| Titel: | Ueber die Theerschwelerei in Rußland und ein neues Verfahren der Holzverkohlung in Thermokesseln mit gleichzeitiger Gewinnung von Theer, Terpenthinöl, Holzsäure und Holzgeist; von Dr. Joseph Hessel. | 
| Autor: | Joseph Hessel | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CI., S. 374 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        CI.
                        Ueber die Theerschwelerei in Rußland und ein
                           neues Verfahren der Holzverkohlung in Thermokesseln mit gleichzeitiger Gewinnung von
                           Theer, Terpenthinöl, Holzsäure und Holzgeist; von Dr. Joseph Hessel.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Hessel, über die Theerschwelerei in Rußland und ein neues Verfahren
                           der Holzverkohlung in Thermokesseln.
                        
                     
                        
                           I. Ueber die Theerschwelerei in
                                 Rußland.
                           Indem ich im Folgenden die Methode und Einrichtung einiger von mir erbauten
                              Theerfabriken mit gleichzeitiger Gewinnung von Terpenthinöl, Holzessig, Holzgeist
                              und Kohlen beschreibe, sey mir erlaubt zuförderst ein Bild der bis jetzt noch am
                              häufigsten in Wolhynien und Podlesien angewandten Methode zur alleinigen Gewinnung
                              von Theer mit Vernachlässigung aller Nebenproducte, sogar der Kohlen, zu geben und
                              dasselbe etwas näher zu beleuchten.
                           Dieses Verfahren der Theerschwelerei geschieht in Meilern und zwar oft in Meilern von
                              ungeheurer Größe. Fig. 1 zeigt einen solchen Meiler. Derselbe steht auf einer durch Erde
                              aufgeworfenen Erhöhung; diese Erhöhung beträgt etwa 8 bis 10 Fuß und hat eine
                              tellerförmige Fläche, aber mit einem starken von allen Seiten gleichen Fall nach dem
                              Mittelpunkte, worin sich eine Oeffnung von 1/2 Fuß Durchmesser befindet, welche in
                              eine hölzerne Röhre mündet; letztere führt die flüssigen Producte in eine
                              untergestellte Karitte (ein ausgehöhlter Baumstamm), woraus sie in Zuber geschöpft,
                              heraus getragen und in Fässer gefüllt werden. Diese Theerabnahme findet, wie aus
                              Fig. 1
                              ersichtlich, in einem unter dem Meiler aufgebauten Gange statt.
                           Wie schon erwähnt, gibt es solche Meiler von ungeheurer Größe. Der Durchmesser einer
                              Meilerfläche, welche rund sind, beträgt 30–40 Arschinen;Eine Arschine ist gleich 28 Zoll englisch. ein solcher Meiler wird mit 40 bis oft über 90 KubikklafterEine Kubikklafter von 4 Arschinen ist gleich 813 engl. Kubikfuß. beschickt.
                           Das Material zur Theerfabrication ist: a) Luczina, d. i.
                              Kienwurzelholz; am besten und harzreichsten ist das Wurzelholz alter Stämme, bei
                              denen der aus der Erde hervorragende Stamm schon abgefault ist. Das Harz tritt, ehe diese Stämme
                              faulen, erst in die Wurzel zurück, worin es sich gleichsam concentrirt;
                              merkwürdigerweise scheint es beinahe, als ob in der von dem Baume abgehauenen aber
                              noch in der Erde befindlichen Wurzel die Harzbildung fortdauert, denn in frischen
                              Kienwurzeln findet man weit weniger Harz als in alten, bei denen der Stamm schon
                              verfault ist; auch findet man einen größeren Reichthum an Harz in solchen Wurzeln,
                              welche an hohen Stellen auf Sandboden gewachsen, während solche die an feuchten
                              Orten oder auf Torfgrund gewachsen sind, sich verhältnißmäßig weniger harzreich
                              zeigen; b) Brawica, d. i. fettes Kienholz, vom Baume
                              selbst; bei abgestorbenen Bäumen tritt dasselbe ein wie bei den Wurzeln, das Harz
                              tritt zurück in den Kern des Holzes und erst dann fangen die harzfreien Stellen an
                              zu faulen. Als Material zur Theergewinnung wählt man daher stets das harzreiche;
                              sowohl Luczina wie Brawica werden mit der Hacke in 3–4zöllige Stücke
                              gespalten und zugleich von faulen und mit Erde beschmutzten Stellen befreit. Die
                              Länge der Stücke hat keinen Einfluß auf die Theerausbeute, wohl aber die Dicke,
                              indem bei zu dicken Stücken ein Theil des in ihnen enthaltenen Theeres
                              verbrennt.
                           Der Gang der Theerschwelerei zerfällt in folgende
                              Operationen: 1) Zubereitung des Meilers. Vor dem Beschicken einer solchen
                              Meilerstelle wird die ganze Fläche erst dick und glatt mit Thon bestrichen,
                              deßgleichen die in der Mitte gelassene Abflußöffnung; worauf man die ganze Fläche
                              mit dünnen langen Dachschindeln belegt, in der Weise, daß alles Flüssige immer nach
                              dem Mittelpunkte zu abfließt. Ist die Meilerstelle so vorbereitet, so erfolgt
                           2) die Beschickung. Das Kienholz oder Kienwurzelholz wird stets gestellt und zwar in
                              Lagen übereinander bis zur Höhe von 12 Arschinen; ist dieß geschehen, so wird es mit
                              Stroh oder schlechtem Heu oder Mist ganz bedeckt und hierauf mit Sand oder trockener
                              Erde einige Zoll dick überschüttet.
                           3) Der Brand oder das Schwelen. Wenn nun der Meiler so beschickt ist, so wird an der
