| Titel: | Ueber die Wirkung des Lichts auf ein Gemisch von Eisenchlorid und Weinsteinsäure; Anwendung derselben zur Photographie; von Poitevin. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXX., S. 445 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CXX.
                        Ueber die Wirkung des Lichts auf ein Gemisch von
                           Eisenchlorid und Weinsteinsäure; Anwendung derselben zur Photographie; von Poitevin.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1861, t. LII p.
                              94.
                        Poitevin, über die Wirkung des Lichts auf ein Gemisch von
                           Eisenchlorid und Weinsteinsäure.
                        
                     
                        
                           Ich habe schon längst beobachtet, daß die Eisenoxydsalze durch das Licht bei
                              Gegenwart gewisser organischen Verbindungen, wie Alkohol, Aether etc., zu
                              Oxydulsalzen reducirt werden. Um diese Eigenschaft für photographische Abdrücke
                              (positive Copien) benützen zu können, suchte ich nicht flüchtige reducirende
                              Substanzen auf. Die Uranoxydsalze, welche selbst durch das Licht bei Gegenwart
                              organischer Körper (z.B. Papier) reducirt werden, wirken auf die Eisenoxydsalze
                              durch das sich anfangs bildende Uranoxydul; das essigsaure Ammoniak, das Alloxantin,
                              Glycerin und insbesondere die Weinsteinsäure lieferten mir ebenfalls sehr
                              entschiedene und in der Photographie benutzbare Reactionen. Obgleich diese Reduction
                              bei allen Eisenoxydsalzen stattfindet, und selbst beim Eisenoxyd, womit ich
                              ebenfalls Versuche angestellt habe, so blieb ich doch bei der Anwendung eines
                              Gemisches von Eisenchlorid und Weinsteinsäure stehen. Ich werde daher im Folgenden
                              nur von diesen beiden Körpern sprechen.
                           Die theilweise Bildung von gallussaurem Eisenoxyd auf dem Papier oder anderen
                              Flächen, um darauf nach meiner Methode Lichtbilder zu erzeugen, gründet sich auf die
                              Reduction des Eisenchlorids zu Chlorür, welches sich bloß an den der Einwirkung des
                              Lichts ausgesetzten Stellen bildet.
                           Die Anwendung des Kohlenpulvers oder anderer pulverförmigen Farben und verglasbaren
                              Körper nach meinem Verfahren beruht auf einer anderen Eigenschaft, welche ich zuerst
                              beobachtet zu haben glaube; es ist die, daß Eisenchlorid und Weinsteinsäure, in
                              gewissen Verhältnissen aufgelöst und auf irgend eine Fläche aufgetragen, dann
                              getrocknet, entweder künstlich, oder freiwillig im Dunkeln, eine gleichförmige
                              Schicht von einer nicht krystallinischen und nicht hygroskopischen Verbindung geben,
                              welche trocken bleibt, so lange sie vor dem Licht geschützt aufbewahrt wird, die
                              aber an der Sonne oder am zerstreuten Licht zerfließend wird. Ich fand in den
                              Theilen, welche dem Einfluß des Lichts ausgesetzt waren, Eisenchlorür, welches
                              zerfließend ist und einen Körper von saurer Reaction, der das Wasser stark anzieht;
                              letzterer mußte sich durch die Wirkung des Chlors auf die Weinsteinsäure bilden und
                              er spielt bei meinem Verfahren trockene Pulver auf photogenischen Flächen
                              anzubringen, die Hauptrolle. Ich gehe nun zur Beschreibung meiner Verfahrungsarten
                              über.
                           
                        
                           1. Darstellung von
                                 Tintenbildern.
                           Um Positivs zu erhalten, die aus gallussaurem Eisen
                              (gewöhnlicher Tinte) bestehen, mache ich eine Auflösung, welche 10 Gramme
                              Eisenchlorid auf 100 Grm. Wasser enthält; derselben setze ich 3 Grm. Weinsteinsäure
                              zu, filtrire sie und bewahre sie im Dunkeln auf. Um das Papier vorzubereiten, gieße
                              ich dieses Gemisch in eine Schale und lege jedesmal einen Bogen auf dessen
                              Oberfläche, indem ich besorgt bin, daß keine Luftblasen dazwischen eingeschlossen
                              bleiben; ich nehme das Papier sogleich wieder weg und hänge es zum Trocknen im
                              Dunkeln auf, oder ich
                              trockne es nach dem Abtropfen am Feuer. Das so vorbereitete Papier läßt sich lange
                              aufbewahren; es hat eine dunkelgelbe Farbe. Man läßt es im Copirrahmen unter einem
                              Positiv oder unter dem zu copirenden Kupferstich etc. so lange dem Lichte
                              ausgesetzt, welches durch die weihen Stellen des Originals dringt, bis die gelbe
                              Farbe verschwunden und ein dunkelgelbes Bild auf dem weißen Grunde des Papiers
                              entstanden ist. Um das Gelb in Tintenschwarz umzuwandeln, tauche ich das Papierblatt
                              rasch in destillirtes Wasser, hernach in eine gesättigte Auflösung von Gallussäure
                              oder einen Galläpfelabsud, oder auch in eine gesättigte Auflösung von Gallussäure
                              und Pyrogallussäure, je nach dem gewünschten schwarzen Ton. In beiden Fällen wird
                              die organische Säure nur an denjenigen Stellen, wo das Eisenchlorid nicht zersetzt
                              worden ist, Tinte bilden, während sie keine Wirkung auf das Eisenchlorür ausübt,
                              welches die anderen Stellen, wo das Licht gewirkt hat, bedeckt. Man erhält also auf
                              diese Art einen directen Abdruck. Um dieses Bild zu fixiren, braucht man es nur mit
                              destillirtem oder Regenwasser zu waschen.
                           
