| Titel: | Ueber die Ventilation geschlossener Wohnräume; vom Regierungsassessor Marcard in Hannover. | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XI., S. 43 | 
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                        XI.
                        Ueber die Ventilation geschlossener Wohnräume;
                           vom Regierungsassessor Marcard in Hannover.
                        Vortrag desselben im Local-Gewerbevereine
                                 zu Hannover am 21. Januar 1861. – Aus den Mittheilungen des hannoverschen
                                 Gewerbevereins, 1861. S. 229.
                        Marcard, über die Ventilation geschlossener Wohnräume.
                        
                     
                        
                           Der Redner bemerkte in seinem Vortrage zuvörderst, daß er der Ventilationsfrage, so
                              weit sie in das medicinische Gebiet und in die Baukunst einschlage, als Laie
                              gegenüberstehe, und daß es daher lediglich seine Absicht sey, mit besonderer
                              Beziehung auf die ausgezeichnete Schrift des Professors Max Pettenkofer zu München über den Luftwechsel in Wohngebäuden (München 1858)
                              ein Bild derjenigen Fortschritte zu entwerfen, welche in neuerer Zeit auf diesem für
                              die Gesundheitspflege so äußerst wichtigen Gebiete gemacht seyen. –
                           Die atmosphärische Luft ist die erste und nothwendigste Bedingung zur Erhaltung des
                              animalischen Lebens.
                           Die normalen Bestandtheile derselben sind: Sauerstoff, Stickstoff, Wasser und
                              Kohlensäure in einem bestimmten Mischungsverhältnisse. Der menschliche Organismus
                              ist auf diese Zusammensetzung der Luft berechnet.
                           Sind derselben fremdartige Bestandtheile beigemischt oder enthält siedie normalen Bestandtheile in
                              einem abnormen Mischungsverhältnisse, so bezeichnen wir sie mit dem Ausdruck
                              „unreine Luft.“
                           Je unreiner die Luft ist, desto nachtheiliger muß sie auf den athmenden Menschen
                              wirken; bis zu einem gewissen Grade verunreinigt, kann sie das Leben nicht länger
                              fristen und wirkt daher tödtlich. Der Einfluß dauernd eingeathmeter unreiner Luft
                              äußert sich entweder durch chronisches Siechthum oder durch den Eintritt gewisser
                              acuter Krankheiten: Skropheln, Tuberkeln, Typhus u.s.w. – Der Redner erinnert
                              auch an die ansteckenden Augenentzündungen in Kasernen, Gefängnissen u.s.w., das
                              Kerker- und Lazarethfieber, den Schiffstyphus, das Kindbettfieber u.s.w.
                           Die Verunreinigung der atmosphärischen Luft im Freien hat
                              eine verhältnißmäßig geringere Bedeutung, da dieselbe durch die Reinigungsprocesse
                              der Natur rasch wieder beseitigt wird. Nur da, wo die Verunreinigung zu bedeutend
                              ist und zu unausgesetzt stattfindet, z.B. in den engen Straßen großer Städte und in
                              Sumpfgegenden, kann sich den Vorgängen in der Natur gegenüber eine sogenannte
                              Localatmosphäre halten, welche durch specifische Krankheiten ihre nachtheiligen
                              Wirkungen äußert (z.B. die intermittirenden Fieber in unseren Marschen) oder doch
                              die Widerstandsfähigkeit der Menschen gegen jede Art von Krankheit schwächt.
                           Von ungleich größerer Bedeutung ist die Verunreinigung der Luft in geschlossenen Räumen, wo jene Reinigungsprocesse der
                              Natur nur mangelhaft wirken können. Die geschlossenen Räume sind eines Theils zum
                              dauernden Aufenthalte der Menschen bestimmt und enthalten anderen Theils alle jene
                              Momente, welche im Stande sind die Luft zu verunreinigen und für den Menschen
                              nachtheilig zu machen.