                              Basis desselben und zwar rings um an eigens dazu gelassenen 40–50 Oeffnungen
                              zu gleicher Zeit Feuer angelegt; sobald sich das Feuer im ganzen Meiler nach obenhin
                              fortgepflanzt hat, werden die Oeffnungen mit Sand verschüttet. Während 5–6
                              Tagen dampft nun der Meiler beständig, besonders nach der Spitze zu; 4 oder 6 Mann
                              müssen dabei abwechselnd zu 2 oder 3 und zwar Tag und Nacht auf dem Meiler
                              herumsteigen und nach allen Seiten, wo sich Oeffnungen zeigen, diese wieder mit Sand
                              oder Erde zuscharren; dabei schwindet der Umfang des Meilers denn beständig. Die in
                              der Sanddecke entstehenden Oeffnungen reichen hin, um den Brand im Innern zu
                              unterhalten; diese Oeffnungen dürfen aber nie zu groß werden und man muß sie daher
                              immer gehörig mit holzernen Krücken zuscharren. Nach etwa 6 Tagen stürzt die Spitze
                              des Meilers etwas ein; es treten stärkere Dämpfe von Wasser und Terperthinöl mit
                              Gasen auf, welche sich entzünden und mit einer hohen und starken Flamme brennen.
                              Nach 10–12 Tagen wird zuerst angefangen Theer abzunehmen; alsdann hat sich
                              schon eine Menge von 15–20 Fässern in dem Untertheile des Meilers
                              angesammelt. Von nun an wird dann jeden Morgen aufs neue Theer abgenommen; dabei
                              schwindet der Meiler immer mehr und mehr, bis zuletzt, wo kein Theer mehr ausfließt,
                              der ganze Rest auf dem Meiler in Flammen steht. Die Kohlen verbrennen meist ganz
                              oder man löscht nur ganz zuletzt einige Wagen voll für den eigenen Bedarf.
                           Dauer der Operation. Je nach der Größe des beschickten
                              Meilers dauert bei einer solchen Operation das Beschicken 6–10 Tage, das
                              Schwelen 3 bis 4 Wochen.
                           Ausbeute an Theer. Im Mittel rechnet man als eine gute
                              Ausbeute ein FaßEin Faß Theer enthält 56 Viadros; ein Viadro = 29 Pfd. poln. Wasser, oder =
                                    31 Pfd. polnisch Theer bei 12° Reaumur. vom Klafter (von 4 Kubikarschinen). Wenn das Wetter nicht günstig ist, so
                              daß es stark regnet oder sehr windig ist, so kommen Störungen vor, die darin
                              bestehen, daß der Meiler unregelmäßig brennt, auf der einen Seite stärker wie auf
                              der andern; alsdann sind oft bis 15 Mann nöthig, um die eine Seite zu dämpfen und
                              die andere stärker in Brand zu bringen; oder wenn der Regen sehr stark ist, so kann
                              ein Theil Erde von dem Obertheil des Meilers abgeschwemmt werden, wo dann stets
                              Verlust an Theer entsteht, indem ein Theil desselben verbrennt.
                           Reinigung des Theers. Der Theer soll schön schwarz,
                              ziemlich dünnflüssig und frei von Wasser (Holzsäure) seyn. Von letzterem ist er
                              stets begleitet, und dasselbe setzt sich in den Fässern auf dem Boden leicht ab,
                              wenn der Theer gut gewärmt war (weßhalb man den Theer erst nach 10–12 Tagen
                              anfängt abzunehmen). Der Theer hat nämlich die Eigenschaft, daß er im warmen
                              Zustande leichter ist als Wasser und Holzsäure, während er im kalten Zustande
                              specifisch schwerer ist als diese Flüssigkeiten. Ist daher der Theer nicht
                              hinreichend erwärmt gewesen, so läßt er sich nicht so einfach entwässern. Während
                              man bei gut gewärmtem Theer das Wasser ganz einfach durch eine Oeffnung am Boden
                              ablassen kann, muß der
                              andere erst nochmals erwärmt werden; dieß geschieht in der Regel in der Weise, daß
                              man in sandige Erde eine Grube gräbt, worein man den Theer laufen läßt und ihn
                              alsdann entweder durch erwärmte Steine die man hineinwirft, oder in heißen Tagen
                              durch die Sonne erwärmt; dabei dringt die Wässerigkeit in die Erde, der Theer aber
                              nicht.
                           Kostenberechnung. Es ist schwierig, eine genaue
                              Berechnung der Fabricationskosten aufzustellen, denn die Theerproducenten treiben
                              die Schwelerei nur mit ihren leibeigenen Bauern, durch welche sogar die Luczina
                              gehackt und frei zugestellt wird, deßgleichen werden durch dieselben die Fässer
                              gemacht und alles wird im Herrschaftsdienste verrichtet; es ergeben sich nur dann
                              Kosten, wenn der Gutsbesitzer viel Kienwurzeln in seinem Walde besitzt und mehr
                              Theer schwelen will, als er durch seine eigenen Bauern im Stande ist zu erhalten, in
                              diesem Falle läßt er durch fremde freie Bauern mehr Wurzelholz hacken, wo ihm
                              alsdann die Kubikklafter von 4 Arschinen auf 14 bis 16 Rubel Silber zu stehen kommt.
                              Es ist schwierig, sage ich, eine genaue Kostenberechnung aufzustellen, doch will ich
                              es versuchen, den hiesigen Verhältnissen gemäß eine annähernd richtige Schätzung als
                              Berechnung aufzustellen:
                           Für 40 Fässer Theer, zu 56 Viadros das Faß:
                           
