| Titel: | Ueber die Anwendung des in den Chininfabriken als werthloses Nebenproduct gewonnenen Cinchonins zur Darstellung eines purpurnen und eines blauen in Alkohol löslichen Farbstoffs; von C. Greville Williams. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXI., S. 230 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXI.
                        Ueber die Anwendung des in den Chininfabriken als
                           werthloses Nebenproduct gewonnenen Cinchonins zur Darstellung eines purpurnen und eines
                           blauen in Alkohol löslichen Farbstoffs; von C. Greville Williams.
                        Aus den Chemical News, 1860, Nr. 46.
                        Williams, über die Anwendung des Cinchonins zur Darstellung eines
                           purpurnen und eines blauen Farbstoffs.
                        
                     
                        
                           Man hat sich in der letzten Zeit sehr bemüht, durch Zusatz von Blau zu den unter dem
                              Namen Magentaroth, Fuchsin etc. bekannten rothen Anilinfarben Purpur
                              hervorzubringen, und einen gewissen Erfolg auf die Art erzielt, daß man Indigocarmin
                              mit Magentaroth zusammen auf wollene Zeuge druckt. Dieses Verfahren ist aber von
                              beschränkter Anwendbarkeit, weil der Indigo in dem Lösungsmittel des Magentaroths,
                              nämlich in Alkohol nicht aufgelöst werden kann. Ich habe endlich gefunden, daß man
                              einen in Alkohol löslichen blauen Farbstoff in großer Quantität aus Cinchonin
                              darstellen kann, oder vielmehr aus Chinolin, welches man durch Destillation des
                              Cinchonins mit caustischem Kali oder Natron gewinnt. Seitdem ich mir dieses
                              Verfahren patentiren ließ (man s. die Patentbeschreibung im polytechn. Journal Bd. CLV S. 208), habe ich es noch wesentlich
                              verbessert, so daß es nicht zu kostspielig und mit Vortheil technisch ausführbar
                              ist. Man kann das Cinchonin, welches fast keine Anwendung findet und in manchen
                              Chininfabriken sich konnenweise angesammelt hat, mit Vortheil zur Bereitung blauer
                              und purpurner Farbstoffe anwenden, so lange sein Preis 8 bis 10 Shilling per Pfund nicht übersteigt.
                           Die Quantität von rohem Chinolin, welche das Cinchonin liefert, ist viel größer, als
                              man gewöhnlich annimmt, und überdieß ist die Ausbeute an Farbstoff aus dem Chinolin
                              sehr groß, was davon herrührt, daß Amyl (C¹⁰H¹¹) mit in
                              die Verbindung eintritt und dieses ein hohes Atomgewicht hat. Man könnte glauben,
                              daß Jodamyl zu theuer sey, um bei der technischen Erzeugung der Farbstoffe verwendet
                              zu werden, dieß ist aber durchaus nicht der Fall, wenn das Jod wiedergewonnen wird,
                              was leicht zu erreichen ist, wenn man die zweite der unten angegebenen Methoden
                              befolgt. Uebrigens wird das Jodamyl wahrscheinlich bald durch das wohlfeilere
                              schwefelsaure Amyloxyd oder Chloramyl ersetzt werden.
                           Um den purpurblauen Farbstoff zu bereiten, kocht man 1
                              Gewichtstheil Chinolin 10 Minuten lang mit 1/2 Th. Jodamyl. Die anfangs strohfarbene Mischung wird dabei
                              dunkel röthlichbraun und gesteht beim Erkalten zu einer Masse von Krystallen. Dieses
                              Product der Reaction wird 10 Minuten lang mit etwa 6 Th. Wasser gekocht, worauf man,
                              nachdem die Lösung erfolgt ist, durch Papier filtrirt. Die filtrirte Flüssigkeit
                              wird in einem emaillirten eisernen Kessel über schwachem Feuer gelinde gekocht und
                              nach und nach mit Ammoniak im Ueberschuß versetzt. Das Kochen kann mit Vortheil eine
                              Stunde lang fortgesetzt werden, indem man das verdampfte Wasser von Zeit zu Zeit
                              durch schwache Ammoniaklösung ersetzt, die man der Flüssigkeit hinzufügt; diese
                              Ammoniaklösung bereitet man aus gleichen Volumen Ammoniak von 0,880 spec. Gewicht
                              und destillirtem Wasser. Nachdem das Kochen eine Stunde lang gedauert hat, läßt man
                              die Flüssigkeit erkalten, wobei der Farbstoff sich fast vollständig niederschlägt,
                              so daß die Flüssigkeit fast farblos wird. Indem man letztere ausgießt (am besten
                              durch ein Filter, um Theile des Farbstoffs, die mit fortgerissen werden,
                              zurückzuhalten), bleibt in dem Kessel eine Masse von harzartigem Ansehen zurück,
                              welche sich in Alkohol leicht auflöst und dabei eine Flüssigkeit von reicher
                              purpurblauer Farbe liefert. Diese Flüssigkeit wird filtrirt und zum Gebrauch
                              aufbewahrt.
