| Titel: | Mittheilungen über die continuirlichen Destillationsöfen der Photogen- und Paraffin-Fabriken zu Thießen, Beuel und Wasiljewskoe; von R. Jacobi, Techniker in Hettstädt. | 
| Autor: | Robert Jacobi | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XLI., S. 150 | 
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                        XLI.
                        Mittheilungen über die continuirlichen
                           Destillationsöfen der Photogen- und Paraffin-Fabriken zu Thießen, Beuel
                           und Wasiljewskoe; von R. Jacobi,
                           Techniker in Hettstädt.
                        Jacobi, über die continuirlichen Destillationsöfen der
                           Photogen- und Paraffin-Fabriken zu Thießen etc.
                        
                     
                        
                           Nach Deutschland zurückgekehrt, finde ich im zweiten Juniheft 1860 (Bd. CLVI S. 463)
                              dieses Journals eine Notiz des Bauraths J. C. Heß in
                              Zeitz, welche mich zu folgenden Mittheilungen veranlaßt:
                           Nachdem ich meine Stellung als Techniker des anhaltischen Fabriken-Vereins für
                              chemische Producte in Roßlau aufgegeben und die Fabriken bei Thießen und Roßlau
                              verlassen hatte, konnte ich natürlich den Betrieb der Oefen in letzterer nicht mehr
                              persönlich leiten. Man muß nach meinem Abgange wohl nicht immer große Sorgfalt auf
                              die Heizung der Oefen verwendet haben, da es vorgekommen, daß
                                 die circa 32 Fuß über den Feuerungen der Oefen in
                                 die Schornsteine eingelegten Dachsparren in Brand geriethen, trotzdem sie durch
                                 10'' Mauerwerk und 2'' Luft von der Seele der Schornsteine getrennt waren.
                           Es kann nicht befremden, daß unter den Einflüssen einer solchen Beheizung schnell Reparaturfähigkeit der Retorten eintrat!
                           Der Torf aus den Lagern zwischen Thießen und Hundeluft, wie er dem Chemiker Thalwitzer und mir vor Errichtung der Fabrik Thießen zur
                              Untersuchung in einem VersuchsapparateDieser Versuchsapparat war eine stehende Retorte von 16 Fuß Höhe und 18''
                                    Weite; sie verarbeitete pro 24 Stunden
                                    16–18 Cntr. lufttrockenen Torf. nach Roßlau überliefert wurde, ergab durchschnittlich 5,5 Proc. Theer bei
                              8–10 Proc. Aschengehalt – ein Resultat, welches bei dem großen
                              Ammoniakgehalt der Destillationsproducte wohl zur Anlage der Fabrik berechtigte. Der
                              Torf variirte jedoch in seinen Lagerungen so sehr, daß der Theergehalt der
                              vorherrschenden Sorten nur 2–3 1/2 Proc. bei 20–35 Proc. Asche betrug.
                              Es ist erklärlich, daß dabei trotz des Ammoniakreichthums die Rentabilität der
                              Anlage fraglich wurde.
                           Mittheilungen competenter Personen bestätigen übrigens, daß der vorhandene Torf
                              überhaupt noch höchstens 3 Jahre für den Fabrikbetrieb ausgereicht hätte –
                              Grund genug, die beschädigten Retorten nicht zu repariren und lieber vom
                              Weiterbetriebe der Fabrik abzustehen.
                           