                              
                                 a)
                                 
                                 40 Klafter Kienwurzelholz à 4
                                    Kubikarschinen, eine Klafter zu     15
                                    Rubel Silber
                                 600 R. S.Der Rubel Silber = 100 Kopeken; der Preis des Rubels Silber im
                                          Verhältniß zu deutscher Münze steht gegenwärtig auf 1 Thlr. preuß.
                                          Courant.
                                 
                              
                                 b)
                                 
                                    
                                    
                                 60 Wagen Thon zum Ausschmieren der Meilerfläche zu
                                    15     Kopeken60 Kope oder Schock
                                    Schindeln zum Belegen der Meilerfläche,    
                                    das Schock 60 Stück, ein Schock zu 45 Kopeken
                                     9  
                                    „  27   „
                                 
                              
                                 c)
                                 
                                    
                                    
                                 30 Weiber, 8 Tage lang, zum Ausschmieren des Thons,
                                    Auslegen     der Schindeln, Setzen des
                                    Kienwurzelholzes und nachherigen    
                                    Bedecken mit Mist und Erde, ein Weib zu 15 Kopeken
                                    täglich  6 Männer, 20 Tage lang Tag und Nacht, zur
                                    Bedienung des     Meilers während dem
                                    Brennen und zur Theerabnahme, der     Mann
                                    zu 25 Kopeken den Tag  1 Meister zu 20 Rubel für die
                                    ganze Arbeitsdauer
                                   36  
                                    „  30  
                                    „  20   „
                                 
                              
                                 d)
                                 
                                 40 Fässer zu 2 R. S. das Faß
                                   80   „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 40 Fässer Theer würden demnach kosten
                                 802 R. S.
                                 
                              
                           Der Verkaufspreis für 1 Faß Theer an Ort und Stelle ist im Mittel 24 R. S.
                           
                           40 Fässer Theer würden demnach werth seyn 960 R. S.
                           Hieraus ist ersichtlich, daß, wenn der Producent alle Kosten bezahlen müßte, ihm nur
                              ein kleiner Gewinn übrig bliebe; da er aber alles umsonst hat, als
                              Herrschaftsdienst, so ist die Theerschwelerei allerdings sehr einträglich und oft
                              der ergiebigste Ertrag der Güter.
                           Obgleich die beschriebene Art der Theerschwelerei durchaus nicht mehr dem jetzigen
                              Stande dieses Industriezweiges im Auslaude entspricht, so wird sich diese Methode
                              doch noch so lange behaupten, als sie den Verhältnissen Rußlands entspricht, nämlich
                              so lange noch der Bauernstand nicht frei ist, sondern seinem Herrn den sogenannten
                              Herrschaftsdienst schuldet. Denn wenn auch bei fabrikmäßiger und zweckmäßiger
                              Einrichtung aus derselben Menge Kienholz oder Kienwurzelholz das Doppelte allein an
                              Theer (ohne die Nebenproducte) zu erzielen ist, so hat man dagegen bei der
                              gewöhnlichen Meilerschwelerei kein Anlagecapital zum Bau einer Fabrik nöthig.
                              Ueberdieß gibt es viele kleine Gutsbesitzer, welche jährlich nicht mehr als
                              30–50 Faß Theer erzeugen, und für solche würde sich die Anlage einer Fabrik
                              nicht lohnen; andere reichere Gutsbesitzer, welche bis zu 1000 Faß Theer jährlich
                              produciren, bleiben aus Geiz oder Anhänglichkeit an die Sitten und Gebräuche ihrer
                              Urahnen dem alten gewohnten Schlendrian getreu.
                           Bedeutung der Theerfabrication und des Theerhandels.
                              Damit man sich einen Begriff von der Wichtigkeit und Ausdehnung des Theerhandels in
                              einigen Gubernien von Rußland machen kann, führe ich an, daß ein einziger Kaufmann
                              und einer der bedeutendsten Theerhändler, Hr. v. Horwat
                              von Barbarów, jährlich nach Kremenczuk im Mittel 8–10,000 Faß liefert;
                              Hr. v. Nowicky von Mozyr verkauft jährlich bis 2000 Faß,
                              überdieß treiben viele Juden den Theerhandel in kleineren Quantitäten, so daß in
                              KremenczukDer mittlere Preis eines Fasses Theer in Kremenczuk ist 40 Rubel Silber. 25–30,000 Faß Theer jährlich verkauft werden, was einen Geldumsatz
                              von über eine Million Silber Rubel ausmacht. Aber Kremenczuk ist nicht der einzige
                              Marktplatz für Theer, auch Szitomür und Berdiczew sind bedeutende Handelsplätze
                              dafür; in diesen beiden Orten verkauft man wohl eben so große Quantitäten.
                           
                        
                           