                           Es fragt sich, welche Mittel geeignet sind, hier eine gesunde Luft zu erhalten.
                           Man wird zu diesem Zwecke zunächst und vor allen Dingen bemüht seyn müssen, die
                              Quellen der Verunreinigung so viel wie möglich zu verstopfen, alle fremdartigen
                              Stoffe, welche die Atmosphäre verderben können, zu entfernen, oder sie zu hindern
                              ihren Weg durch die Luft des bewohnten Raumes zu nehmen.
                           So einfach und natürlich dieser Rath erscheint, so wenig wird er befolgt;
                              beispielsweise entsprechen die Cloaken, Gossensteine, Canäle u.s.w. wie sie sich in
                              unseren öffentlichen und Privatgebäuden vorfinden, in den seltensten Fällen den
                              Anforderungen der Gesundheitspflege.
                           Indeß jene Maßregeln allein genügen nicht, die Luft eines bewohnten Raumes vollkommen
                              rein zu erhalten; sie vermögen nichts gegen die
                              Verunreinigung der Luft, welche durch den Athmungsproceß der Bewohner, durch die Ausscheidungen der
                              Lungen und der Haut der Menschen herbeigeführt wird.
                           Gegen die hierdurch veranlaßte Luftverderbniß kann nur der Luftwechsel, die
                              Lufterneuerung schützen.
                           Befindet sich ein Mensch in einem geschlossenen Raume, so verändert sich die ihn
                              umgebende Luft mit jedem Augenblicke, denn der Mensch gibt der Luft nicht das
                              zurück, was er von ihr empfängt; er nimmt den Sauerstoff der Luft in sich auf, und
                              gibt ihr namentlich Kohlensäure und Wasser und geringe Mengen organischer Stoffe
                              zurück.
                           Nach dem Resultate der angestellten Ermittelungen athmet ein Mensch mittlerer Größe
                              in der Minute 5 Liter aus, welche 4 Procent Kohlensäure enthalten; hieraus berechnet
                              sich, daß ein Mensch bei zweistündigem Aufenthalte in einem Zimmer 1 Kubikfuß
                              Kohlensäure durch den Athem in die Luft des Zimmers übergibt.
                           Durch die Respiration und Perspiration der Menschen in geschlossenen Räumen muß
                              hiernach ein abnormes Mischungsverhältniß der Luft entstehen, der Sauerstoff der
                              Luft ab- und die Kohlensäure zunehmen, wenn nicht durch fortwährenden Zutritt
                              einer verhältnißmäßig großen Menge reiner Luft die Verunreinigung wieder
                              ausgeglichen wird.
                           Diese Lufterneuerung im Allgemeinen begreift man unter dem Ausdruck
                              „Ventilation.“
                           Man unterscheidet die freiwillige Ventilation, welche sich
                              ohne absichtliches Zuthun der Menschen von selbst herstellt, und die künstliche, welche durch eigens dazu geschaffene
                              Vorrichtungen vermittelt werden soll.
                           1. Die freiwillige Ventilation beruht auf den durch
                              Temperaturunterschiede hervorgerufenen Luftströmungen.
                           Bis vor Kurzem war man noch außer Stande, die Luftzufuhr in unsere geschlossenen
                              Räume vermittelst der freiwilligen Ventilation irgendwie zu bestimmen; so viel dem
                              Redner bekannt ist, hat erst Pettenkofer diese Frage
                              gelöst.
                           Als Maaßstab zur Berechnung des Luftwechsels nimmt man gegenwärtig die Abnahme der
                              Kohlensäure in einer Zimmerluft an. Der ziemlich constante Gehalt der reinen
                              atmosphärischen Luft an Kohlensäure beträgt dem Volumen nach 1/2000; eben so viel
                              wird sich in einem längere Zeit hindurch vollständig gelüfteten Zimmer vorfinden.
