sauerstoffgases im
                           Großen; von H. Saint-Claire
                              Deville und H.
                              Debray.
                        Aus den Comptes rendus, November 1860, Nr.
                              22.
                        Deville, über die Bereitung des Sauerstoffgases im
                           Großen.
                        
                     
                        
                           Im Auftrage der russischen Regierung beschäftigten wir uns mit Versuchen über die
                              praktische Anwendung der von uns vorgeschlagenen neuen metallurgischen
                              Verfahrungsarten zur Behandlung des Platinerzes aus trockenem Wege und zur
                              Wiederherstellung unbrauchbar gewordenen Platins mittelst Schmelzens;Man s. polytechn. Journal Bd. CLIV S.
                                       130, 199, 287 und 383. am Schlusse dieser Arbeit waren wir bemüht, ein ökonomisches Verfahren zur
                              Bereitung des Sauerstoffs zu ermitteln. Ueberzeugt, daß die Resultate, zu welchen
                              wir hinsichtlich der Fabrication reinen Sauerstoffgases gelangt sind, der Industrie
                              von Nutzen seyn können, nämlich zur Beleuchtung, und sogar zur Bearbeitung der
                              Metalle, ziehen wir aus dem Berichte, welchen wir dem kaiserl. russischen
                              Finanzminister erstattet haben, Folgendes aus.
                           Wir haben bei unseren in großem Maaßstabe durchgeführten Versuchen das Sauerstoffgas
                              dargestellt aus: Braunstein, chlorsaurem Kali, Chlorkalk, Natronsalpeter,
                              salpetersaurem Baryt und Baryumsuperoxyd, schwefelsaurem Zink und Schwefelsäure.
                              Hier werden wir nur von den zwei letzten Materialien sprechen, welche unseres Wissens
                              bisher noch nicht zur Darstellung des Sauerstoffgases angewandt worden sind. Vorher
                              wollen wir nur noch bemerken, daß wir Boussingault's
                              Verfahren mit ziemlich großen Quantitäten von Baryumsuperoxyd wiederholt haben und
                              zu denselben Resultaten gelangt sind wie er, wobei wir nur auf einige praktische
                              Schwierigkeiten stießen, die sich aber leicht überwinden lassen, wenn einmal der
                              Baryt nach Kuhlmann's Methode in wasserfreiem Zustande im
                              Großen fabricirt und daher zu niedrigem Preise in den Handel geliefert werden wird;
                              er läßt sich dann leicht und ökonomisch zur Bereitung des Sauerstoffgases
                              benutzen.
                           Das schwefelsaure Zink, welches man in so großer Menge in den galvanischen Batterien
                              erhält, findet gegenwärtig keine Verwendung; es lassen sich aber alle seine
                              Bestandtheile auf folgende Weise benutzen. Wenn man es für sich allein in einem
                              thönernen Gefäß glüht, so verwandelt man es 1) in ein leichtes und weißes Oxyd,
                              welches, wenn das schwefelsaure Zink rein war, als Anstrichfarbe benutzt werden
                              kann; 2) in schweflige Säure, welche man in Form einer concentrirten Auflösung oder
                              als schwefligsaures Salz sammeln kann, und deren Anwendungen gegenwärtig sehr
                              zahlreich sind; endlich 3) in reines Sauerstoffgas.
                           Zur vollständigen Zersetzung des schwefelsauren Zinks ist keine viel höhere
                              Temperatur als zur Zersetzung des Braunsteins erforderlich; wir haben es vollständig
                              in Zinkoxyd und in ein Gemenge von Wasser, schwefliger Säure und Sauerstoffgas
                              umgewandelt. Diese trennt man nach dem Verfahren, welches wir nun zur Bereitung des
                              Sauerstoffgases mittelst bloßer Schwefelsäure beschreiben.
                           Die Schwefelsäure läßt sich nämlich bei der Rothglühhitze in einem sehr einfachen
                              Apparate in schweflige Säure, Wasser und Sauerstoffgas zersetzen. Man erhitzt eine
                              kleine Retorte von fünf Litern Inhalt, welche mit Stücken von dünnem
                              PlatinblechIn größeren Gefäßen kann man die Platinbleche durch Ziegelstücke
                                    ersetzen. gefüllt ist, oder besser noch ein mit Platinschwamm gefülltes Schlangenrohr
                              von Platin, zum Rothglühen; alsdann leitet man einen dünnen Strahl Schwefelsäure aus
                              einem Gefäß mit constantem Niveau mittelst einer S
                              förmigen Röhre hinein; die austretenden Gase ziehen zuerst durch eine
                              Kühlvorrichtung, welche das Wasser von ihnen absondert, und hernach durch ein
                              Waschgefäß von besonderer Form, welches wir hier nicht beschreiben können. Aus
                              letzterm entweicht beständig geruchloses und reines Sauerstoffgas, und es verbleibt
                              darin eine gesättigte Auflösung von schwefliger Säure. Wenn man das Waschwasser durch
                              Aetznatronlauge ersetzt, erhält man mit schwefliger Säure übersättigtes
                              zweifach-schwefligsaures Natron, welches man mit kohlensaurem Natron
                              neutralisiren und in neutrales schwefligsaures oder in unterschwefligsaures Natron
                              verwandeln kann.
                           Wenn man das Wasser, worin die schweflige Säure verdichtet wurde, in den Dampfkessel
                              gibt, welcher die Bleikammern einer Schwefelsäurefabrik speist, so verwandelt man
                              diese schweflige Säure auf Kosten des Sauerstoffs der Luft in Schwefelsäure. Wir
                              haben berechnet, daß man im Schwefelofen einer Schwefelsäurefabrik nur zweimal so
                              viel Schwefel als die concentrirte Auflösung von schwefliger Säure enthält, zu
                              verbrennen braucht, um letzteres Gas gänzlich benutzen zu können, so daß eine
                              Schwefelsäurefabrik ohne wesentlich größeren Kostenaufwand den dritten Theil der
                              Schwefelsäure, welche sie erzeugt, der Bereitung des Sauerstoffgases widmen könnte.
                              Berechnet man auf diesen Grundlagen die Gestehungskosten des Sauerstoffgases, so
                              sind sie höchst gering, denn sie beschränken sich auf die Auslagen für das wenige
                              Brennmaterial, welches erforderlich ist, um einen Apparat von kleinen Dimensionen
                              auf der Rothglühhitze zu erhalten, und für den Natronsalpeter, welcher dazu dient,
                              den Sauerstoff der Luft auf die schweflige Säure zu übertragen: unser Verfahren
                              besteht nämlich im Grunde darin, den Sauerstoff der atmosphärischen Luft zu
                              entlehnen. Selbst wenn man die schweflige Säure, welche bei der Zersetzung der
                              Schwefelsäure entsteht, als verloren betrachten wollte, wäre die Schwefelsäure noch
                              das wohlfeilste Material zur Bereitung des Sauerstoffgases, sogar ein viel
                              wohlfeileres als der Braunstein.