                           II. Neues Verfahren der Holzverkohlung
                                 in Thermokesseln mit gleichzeitiger Gewinnung von Theer, Terpenthinöl, Holzsäure
                                 und Holzgeist; Anwendung von Wasserdampf zum Löschen der noch glühenden Kohlen
                                 behufs eines unausgesetzten Betriebes.
                           Im Jahre 1853 kam Hr. Conrad Gunst, welcher durch einen
                              längern Aufenthalt in Schweden von der dortigen Theerschwelerei in Thermokesseln
                              einige Kenntniß erlangt hatte, in die Gegend von Szütomür auf die Güter des Hrn. v.
                              Lukin und baute dort die erste Theerfabrik in
                              Wolhynien. Derselbe stellte acht eiserne Kessel auf, von je etwa 200 engl. Kubikfuß
                              Inhalt. Diese Kessel waren nach französischer Methode so eingerichtet, daß sie in
                              einen Ofen gestellt waren, dessen Feuercanäle schlangenförmig um die Kessel
                              herumgiengen. Nach jeder beendigten Operation wurden diese Kessel mittelst einer
                              Maschine herausgenommen, die Kohlen wurden sodann vollständig erkalten gelassen, der
                              Kessel entleert und wieder in den Ofen eingesetzt. Diese Kessel unterschieden sich
                              von den französischen Trommeln dadurch, daß sie unten am Boden eine Röhre zum Abfluß
                              des Theers hatten; ferner dadurch, daß der Boden nicht geheizt wurde und daß sie
                              viel größer waren; sie hatten ungefähr 150–200 engl. Kubikfuß Inhalt.Ich selbst habe diese Fabrik nicht gesehen und erhielt diese Beschreibung
                                    durch Mitteilung. Die oben auf den Kesseln angebrachten Röhren giengen durch eine große Anzahl
                              Fässer, worin sich die flüssigen Producte verdichteten. Im Jahre 1856 kam sodann Hr.
                              Gunst in Verbindung mit Hrn. Eichhorn, Maschineningenieur, und einem Hrn. Zaremba auf die Güter des Fürsten Sanguszko, wo
                              sie eine große Theerfabrik von 32 Thermokesseln zu errichten begannen. Man baute
                              daselbst viereckige gemauerte Kessel und war noch mit Versuchen mit zweien solcher
                              Kessel beschäftigt, als sich Hr. Gunst mit den
                              Unternehmern entzweite und die begonnene Fabrik verließ. Zu der Zeit wurde ich durch
                              Vermittelung des Chemikers Hrn. Reuling in Worms, an
                              welchen sich die Unternehmer, die HHrn. Landenbach und
                              Scheitz, wandten, aufgefordert die begonnene Fabrik
                              weiter zu bauen. Mit Hülfe des kenntnißreichen Hrn. Eichhorn baute ich alsdann 20 solcher viereckigen gemauerten Thermokessel,
                              von je etwa 200 engl. Kubikfuß Inhalt.
                           Der innere Raum eines solchen Kessels, s. Fig. 2, ist
                              länglich-viereckig, oben ist er gewölbt und mit einem Mannloche zum Einladen
                              des Materials versehen. Die zwei längeren Seitenwände, welche nur allein geheizt werden, bestehen aus
                              einer Mauer von der Stärke einer Backsteinlänge und sind im Innern mit 1/4zölligen
                              Eisenplatten ausgerüstet. An der Basis der Vorderseite befindet sich gleichfalls ein
                              Mannloch zum Herausnehmen der Kohlen. Wie erwähnt, geschieht die Feuerung nur von
                              zwei Seiten; die Vorder- und Hinterwand des Kessels sind 2 Fuß dick und
                              werden nicht geheizt, deßgleichen ist der Boden nicht geheizt. Am Boden befindet
                              sich eine Theerabflußröhre; eine andere Röhre führt aus dem Hintertheile von Oben
                              die Dämpfe und Gase in eine kupferne Condensationsröhre und zuletzt durch eine
                              Kühlschlange.
                           Hierbei ist also die hauptsächliche Verbesserung die, daß die Kohlen durch ein
                              Mannloch von Unten herauszunehmen sind und daß die Condensation der Dämpfe durch die
                              Benutzung einer Kühlschlange bei weitem besser ist.
                           Inzwischen baute Hr. Gunst noch zwei Fabriken, die eine
                              bei Hrn. v. Nowicky, die andere bei Hrn. v. Broser im Minsker Gubernium, und machte seinerseits auch
                              bedeutende Verbesserungen, besonders dadurch, daß er feststehende eiserne Kessel
                              construirte, mit Mannlöchern an der Basis zum Herausnehmen der Kohlen. Er war jedoch
                              wegen Mangels chemischer Kenntnisse nicht ganz glücklich in der Ausführung seiner
                              Ideen; mit der Umänderung einer seiner Fabriken beauftragt, fand ich, daß er eine
                              Menge von Fässern ohne Kühlapparat anbrachte und den permanenten Gasen keinen Ausweg
                              ließ, welche nur durch die nicht ganz dichten Fugen der Fässer und der
                              Röhrenverbindung entwichen; es fand mithin starker Rückdruck auf die Kessel statt,
                              überall dampfte es, und eine bedeutende Menge Theer verbrannte.
                           Im Jahre 1859 mit dem Bau zweier neuen Fabriken beschäftigt, gab ich den eisernen
                              Kesseln den Vorzug vor gemauerten, weil ich bei letzteren einen großen Fehler darin
                              erblickte, daß dieselben nicht dicht genug hergestellt werden können; es bilden sich
                              stets Oeffnungen nach der Seite der geheizten Wände, wodurch ein Verlust an Theer
                              entsteht und außerdem häufige Reparaturen erforderlich werden, welche viel
                              Zeitverlust und Kosten veranlassen; außerdem ist der Verbrauch an Brennholz größer.
                              Ferner suchte ich größere Kessel zu construiren und trachtete ein Mittel zu finden
                              für einen fast ununterbrochenen Betrieb; es ist nämlich bei Thermokesseln nicht
                              möglich, die Kohlen herauszuziehen bevor sie erkaltet sind, wegen ihrer großen
                              Masse; dieses Erkaltenlassen beansprucht aber die Hälfte der ganzen
                              Operationszeit.
                           Das Mittel hierzu fand ich in der Anwendung von Wasserdampf zum Löschen der glühend
                              heißen Kohlen, indem man bei Einleitung von Dampf und gleichzeitiger Abkühlung von Außen durch
                              Luftzüge, sehr bald die Temperatur von über 400° auf 100° C.
                              herabstimmt.
                           
