| Titel: | Zur Kenntniß der Dosirung des sogenannten weißen Schießpulvers; von Dr. J. J. Pohl. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXVI., S. 427 | 
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                        CXVI.
                        Zur Kenntniß der Dosirung des sogenannten weißen
                           Schießpulvers; von Dr. J. J.
                              Pohl.
                        Aus den Sitzungsberichten der k. k. Akademie der Wissenschaften zu
                                    Wien, Bd. XLI.
                        Pohl, über die Dosirung des sogenannten weißen
                           Schießpulvers.
                        
                     
                        
                           Bei Bereitung des von Augendre erfundenen sogenannten
                              weißen Schießpulvers behufs Vorlesungs-Versuchen befolgte ich die Vorschrift,
                              welche nach dem Moniteur industriel, 1850 Nr. 1426, im
                              polytechn. Journal Bd. CXV S. 379 angegeben
                              ist. Nach dieser Vorschrift wäre die Dosirung des aus Kaliumeisencyanür (gelbem
                              Blutlaugensalz), Rohrzucker und chlorsaurem Kali bestehenden neuen
                              Schießpulvers:
                           
                              
                                 Kaliumeisencyanür
                                 1
                                 Gewichtstheil
                                 oder
                                 20
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                                 Rohrzucker
                                 2
                                 „
                                 „
                                 40
                                 „
                                 
                              
                                 chlorsaures Kali
                                 2
                                 „
                                 „
                                 40
                                 „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 5
                                 „
                                 „
                                 100
                                 „
                                 
                              
                           Alle Versuche nach dieser Dosirung ein gut abbrennendes Schießpulver zu erhalten
                              schlugen aber fehl, das Pulver explodirte langsam unter Hinterlassung einer Masse
                              kohligen Rückstandes. Eben so wenig gelang es, ein nur einigermaßen wahrscheinliches
                              Schema aufzustellen, nach welchem bei der angeführten Dosirung die Zerlegung beim
                              Abbrennen des Pulvers erfolgen könnte. Da ich übereinstimmend in den mir gerade zu
                              Gebote stehenden Zeitschriften dieselben Angaben fand, so glauchte ich obige
                              Dosirung sey richtig abgedruckt und versuchte nun selbst ein besseres Schießpulver
                              mit den genannten Substanzen darzustellen.
                           Nach mehreren Versuchen blieb ich bei der Dosirung:
                           
                              
                                 Kaliumeisencyanür
                                 28
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                                 Rohrzucker
                                 23
                                 „
                                 
                              
                                 chlorsaures Kali
                                 49
                                 „
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 100
                                 „
                                 
                              
                           
                           stehen, welche ein sehr gut abbrennendes Schießpulver lieferte
                              und nahezu dem Verhältnisse:
                           K₂FeCy₃, 3 HO +
                              C₁₂H₁₁O₁₁ + 3 (KO, ClO₅)
                           entspricht, das in 100 Gewichtstheilen:
                           
                              
                                 Kaliumeisencyanür
                                 28,17
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                                 Rohrzucker
                                 22,78
                                 „
                                 
                              
                                 chlorsaures Kali
                                 49,05
                                 „
                                 
                              
                           fordert.
                           Ueber die beim Abbrennen dieses Schießpulvers gebildeten Zerlegungsproducte läßt sich
                              ohne vorausgegangene weitläufige Analysen wohl schwer etwas Bestimmtes sagen, um so
                              weniger als das Abbrennen im Freien oder im geschlossenen Raume, sowie rasch oder
                              absichtlich verlangsamt, gewiß von Belang und selbst von Einfluß auf die Art der
                              Zerlegungsproducte seyn kann. Nimmt man jedoch als hiebei mögliche
                              Zerlegungsproducte des Kaliumeisencyanürs: Stickstoff, Cyankalium und ein
                              Kohleneisen von der Zusammensetzung FeC₂ an, welches sich in der That beim
                              Glühen dieser Verbindung bei Luftausschluß bilden soll, so könnte die Zerlegung nach
                              dem Schema:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 159, S. 428
                              
                           vor sich gehen, wornach je 100 Gewichtstheile
                              Schießpulver:
                           
                              
                                 
                                   52,56 Gewichtstheile
                                 nicht flüchtige Körper und 
                                 
                              
                                 
                                   47,44          „
                                 gasförmige Körper
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                                 
                              
                                 zusammen 
                                 100,00          „
                                 lieferten.
                                 
