| Titel: | Neue Methode zur Prüfung der Seife auf ihren Handelswerth; von Dr. Buchner in Gießen. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXXXV., S. 307 | 
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                        LXXXV.
                        Neue Methode zur Prüfung der Seife auf ihren
                           Handelswerth; von Dr. Buchner in Gießen.
                        Aus dem Gewerbeblatt für das Großherz. Hessen, 1860 S.
                              266.
                        Buchner's Methode zur Prüfung der Seife auf ihren
                           Handelswerth.
                        
                     
                        
                           In keinem Verbrauchsgegenstand ist eine größere Täuschung möglich, als bei der Seife.
                              Der Fabrikant kann, je nach der Natur des Fettes, das er benutzte, mehr oder weniger
                              Wasser der Seife einverleiben und diese Wassermenge unter Umständen in kaum
                              glaublichem Maaße steigern. Er verkauft dann das Wasser mit als Seife, und das
                              Publicum, das thörichterweise allermeist der Billigkeit nachgeht, kauft auch ein
                              derartiges Product, ja es zwingt selbst manchen sonst gewissenhaften Fabrikanten, um
                              concurriren zu können, zu solchen Hülfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen. Aber nicht
                              Wasser allein, auch Lauge und Salze aller Art, selbst Sand und dergl. werden der
                              Seife zugesetzt, um ihr Gewicht zu vermehren, so daß der absichtlichen oder nicht
                              absichtlichen Täuschung Thür und Thor geöffnet ist.
                           Kein Wunder, daß man nach Mitteln suchte, um den wahren, den Handelswerth der Seife
                              zu bestimmen. Vorschläge wurden gemacht und Anweisungen gegeben:
                           
                           1) von Dr. Heeren (polytechn.
                              Journal Bd. CXXXVII S. 310);
                           2) von Caillotet (polytechn. Centralblatt 1855, S.
                              667);
                           3) von Dr. Bolley (polytechn.
                              Journal Bd. CXXV S. 385);
                           4) von Dr. A. Müller
                              (polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 357);
                           5) von Dr. Gräger (deutsche
                              Gewerbezeitung, 1859, S. 204).
                           Ich habe die Quellen angeführt, um dem Praktiker Gelegenheit zu geben, diese Methoden
                              mit der folgenden zu vergleichen und die ihm am zweckmäßigsten erscheinende
                              beizubehalten.
                           Der Handelswerth der Seife wird bedingt durch den Fettgehalt derselben. Die gute
                              Kernseife ist diejenige, von der ausgegangen werden muß. Sie bildet sich aus einer
                              gewissen Menge von Fett mit einer entsprechenden Menge von Lauge und Wasser; in der
                              Regel sind aber die beiden letzteren Bestandtheile vorherrschend.
                           In der Seife ist eine Fettsäure mit einer bestimmten Menge von Laugenbestandtheilen
                              verbunden. Wird zu einer Seifenlösung starker Essig, Salzsäure oder verdünnte
                              Schwefelsäure gebracht, so zersetzt sich die Seife und die Fettsäure schwimmt als
                              Gerinnsel oben auf, schmilzt aber leicht beim Erwärmen und bildet dann eine scharf
                              abgegrenzte Schicht über der wässerigen Flüssigkeit. Die so ausgeschiedene Fettsäure
                              gibt den Maaßstab für die Güte einer Seife; sie wird um so besser seyn, je mehr
                              Fettsäure sich ausschied. Das Wägen derselben ist eine schwierige und ungenaue
                              Arbeit, oder sollen diese Mängel verhütet werden, so wird sie zeitraubend und
                              erfordert Uebung. Ich messe deßhalb die ausgeschiedene
                              Fettsäure.
                           In einem besonderen langhalsigen Kölbchen wird in warmem Wasser genau ein Loth grob
                              geschabter Seife aufgelöst. Das Glas darf dann nur etwa halb voll Wasser seyn.
                              Darauf wird eine genügend starke Säure, recht starker Essig, käufliche Salzsäure
                              oder verdünnte Schwefelsäure, die zuerst etwas erwärmt wurden, nachgegossen, wobei
                              sehr schnell, obenauf die Fettschicht von geschmolzener Fettsäure sich
                              abscheidet.
                           Der Hals des Kölbchens ist in Kubikcentimeter eingetheilt und von einem beliebigen
                              Punkte aus, dem Nullpunkte, die Anzahl der Kubikcentimeter angeschrieben. Hat sich
                              die Fettsäureschicht abgeschieden, so wird so viel warmes Wasser nachgegossen, daß
                              die Fettsäure in den Hals steigt.
                           Hier ist zweckmäßig darauf zu achten, daß der unterste Rand der Fettschicht
                              wenigstens nahezu mit dem Nullpunkte zusammenfällt, doch darf er auch 1/2, 1, selbst
                              1 1/2 und 2 Kubikcentimeter höher als der Nullpunkt stehen. Es ist nun leicht
                              abzulesen, wie viel Kubikcentimeter Fettsäure in einem Loth Seife waren.
                           