                              A. Beschreibung des neuen Thermokessels.
                              Figur 3
                                 ist der Seitendurchschnitt eines Kessels mit den Condensatoren.
                              Der Kessel A ist von 1/4'' starkem Eisenblech
                                 construirt und hat 3 1/4 Arschinen Durchmesser bei 4 1/2 Arschinen Höhe,
                                 folglich etwas über 400 engl. Kubikfuß Inhalt. Derselbe ist auf einem Gewölbe
                                 aufgestellt, so daß der Boden bis auf ein Fuß im Umkreis frei und der Luft
                                 zugänglich ist. B und B'
                                 sind die hölzernen Condensatoren (große starke Fässer); C ist die Kühlschlange.
                              Die Feuerung des Kessels geschieht durch einen ihn umgebenden Ofen mittelst drei
                                 aufsteigender Canäle b von 6–7 Zoll engl.
                                 Weite; dabei ist der Kessel in dem ersten Canale zur Hälfte des ganzen Ganges
                                 mit einer Mauer von feuerfesten Backsteinen umgeben, welche die Stärke einer
                                 Ziegelbreite hat, um die Verbrennung des Eisens durch die oxydirende Wirkung des
                                 Feuers zu verhindern.
                              a ist eine angeschmiedete Röhre zum Herausnehmen der
                                 Kohlen; g ist das 2 Arschinen weite Mannloch zum
                                 Einladen des Materials; durch die Röhre c gelangt
                                 der Theer schon im flüssigen Zustande aus dem Kessel in den Condensator B; durch die Röhre d
                                 gehen die Dämpfe, Terpenthinöl, Holzessig und Gase in den Condensator B' und die Schlange C.
                                 Der sich schon im Condensator B' verdichtende Theil
                                 fließt durch die Röhre h in den untern Condensator
                                 B, während die durch die Röhre c austretenden Dämpfe aus dem Condensator B in den Condensator B'
                                 und die Schlange C aufsteigen. Durch die Röhre f treten die nicht condensirbaren Gase in die Luft
                                 aus. Durch die Röhre e tritt der Wasserdampf in den
                                 Kessel, zum Löschen der Kohlen. i ist ein
                                 durchlöcherter eiserner Helm auf der Röhre c, um die
                                 Verunreinigung dieser Röhre durch Kohlen möglichst zu verhüten.
                              Figur 4
                                 ist eine vordere Ansicht von vier solchen eingemauerten Kesseln B, wovon zwei im Durchschnitt von vorn gezeichnet
                                 sind, mit dem Dampfkessel A. Ueber dem Ofen a ist der Trockenraum C
                                 für den essigsauren Kalk angebracht, worauf ich später zurückkomme; b sind die Feuercanäle; c die Thüren zum Herausnehmen der Kohlen; d ist das Mannloch zum Einladen; e sind
                                 die Dampfröhren.
                              Figur 5
                                 ist die horizontale Ansicht des Obertheiles zweier Kessel, mit den Röhren d für den Abzug der Dämpfe und Gase in den
                                 Condensator B'. Letzterer dient, wie ersichtlich,
                                 für zwei Kessel, wie auch die Schlange C. Die Schlange
                                 hat vier Windungen und eine Länge von beiläufig 24 Arschinen. a ist das 2 Arschinen weite Mannloch.
                              Figur 6
                                 ist der horizontale Durchschnitt des unteren Theiles zweier Kessel A mit den Condensatoren B und den Theerabflußröhren c: e ist eine
                                 Verbindungsröhre zwischen B und B': b sind Feuercanäle.
                              
                           
                              B. Beschreibung der Operation.
                              Die Beschickung geschieht, nachdem der Kessel im Innern mit Thon gut
                                 ausgeschmiert worden, mit Kienholz, wenn die Theerfabrication der Hauptzweck
                                 ist; andernfalls kann man auch hartes Holz in solchen Kesseln verkohlen, in der
                                 Weise daß man das Material in 3–4 Zoll dicken Stücken in Lagen
                                 übereinander aufrecht stellt. Die Stücke können lang seyn, aber nicht zu dick,
                                 weil in letzterem Falle die Dampfbildung zu groß ist und ein Theil des
                                 ausfließenden Theers verbrennt, indem, wenn der innerste Theil erst soweit
                                 erhitzt ist daß der flüssige Theil (Harze, Theer) ausfließt, der äußere Theil
                                 der Holzstücke schon überhitzt ist. Sobald der Kessel gefüllt ist, verschließt
                                 man die Oeffnung, verschmiert sie gut mit Thon und beginnt zu heizen, indem man
                                 zu gleicher Zeit einen Dampfstrom durch das Holz leitet. Auf diese Weise erhitzt
                                 man das zu destillirende Holz schnell auf 100° C., wobei, wenn man
                                 harziges Holz angewandt hat, die ätherischen Oele schon zu destilliren beginnen.
                                 Sobald nun die Destillation beginnt, stellt man den Dampf ein. Man gibt
                                 allmähliches aber nicht zu starkes Feuer. Wenn bei harzigem Holze der größte
                                 Theil des Terpenthinöls mit dem Wasser, welches als Feuchtigkeit in dem Holze
                                 enthalten ist, oder bei hartem Holze die Wasserdämpfe überdestillirt sind und
                                 der Kesselinhalt auf 280° C. erhitzt ist, fließt das Harz aus dem Holze
                                 heraus, die Zersetzung des Holzes beginnt und die bituminösen und brenzlichen
                                 Stoffe fangen an zu erscheinen; alsdann muß das Feuer sehr mäßig seyn und erst
                                 gegen das Ende der Operation kann es zum Garbrennen der Kohlen wieder verstärkt
                                 werden. Nach Beendigung der Operation, wenn keine flüssigen Producte mehr
                                 auftreten, leitet man einige Stunden Dampf durch den Kessel und öffnet zugleich
                                 die in der Mauer angebrachten Thüren, welche in die Feuercanäle führen, zur
                                 schnellen Abkühlung der heißen Mauern und des Kessels von Außen. Es ist
                                 einleuchtend, daß der Theer, da er meist schon in flüssigem Zustande aus dem
                                 Holze ausfließt, nach Unten geht und sich in dem Condensator B sammelt, während die Dämpfe, das Terpenthinöl und
                                 der größte Theil der Holzsäure, nach obenhin austreten und sich in der Schlange
                                 verdichten.
                              Die Producte welche man erhält, sind: Theer Terpenthinöl und Holzsäure, wenn man Kienholz
                                 der trockenen Destillation unterworfen hat; hingegen Holzsäure und Theer, wenn
                                 man hartes Holz verkohlte.
                              Der Theer ist immer etwas wässerig, aber leicht von der Flüssigkeit zu reinigen,
                                 indem man in den Fässern selbst, – worin sich die Holzsäure absetzt, wenn
                                 der Theer warm genug aus dem Kessel ausgeflossen ist, – diese einfach
                                 durch eine kleine Oeffnung abzieht; ist dieß aber nicht der Fall, oder ist der
                                 Theer durch die ganze Masse hindurch noch wässerig, so muß derselbe erst erwärmt
                                 werden. Ich erwärme den Theer mittelst eines Dampfstromes auf 100° C. und
                                 überlasse ihn dann der Ruhe, wobei sich die Holzsäure absetzt, da, wie ich schon
                                 früher erwähnte, der Theer im warmen Zustande leichter ist als Wasser und
                                 Holzsäure, während er im kalten schwerer ist; sein spec. Gewicht ist bei
                                 12° R. = 1,06. Der Theer harzigen Holzes, welcher ein Gemenge ist von aus
                                 dem Holze ausgeflossenem überhitztem Harze mit kreosothaltigem Theere, der sich
                                 bei der Zersetzung des Holzes bildet, soll von schön schwarzer Farbe, wasserfrei
                                 und nicht zu dickflüssig seyn. Der Theer harzfreien Holzes ist flüssiger und
                                 kreosotreicher, auch nennt man solche Theere, besonders von Birkenholz und
                                 Birkenrinde, Thrane.Auf die Bereitung und Eigenschaften der Thrane, besonders des
                                       Birkenthranes (dziekicé genannt,)
                                       hoffe ich einandermal zurückzukommen.
                                 