                              
                           Eine zweite Zerlegungsweise wäre:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 159, S. 428
                              
                           100 Gewichtstheile des Pulvers geben dann bei der Zerlegung:
                           
                              
                                 55,50 Gewichtstheile 
                                 fester Körper und 
                                 
                              
                                 44,50          
                                    „
                                 gasförmiger Körper.
                                 
                              
                           
                           Endlich ließen drittens:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 159, S. 429
                              
                           ableiten, wobei aus je 100 Gewichtstheilen Schießpulver beim
                              Abbrennen
                           
                              
                                 54,32 Gewichtstheile 
                                 fester Körper und
                                 
                              
                                 45,68          
                                    „
                                 gasförmiger Körper
                                 
                              
                           entstünden.
                           Bei längerem Glühen des gelben Blutlaugensalzes an der Luft bildet sich freilich auch
                              cyansaures Kali und Eisenoxyd, sowie nach Beimischung von Braunstein, Salpeter oder
                              anderen Oxydationsmitteln im Ueberschusse diese Oxydation rasch und vollständig
                              geschehen soll. Wollte man aber die Entstehung dieser Zerlegungsproducte beim
                              Abbrennen des weißen Schießpulvers nach Aequivalenten ableiten, so müßte das
                              chlorsaure Kali im Ueberschusse vorhanden seyn, welcher Bedingung mindestens das
                              Dosirungsverhältniß:
                           2 (K₂FeCy₃, 3 HO) + 2
                              (C₁₂H₁₁O₁₁) + 8 (KO, ClO₅)
                           entspricht, das die Zerlegungsproducte
                           
                              
                                    4 (KO, CyO)
                                 +   2 N
                                 
                              
                                 + 8 KCl
                                 + 19 CO
                                 
                              
                                 + 8 Fe₂O₃
                                 +   9 CO₂
                                 
                              
                                 
                                 + 28 HO
                                 
                              
                           liefern könnte.
                           Wie zu ersehen, würde die Zerlegung nach dem Schema I gedacht, die vortheilhafteste
                              seyn, da hiebei am meisten gasförmige und am wenigsten feste Körper entstehen,
                              welche die benutzten Feuerwaffen verunreinigen. Auch kommt mir nach einer freilich
                              vorläufig nur oberflächlichen Untersuchung der Verbrennungs-Rückstände, diese
                              Zerlegungsart als am wahrscheinlichsten vor.
                           100 Gewichtstheile des Pulvers geben aber nach dem Schema I
                           
                              
                                 Stickstoff
                                 1,865
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 11,192
                                 „
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 17,587
                                 „
                                 
                              
                                 Wasser
                                 16,788
                                 „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 47,442
                                 Gewichtstheile.
                                 
                              
                           Ferner:
                           
                              
                                 Cyankalium
                                 17,385
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                                 Chlorkalium
                                 29,840
                                 „
                                 
                              
                                 Kohleneisen
                                 5,333
                                 „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 52,558
                                 Gewichtstheile.
                                 
                              
                           
                           Auf Volumina bezogen lieferten hingegen 100 Gewichtstheile bei 0° C. und 760
                              Millim. Barometerstand, mit Benutzung von Regnault's
                              Ausdehnungscoefficienten, und nach Reduction des beim Abbrennen entstehenden
                              Wasserdampfes auf 0° C. unter der Voraussetzung, daß nach der Angabe Regnault's: 1 Volum Wasser bei 0° C. 1700 Volumina
                              Dampf bei 100° C. bildet:
                           
                              
                                 Stickstoff
                                 1927,0
                                 Kubikcentim.
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 8942,9
                                 „
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 8942,9
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserdampf
                                 20867,6
                                 „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 40680,4
                                 Kubikcentim.
                                 