                           Wenn man nicht ein Purpurblau, sondern ein reineres Blau
                              haben will, wendet man folgendes Verfahren an. Die filtrirte wässerige Lösung von
                              jodwasserstoffsaurem Amyl-Chinolin wird wie zuvor zum Kochen erhitzt, aber
                              statt mit Ammoniak, mit einer Lösung von caustischem Kali versetzt, welche etwa 1/5
                              ihres Gewichts festes Kali enthält. Die Kalilösung wird nach und nach portionenweise
                              eingegossen, bis 3/4 so viel Kali, als dem in dem angewendeten Jodamyl enthaltenen
                              Jod äquivalent ist, zugefügt wurde. Die Flüssigkeit wird nach 1/4stündigem Kochen
                              zur Abscheidung des harzigen Farbstoffs filtrirt. Das Product ist ein prächtiges
                              Blau, welches kaum ins Röthliche sticht. Indem man der filtrirten Flüssigkeit,
                              während dieselbe gelinde kocht, das letzte Viertel des Kalis hinzufügt, wird eine
                              schwarze Masse niedergeschlagen, welche alles Roth enthält und sonst dem Blau
                              beigemischt geblieben wäre. Diese Masse löst sich leicht in Alkohol und bildet damit
                              eine Flüssigkeit von prächtiger Purpurfarbe, worin aber ein Ueberschuß von Roth ist.
                              Die alkoholische Lösung läßt beim Filtriren eine dunkle Masse zurück, welche sich in
                              Benzin zu einer schönen smaragdgrünen Flüssigkeit auflöst. Dieser grüne Farbstoff
                              ist nicht immer leicht zu erhalten, aber die Erzeugung des blauen und purpurnen
                              Farbstoffes ist mir nie mißlungen.
                           Hinsichtlich der Ausbeute habe ich bei meinen letzten Versuchen Folgendes gefunden:
                              Das Cinchonin liefert, mit einem Ueberschuß von caustischem Natron destillirt,
                              beiläufig 65 Proc. rohes Chinolin, welches außer dieser Basis Lepidin, Kryptidin
                              und noch andere mit Chinolin homologe Verbindungen, außerdem aber Pyrrol und mehrere
                              mit der Pyridinreihe isomerische Basen enthält. Das überdestillirte Wasser enthält
                              Ammoniak und die löslicheren Basen der letzteren Art. Alles Destillat, welches bei
                              der Rectification von 216 oder 226° C. an bis zu dem höchsten Grad des
                              Quecksilberthermometers hinauf übergeht, ist zur Darstellung der Farbstoffe
                              verwendbar. 1 Theil des so erhaltenen Gemenges von Basen und 1 1/2 Thl. Jodamyl
                              geben 23 Thle. blaue Farbe, welche 4 Proc. festen Farbstoff enthält. 1 Volum
                              Magentaroth von der Stärke wie es gewöhnlich im Handel vorkommt und 2 Volume
                              Chinolinblau liefern einen schönen, ins Blaue stechenden Purpur. Von dem
                              Magentafarbstoff kann man aber in manchen Fällen verhältnißmäßig mehr anwenden. Die
                              Farbe auf Wolle oder Seide wird durch Seife nicht verändert.