                              Das rohe Terpenthinöl, welches man aus dem Kienholz im
                                 Anfang mit Wasser gemischt erhält, ist, wenn man die Destillation vorsichtig
                                 treibt und sobald brenzliche Producte erscheinen, diese besonders auffängt,
                                 schon ziemlich rein, nur gelblich, aber frei von brenzlichem Geruch; dasselbe
                                 wird durch Abblasen mit Wasserdampf, welches ich in hölzernen Fässern vornehme,
                                 gereinigt. Meine Einrichtung hierzu ist ganz einfach; ich verbinde nämlich 3
                                 Fässer durch Röhren miteinander, gebe in das erste das rohe Terpenthinöl, in das
                                 zweite dünne Kalkmilch oder Kalilauge, und das dritte bleibt leer; alsdann bläst
                                 man das Terpenthinöl mit Dampf ab und erhält gereinigtes Terpenthinöl von ganz
                                 vorzüglichen Eigenschaften, es ist fast ganz weiß, sehr rein und flüchtig, und
                                 hat ein specifisches Gewicht von 0,860. In einem so einfachen Apparate kann man
                                 20–25 PudEin Pud = 40 Pfd. polnisch. in 24 Stunden abtreiben. Man kann dabei jeden Augenblick aufhören, indem
                                 man den Dampf absperrt, deßgleichen nachfüllen oder den Rückstand leeren; wenn
                                 es nöthig ist, kann man noch eine solche Reihe von drei Fässern und eine
                                 Kühlschlange vorrichten, und alsdann das Doppelte destilliren oder sich die
                                 Nachtarbeit ersparen.
                              
                              Dieses Terpenthinöl kommt entweder als solches in den Handel oder ich stelle
                                 daraus durch weitere Behandlung mit Alkali oder Kalk das sogenannte Camphin
                                 dar.
                              Als ich vor drei Jahren auf den Gütern des Fürsten Langaszko die erste Fabrik für Theer und Terpenthinöl errichtete,
                                 gelang es mir zuerst der Beleuchtung mit Camphin in hiesiger Gegend Eingang zu
                                 verschaffen. Der General-Director der Zuckerfabriken des Fürsten, ein
                                 Franzose, Hr. Galand, war der erste welcher drei
                                 Fabriken damit beleuchtete. Darauf schlossen sich andere Fabriken an und hierauf
                                 wurde ein Theil der Städte Kieff und Szitomür mit Camphin beleuchtet.
                              Ich will bei dieser Gelegenheit einige vergleichende Versuche mittheilen, welche
                                 ich vor drei Jahren im Beiseyn einiger Schiedsrichter hinsichtlich des
                                 Verbrauchs von Camphin und Olivenöl einerseits, und von Camphin und Rüböl
                                 andererseits angestellt habe. Für Camphin bediente man sich einer Camphinlampe
                                 von Consoni-Reinhard in Biberach (Württemberg)
                                 mit rundem Dochte, deren Brenner 30 Millimeter im Durchmesser hatte; für die
                                 fetten Oele bediente man sich sogenannter lampes à
                                    tringle ebenfalls mit rundem Dochte, deren Brenner 18 Millimeter
                                 inneren Durchmesser hatte. Die Dochte für die drei Lampen waren von gleicher
                                 Breite und dieselben. Wir waren somit so weit als möglich in den annähernden
                                 Bedingungen geblieben.
                              Man verbrauchte während
                              
                                 
                                    8 Stunden und 1 Minute
                                    oder in 1 Stunde
                                    
                                 
                                    an Camphin 245 Gramme
                                      30,56 Gramme
                                    
                                 
                                          „  
                                       Olivenöl  290      „
                                      36,18      
                                       „
                                    
                                 
                                          „  
                                       Rüböl      277      „
                                      34,62      
                                       „
                                    