                              Hält sich ein Mensch in einem solchen Zimmer eine Zeit lang auf, so producirt er
                              eine genau zu bestimmende Quantität Kohlensäure. Es müßte demnach ohne Luftzufuhr
                              nach dieser Zeit der ursprüngliche Kohlensäuregehalt und der durch den
                              Athmungsproceß neu entstandene vereinigt in der Zimmerluft erscheinen. Wenn sich
                              aber weniger Kohlensäure, als diese Summeergibt, vorfindet, so kann die Abnahme nur durch
                              Luftwechsel entstanden seyn.
                           Es kommt hiernach nur noch auf die unschwer zu lösende Frage an, wie viel Luftzufuhr
                              erforderlich ist, um die Differenz des Kohlensäuregehalts zu bewirken.
                           Die vielfältigen Untersuchungen zur Ermittelung der Größe des freiwilligen
                              Luftwechsels haben, wie sich erwarten ließ, je nach den einwirkenden Umständen ein
                              so verschiedenes Resultat ergeben, daß es unmöglich ist, einen allgemeinen Maaßstab
                              anzulegen. Um jedoch eine Idee davon zu geben, wird das Resultat einiger
                              Beobachtungen des Professors Pettenkofer mitgetheilt.
                           Am 7. März 1857 beobachtete Pettenkofer in seinem
                              Arbeitszimmer von 3000 Kubikfuß Inhalt, bei einer durchschnittlichen
                              Temperaturdifferenz von 20° C. zwischen der Zimmerluft und der Luft im
                              Freien, eine stündliche Luftzufuhr von 3819,3 Kubikfuß; am 9. März daselbst bei
                              einer durchschnittlichen Temperaturdifferenz von 19° C. eine stündliche
                              Ventilation von 3006,6 Kubikfuß; am 20. October ergab sich bei 21° C.
                              Temperaturdifferenz eine stündliche Ventilation von 889,5 Kubikfuß; bei einem
                              Versuche am 11. December 1857 waren zuvor alle zufälligen Oeffnungen an Fenstern und
                              Thüren sorgfältig verklebt, die stündliche Ventilation betrug bei einem
                              Temperaturunterschiede von 19° C. 2159,7 Kubikfuß.
                           Vermehrend oder vermindernd auf den freiwilligen Luftwechsel in unseren Wohnräumen
                              wirkt zunächst die Differenz der Temperatur im Zimmer und im Freien ein.
                           Je größer die Wärme im Zimmer, desto größer ist selbstverständlich der Druck einer
                              kalten Luft von außen.
                           Sodann kommt die größere oder geringere Porosität des Baumaterials unserer Wohnungen
                              in Betracht.
                           Die umfassenden Untersuchungen des Professors Pettenkofer, welche von dem Redner im
                              Einzelnen beschrieben wurdenPettenkofer hat seine Untersuchungen über
                                    Ventilation in zwei Aufsätzen niedergelegt, welche in den
                                    „Abhandlungen der naturwissenschaftlich-technischen
                                       Commission bei der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften in
                                       München“ (1858) Bd. II S. 19 und 69 veröffentlicht wurden: 1)
                                    Bericht über die Ventilations-Apparate des neuen Gebärhauses und des
                                    allgemeinen Krankenhauses in München, der sechs Pavillons des Spitales La
                                    Riboisière in Paris und des Pavillons Nr. 4 des Spitales Beaujon in
                                    Paris; 2) Besprechung allgemeiner auf die Ventilation bezüglicher Fragen. A.
                                    d. Red., haben ergeben daß insbesondere Sandsteine, Ziegelsteine und Mörtel die Luft
                              mit unglaublicher Leichtigkeit durchlassen.
