| Titel: | Ueber Reproduction von Stahl- und Kupferstichen auf chemischem Wege; von Prof. Böttger. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LV., S. 216 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LV.
                        Ueber Reproduction von Stahl- und
                           Kupferstichen auf chemischem Wege; von Prof. Böttger.
                        Aus Böttger's
                              				    polytechnischem Notizblatt, 1861, Nr.
                              1.
                        Böttger, über Reproduction von Stahl- und Kupferstichen auf
                           chemischem Wege.
                        
                     
                        
                           Schon im Jahre 1848, wo ich mit Versuchen beschäftigt war, um das verschiedene
                              Verhalten gewisser Kohlenarten zu Salzsolutionen, insbesondere zu Auflösungen von
                              Jodmetallen zu ermitteln, machte ich die Beobachtung, daß das aus Ruß bestehende
                              Pigment der Buchdruck- und Steindruckfarbe in seinem Verhalten zu Jodcadmium
                              und Jodkalium sich wesentlich anders verhalte, als das aus sogenanntem „Frankfurter
                                 Schwarz“ bestehende Pigment der Kupferdruckfarbe. Dieß gab
                              Veranlassung zu einer interessanten, am 19. Februar des genannten Jahres von mir
                              gemachten Entdeckung, nämlich zu einer Art chemischer Reproduction von Stahl-
                              und Kupferstichen, über welche ich mich zwar seit jener Zeit schon mehrfach gegen
                              Collegen und Freunde geäußert, von der ich aber bis jetzt noch nichts
                              Ausführlicheres in die Oeffentlichkeit habe gelangen lassen, und zwar deßhalb nicht,
                              weil ich immer hoffte, das Verfahren sey einer solchen Vervollkommnung fähig, daß es
                              vielleicht noch der Photographie möchte ebenbürtig an die Seite gestellt werden
                              können. Da es mir aber bis jetzt, trotz unzähliger Versuche, noch nicht hat gelingen
                              wollen, solche auf chemischem Wege erzeugten Reproductionen von Kupfer- und
                              Stahlstichen für die Dauer zu fixiren, so dürfte
                              vielleicht der Eine oder der Andere durch die gegenwärtige Publication meiner bis
                              dahin gesammelten Erfahrungen, sich veranlaßt sehen, diesen, besonders in
                              artistischer Beziehung nicht ganz unwichtigen Gegenstand weiter experimentell zu
                              verfolgen.
                           Um einen Stahl- oder Kupferstich, ohne alle Besorgniß vor Gefahr einer
                              Beschädigung, auf chemischem Wege zu reproduciren, schütte man in eine Cassette,
                              etwa einen Zoll hoch, außerordentlich verdünnte Schwefelsäure in der man etwas
                              Jodcadmium auflöst, und lege dann in diese Flüssigkeit den zu copirenden Kupferstich
                              ein, so daß derselbe gänzlich von der Flüssigkeit bedeckt und durchdrungen wird und
                              lasse ihn hier etwa 5 Minuten lang liegen. Am zweckmäßigsten habe ich es gefunden,
                              1/2 Unze reine concentrirte Schwefelsäure mit 3 Pfund destillirtem Wasser zu
                              verdünnen, und in je 6 Unzen dieser verdünnten Schwefelsäure 6 Gran Jodcadmium
                              aufzulösen. In Ermangelung von Jodcadmium kann man sich auch des reinen Jodkaliums
                              bedienen. Hierauf lege man den stark durchfeuchteten Kupferstich auf eine mit weißem
                              Fließpapier bedeckte Glastafel, entferne durch Betupfen mit einem Bäuschchen
                              Fließpapiers alle überschüssige Flüssigkeit von demselben, so daß der Kupferstich
                              nur eben noch schwach feucht erscheint, lege ihn dann direct auf weißes
                              Schreibpapier, am besten auf das in seiner Textur sehr gleichförmige Papier der
                              Photographen, schiebe Beides zwischen mehrfache Lagen weißen Fließpapiers und setze
                              das Ganze in einer gewöhnlichen Briefcopirpresse etwa 5 bis 10 Minuten lang einer
                              starken kräftigen Pressung aus. Man erhält auf diese Weise, je nach der kürzer oder
                              länger andauernden Pressung, einen röthlichen, schwachblauen oder dunkelblauen
                              Abdruck von einer so außerordentlichen Schärfe und Reinheit, wie man ihn vielleicht
                              außerdem nur auf photographischem Wege zu erhalten im Stande seyn dürfte.
                           