                              
                           Unter diesen Zerlegungsproducten muß das Wasser als bereits fertig vorhanden in den
                              Bestandtheilen des Schießpulvers angenommen werden, was auch von dem im Cyankalium
                              gebundenen Cyan gilt.
                           Indem man berücksichtigt, daß 100 Gewichtstheile der Masse enthalten:
                           
                              
                                 1,865
                                 Gewichtstheile
                                 frei werdenden Stickstoff,
                                 
                              
                                 4,797
                                 „
                                 zu Kohlenoxyd verbrennenden Kohlenstoff und
                                 
                              
                                 4,797
                                 Gewichtstheile
                                 sich zu Kohlensäure umsetzenden Kohlenstoff,
                                 
                              
                           lassen sich näherungsweise die beim Abbrennen dieses
                              Schießpulvers gelieferten Wärmeeinheiten bestimmen, denn legt man Favre und Silbermann's
                              Verbrennungswärme des Kohlenstoffes zu Grunde,Comptes rendus, tome XX p. 1565 et tome XXI p. 944. so wird die beim Abbrennen gelieferte Wärmemenge W, in Wärmeeinheiten ausgedrückt:
                           W = (4,797 × 2474 + 4,797
                              × 8080)/100
                           also gleich 506,3 Wärmeeinheiten.
                           Um ferner die Verbrennungstemperatur beim freien Abbrennen des weißen Schießpulvers
                              kennen zu lernen, ist es unumgänglich nothwendig die specifische Wärme der Summe der
                              Verbrennungsproducte unter constantem Druck zu kennen, wozu die allgemeine
                              Gleichung:
                           ΣS = (ps + p's' + p''s''
                              + . . . . .)/G
                              
                           führt, in welcher ΣS die
                              gesuchte specifische Wärme, G die Summe der vorhandenen
                              Gemengtheile, p, p', p''. . . und s, s', s''. . . deren spec. Wärme bedeuten. Benutzt man zu diesem Behufe
                              nach Regnault für:
                           
                           
                              
                                 
                                 Stickstoff
                                 die spec. 
                                 Wärme
                                 = 0,2440
                                 
                              
                                 
                                 Kohlenoxyd
                                   „     „
                                 „
                                 = 0,2479
                                 
                              
                                 
                                 Kohlensäure
                                   „     „
                                 „
                                 = 0,2164
                                 
                              
                                 
                                 Wasserdampf
                                   „     „
                                 „
                                 = 0,4750
                                 
                              
                                 ferner für
                                 Chlorkalium
                                   „     „
                                 „
                                 = 0,1730
                                 
                              
                           und leitet man endlich aus Regnault's Vergleich der spec. Wärme des Kaliums und des BleiesComptes rendus, tome XXVIII p. 325. die spec. Wärme des Kaliums (unter Annahme des Aequivalentes K = 39,11) zu 0,3326 ab, so folgen aus der von Woestyn aufgestellten RelationAnnales de Chimie et de Physique, Sèrie
                                    III, tome XXIII p.
                                    295.
                              
                           S = (ans + a'n's' + a''n''s''+ . . . .
                              .)/A
                              
                           in welcher A das Aequivalent der
                              gegebenen chemischen Verbindung, a, a', a''. . . die
                              Aequivalente der Bestandtheile, n, n' n''. . . deren
                              vorhandene Vielfachen ausdrücken und endlich s, s', s''
                              die denselben entsprechenden spec. Wärmen (für C =
                              0,2415 als spec. Wärme und Eisen = 0,1098 genommen),
                           für Cyankalium die spec. Wärme = 0,3107 und
                           Kohleneisen die spec. Wärme = 0,1493.
                           Es wird hiernach die spec. Wärme der Summe der Verbrennungsproducte = 0,2636 und die
                              Verbrennungstemperatur:
                           W/ΣS
                                 = 506,3/0,2636 = 1920,7° C.
                           Das am häufigsten benutzte Dosirungs-Verhältniß des gewöhnlichen schwarzen
                              Schießpulvers ist aber
                           KO, NO₅ + S + C₃
                           und unlängst haben erst Bunsen und
                              Schischkoff gezeigt,Polytechn. Journal Bd. CXLVII S.
                                       413. daß die bisher angenommene Zersetzung dieses Pulvers gänzlich unrichtig sey.
                              Nach diesen beträgt aber der feste Rückstand vom Abbrennen des gewöhnlichen
                              Schießpulvers 68,06 Proc., die gasförmigen Bestandtheile nur 31,38 Proc. und dem
                              Volumen nach bei 0° und 760 Millim. Barometerstand 19310 Kubikcentim.
                           Nimmt man nun die Zusammensetzung des gebräuchlichsten schwarzen Schießpulvers im
                              Durchschnitte gleich der von Bunsen und Schischkoff in ihrem untersuchten
                              Pulver gefundenen an, so resultirt in 100 Gewichtstheilen schwarzen
                              Schießpulvers:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                   7,69 Proc.
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   0,41    „
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 36,99    „
                                 
