| Titel: | Versuch einer allgemeinen Maaßanalyse für sämmtliche Farbstoffe, Gerbstoffe etc.; von J. Löwenthal. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XL., S. 143 | 
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                        XL.
                        Versuch einer allgemeinen Maaßanalyse für
                           sämmtliche Farbstoffe, Gerbstoffe etc.; von J. Löwenthal.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1860, Bd. LXXXI S.
                              150.
                        Löwenthal, Versuch einer allgemeinen Maaßanalyse für sämmtliche
                           Farbstoffe, Gerbstoffe etc.
                        
                     
                        
                           Vorliegende Arbeit wurde ursprünglich nur in der Absicht unternommen, um mir in
                              meiner Stellung als Colorist einer größeren Färberei und Druckerei als Mittel zu
                              dienen, die verschiedenen Farbstoffe nach ihrem relativen Gehalte, respective Werthe
                              zu bestimmen, und glaube ich, manchem meiner Collegen so wie den Farbwaarenhändlern
                              keinen ganz unwichtigen Dienst zu erzeigen, indem ich meine Methode zur
                              Oeffentlichkeit bringe. Es ist schon lange bekannt, daß die meisten, wenn nicht alle
                              organischen Farbstoffe durch Chamäleon, Chlorkalk, Chlor etc. oxydirt und in
                              farblose Verbindungen übergeführt werden. Diese Eigenschaft der Farbstoffe ist schon
                              mehrfach benutzt worden, um dieselben durch die verschiedenen Mengen oxydirender
                              Substanzen, die erforderlich waren, vollkommene Entfärbung hervorzubringen, ihrem
                              relativen Werthe nach zu bestimmen. Es wird jedoch jeder, der sich nur einigermaßen
                              mit ähnlichen Analysen beschäftigt hat, das Gefühl des Unbefriedigtseyns mit mir
                              theilen, welches dieselben im Gefolge haben; die große Unsicherheit, das Ende der
                              Reaction zu bestimmen und in Folge dessen die beständig wechselnden Resultate sind
                              Ursache, daß sich heutigen Tages wohl kein Fabrikant und Techniker mehr dieser
                              Methoden bedient.
                           In der Lage, sehr viele Farbstoffbestimmungen rasch ausführen zu müssen, kam ich auf
                              oben erwähnte Titrirmethode zurück, und stellte mir die Aufgabe: dieselbe brauchbar
                              zu machen durch Auffindung eines Mittels oder Indicators, mit dessen Hülfe das Ende
                              der Reaction leicht und genau erkannt werden kann; andererseits zu ermitteln, ob mit
                              Anwendung dieses Indicators die Operation so zu leiten ist, daß immer nur ein und
                              dieselbe Oxydation eintritt, wodurch natürlich ganz allein die Brauchbarkeit der
                              Methode bedingt wird. Dieses Mittel fand ich in der Anwendung des reinen schwefelsauren Indigos, sey es für sich oder in
                              seiner Verbindung mit Basen (Indigocarmin). Eine schwefelsaure Indiglösung von
                              bekanntem Gehalt wird mit einer bestimmten Menge der zu untersuchenden
                              Farbstofflösung gemischt und diese gemeinschaftliche Lösung nach dem Ansäuern durch
                              Chamäleon oder Chlorkalk bis zum Verschwinden der blauen Farbe titrirt, worauf sich,
                              nach Abzug des zur Zerstörung des Indigoblaus verbrauchten Oxydationsmittels, der
                              genaue Titer des Farbstoffs, Gerbstoffs etc. ergibt. Die Wirkung des Indigoblaus ist bei dieser
                              Methode durchaus nicht mit derjenigen zu verwechseln, welche Gay-Lussac bei seiner Chlorbestimmung in Anspruch nimmt, bei
                              letzterer wirkt das Indigoblau nur rein als Indicator, indem Gay-Lussac annimmt, daß die arsenige Säure zuerst oxydirt werde und
                              nach dieser erst das Indigoblau; während bei meiner Methode Indigo und Farbstoff
                              Hand in Hand gehen und gleichzeitig zerstört werden, indem bei dem richtigen
                              Verhältniß von Indigo zu der zu untersuchenden Substanz die geringste Spur der
                              letzteren mit der letzten Spur des ersteren verschwindet. Je nach der Trägheit, mit
                              welcher sich der eine Körper rascher oder langsamer oxydirt, wird der Zusatz von
                              mehr oder weniger Indigoblau erfordert, um denselben richtig zu bestimmen. Man kann
                              nicht leicht zu viel Indigoblau zusetzen, zu wenig davon bedingt immer eine
                              unsichere, wenn nicht unrichtige Bestimmung; und um sicher zu seyn, immer richtige
                              und genau übereinstimmende Resultate zu erhalten, richte man sich so ein, daß der
                              Indigo und die zu untersuchende Substanz sich in dem Mengenverhältniß in der zu
                              titrirenden Lösung befinden, daß der Indigo ungefähr die doppelte Menge des
                              Sauerstoffs zu seiner Oxydation in Anspruch nimmt, als die zu untersuchende Substanz
                              dazu bedarf. Ein vorläufiger Titerversuch wird jede hierauf bezügliche Unsicherheit
                              in kürzester Zeit heben.
                           Ich bediene mich zu meinen Analysen einer Auflösung des feinsten Indigocarmins von
                              Lyon mit bestem Erfolge, überhaupt wird jeder reine Indigocarmin den Zweck erfüllen.
                              Reiner Indigocarmin in ziemlich beträchtlicher Menge in Wasser gelöst und dann durch
                              Chlorkalk bis zum Verschwinden der blauen Farbe oxydirt, darf nur eine rein gelb
                              gefärbte Lösung zurücklassen, welche durchaus nicht ins Rothe oder Braune ziehen
                              darf, im letzteren Falle müßte der Indigocarmin zum Gebrauche für diese Analysen
                              verworfen werden.
                           Ehe ich mich des Indigocarmins mit Sicherheit zu dieser neuen Bestimmung bedienen
                              konnte, mußte zuerst festgestellt werden, ob derselbe dieselben Mängel zeigt, wie
                              diejenigen, welche Mohr in seiner Titrirmethode S. 189
                              von der schwefelsauren Indigolösung angibt; dieselben sind nach Mohr:
                           