                           Da nämlich einer schon im Jahr 1845 von mir gemachten Beobachtung zufolgeMan vergleiche hierüber das 3. Heft meiner „Beiträge zur Physik und Chemie.“ Frankfurt a. M.
                                    1846, S. 77. fast alle gegenwärtig im Handel vorkommenden feinen weißen
                              Maschinenschreibpapiere, statt mit thierischem Leim, mehr oder weniger mit Stärkmehl appretirt sind, und der Farbstoff der
                              Kupfer- und Stahlstiche wie gesagt aus sogenanntem „Frankfurter
                                 Schwarz,“ d.h.
                           aus mit Kalk-, Eisen- und Magnesiasalzen verunreinigter Kohle besteht,
                              welche, wie Besnou nachgewiesen, auf Jodmetalle einen
                              reducirenden Einfluß ausüben,Man vergleiche Journal für praktische Chemie Bd. LIV S. 127. so ist die natürliche Folge, daß sämmtliche schwarze Farbentöne eines
                              Kupferstichs auf dem mit Stärkmehl appretirten Schreibpapiere entsprechende blaue,
                              aus Jodamylon bestehende Farbentöne erzeugen, während
                              alle weißen, unbedruckten Stellen des Kupferstichs das Schreibpapier unverändert
                              lassen.
                           Einen so mit Jodcadmium haltiger Schwefelsäure imprägnirten Kupferstich kann man,
                              nach erfolgtem Abdruck, recht gut noch einmal zum Copiren
                              benutzen, ohne nöthig zu haben, ihn von neuem wieder in das Säurebad einzulegen. Hat
                              ein vielleicht schon oftmals zu einer solchen Procedur gedienter Kupferstich, in
                              Folge mehrfacher Berührung mit den blau gefärbten Copien, sich etwas gefärbt oder
                              bläuliche Flecken bekommen, oder wünscht man ihn nicht ferner als Matrize zu
                              gebrauchen, so thut man gut, ihn in Wasser, dem etwas Aetzammoniakflüssigkeit
                              beigemischt ist, eine Zeit lang liegen zu lassen, hierauf mit reinem Wasser
                              abzuwaschen und dann zu trocknen. – Auf gleiche Weise wie Stahl- und
                              Kupferstiche, läßt sich auch mit gewöhnlicher Galläpfel-Tinte Geschriebenes, und zwar
                              eine noch so alte Handschrift der Art, mit Leichtigkeit reproduciren, während Letterndruck und lithographische
                                 Drucksachen auf diese Weise sich nicht copiren
                              lassen. Das gallus- und gerbsaure Eisenoxyd in der Tinte erweist sich sonach
                              ebenfalls als wirksames Reductionsmittel für Jodcadmium, während der in der Farbe
                              der Buch- und Steindrucker als Pigment dienende Ruß sich als völlig unwirksam
                              in dieser Hinsicht erweist.
                           Obwohl nun die auf die angegebene Weise erzielten Copien außerordentlich scharf und
                              anfangs intensiv blau erscheinen, so sieht man sie dennoch leider in kurzer Zeit,
                              oft schon nach wenigen Tagen verblassen und endlich fast ganz verschwinden. Wie
                              vielfach ich auch bemüht gewesen, sie auf irgend eine Weise, theils durch chemische,
                              theils durch mechanische Mittel, wie dünne Ueberzüge von Wachs, Stearinsäure, Harze aller Art u.s.w., vor
                              ihrem gänzlichen Untergange zu schützen, so haben sich doch bis jetzt alle
                              derartigen Mittel als völlig unwirksam gezeigt. Nur wenn man sich statt des mit
                              Stärkemehl appretirten Schreibpapiers, der sogenannten Copirleinwand bedient, erhält man Copien, welche sich Jahre lang ziemlich
                              unverändert, immer aber etwas abgeblaßt, aufbewahren lassen.
                           Schließlich kann ich nicht unterlassen, an alle Diejenigen, welche durch meine hier
                              mitgetheilten Erfahrungen sich veranlaßt sehen sollten, weitere Forschungen in
                              letzterer Beziehung anzustellen, die Bitte zu richten, ihre deßfallsigen Ergebnisse
                              unverweilt der Oeffentlichkeit übergeben zu wollen.