                              
                           Läßt man ferner mit Bunsen und Schischkoff die beim freien Abbrennen gelieferte Heizkraft zu 619,5
                              Wärmeeinheiten gelten, so ergibt sich, daß das weiße Schießpulver im Verhältnisse
                              0,8081 : 1 weniger Wärme als das gewöhnliche Schießpulver entwickle. Das schwarze
                              Pulver gab aber beim freien Abbrennen eine Verbrennungstemperatur von 2993°
                              C., es verhalten sich daher auf die Temperatur 0° und den Barometerstand von
                              760 Millim. bezogen,
                           
                              
                                 für das schwarze Pulver:
                                 für das weiße Pulver:
                                 
                              
                                 
                                 die gelieferten Gasmengen
                                 
                                 
                              
                                 wie:                
                                   
                                    1                                
                                    :
                                 2,107
                                 
                              
                                 
                                 die Flammen-Temperatur
                                 
                                 
                              
                                 wie:
                                   
                                    1                                
                                    :
                                 0,641
                                 
                              
                                 
                                 die Rückstände hingegen
                                 
                                 
                              
                                 wie:
                                   
                                    1                                
                                    :
                                 0,77
                                 
                              
                           Bei den genannten Verbrennungs-Temperaturen gäbe aber für 760 Millim.
                              Barometerstand das von Bunsen und Schischkoff untersuchte schwarze Pulver nahezu 231411 Kubikcentim. Gase,
                              das weiße Pulver aber 300798 Kubikcentim., und somit stünden die gelieferten
                              Gasmengen im Verhältnisse wie:
                           1        
                              :         1,300.
                           Beim Abbrennen im geschlossenen Raume, also bei constantem Volumen und variablem
                              Druck wird jedoch die Verbrennungstemperatur und somit auch die Anzahl der
                              gebildeten Kubikcentim. Gase auf den Normal-Barometerstand reducirt,
                              geändert, da sich hiebei die spec. Wärmen der Gase beträchtlich ändern. Nimmt man
                              nämlich mit Bunsen
                              Bunsen, Gasometrische Methoden, Braunschweig 1857, S. 255. für diese Umstände die spec. Wärme des Stickstoffes zu 0,1717, der
                              Kohlensäure zu 0,1702, des Kohlenoxydes zu 0,1753, des Wasserdampfes zu 0,1668 an,
                              so folgt wie oben abgeleitet, die spec. Wärme der Summe der Verbrennungsproducte
                              für's weiße Schießpulver zu 0,1944, und die Verbrennungstemperatur W/ΣS = 506,3/0,1944 =
                              2604,5° C. sowie die Menge der gelieferten Gase gleich 431162 Kubikcentim. Das von
                              Bunsen und Schischkoff
                              untersuchte schwarze Pulver gab aber für die Abbrennung im geschlossenen Raume die
                              Flammentemperatur zu 3340° C., somit hiebei nahezu 258240 Kubikcentim.
                              Gase.
                           Es resultiren also für's Abbrennen im geschlossenen Raume die Verhältnisse:
                           
                              
                                 
                                 schwarzes Pulver
                                 zu
                                 weißem Pulver
                                 
                              
                                 
                                 für
                                 die Flammentemperaturen
                                 
                                 
                              
                                 wie:              
                                 
                                 1
                                 :
                                 0,779
                                 
                              
                                 
                                 
                                 für die Gasmengen
                                 
                                 
                                 
                              
                                 wie:
                                 