                                 
                              Der Verbrauch von Camphin ist somit um 1/6 geringer als der von Olivenöl und um
                                 1/7 als der von Rüböl; dabei war die Lichtstärke der Camphinlampe gleich
                                 derjenigen von 7 Stearinkerzen (4 aufs Pfd.) während die Lichtstärke der
                                 Oellampen gleich 3 Stearinkerzen war. Eine andere Art Camphinlampen, sogenannte
                                 Hamburger-Flachbrenner, verbraucht bei einer Lichtstärke von 3
                                 Stearinkerzen in 24 Stunden nicht mehr als 200 Gramme; letztere Lampen sind
                                 höchst einfach und außerordentlich sparsam.
                              Zu den Vorwürfen welche diesem Beleuchtungsstoff mit Recht gemacht werden, gehört
                                 seine schnelle Verharzung bei Luftzutritt, besonders unter dem Einfluß der Wärme
                                 und des Lichtes. Diesem vermochte ich nur durch Verpackung des Camphins in
                                 kleinere Gefäße vorzubeugen, nämlich in Flaschen von höchstens 3 bis 4 Pfd., welche man gut
                                 mit Blase verbindet und an kühlem und dunklem Orte aufbewahrt; alsdann bleibt
                                 das in Angriff genommene Camphin nicht zu lange Zeit unverbraucht. Etwas weißes
                                 Wachs, im Camphin gelöst, verzögert einigermaßen die schnelle Oxydation
                                 desselben.
                              Ein großer Uebelstand der Beleuchtung mit Camphin, besonders für Straßen und
                                 Fabriken, besteht darin, daß man Lampen mit Glascylindern anwenden muß, weßhalb
                                 bei nicht geschickter Bedienung der Bruch an Lampengläsern beinahe die Ersparniß
                                 gegen Oel aufwiegt.
                              Die Ausfuhr von Terpenthinöl nach dem Auslande, wo der Preis desselben ziemlich
                                 hoch steht, ist deßhalb nicht bedeutend genug, weil der Transport nur in
                                 Glasballons möglich und daher kostspielig ist. Das Terpenthinöl, wofür kein
                                 Absatz ist, wird als Rohproduct dem Theer beigemischt.
                              Die Holzsäure wird an Kalk gebunden, und zwar kann
                                 diejenige, welche aus der Kühlschlange kommt, direct in holzsauren Kalk
                                 verwandelt werden, wogegen diejenige, welche mit dem Theer gemischt aus der
                                 untern Röhre kommt und deren Menge gering ist, vorerst rectificirt werden muß.
                                 Bei der Darstellung von essigsaurem Kalk verfahre ich nach Völckel's Angabe in der Weise, daß ich ihm bei einer hohen Temperatur,
                                 welche derjenigen nahe kommt, wobei er sich zersetzt, lange trockne; dabei muß
                                 man natürlich sehr vorsichtig seyn, sonst kann durch Verbrennen desselben, da er
                                 sich leicht entzündet und fortbrennt, Schaden entstehen. Solcher essigsaure Kalk
                                 ist nicht sehr brenzlich, besonders der von hartem Holze erzeugte, welcher fast
                                 weißgrau erhalten wird.
                              Zur Darstellung der reinen Essigsäure nehme ich einen
                                 Ueberschuß an Schwefelsäure, welche den größten Theil der noch vorhandenen
                                 brenzlichen Materien zerstört; wenn man solche Essigsäure noch einmal mit etwas
                                 Braunstein rectificirt und das erste, schweflige Säure enthaltende und das
                                 letzte, etwas brandige Product jedesmal zum Rohproduct zurückgibt, so erhält man
                                 sie ganz frei von Brenzproducten und als Tafelessig brauchbar. Der aus solcher
                                 Essigsäure dargestellte Bleizucker ist erster Qualität.
                              Den Holzgeist erhalte ich als Nebenproduct bei dem
                                 Abdampfen von essigsaurem Kalk, indem ich diese Operation in einer Blase
                                 vornehme und das Destillat so lange auffange, als die Flüssigkeit noch den
                                 Gehalt von Holzgeist am Aräometer anzeigt. Dieses Destillat wird sodann im
                                 Wasserbade zuerst für sich, sodann mit ungelöschtem Kalk, und zuletzt mit etwas
                                 englischer Schwefelsäure gleichfalls im Wasserbade rectificirt.
                              
                              Auf diese Weise erhält man als Handelsproduct sehr reinen, ganz weißen und fast
                                 wasserfreien Holzgeist von 0,800 spec. Gewicht.
                              Als Nachtrag zur Holzsäure will ich noch einer sehr vortheilhaften Verwendung
                                 derselben erwähnen, nämlich zur Wiederbelebung der
                                    thierischen Kohle in den Zuckerfabriken. Wenn man die durch die
                                 Kühlschlange erhaltene Holzsäure statt der jetzt gebräuchlichen Salzsäure
                                 anwendet, um die thierische Kohle vom kohlensauren Kalk zu befreien, so wird der
                                 phosphorsaure Kalk derselben nicht aufgelöst, die Kohle bleibt daher länger
                                 wirksam und brauchbar. Ich habe bei meinen in den fürstlich Sangutzko'schen Zuckerfabriken angestellten
                                 Untersuchungen die Thatsache, daß verdünnte Essigsäure den phosphorsauren Kalk
                                 gar nicht oder nur sehr wenig und schwierig angreift, bestätigt gefunden.
                                 Während bei der Einwirkung von Salzsäure auf die Thierkohle dieselbe nach der
                                 Behandlung weich und brüchig, zerreiblich wird, bleibt die mit Holzsäure
                                 behandelte Thierkohle hart. Wenn aber die Thierkohle von dem kohlensauren Kalk
                                 befreit wird und dabei hart bleibt, so besteht ein Vortheil dieses Verfahrens
                                 unfehlbar wenigstens schon darin, daß sich die Kohle nicht so leicht verkrümelt,
                                 außerdem darin, daß die Holzsäure an manchen Orten viel billiger ist als die
                                 Salzsäure, welche in Rußland durchschnittlich 3 Rubel Silber per Pud kostet.
                              In denjenigen Fabriken, wo man die Thierkohle durch Gährung mittelst Melasse (für
                                 welche man gleichfalls oft keine vortheilhaftere Verwendung hat) wiederbelebt,
                                 ist dieselbe Säure, die Essigsäure, wirksam. Natürlich hat man darauf zu sehen,
                                 daß die anzuwendende Holzsäure möglichst frei von Theer ist; sie muß beim
                                 Verdampfen möglichst wenig oder gar nichts zurücklassen, widrigenfalls sich beim
                                 nachherigen Glühen die Poren der Kohle verstopfen würden und man dann vielleicht
                                 mehr Nachtheil als Vortheil hätte.
                              Die in meinen Apparaten gewonnene Holzkohle ist gute
                                 schwarze Kohle, aber meistens weich.
                              