                           
                           Die Baumaterialien verlieren übrigens diese Eigenschaft, sobald sie vom Wasser
                              benetzt und durchdrungen sind; die Poren, welche sonst der Luft den Zugang
                              gestatten, werden durch das Wasser verschlossen, woraus erhellt, welchen Einfluß
                              nasse Wände in unseren Wohngebäuden auf den Luftwechsel in den Wohnräumen und damit
                              auf die Gesundheit der Bewohner haben müssen.
                           Ein ferneres sehr erhebliches Moment für den Umfang des Luftwechsels ist die
                              Schnelligkeit der Luftströmungen im Freien.
                           Jeder Windstoß auf die Außenseite einer Wand ruft eine Bewegung auf der inneren Seite
                              im Zimmer hervor.
                           Endlich übt auch das Feuer eines Ofens, der von innen geheizt wird, einen nicht
                              unerheblichen Einfluß auf den Luftwechsel aus.
                           Mit Hülfe des Anemometers sind genaue Berechnungen darüber angestellt, wie viel Luft
                              durch Zimmeröfen befördert, verzehrt wird.
                           Bei großen, stark erhitzten Oefen wurde eine Zufuhr von 90 Kubikmeter Luft per Stunde wahrgenommen, bei kleineren Oefen kaum 40
                              Kubikmeter.
                           Eine solche Ventilation hat für schwach bewohnte Räume ihren hohen Werth, für stark
                              bevölkerte dagegen ist sie unerheblich und bedeutungslos.
                           3. Man wird zur künstlichen Ventilation so lange nicht
                              schreiten, als die freiwillige Ventilation ausreicht.
                           Ob dieß zutrifft oder nicht, muß nach den Verhältnissen des einzelnen Ortes
                              beurtheilt werden; aber selbst unter gegebenen Verhältnissen zu bestimmen, ob der
                              Zustand der Luft in einem Locale der künstlichen Ventilation bedarf oder nicht, hat
                              seine großen Schwierigkeiten.
                           Es fragt sich, wie läßt sich die Grenze zwischen guter und schlechter Luft bestimmen,
                              wann fängt die Luft an, nachtheilig auf den menschlichen Organismus zu wirken?
                           Als relativ sicherster und der Analyse einzig zugänglicher Maaßstab für den Grad der
                              Luftverunreinigung gilt längst der jeweilige Kohlensäuregehalt einer Luft. Zwar ist
                              die Kohlensäure nicht der einzige, ja nicht einmal der gefährlichste unreine
                              Bestandtheil, welcher durch die Respiration und Perspiration der Menschen der Luft
                              beigefügt wird, jedoch ist anzunehmen, daß alle anderen unreinen Bestandtheile der
                              Kohlensäure proportional gehen und der letztere allein ist quantitativ meßbar.
                           Das Verdienst Pettenkofer's ist es, eine Methode erfunden
                              zu haben, durch welche sich der Kohlensäuregehalt einer Zimmerluft sehr einfach und
                              sicher ermitteln läßt.
                           
                           Die reine atmosphärische Luft enthält constant mit sehr geringen Schwankungen 1/2000
                              Kohlensäure; es fragt sich, wie viel Kohlensäuregehalt im Zimmer zugelassen werden
                              darf? Pettenkofer, gestützt auf sehr sorgfältige
                              Untersuchungen, setzt die Grenze auf 1/1000; französische Aerzte, wie Grassi u.a., gehen etwas weiter und gestatten höchstens
                              2/1000 Kohlensäuregehalt.
                           Hiernach bestimmt sich, wann im einzelnen Falle eine künstliche Ventilation eintreten
                              muß; im Allgemeinen läßt sich jedoch behaupten, daß alle zum dauernden Aufenthalte
                              einer Mehrzahl von Menschen bestimmte Räume, wie z.B. Gefängnisse und
                              Strafanstalten, Hospitäler, Kasernen, Schulen, Fabriken, Armen- und
                              Waisenhäuser, wie wir sie besitzen, der künstlichen Ventilation nicht entbehren
                              können, wenn eine reine Luft darin erhalten werden soll.