                              „1) Wird mehr Entfärbungsflüssigkeit gebraucht, wenn beim Hinzutröpfeln
                                 derselben zur Indigolösung nicht sogleich umgerührt wird, ebenso, wenn das
                                 Mischen unvollständig geschieht.
                              
                           
                              2) Wird je nach der Verdünnung mehr oder weniger des Oxydationsmittels
                                 verbraucht, bei starker Verdünnung weniger als bei schwächerer Verdünnung.
                              
                           
                           
                              3) Sagt Mohr Seite 195, daß alle Chlorbestimmungen,
                                 bei welchen der Indigo eine Rolle spielt, die Eigenthümlichkeit des
                                 Nachbleichens besäßen, indem schwach grün gefärbte Flüssigkeiten sich nach
                                 einiger Zeit von selbst vollkommen entfärbten.“
                              
                           Nach meinen Versuchen ist eine schwefelsaure Indigolösung nur mit dem ersten der erwähnten Uebelstände behaftet; da aber jeder, der
                              sich mit Maaßanalysen beschäftigt, sich eine gewisse Uebung zu eigen machen muß, und
                              sich ebenso auf die von ihm selbst sowohl als von Anderen gemachten Erfahrungen
                              stützen muß, so fällt bei einiger Aufmerksamkeit der erwähnte Uebelstand von selbst
                              weg.
                           Was die ad 2 erwähnte Fehlerquelle betrifft, so wird der
                              hier folgende Versuch entscheidend beweisen, daß wenn einmal ein gewisser Grad der
                              Verdünnung erreicht worden ist, eine noch viel größere Verdünnung von keinem Einfluß
                              mehr auf das Resultat ist, daß aber eine gewisse
                              Verdünnung des Indigos nöthig ist, um genaue und übereinstimmende Bestimmungen zu
                              erhalten. Bei meiner Untersuchung über die Umwandlung des inactiven Sauerstoffs in
                              activen (s. Journal für praktische Chemie Bd. LXXIX S. 473), habe ich ebenfalls
                              Versuche mit schwefelsaurem Indigo angestellt, um zu ermitteln, ob sich derselbe zu
                              einer Chamäleonlösung ähnlich wie Eisen- oder Zinnoxydul verhielte. Folgende
                              Zahlen drücken die erhaltenen Resultate aus:
                           