                                 1
                                 :
                                 1,669
                                 
                              
                           Da nun die Wirksamkeit eines Schießpulvers großentheils von der Menge der beim
                              Abbrennen gebildeten Gase abhängt, so dürfte in dieser Beziehung, gleiche
                              Gewichtsmengen und Abbrennen im geschlossenen Raume vorausgesetzt, das neu dosirte
                              weiße Schießpulver die 1,67fache Wirkung des schwarzen Pulvers haben. Berücksichtigt
                              man hingegen die Volumina der abbrennenden Schießpulver, so stellt sich die
                              Leistungsfähigkeit anders heraus. Bei der vorgenommenen für Schießpulver üblichen,
                              sogenannten trockenen Dichtenbestimmung zeigte sich nämlich, daß ein Gefäß, welches
                              102,542 Grm. weißes Schießpulver faßte, 132,355 Grm. von gewöhnlichem Scheibenpulver
                              aufnahm. Somit wäre die relative Dichte des neuen Pulvers dem schwarzen gegenüber
                              gleich 0,774 und die Leistungsfähigkeit auf gleiche Volumina bezogen nur mehr
                              1,292.
                           Um den gleichen Effect für Projectile, Sprengungen etc. zu erzielen, sind also dem
                              Gewichte nach statt 100 Th. schwarzem Pulver nur 60 Th. weißes Pulver der Dosirung I
                              zu nehmen, welche nicht mehr als 31,53 Gewichtstheile Rückstand lassen, während
                              letzterer beim schwarzen Pulver nach Bunsen und Schischkoff 68 Gewichtstheile ausmacht. 100 Volumina des
                              alten Schießpulvers brauchen aber zum Ersatz 77,4 Volumina des weißen Pulvers. Wie
                              zu ersehen, liegt ein Hauptvortheil des weißen Schießpulvers nicht nur in der
                              erhöhten Wirksamkeit, sondern auch insbesondere für den Gebrauch in Schießwaffen
                              aller Art und zu Sprengungen in geschlossenen Räumen wie Bergwerken etc. in der weit
                              niederen Flammen-Temperatur, so daß eine größere Anzahl von Schüssen als
                              bisher, unmittelbar auf einander folgen kann, ohne daß sich die Geschützwände oder
                              die stagnirende Luft in den Stollen, Tunnels etc. zu sehr erhitzen.
                           Mögen diese, wie mehrmals bemerkt, nur annäherungsweise richtigen Daten dazu
                              beitragen, die allgemeine Aufmerksamkeit dem neuen weißen Schießpulver zuzulenken, welches
                              wenigstens als Sprengpulver das alte Pulver an Kraft übertrifft und in dieser
                              Beziehung der Wirksamkeit der Schießbaumwolle nahe steht, vor dieser aber, was
                              Leichtigkeit und Billigkeit der Darstellung, sowie Unveränderlichkeit beim
                              Aufbewahren anbelangt, den Vorzug verdient.
                           Für den weiteren Vergleich des schwarzen und neuen weißen Schießpulvers mag noch
                              Folgendes bemerkt seyn. Da das neue Pulver chlorsaures Kali enthält, welches
                              bekanntlich beim Gebrauche aller bisherigen Schießpulver-Surrogate, deren
                              Bestandtheil es bildet, die Feuerwaffen zu Folge seiner Zerlegungsproducte in hoher
                              Temperatur angreift und selbst das Rosten eiserner Läufe durch theilweise Zersetzung
                              beim Anziehen hygroskopischen Wassers bewirken kann, so liegt die Befürchtung nahe,
                              daß dieß auch von unserem Pulver gelte. Träte dieser Uebelstand thatsächlich ein, so
                              würde das Weiße Pulver nur als Sprengpulver dienen können, als solches aber
                              ausgezeichnete Erfolge bedingen. Wenn aber beim Abbrennen des neuen weißen Pulvers
                              sich thatsächlich nur die Zerlegungsproducte des Schema I bildeten, so ist nicht
                              einzusehen, warum dasselbe schädlicher auf die Feuerwaffen als das alte schwarze
                              Pulver wirken sollte. Im Gegentheile, der bei gleicher Wirksamkeit viel geringere
                              feste Rückstand im Rohr, müßte eher eine Schonung der Feuerwaffe zur Folge haben. Ob
                              dem wirklich so sey, ließe sich am einfachsten durch mit einer bestimmten Feuerwaffe
                              vorgenommene und längere Zeit fortgesetzte Schießversuche entscheiden, zu welchen