                        
                           2. Darstellung von Kohlenbildern, von
                                 Bildern welche aus farbigen Pulvern bestehen, von Emailbildern etc.
                           Bei der Ausübung des vorher beschriebenen Verfahrens habe ich bemerkt, daß das aus
                              dem Copirrahmen genommene Papier an den belichteten Stellen für das Wasser sehr
                              durchdringlich geworden ist. Diese Eigenschaft benutzte ich, um auf demselben Bilder
                              mit beliebigen Pulvern zu erzeugen; hierzu brauchte ich nur die Rückseite des
                              Papierblattes mit Gummiwasser zu feuchten; dieses Wasser dringt durch das Papier und
                              hält die pulverigen Farben zurück, welche man mit einem Pinsel aufträgt. Als ich
                              später das Papier durch eine mattgeschliffene Glasplatte ersetzte, indem ich deren
                              Oberfläche mit dem erwähnten Gemisch überzog und dann trocknete, bemerkte ich, daß
                              nach ihrer Exposition durch ein Negativ hindurch, diejenigen Stellen, auf welche das
                              Licht gewirkt hatte, sich von selbst mit Feuchtigkeit überzogen, und daß der anfangs
                              trockene Ueberzug nur an diesen Stellen zerfließend geworden war; diese Thatsache
                              führte mich auf eine neue Methode, Abdrücke zu machen, welche ich nun beschreiben
                              will.
                           Ich bereite zwei Auflösungen, wovon die eine 16 Grm. Eisenchlorid auf 100 Grm.
                              Wasser, die andere 8 Grm. Weinsteinsäure auf 100 Grm. Wasser enthält; nach Maaßgabe
                              der Verwendung mischt man gleiche Volume von diesen zwei Flüssigkeiten. Auf Flächen
                              von mattgeschliffenem und doucirtem Glase, welche vollkommen gereinigt wurden, oder
                              auf Flächen von polirtem Spiegelglase, welche aber vorher mit Collodium überzogen
                              worden sind, gieße ich das erwähnte Gemisch, breite es aus und lasse den Ueberschuß
                              abtropfen; hernach lasse ich diese Glastafeln senkrecht gestellt oder horizontal gelegt, freiwillig im
                              Dunkeln trocknen, oder ich trockne sie am Feuer, je nach der beabsichtigten Dicke
                              der Schicht. Die getrocknete Glastafel läßt sich sehr lange aufbewahren, bevor man
                              sie anwendet. Man exponirt dieselbe im Copirrahmen unter einem Negativ fünf bis zehn
                              Minuten lang an der Sonne; diese Zeit variirt übrigens nach der Jahreszeit und der
                              Intensität des Negativ. Beim Herausnehmen der Glastafel aus dem Copirrahmen ist das
                              Bild auf derselben wenig sichtbar, wird es aber bald durch die Feuchtigkeit, womit
                              es sich bloß an denjenigen Theilen, auf die das Licht gewirkt hat, überzieht. Diese
                              feuchte Schicht gestattet beliebige Pulver überall, wo sie vorhanden ist, haftend zu
                              machen, und die Zeichnung erscheint allmählich unter einem mit trockenen Farben
                              gefüllten Pinsel. Das Bild kann so aufbewahrt werden, denn es ist unveränderlich;
                              ich ziehe es aber vor, die durch das Licht nicht modificirten Theile der Schicht
                              mittelst gesäuerten Alkohols, hernach mittelst Wasser (sie sind in reinem Wasser
                              wenig löslich) wegzunehmen, dann die Glastafel zu trocknen und das Bild zu
                              firnissen, man erhält so ein Transparentbild. – Wenn man ein Glasgemälde
                              erhalten will, trägt man mineralische Oxyde oder Emaile in Pulverform auf und setzt
                              die Glastafeln in einer Muffel einer so starken Hitze aus, daß das Flußmittel oder
                              Email schmilzt; in derselben Weise verfährt man auf emaillirten Flächen oder solchen
                              von Porzellan.
                           Wenn es sich nur um ein Bild auf Papier handelt, so wende ich Pulver von Kohle oder
                              anderen in Wasser unlöslichen Farben an, gieße auf die mit dem Bild versehene
                              Glasfläche eine Schicht normales Collodium, wasche mit gesäuertem Wasser, um den
                              Ueberschuß der Schicht zu beseitigen und das Anhaften des Collodiums an der Platte
                              aufzuheben, wornach ich diese Schicht mittelst LeimpapierMan s. die Bereitung desselben im polytechn. Journal Bd. CLVI S. 434. vom Glase abhebe; es bleibt keine Spur des Bildes auf der Glasplatte zurück.
                              Ich gummire oder firnisse das Bild, um ihm Festigkeit zu ertheilen, und leime es auf
                              Pappe. Ich habe auch die Beobachtung gemacht, daß die aus Eisenchlorid und
                              Weinsteinsäure bestehende Schicht die Eigenschaft hat, die Fettstoffe nur an
                              denjenigen Theilen zurückzuhalten, auf welche das Licht nicht wirkte, und ich habe
                              sie zu einem neuen Verfahren benutzt, photographische Abdrücke mit fetter Tinte
                              herzustellen.