| Titel: | Reinigungsmittel für Pflanzensäfte, mit besonderer Anwendung für die Zuckerfabrication; von E. Rousseau. | 
| Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXXIV., S. 454 | 
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                        CXXIV.
                        Reinigungsmittel für Pflanzensäfte, mit
                           besonderer Anwendung für die Zuckerfabrication; von E. Rousseau.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1861, t. LII p.
                              55.
                        Rousseau, neues Verfahren der Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1849 habe ich eine neue Methode der Zuckergewinnung bekannt gemacht.Polytechn. Journal Bd. CXVI S. 297
                                    und Bd. CXVIII S. 221. Dieselbe ist einzig auf die rationelle Scheidung, mittelst einer den fremden
                              Substanzen angemessenen Kalkmenge bei niedriger Temperatur ausgeführt, begründet;
                              dazu kommt als nothwendige Folge die Neutralisation des Kalkes mittelst einer
                              passenden Substanz, am besten der Kohlensäure. Diese Methode hat trotz der
                              Schwierigkeiten, mit denen jedes neue Verfahren zu kämpfen hat, eine solche
                              Anerkennung gefunden, daß sie jetzt sowohl in Frankreich wie in anderen Ländern in
                              zweihundert Fabriken befolgt wird. Indessen hat dieses Verfahren, bei all seinen
                              Northeilen doch noch einige Uebelstände, weßhalb ich mir es stets habe angelegen
                              seyn lassen, die Zuckerfabrication noch näher zu studiren, um den gegenwärtigen
                              Mängeln abzuhelfen und die Operation zu vereinfachen.
                           
                           Es kommen in dem Runkelrübensaft zwei organische Stoffe vor, welche die
                              Zuckergewinnung erschweren. Die erstere gehört zu den Eiweißkörpern und zeigt deren
                              charakteristische Reactionen. Kalk und Kalksalze coaguliren sie, allein bei
                              Anwendung von Kalk bleiben die Säfte stets alkalisch, selbst nach der Behandlung mit
                              Kohlensäure; dieß rührt entweder daher, daß diese Basis etwas von der organischen
                              Substanz aufgelöst hält, und wie Fremy dieß neuerdings
                              nachgewiesen hat, damit in Verbindung zurückbleibt, oder daher, daß Kali oder Natron
                              frei wird. Beide Wirkungen erfolgen sogar gleichzeitig und haben eine Veränderung
                              der Zuckersäfte zur Folge, welche namentlich in den Nachproducten fühlbar ist.
                           Der zweite jener Stoffe ist, so lange er in den Pflanzenzellen enthalten ist,
                              meistens ungefärbt, wird aber in Folge seiner starken Absorptionskraft für
                              Sauerstoff durch den Einfluß der Luft in die bekannte, beim Verdampfen der
                              Pflanzensäfte entstehende braune Substanz umgeändert. Die Existenz dieses Stoffes
                              ist von Chatin noch von einem andern Gesichtspunkt aus
                              dargethan worden. Meine Angabe ist daher in jeder Weise bestätigt. Ist nämlich diese
                              Substanz von allen eiweißartigen Beimischungen befreit, so reducirt sie in der Wärme
                              die Silbersalze, das Quecksilberoxyd u.s.w. Unter dem Einfluß der letztgenannten
                              Verbindung nimmt die Lösung sogar die natürliche Färbung an, welche der der Luft
                              lange Zeit ausgesetzte Zuckersaft besitzt.
                           Hiernach beschränkt sich die Aufgabe, die Zuckerfabrication zu vereinfachen, auf die
                              Auffindung zweier Stoffe, nämlich:
                           Eines solchen, der wenig löslich ist, alle eiweißartigen Körper coagulirt, und dabei
                              weder auf den Zucker noch auf die Gesundheit schädlich wirkt; derselbe muß ferner,
                              wenn im Ueberschuß angewandt, leicht wieder aus dem Safte zu entfernen und endlich
                              ohne große Kosten zu beschaffen seyn;
                           Die zweite zu findende Substanz muß ein beschränktes Oxydationsvermögen besitzen, um
                              den Farbstoff entweder zu zerstören oder in die braune Verbindung überzuführen und
                              dann zu absorbiren; außerdem muß sie die Unschädlichkeit und absorbirende Kraft des
                              erstern Körpers besitzen, wohlfeil und in unbegränzter Weise wiederzubeleben
                              seyn.
                           Der natürliche oder künstliche schwefelsaure Kalk (gebrannter oder roher Gyps) ist
                              von den Körpern, welche ich untersucht habe, derjenige welcher den angedeuteten
                              Forderungen am meisten entspricht. Er ist neutral, was mir eine wesentliche
                              Bedingung scheint, ohne Wirkung auf den Zucker, sehr wenig löslich, unschädlich,
                              wohlfeil und coagulirt die Eiweiß-Körper der Pflanzensäfte und namentlich der
                              Runkelrübensäfte sehr
                              vollkommen, so daß schon eine geringe Menge von ihm dazu hinreicht. Die Scheidung
                              kann also unter den zweckmäßigsten Verhältnissen und mit sehr wenig Substanz
                              ausgeführt werden. Der Schaum ist fest und scheidet sich gut ab, so daß man den Saft
                              darunter hinreichend klar abziehen kann.