                              
                                 Indigolösung.Indigocarmin, fabrikmäßig dargestellt, aufgelöst und filtrirt.
                                          Es wird sehr schwierig seyn, im Kleinen Indigo so vollständig
                                          aufzulösen, wie dieses bei der Indigoprüfung erforderlich ist, ohne
                                          dabei beträchtliche Quantitäten schwefliger Säure zu erhalten.
                                          Dadurch erklärte es sich dann, warum Mohr
                                          bei der Vermehrung des Wassers einen Minderverbrauch an Chamäleon
                                          erhielt, wie ich dieses anderwärts gezeigt habe. Ich habe direct zu
                                          obigem schwefelsauren Indigo schweflige Säure hinzugefügt, und habe
                                          dann wie Mohr beim Vermehren des Wassers
                                          einen Minderverbrauch an Chamäleon gefunden, jedoch nur der hinzugesetzten schwefligen Säure
                                          entsprechend. Die schweflige Säure kann der Indigolösung die
                                          Eigenschaft, den Sauerstoff activ zu machen, nicht
                                          mittheilen.
                                 Wasser.
                                 Chamäleon.
                                 
                              
                                       5 K. C.
                                     10 K. C.
                                    5,1 K. C.
                                 
                              
                                       5    „
                                     10    „
                                    5,0    „
                                 
                              
                                       5    „
                                     10    „
                                    5,0    „
                                 
                              
                                       5    „
                                   125    „
                                    4,4    „
                                 
                              
                                       5    „
                                   125    „
                                    4,4    „
                                 
                              
                                       5    „
                                   500    „
                                    4,4    „
                                 
                              
                                     10    „
                                 1000    „
                                    8,8    „
                                 
                              
                                     15    „
                                 1500    „
                                  13,2    „
                                 
                              
                                       5    „
                                 1500    „
                                    4,4    „
                                 
                              
                           Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Mischung von Wasser und Indigolösung
                              vorher angesäuert wurde; – es ergibt sich aus obigem Versuche, daß schon bei einem
                              Verhältniß von 1 Theil der damals gebrauchten Indigolösung zu 25 Theilen Wasser die
                              erhaltenen Zahlen constant blieben, selbst bei noch so großer Verdünnung.
                           Was das ad 3 von Mohr erwähnte
                              Nachbleichen der Indigolösung anbetrifft, so habe ich auch darüber Versuche
                              angestellt. 50 K. C. Indigolösung, 10 K. C. Salzsäure und 1000 K. C. Wasser
                              verlangten übereinstimmend 24,5 K. C. Chlorkalklösung; derselbe Versuch genau
                              wiederholt und statt 24,5 nur 23,5 K. C. Chlorkalklösung zugegeben, blieb die
                              hellgrüne Flüssigkeit Tage lang unverändert und erforderte nach dieser Zeit noch den
                              ganzen fehlenden Kubikcentimeter derselben Chlorkalklösung zur vollkommenen
                              Entfärbung. Obwohl dieser Versuch die Mohr'sche Angabe
                              wohl entscheidend widerlegt, so ist es dennoch rathsam, gegen das Ende der Operation
                              die Chlorkalklösung nur sehr langsam zuzugeben, ja selbst kurze Zeit, 2–4
                              Minuten, zu warten, weil dann gleichsam die freigewordene unterchlorige Säure oder
                              Chlor den Farbstoff aufsuchen muß.
                           Das zweite Hauptmoment bei dieser neuen Werthbestimmung der Farbstoffe war die
                              Ermittelung und Feststellung, daß nur immer eine bestimmte und begrenzte Oxydation
                              der Farbstoffe stattfindet, mit anderen Worten, daß für ein und denselben Farbstoff
                              nur immer ein und dieselbe Oxydation eintritt, und daß kein Sauerstoff absorbirt
                              wird, um die schon einmal entstandenen farblosen Oxydationsstufen höher zu oxydiren
                              und ferner ebenso, daß die Oxydation des Farbstoffes auch vollständig erfolgt, wenn
                              die Lösung desselben mit einer bestimmten Quantität der Indigolösung vermischt
                              worden und letzterer durch Chlorkalk oder Chamäleon bis zum Verschwinden der letzten
                              Spur von Blau respective Grün versetzt wird.
                           Daß die eben erwähnte Voraussetzung sich auch wirklich bestätigt, wird aus folgenden
                              Analysen am deutlichsten hervorgehen:
                           