                           
                              
                              C. Ergebnisse der Untersuchung verschiedener Sorten Holz auf ihre Ausbeute im
                                    Großen an: Theer, Holzsäure, Terpenthinöl und Kohle.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 159, S. 387
                                 Art des Holzes; Maaß des Holzes
                                    nach Szurek oder 1/8 Kubikklafter. 1 Kubikklafter = 813 engl. Kubikzoll;
                                    Gewicht des Holzes in Pud. 1 Pud = 40 Pfd. poln.; Theer; A. nach Maaß in
                                    Viadros. 1 Viadro gleich 29 Pfd. Wasser; B. nach Gewicht; Terpenthinöl;
                                    Holzsäure.; Kohle; A. nach Maaß; Gase un Verlust;
                                    Achtel-Kubikklafter; Pud.; Koretz.; 1) Brawica, d. i. Kienholz vom
                                    Stamm, welches 3 Jahre an der Luft gelegen; 2) Luczina, d. i.
                                    Kienwurzelholz, 3 Jahre an der Luft gelegen; 3) Luczina, frische aber
                                    lufttrocken; 4) Luczina, frische lufttrocken; 5) Birkenholz,
                                    lufttrocken
                                 
                              
                              100 Theile geben hiernach:
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 159, S. 388
                                 Feuchtigkeit bei 110° C.
                                    getrocknet.; Theer; Terpenthinöl; Holzsäure; 60,0 Holzsäure sättigen
                                    kohlens. Kali; Kohle; Gase und Verlust; 1) dreijährige Brawica; 2)
                                    dreijährige Luczina; 3) lufttrockene Luczina; 4) lufttrockene Luczina; 5)
                                    luftrockenes Birkenholz
                                 
                              Es ist selbstverständlich, daß bei Anwendung von harzigen Hölzern die Ausbeute an
                                 Theer und Terpenthinöl hauptsächlich von der Qualität des Holzes abhängig ist;
                                 ferner ist bei frischem harzigen Holze die Ausbeute an Terpenthinöl größer, denn
                                 durch längeres Liegen an der Luft und Einwirkung der Sonne muß ja ein Theil
                                 dieses ätherischen Oeles verdampfen. Die Sorgfalt und Aufmerksamkeit beim Feuern
                                 und die hinreichende Abkühlung der Kühlschlange haben bei dem beschriebenen
                                 Verfahren natürlich ebenfalls einen großen Einfluß auf die Ausbeute.
                              Noch ist zu bemerken, daß zu dick gehauenes Holz auch die Ausbeute an Theer und
                                 Terpenthinöl vermindern muß.
                              
                           
                              D. Kostenanschlag einer solchen Fabrik von 4 Kesseln, welche im
                                 Jahre, zu 40 Arbeitswochen gerechnet, 240 Klafter Holz verarbeiten:
                              
                                 
                                         700 Pud Eisenblech zu 4
                                       Kesseln mit Arbeitslohn, das Pud zu 4
                                       Rubel                  75
                                       Kopeken
                                    3,325 Rubel
                                    
                                 
                                          
                                       60   „   Kupfer zu den
                                       Verbindungsröhren und den
                                       Kühlschlangen                  
                                       mit Arbeitslohn, das Pud zu 20 R.
                                    1,200    „
                                    
                                 
                                          
                                       12   „   Hahnen, das Pud zu 16
                                       Rubel
                                       192    „
                                    
                                 
                                             8
                                       Fässer zu den Condensatoren und Kühlschlangen, à 10 Rubel
                                        
                                       80    „
                                    
                                 
                                             1
                                       Dampfkessel von 50 Pud
                                       200    „
                                    
                                 
                                           50 Pud
                                       eiserne Reifen zu den Fässern, à 2
                                       Rubel
                                       100    „
                                    
                                 
                                    80,000 Backsteine zum Einmauern der Kessel, à 3 R.
                                       240    „
                                    
                                 
                                         Maurerarbeit, mit Sand
                                       und Lehm
                                       100    „
                                    
                                 
                                         Gebäude, von Holz
                                       aufgeführt
                                       300    „
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    5,737 R. S.
                                    
                                 
                              
                              Da die veranschlagten Kosten eher etwas überschätzt sind, so wird es hiernach
                                 leicht seyn, sich an jedem gegebenen Orte nach den Umständen und Verhältnissen
                                 einen Kostenanschlag für eine größere Fabrik zu machen.
                              
                           
                              E. Betriebskosten einer Fabrik, welche 240 Kubikklafter
                                 Kienwurzelholz in einem Jahre zu 40 Arbeitswochen verarbeitet.
                              
                                 
                                    240 Kubikklafter = 813 engl. Kubikfuß Kienholz, à 16 Rubel
                                    3,840 Rubel
                                    
                                 
                                    150        
                                       „          
                                       Brennholz, à 2 R.
                                       300    „
                                    
                                 
                                      10 Arbeiter, zu 60 Rubel jährlich
                                       600    „
                                    
                                 
                                        1 Meister, zu 200 R.
                                       jährlich
                                       200    „
                                    
                                 
                                    Reparaturen und sonstige unvorhergesehene Kosten
                                       200    „
                                    
                                 
                                    Zinsen des Anlagecapitals zu 10 Proc.
                                       600    „
                                    
                                 
                                    Tilgungskosten des Capitals
                                       500    „
                                    
                                 
                                    480 Fässer, à 2
                                       R.
                                       960    „
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    7,200 R. S.
                                    
                                 
                              
                           
                              F. Production an Rohmaterial, das Terpenthinöl als Theer und alsdann
                                 im Mittel 2 Fässer von der Kubikklafter gerechnet.
                              
                                 
                                        480 Fässer Theer, das Faß
                                       an Ort und Stelle zu 24 R.
                                    11,520 Rubel
                                    
                                 
                                    14400 Koretz Kohlen, zu 10 Kopeken per Koretz
                                      1,440     „
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    12,960 R. S.
                                    
                                 
                              Ich habe absichtlich weder Terpenthinöl noch Holzsäure bei der Production
                                 angeführt, da für diese Producte nicht überall Absatz ist. Wie man sieht, stellt
                                 sich aber bei einem so kleinen Betriebe und so kleinem Anlagecapital dennoch ein
                                 verhältnißmäßig großer Gewinn heraus.
                              Es scheint mir, daß diese Methode der trockenen Destillation in Kesseln auch für
                                 Torf, Asphalt und derartige Materialien, bei denen es besonders auf Gewinnung
                                 von Theer und Oelen, also nicht auf Gas abgesehen ist, mit Vortheil wird benutzt
                                 werden können; nur dürften dann die Kessel vielleicht nicht größer als von 200
                                 Kubikfuß Rauminhalt seyn, da bei solchen Materialien größere Hitze angewendet
                                 werden muß.
                              Mazyr, im Minsker Gubernium in Rußland, im October 1860.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