                           Der Gyps verändert den Farbstoff nicht; der Saft wird daher sehr bald tief dunkel
                              gefärbt. Die Knochenkohle ist unmittelbar nach der Scheidung fast ganz ohne Wirkung,
                              da sie nur die oxydirte Substanz entfernt. Der durch Knochenkohle entfärbte Saft
                              wird in der That sehr rasch wieder gefärht. Es muß daher ein oxydirender Körper
                              zugesetzt werden, der in kurzer Zeit die Wirkung übt, welche sonst langsam durch die
                              Luft hervorgebracht wird; oder es muß die zu oxydirende Substanz so modificirt
                              werden, daß man sie zerstören oder absorbiren lassen kann.
                           Unter den vielen Körpern, die ich in dieser Beziehung untersucht habe, und von denen
                              ich hier nicht sprechen will, vereinigen sich in dem Eisenoxydhydrat alle
                              gewünschten Bedingungen. Wenn man nach Coagulirung der eiweißartigen Körper durch
                              Gyps den Rübensaft in der Kälte oder bei erhöhter Temperatur, die aber Siedehitze in
                              keinem Falle erreichen darf, mit Eisenoxydhydrat vermischt und umrührt, so zeigt
                              sich die filtrirte Flüssigkeit vollkommen entfärbt und von allen fremden Substanzen
                              befreit. Außerdem hat das Eisenoxydhydrat die Eigenschaft, alkalische und Erdsalze
                              zu absorbiren und nimmt daher die geringe Menge gelösten Gypses aus dem Safte weg.
                              Dieser reducirt nun das salpetersaure Silber, das Quecksilberoxyd u.s.w. nicht
                              mehr.
                           Stammt der Saft von normalen Pflanzentheilen, so ist er jetzt vollkommen neutral und
                              läßt sich mehrere Tage in Berührung mit der Luft aufbewahren, ohne die geringste
                              Aenderung oder Färbung zu erleiden, woraus also folgt, daß alle Stoffe entfernt
                              sind, welche als Ferment wirken können. Der Saft kocht sehr gut und färbte sich auch
                              durch die Hitze nicht. Der fertig gekochte Syrup hat nur die schwach gelbe Farbe der
                              reinsten Syrupe. Er ist von reinem Geschmack, ohne salzigen Beigeschmack, von
                              vollkommener Flüssigkeit und Klarheit, krystallisirt leicht und liefert weißes
                              Product. Endlich gibt derselbe, auf 25–30° Baums verdünnt und mit
                              Alkohol von 90° Tr. gemischt, auch nach mehreren Tagen keinen Niederschlag.
                              Er ist überdieß vollkommen eisenfrei.
                           Es ist also die Zuckerfabrication auf folgende Manipulationen reducirt: Erwärmung des
                              Saftes mit einigen Tausendteln Gyps (am besten natürlichem), Scheidung, Vermischung
                              des klaren Saftes mit Eisenoxydhydrat; hernach braucht nur der Niederschlag
                              abgesondert und der Saft verkocht zu werden.
                           
                           Das Eisenoxydhydrat muß die Gestalt eines dicken Teiges haben; 1 Liter davon wiegt
                              ungefähr 1145 Grm.; es enthält 70–80 Proc. Wasser. Die erforderliche Menge
                              desselben wechselt je nach der Natur der Rüben, und nach ihrer Conservirung. Als
                              äußerste Grenze werden 8–10 Proc. des Saftes nicht überschritten, was etwa 2
                              Proc. wasserfreiem Eisenoxyd entspricht. Für jetzt ist der Preis des
                              Eisenoxydhydrats bedeutend geringer als derjenige der Knochenkohle, indem es zu
                              5–6 Franken die 100 Kilogr. geliefert werden kann, welcher Preis ohne Zweifel
                              noch bedeutend ermäßigt werden wird.
                           Dieses hier vorgeschlagene Verfahren ist nicht wie die bisherigen auf mehr oder
                              weniger empirische Mittel oder auf mehr oder weniger sinnreiche Maschinen basirt,
                              sondern auf bestimmte chemische Wechselwirkungen, die dasselbe rechtfertigen und
                              gewährleisten. Gyps und Eisenoxydhydrat nehmen die fremden Substanzen weg und geben
                              nichts an den Saft ab.
                           Um das Verfahren zu vervollständigen, bin ich, im Verein mit dem Ingenieur Mariotte im Begriffe, einfache und wohlfeile Apparate für
                              diese Fabrication herzustellen, um sie überall, namentlich auch in den Colonien
                              anwendbar und auch der Landwirtschaft zugänglicher zu machen, für welche jetzt schon
                              die Rübenpreßlinge als Viehfutter fast unentbehrlich geworden sind.