                              
                                 1.
                                 
                                 1000 K. C. Wasser, 25 K. C. Indigolösung, 10 K. C. Salzsäurebrauchten
                                    13,0 K. C. Chlorkalk.
                                 
                              
                                 2.
                                 
                                 1000 K. C. Wasser, 50 K. C. Indigolösung, 10 K. C. Salzsäurebrauchten
                                    26,0 K. C. Chlorkalk.
                                 
                              
                                 3.
                                 
                                 1000 K. C. Wasser, 25 K. C. Indigolösung, 10 K. C. Salzsäure,100 K.
                                    C. Cochenillelösung brauchten 22,5 K. C. Chlorkalk.
                                 
                              
                                 4.
                                 
                                 1000 K. C. Wasser, 50 K. C. Indigolösung, 10 K. C. Salzsäure,100 K.
                                    C. Cochenillelösung brauchten 35,5 K. C. Chlorkalk.
                                 
                              
                                 5.
                                 
                                    
                                    
                                 1000 K. C. Wasser, 10 K. C. Salzsäure, 100 K. C.
                                    Cochenillelösung  brauchten 9,5 K. C. Chlorkalk.25
                                    K. C. Indigolösung brauchten 13,0 K. C. Chlorkalk.
                                 
                              
                           
                           Aus diesen Resultaten geht zweierlei hervor: einmal, daß die Oxydation der
                              Cochenille, gemischt mit 25 K. C. der Indigolösung, eine vollständige war, denn im
                              entgegengesetzten Falle mußte die Oxydation der Cochenille, mit 50 K. C. der
                              Indigolösung gemischt, weiter gehen; die Versuche zeigen jedoch, daß in beiden
                              Fällen für die Oxydation der Cochenille nur 9,5 K. C. Chlorkalk verbraucht wurden.
                              – Beim Versuche 5 wurde Wasser, Salzsäure und Cochenille gemischt, dann unter
                              beständigem Umrühren langsam 9,5 K. C. Chlorkalk zugegeben, hierauf erst die 25 K.
                              C. Indigolösung, beim Titriren wurden dann wieder wie bei Nr. 1, wo nur Wasser
                              angewandt worden war, 13,0 K. C. Chlorkalklösung verbraucht. Zum Andern ergibt sich
                              daraus, daß die Oxydation eine bestimmte Grenze hat, genau angezeigt durch das
                              Verschwinden der blauen Farbe, denn mit viel oder wenig Indigo vermischt werden doch
                              nur immer genau 9,5 K. C. Chlorkalk zur Oxydation der Cochenille verwandt.
                           Was die Richtigkeit der Methode anbelangt, d.h. daß die verschiedenen erhaltenen
                              Titer auch den relativen Werth der gegen einander versuchten Farbstoffe
                              repräsentiren, so bürgen dafür die vollständigsten Analysen und sorgfältigsten
                              Vergleiche, von mir sowohl angestellt, als von anderen intelligenten Fabrikanten,
                              denen ich diese Methode mittheilte. Mit anderen Worten ist diese Methode eine wirkliche Maaßanalyse für die meisten Farbstoffe.
                           Ich habe Gelegenheit gehabt, die Methode in großem Maaßstabe auf Sumach, Cochenille
                              und Kreuzbeeren zu prüfen und dieselbe stets zuverlässig, ich möchte sagen
                              vorzüglich gefunden.
                           Meine Mittheilung dieses Titrirverfahrens an Hrn. Adolph Schlieper hat zur Folge gehabt, daß dieser Chemiker und Fabrikbesitzer
                              dieselbe jetzt ausschließlich zur Werthbestimmung des Sumachs anwendet,
                              Bestimmungen, die von demselben fast täglich auszuführen sind. Hr. Schlieper hat mir versichert, daß er meiner Methode vor
                              allen bis jetzt bekannten Prüfungsmethoden der gerbstoffhaltigen Körper den Vorzug
                              gebe, besonders was Genauigkeit und Schnelligkeit der Ausführung betreffe. Derselbe