                           Je nachdem bei der Seifenfabrication Talg, Cocosöl, Palmöl, Olivenöl, Harz oder
                              Oelsäure angewandt wurden, sind auch die aus der Seife abgeschiedenen Fettsäuren
                              verschieden und ist auch das Gewicht von 1 Kubikcentimeter einer jeden nicht
                              dasselbe. Da aber in der Regel nicht ein einzelnes reines Fett bei der
                              Seifenfabrication angewendet wird, so habe ich als mittleres Gewicht von 1 Kubikcentimeter Fettsäure 0,93 Gramm angenommen,
                              was der Wahrheit sehr nahe kommen mag. Es läßt sich also aus der abgelesenen Anzahl
                              von Kubikcentimetern Fettsäure ihr Gewicht berechnen. Da aber im Fett mit der
                              Fettsäure 1/16 Glycerin verbunden ist, so kann aus dem Gewicht der Fettsäure auch
                              das Gewicht der entsprechenden Fettmenge berechnet werden.
                           Nun geben aber im Mittel 100 Pfund Fett 155 Pfund gute Kernseife. Haben wir also das
                              Gewicht der Fettmenge gefunden, die zur Darstellung von 1 Loth Seife nöthig war, so
                              läßt sich auch berechnen, wie viel Kernseife diese Fettmenge gegeben hätte.
                           Diese Berechnungen sind in der folgenden Tabelle enthalten, zu deren Aufstellung
                              allerdings von Annahmen ausgegangen werden mußte, die nicht absolut genau sind; aber
                              immerhin bieten sie Anhaltepunkte genug, um für die Praxis brauchbare Ergebnisse zu
                              liefern.
                           
                              
                                 Die aus1 Loth
                                    Seifeausgeschied.Fettsäuremißt inKubikcentim.
                                 Die Fettsäurewelcheausgeschiedenwurde,
                                    wiegtim MittelGramme.
                                 Zu100
                                    SeifewurdeverwendetFett.
                                 155 Gewichtstheileder
                                    geprüftenSeifeenthalten anKernseife.
                                 100 GewichtstheileSeife enthält. annicht in
                                    KernseifegebundenemWasser, LaugeGlycerin etc.
                                 100 GewichtstheileSeifeenthalten
                                    anrichtigerKernseife Proc.
                                 
                              
                                 1/2
                                   0,46
                                   3,13
                                     4,85
                                 97
                                   3
                                 
                              
                                   5
                                   4,65
                                 31,30
                                   48,5
                                 69
                                 31
                                 
                              
                                   6
                                   5,58
                                 37,56
                                   58,2
                                 63
                                 37
                                 
                              
                                   7
                                   6,51
                                 43,82
                                   67,9
                                 57
                                 43
                                 
                              
                                   8
                                   7,44
                                 50,08
                                   77,6
                                 51
                                 49
                                 
                              
                                   9
                                   8,37
                                 56,34
                                   87,3
                                 44
                                 56
                                 
                              
                                 10
                                   9,30
                                 62,60
                                   97,0
                                 38
                                 62
                                 
                              
                                 11
                                 10,23
                                 68,86
                                 106,7
                                 32
                                 68
                                 
                              
                                 12
                                 11,16
                                 75,12
                                 116,4
                                 26
                                 74
                                 
                              
                                 13
                                 12,09
                                 81,38
                                 126,1
                                 20
                                 80
                                 
                              
                                 14
                                 13,02
                                 87,64
                                 135,8
                                 13
                                 87
                                 
                              
                                 15
                                 13,95
                                 93,90
                                 145,5
                                   7
                                 93
                                 
                              
                           Nur die vorderste und die zwei hintersten Reihen der Tabelle finden praktische
                              Anwendung und setzte ich die Zwischenglieder nur gewissermaßen als Belege für die
                              Rechnung zu.
                           
                           Ein Beispiel wird die Anwendung der Tabelle klar machen: Es hätte die aus 1 Loth
                              Seife durch Säurezusatz ausgeschiedene und durch Nachgießen von warmem Wasser in den
                              Hals des Kölbchens getriebene Fettsäure gemessen 12 Kubikcentimeter, so enthielt die
                              Seife 74 Procent Kernseife und 26 Procent Wasser- und Laugen- u.s.w.
                              Bestandtheile. Mißt die Fettsäure 15 1/2 Kubikcentimeter, so enthält die Seife 96
                              Proc. Kernseife.
                           Es kann dann auch leicht der Preis der Kernseife mit der geprüften verglichen und
                              gesehen werden, wieviel sie eigentlich werth ist.
                           Diese Methode erfordert nur eine einzige Wägung, die Ausführung selbst ist so leicht,
                              daß jeder Arbeiter sie ausführen kann, und außerdem ist sie in wenigen Minuten
                              beendigt. Auf wissenschaftliche Genauigkeit will sie keinen Anspruch machen, aber es
                              soll ja auch nur für die Praxis etwas Brauchbares geboten werden; der Chemiker von
                              Fach geht seinen eigenen Weg.
                           Solche Seifenprobekölbchen sind durch Mechanicus Liebrich
                              in Gießen billigen Preises zu erhalten.