| Titel: | Clay's rückwärts zu ladende Kanone. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXIX., S. 253 | 
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                        LXIX.
                        Clay's rückwärts zu ladende Kanone.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, October 1860, S.
                              241.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. V.
                        Clay's rückwärts zu ladende Kanone.
                        
                     
                        
                           Fig. 1 stellt
                              nach einer Photographie in perspectivischer Ansicht eine Kanone dar, wie solche W.
                              Clay (Mersey Stahl- und Eisenwerk) in
                              Liverpool gegenwärtig für die russische Regierung, so wie für die Regierung der
                              Vereinigten Staaten anfertigt. Das Laden dieser Kanone von hinten wird auf folgende
                              Weise bewerkstelligt. Das Geschütz besitzt hinten an seiner unteren Seite eine
                              Hervorragung, in welche eine mit Schraubengängen versehene Vertiefung von weit
                              größerem Durchmesser, als die Seele des Geschützes, gebohrt ist. Die Mitte dieser
                              Vertiefung liegt bedeutend tiefer als die Achse der Seele. In dieselbe wird ein
                              cylindrischer Block oder ein Schwanzstück geschraubt, welches die Seele des
                              Geschützes verschließt. Dieses Verschlußstück ist jedoch mit einer cylindrischen
                              Höhlung versehen, welche beim Zurückdrehen der Schwanzschraube um einen Theil einer
                              Umdrehung genau in die Richtung der Seele zu liegen kommt, so daß nun die Ladung in
                              das Rohr geschoben werden kann. In der Abbildung ist das Verschlußstück in einer
                              solchen Lage dargestellt, daß die Ladung frei in das Rohr eingeführt werden kann.
                              Ist dieses geschehen, so entfernt man durch Drehung der Handhabe das Loch des
                              Verschlußstückes von der Seele des Geschützes, und das letztere ist auf diese Weise
                              wirksam
                              verschlossen. Bei näherer Betrachtung der Abbildung bemerkt man rechts an dem Ende
                              des Geschützrohrs einen Pflock, welcher den Zweck hat, der Bewegung der Handhabe
                              eine Grenze zu setzen. Dieser Pflock läßt sich durch Lösung einer Daumenschraube
                              entfernen, wenn man das Verschlußstück zum Behuf der Reinigung der inneren Theile
                              ganz herausschrauben will.
                           Es liegt nicht in unserer Absicht, in die einzelnen Details dieses Geschützes
                              einzugehen. Wir bemerken indessen, daß dasselbe mittelst eines für Hrn. Clay kürzlich patentirten Walzprocesses angefertigt wird,
                              der den Erfinder in den Stand setzt, Kanonen mit einem verhältnißmäßig sehr geringen
                              Kostenaufwands anzufertigen. Die Laffette besteht aus Merseystahl. Das Rohr ruht mit
                              seinen Schildzapfen, welche mit einem um dasselbe geschweißten Bande aus einem
                              Stücke bestehen, in einem starken mit der Laffette verbundenen Lager. Dieses Lager
                              ist mit einem Arm versehen, welcher sich rückwärts erstreckt und auf einem an die
                              Laffette befestigten Träger ruht. Das Ende des Arms ist mit einem Schlitz versehen,
                              durch welchen die in der Abbildung nicht sichtbare Spitze eines Bolzens tritt,
                              dessen innerhalb des Trägers befindlicher Kopf mit einer Transversalschraube
                              versehen ist, welche durch ein Handrad in Thätigkeit gesetzt wird. Durch Drehung
                              dieses Rades kann das Geschütz mit der größten Genauigkeit gerichtet werden. Die
                              Elevationsschraube befindet sich oberhalb jenes Arms; sie tritt unten in eine mit
                              Handhaben versehene Schraubenmutter, und enthält an ihrem oberen Ende ein Lager,
                              welches das hintere Ende des Geschützes aufnimmt. Diese Einrichtung zur Elevation
                              und seitlichen Richtung des Rohrs ist eben so wirksam als elegant.
                           Was die Leistungen der Clay'schen Kanone anbelangt, so ist
                              unter anderem zu bemerken, daß dieselbe nicht weniger als 19mal per Minute abgefeuert werden kann.
                           
                        
                           Nachschrift.
                           Der Verschluß des vorstehend beschriebenen Systemes gestattet ein so rasches Laden,
                              wie es bisher noch bei keinem andern erreicht wurde. Die Visireinrichtung dieser
                              Kanone ist zum Schießen auf große Entfernungen sehr zweckmäßig und elegant.
                           Die bisherigen Erfahrungen im Schießen mit gezogenen Kanonen haben jedoch dargethan,
                              daß die Züge der Rohre nach jedem einzelnen Schusse von dem Pulverrückstande gut
                              gereinigt werden müssen, wenn man sich eines gleichmäßigen Treffens vergewissern
                              will. Diese Arbeit ist aber umständlich und zeitraubend, und läßt folglich ein
                              schnelles Schießen nicht
                              zu. Constructionen, welche ein so rasches Feuern wie das vorliegende System
                              gestatten, empfehlen sich mehr zur Anwendung für glatte Kanonenrohre, weil durch
                              sie, in Feindes Nähe, ein fünfmal schnelleres Kartätschen-Feuer ermöglicht
                              werden könnte, als dieses mit den bisherigen der Fall ist.
                           Die Anwendung des Schmiedeeisens und des Stahls statt des Holzes an diesen Laffetten
                              scheint dem längst gefühlten Bedürfniß in gelungener Weise abzuhelfen und ist sehr
                              beachtenswerth.
                           P. Weiß,                königl.
                              bayer. Artillerie-Hauptmann.
                           
                        
                     
                  
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