                              nimmt dabei eine Auflösung von reiner Gerbsäure (Tannin) von bestimmtem und
                              bekanntem Gehalt als Normalflüssigkeit an, und vergleicht mit derselben die
                              verschiedenen Sumachproben, auf diese Weise in den Stand gesetzt, den vorhandenen
                              Gerbstoff selbst Procentweise zu ermitteln.
                           Das Ausziehen der Farbstoffe führe ich folgendermaßen aus:
                           Von Sumach nehme ich gewöhnlich 5 Grm., welche ich 1/2–3/4 Stunde mit circa 3/4 Liter Wasser auskoche, worauf alles zusammen
                              in eine Literflasche gespült und genau auf ein Liter gebracht wird. Die abgesetzte
                              klare Flüssigkeit wird dann zu den Versuchen herauspipettirt. Von Cochenille nehme ich 2 Grm.,
                              und zwar im ungemahlenen Zustande, ich koche dieselbe dreimal aus, zweimal eine
                              Stunde mit 3/4 Liter Wasser jedesmal und das letztemal mit 1/2 Liter nur 1/2 Stunde.
                              Das Kochen geschieht in einer großen Kochflasche, und es wird aus dem Grunde ganze
                              Cochenille der gemahlenen vorgezogen, weil letztere die Eigenthümlichkeit hat, sich
                              fest an die Wandungen des Kolbens anzulegen und anzutrocknen, wodurch dann leicht
                              Verlust, und Ungenauigkeit erfolgt, indem man nie sicher ist, die ganze Cochenille
                              ausgezogen zu haben. Sämmtliche Auszüge der Cochenille werden nach dem Erkalten ohne
                              abzudampfen auf ein bestimmtes Maaß gebracht, in der Regel auf 1500 K. C. –
                              Das Ausziehen der Kreuzbeeren und anderer Farbstoffe, geschieht auf ähnliche Weise
                              wie bei der Cochenille und dem Sumach.
                           Das Titriren ist sehr einfach und leicht aus den weiter oben angegebenen Bestimmungen
                              zu ersehen. Zuerst wird die Indigocarminlösung genau bestimmt. Man mischt sodann
                              50–100 K. C. der Indigolösung mit 3/4–1 Liter Wasser, setzt die genau
                              abgemessene Farbstofflösung, 10 K. C. Salzsäure oder Schwefelsäure, hinzu und
                              titrirt mit Chlorkalk oder Chamäleonlösung aus; es ist nur dabei zu beobachten, daß
                              Indigo und Farbstofflösung in den Mengenverhältnissen angewandt werden, daß die
                              Indigolösung circa das Doppelte an
                              Entfärbungsflüssigkeit erfordert, als die zu prüfende Farbstoffflüssigkeit. Das
                              Titriren selbst muß sehr langsam und unter beständigem Umrühren mit sehr verdünnten
                              Lösungen ausgeführt werden. Die Chlorkalk- und Chamäleonlösungen müssen
                              deßhalb schon sehr verdünnt seyn, um bei zwei Farbstoffproben, die sich an Qualität
                              sehr nahe stehen, noch hinreichende Unterschiede zu finden, wenigstens ganze
                              Kubikcentimeter, denn man darf nicht beliebig große Quantitäten der
                              Farbstoff- und Indiglösung nehmen, weil sonst die Flüssigkeit zu concentrirt
                              und dunkel gefärbt seyn würde, wodurch es schwierig werden würde, das Ende der
                              Reaction genau zu erkennen. Ich bediene mich zu meinen Versuchen eines Becherglases,
                              welches 1 Liter hält, und setze dasselbe in einen tiefen, recht weißen
                              Porzellanteller; wenn man nun von oben herunter durch die Flüssigkeit sieht, kann
                              man sehr scharf den Punkt festhalten, wo die letzte Spur von grünlichem Schimmer
                              einer reinen hellgelben Farbe Platz macht. Bedient man sich zum Titriren des
                              Chlorkalks, so ist es selbstredend, daß man sich nur einer frischbereiteten, klaren
                              und im Dunkeln aufbewahrten Flüssigkeit bedienen darf.
                           Da Fälle vorkommen können, bei welchen es wünschenswerth ist, eine höhere Temperatur
                              als die gewöhnliche anzuwenden, so habe ich auch in dieser Hinsicht den Chlorkalk
                              und das Chamäleon einer Prüfung unterworfen.
                           