                              Versuchen mir aber leider jede Gelegenheit mangelt. Da ferner das neue Pulver
                              weniger hygroskopisch ist als das alte, so kann ein eigentliches Feuchtwerden
                              desselben nicht leicht eintreten und somit wäre die Zerstörung von längere Zeit im
                              geladenen Zustande verbleibenden Feuerwaffen auch nicht zu besorgen. Weitere große
                              Vortheile bietet aber das weiße Pulver gegenüber dem schwarzen durch die so schwere
                              Explosionsfähigkeit bei Druck und Schlag. Nur der heftigste Schlag von Eisen auf
                              Eisen bewirkt Explosion, dagegen kann es durch Reibung von Holz auf Metall, zwischen
                              Steinen, Thonmassen etc. nicht dazu gebracht werden. Wohl aber hat man sich vor
                              Reiben des Pulvers mit Kohle oder Schwefel und selbst vor dem zufälligen Vermengen
                              damit zu hüten, welches sehr leicht die Explosion bedingt. Ebenso gehört die leichte
                              Entzündbarkeit durch Funken, namentlich der elektrischen Funken, durch glimmende und
                              mit Flamme brennende Körper und das natürlich unmögliche Abschwärzen, endlich die
                              Verwendbarkeit im ungekörnten Zustande als Schieß- oder Sprengpulver, zu den
                              Vortheilen. Die Bereitungsweise des neuen Pulvers ist gegenüber jener des schwarzen
                              Pulvers eben in Folge der leichten Beischaffung der Rohmaterialien, der leichten Vermischung halber und
                              des Fortfallens des Verdichtens, Körnens, Glänzens etc. außerordentlich erleichtert
                              und verkürzt. Es lassen sich sogar bei gegebenen Rohmaterialien in wenig Stunden
                              große Mengen des neuen Pulvers ohne Benutzung weiterer Geräthe als etwa einer
                              Stampfe und eines Mischfasses bereiten. Daß endlich das neue Pulver trotz des
                              höheren Anschaffpreises der benutzten Rohmaterialien bei gleichem Gewichte dennoch
                              billiger als das alte Schießpulver zu stehen komme, bedarf keines weiteren Beweises
                              und noch augenfälliger günstig stellt sich der Kostenpunkt bei Berücksichtigung der
                              erhöhten Leistungsfähigkeit heraus.
                           Nachdem das genannte Dosirungsverhältniß I schon im Jahre 1856 ermittelt war, kam mir
                              der Bericht Augendre's über sein weißes Schießpulver an
                              die Pariser Akademie der Wissenschaften zur Hand,Comptes rendus, t. XXX p. 179. nach welchem er selbst ein anderes Dosirungs-Verhältniß als das in
                              den meisten deutschen Zeitschriften angegebene verwendet. Augendre nimmt nämlich hiernach:
                           
                              
                                 Kaliumeisencyanür
                                 1
                                 Gewichtstheil,
                                 
                              
                                 Rohrzucker
                                 1
                                 „
                                 
                              
                                 Chlorsaures Kali
                                 2
                                 „
                                 
                              
                           was für 100 Gewichtstheile die Dosirung:
                           
                              
                                 Kaliumeisencyanür
                                 25
                                 Gewichtstheile
                                 oder
                                 1,000 Aeq.
                                 
                              
                                 Rohrzucker
                                 25
                                 „
                                 „
                                 1,235    „
                                 
                              
                                 Chlorsaures Kali
                                 50
                                 „
                                 „
                                 3,446    „
                                 
                              
                           gibt. Wie zu ersehen, nähert sich dieses Verhältniß sehr dem
                              von mir gewählten. Nach dem gegebenen Zerlegungsschema I glaube ich aber die von mir
                              gefundene Dosirung als die richtigere und vortheilhaftere ansehen zu dürfen.