                           Der ursprüngliche Betrieb der Oefen ließ manches zu wünschen übrig; die wesentlichen
                              Fehler wurden jedoch allmählich beseitigt, und die Oefen arbeiteten dann
                              zufriedenstellend, wenn auch nicht tadellos. Wiederholte Ermittelungen competenter
                              Commissionen berechtigen mich zu der Behauptung, daß die Fabrik bei quantitativ und
                              qualitativ genügendem Torfe (von nur 4 Proc. Theergehalt) und bei hinreichenden
                              Betriebsfonds ein besseres Geschäft gemacht haben würde, als man bei der Mehrzahl
                              älterer und neuerer gleicher Etablissements leider – gewohnt geworden.
                           In wie weit die Arbeit der Thießener Oefen auf die Bezeichnung
                              „zufriedenstellend“ Anspruch machen durfte, will ich nicht
                              näher bestimmen. Es sey mir aber gestattet, unter Hinweis auf die Verhältnisse
                              anderer Destillationssysteme in Bezug der Leistungsfähigkeit, des
                              Brennmaterialconsums und der Theerausbeute hervorzuheben, daß die Thießener Fabrik
                              mit 2 Oefen a 11 Retorten pro 24 Stunden bequem 450–500 Cntr. lufttrockenen Torf
                              verarbeitete, daß von den resultirenden Torfkohks nur 2/3 zur Heizung der Oefen
                              aufgewendet werden mußten, und daß die Ausbeute an Theer bei schlechtem Torf um 1/2
                              Proc., bei gutem Torf aber um höchstens 1 Proc. geringer war, als der Theergehalt
                              durch Thalwitzers Analysen gefunden wurde. Es dürften
                              noch heute viele Fabriken bestehen, welche sich bei annähernd gleicher Leistung
                              ihrer Apparate eines so günstigen Verhältnisses zwischen Betriebsresultat und
                              Analyse nicht erfreuen.
                           Bei allen hierhergehörigen Mittheilungen hat man sich bisher darauf beschränkt, die
                              Resultate entweder der Analyse oder des Fabrikbetriebes allein zu veröffentlichen;
                              es wäre jedoch wünschenswerth, die Resultate beider in Zusammenstellung
                              mitzutheilen, da nur hiernach der Werth oder Unwerth jeder besonderen
                              Destillationsmethode bemessen werden kann.
                           ––––––––––
                           Die HHrn. A. Wiesmann u. Comp.
                              in Bonn (Augustenhütte bei Beuel a. Rh.) nahmen Gelegenheit, den Betrieb der Oefen
                              in Thießen kennen zu lernen, und sandten dann eine Ladung ihres Rohmateriales
                              (Blätterkohle von Rott) nach Roßlau zur Verarbeitung mit dem dortigen Apparate. Es
                              wurden bei circa 50 Ctr. Verarbeitung grubenfeuchter
                              Kohle von circa. 33 Proc. Wassergehalt 12,72 Proc.Die Analyse hatte nach den Mittheilungen der HHrn. Wiesmann 15 Proc. Theer ergeben. Der Versuchsapparat hätte danach
                                    mit nur 2,28 Proc. Verlust gearbeitet. Theer gewonnen. In Folge dessen wurde mir die Ausführung eines Ofens von 4
                              Retorten von Genannten
                              übertragen, und derselbe kam im März dieses Jahres auf der Augustenhütte in
                              Betrieb.
                           In Folge der Beschaffenheit des Rohmateriales erschienen Aenderungen in der
                              Construction der Retorten nothwendig, welche jedoch dem eigenthümlichen Verhalten
                              desselben bei der Destillation nicht entsprachen. Es gelang nicht, das in Roßlau
                              erzielte Resultat zu erreichen. Der Ofen lieferte nur ausnahmsweise 9,
                              durchschnittlich aber nur 7 Proc. Theer aus ebenfalls grubenfeuchter Kohle mit circa 35 Proc. Wasser.Der Durchschnittsgehalt der grubenfeuchten Kohle stellte sich nach 23 von mir
                                    ausgeführten Untersuchungen auf: Rückstand 43,16 Proc.; Wasser 33,11 Proc.;
                                    Theer 15,23 Proc.; Gas 7,78 Proc.; Verlust 0,72 Proc.
                              
                           Leider wurde mir nicht genügende Zeit vergönnt, den Betrieb des Ofens in seiner
                              ursprünglichen Gestalt weiter verfolgen und studiren zu können. Das gewählte System
                              der Ableitung von Dampf und Gas wurde aufgegeben und durch ein anderes ersetzt,
                              wodurch Einrichtungen nothwendig wurden, die zu dem Beibehaltenen in
                              Mißverhältnissen standen; und die Resultate dieser, wie aller dann später noch
                              vorgenommenen Aenderungen fielen nicht günstiger aus. Grubenfeuchte Kohlen mit circa 35 Proc. Wasser ergaben circa 7 Proc. Theer, eine Ausbeute, die mit den Resultaten der jetzt im
                              Betriebe befindlichen liegenden Retorten, wie auch mit denen der unter Dr. H. Vohl's und P. Wagenmann's Leitung früher betriebenen, genau
                              übereinstimmt.
                           Eine eigenthümliche Reihe analoger Erscheinungen begleitete trotz aller Aenderungen
                              die Arbeiten des Ofens; sie werden bei dem jetzt erfolgenden Umbau dem Principe
                              dienstbar gemacht, und ich werde seiner Zeit die Erfolge in diesem Journal
                              mittheilen.
                           ––––––––––
                           Nachdem der Hofrath W. Schmidt aus St. Petersburg im
                              Winter 1859 im Auftrage der Petersburger Actiengesellschaft für Torfdestillation die
                              bedeutenderen Fabriken Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Englands besucht
                              hatte, besuchte er auch die Fabrik Thießen, lernte den Betrieb und die Resultate der
                              dortigen Oefen kennen, und schloß darauf mit dem anhaltischen
                              Fabriken-Vereine (dem Inhaber des Patents) einen Vertrag wegen Ueberlassung
                              der Oefen für Rußland.
                           Mit der Einrichtung der betreffenden Fabrik wurde ich beauftragt. Dieselbe befindet
                              sich 2 Meilen von Twer bei dem Dorfe Wasiljewskoe. Der zu verarbeitende Torf ist in
                              reichlichstem Maaße vorhanden, und bietet der beachtenswerten Erscheinungen so viele, daß ich
                              später hier auf denselben specieller eingehen werde. Die Fabrik enthält 2 Oefen mit
                              je 9 Retorten und soll pro 24 Stunden 400 Cntr.
                              lufttrockenen Torf verarbeiten. Nach ihrer Vollendung werde ich die
                              Betriebsresultate in diesem Journale ebenfalls veröffentlichen.
                           Berlin, im November 1860.