| Titel: | Löthen mit Cyankalium; von Dr. August Vogel jun. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXXXII., S. 299 | 
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                        LXXXII.
                        Löthen mit Cyankalium; von Dr. August Vogel
                           jun.
                        Vogel, über das Löthen mit Cyankalium.
                        
                     
                        
                           Es ist beim Löthen bekanntlich sehr wesentlich, daß die zu löthenden Metalle eine
                              rein metallische Oberfläche behalten, um im schmelzenden Zustande der Adhäsion
                              folgen zu können. Zum Schutze der Löthstelle gegen die Oxydation durch die
                              hinzutretende Luft trägt man daher gewöhnlich nebst dem Lothe verschiedene
                              dickflüssige Substanzen auf, welche einer Decke gleich die Löthfuge nebst deren
                              Umgebung überziehen und so den oxydirenden Zutritt der Luft abhalten. Die Wirkung
                              dieser Substanzen ist aber nicht nur eine deckende, sondern gleichzeitig eine
                              reducirende. Die Praxis sucht diesen beiden theoretischen Punkten in der Wahl der
                              hiezu verwendeten Körper zu entsprechen und zwar gebraucht man zum Weichlöthen
                              gewöhnlich Colophonium, Terpenthin, Baumöl, Baumöl mit Salmiakpulver gemengt, eine
                              zusammengeschmolzene Mischung von Talg und Colophonium mit eingerührtem
                              Salmiakpulver, oder eine höchst concentrirte Auflösung von Chlorzink; beim
                              Hartlöthen wendet man Borax an oder das zusammengeschmolzene Gemenge aus Borax, Potasche und
                              Kochsalz, beim Löthen eiserner Gegenstände wohl auch gestoßenes grünes Glas.
                           Man erkennt, daß die hier angeführten Substanzen den beiden theoretischen Bedingungen
                              der Löthung, Abhaltung der atmosphärischen Luft und Desoxydation, mehr oder minder
                              zu entsprechen im Stande sind. Am besten müßte natürlich ein Körper in dieser
                              Hinsicht wirken, welcher diese beiden Momente möglichst vollständig in sich
                              vereinigt. Nach zahlreichen Versuchen glaube ich in dem Cyankalium, bekanntlich seit langer Zeit schon allgemein im Handel
                              vorkommend, ein solches Mittel gefunden zu haben, welches die beim Löthen
                              eintretenden Erfordernisse vorzugsweise erfüllt. Einmal schmilzt das Cyankalium sehr
                              leicht und überzieht die Löthstelle mit einer schützenden Decke, dann aber ist es
                              bekanntlich das kräftigste Reductionsmittel, auf welcher Eigenschaft ja dessen
                              zahlreiche Anwendungen in der Technik und namentlich in der analytischen Chemie
                              beruhen.
                           Die Anwendung des Cyankaliums ist besonders bei solchen Löthungen vortheilhaft, wo
                              die Löthstellen zu einer vorausgehenden vollständigen Reinigung nicht gehörig
                              zugänglich sind. Bleibt nun an solchen Stellen etwas Rost sitzen, so ist die Löthung
                              namentlich bei Gegenständen die keine höhere Temperatur ertragen, mit den
                              gewöhnlichen Mitteln, die keine so energische Reductionskraft haben, sehr schwierig
                              und unter Umständen bisweilen unmöglich. Das Cyankalium aber vermöge seiner
                              außerordentlichen Reductionsthätigkeit desoxydirt die dem Anfließen im Wege stehende
                              Oxydationsschichte, so daß die Löthung nun vollständig von statten geht.
                           Das Verfahren der Löthung mit Cyankalium ist ganz dasselbe wie mit Borax. Man hält
                              das Cyankalium im gepulverten Zustande in einem wohlverschlossenen Glase vorräthig
                              und streut es auf die schwach benetzte Stelle. In bestimmten Fällen bei sehr harten
                              Löthungen, die der Praktiker leicht herausfindet, wird es geeignet seyn, ein Gemenge
                              aus Borax und Cyankalium anzuwenden, um einerseits durch diesen Zusatz zum Borax
                              dessen an sich nur geringe reducirende Kraft zu unterstützen, andererseits das
                              Verflüchtigen des Cyankaliums zu verringern.
                           Als ein Vorzug der Löthung mit Cyankalium ist noch anzuführen, daß sich hiebei
                              natürlich keine oxydirenden, die Werkzeuge angreifenden Dämpfe entwickeln, wie dieß
                              bei den Löthungen mit Chlorzink bekanntlich sehr störend der Fall ist.