                           Folgende Resultate wurden erhalten:
                           
                              
                                 Temperatur.
                                 Indigolösung.
                                 Wasser.
                                 Salzsäure.
                                 Chlorkalk.
                                 
                              
                                 16° R.
                                 50 K. C.
                                 1000 K. C.
                                 5 K. C.
                                   26,2 K. C.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                     
                                    „      „
                                 
                              
                                 36° R.
                                 „
                                 „
                                 „
                                   26,4    „
                                 
                              
                                 52° R.
                                 „
                                 „
                                 „
                                   28,4    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Chamäleon.
                                 
                              
                                 16° R.
                                 „
                                 „
                                 „
                                   31,2    „
                                 
                              
                                 36° R.
                                 „
                                 „
                                 „
                                   32,6    „
                                 
                              
                           Um diese Methode allgemein anwendbar zu machen, müßten für die verschiedenen in
                              Wasser unlöslichen oder schwerlöslichen Farbstoffe die geeigneten Lösungsmittel noch
                              gesucht werden, und zwar solche, welche sie befähigten, sich ohne Fällung mit der
                              angesäuerten Indigolösung zu mischen, und zwar könnten dieses nur solche
                              Lösungsmittel seyn, welche an und für sich indifferent gegen Chlorkalk und
                              Chamäleonlösung sind. Am meisten Schwierigkeiten bieten hier unstreitig der Krapp
                              und das Garancin, und in der That haben Versuche, Garancin mit kochender Alaunlösung
                              auszuziehen, um auf diese Weise den gelösten Farbstoff der Titriranalyse zu
                              unterwerfen, nicht zu befriedigenden Resultaten geführt.
                           Schließlich entsteht nun noch die Frage, ob Chamäleon und Chlorkalk gleich dienlich
                              für vorliegenden Zweck sind. In einer Beziehung gebe ich dem Chlorkalk entschieden
                              den Vorzug, denn werden zwei gleiche Quantitäten Indigolösung unter ganz gleichen
                              Verhältnissen, die eine mit Chlorkalk, die andere mit Chamäleon entfärbt,
                              gleichviel, ob das Ansäuern mit Salzsäure oder Schwefelsäure geschieht, so erhält
                              man immer mit Chlorkalk eine hellgelbe Flüssigkeit, während die Farbe bei Anwendung
                              des Chamäleons immer ins Rothe zieht, wodurch es immerhin etwas schwieriger wird,
                              das Ende der Reaction zu beobachten. Aus angeführtem Grunde würde dann wohl auch der
                              Chlorkalk bei der Indigoprüfung den Vorzug vor dem Chamäleon erhalten.
                           Ich zweifle nicht im Mindesten, daß meine Titrirmethode zur Bestimmung der
                              Farbholzextracte von großem Werthe seyn wird; denn bekanntlich entscheidet bei
                              denselben der Aräometergrad nicht über ihren Gehalt, indem derselbe häufig durch
                              Zusatz von Syrup und derartigen Körpern künstlich gesteigert wird.
                           Angestellte Versuche haben mir aber gezeigt, daß Honig und Zucker in der Quantität,
                              in der er bei derartigen Analysen überhaupt vorkommen kann, das heißt 2–3
                              Theile Zucker auf 1 Theil Farbholzextract, den Titer des Indigocarmins nicht
                              verändern.