                           Zum Beweise mag dienen, daß nach den Resultaten der genauesten Beobachtungen die Luft
                              eines geschlossenen Raumes nur dann rein erhalten werden kann, wenn für jeden
                              einzelnen Bewohner stündlich 60 Kubikmeter frischer Luft zugeführt werden.
                           Dieser Aufgabe ist bei einer größeren Mehrzahl von Menschen die freiwillige
                              Ventilation in keiner Weise gewachsen.
                           Bei der künstlichen Ventilation hat man zwei Systeme von einander zu
                              unterscheiden.
                           Zunächst die sogenannte natürliche Ventilation, welche
                              darauf Bedacht nimmt, durch Apparate die freiwillige Luftzufuhr zu verstärken,
                           und im Gegensatze dazu: die Ventilation mit mechanischer Kraft.
                           Auf dem Gebiete der natürlichen Ventilation sind aller
                              Orten, namentlich aber in England und Frankreich, unzählige Versuche gemacht.
                           Der Redner beschränkt sich darauf, zunächst die hier gebräuchlichen
                              Ventilationsapparate von den einfachen Fenster- und Thüröffnungen bis zu der
                              unter Anderm im städtischen Krankenhause zu Hannover und im Entbindungshospitale zu
                              Celle angewandten Röhrenvorrichtung, sodann das im allgemeinen Krankenhause und im
                              neuen Gebärhause in München angewandte Häberl'sche
                              System, den in England sehr gebräuchlichen Muir'schen
                              Vierrichtungs-Ventilator, den Röhren-Ventilator M'Kinnel's und das im Spitale Lariboisière in der
                              Vorstadt Poissonnère zu Paris ausgeführte System von Léon, Duvoir, Leblanc mit Zugkaminen und Warmwasserheizung näher zu
                              beschreiben und durch Zeichnungen zu erläutern.
                           Mit den Untersuchungen über das Resultat der natürlichen Ventilation ist man noch
                              nicht ganz zum Abschluß gekommen, indeß läßt sich Folgendes als ziemlich
                              unbestritten annehmen.
                           
                           Die natürliche Ventilation beruht, wie die freiwillige, auf dem Unterschiede der
                              Temperatur in dem zu ventilirenden Räume und der äußeren Luft; sie ist daher auch
                              von diesem Unterschiede abhängig, wirkt verschieden und unregelmäßig.
                           Manche der Apparate ferner erzeugen nachtheilige Kälte und Zugwind.
                           Für Institute endlich, welche ein größeres Luftbedürfniß haben, für bevölkerte
                              Anstalten, z.B. Gefängnisse, Strafanstalten, Schulen, Hospitäler u.s.w. genügt keins
                              der bisher aufgestellten Systeme der natürlichen Ventilation.
                           Die Ventilation mit mechanischer Kraft unterscheidet sich
                              darin von dem Systeme der natürlichen Ventilation, daß sie der Abhängigkeit von den
                              Temperaturunterschieden im Zimmer und in der freien Luft gänzlich entsagt.
                           Sie bezweckt, dem zu ventilirenden Raume eine beliebige Quantität frischer Luft mit
                              mechanischer Kraft entweder zuzuführen (einzutreiben) oder zu nehmen (aufzusaugen).
                              Stoß- oder Saugsystem.
                           Die ersten Versuche mit der mechanischen Ventilation stammen aus der neuesten Zeit,
                              und fallen etwa ins Jahr 1848; so viel bekannt, hat man sie zuerst im neuen
                              Parlamentshaufe in London und in einer Abtheilung des Spitals Lariboisière in
                              Paris angewandt.
                           Seitdem ist diese Ventilationsart erheblich vervollkommnet; von ganz besonderer
                              Wichtigkeit aber ist die Erfindung des Dr. van Hecke zu Brüssel, welcher sich in dem von ihm
                              construirten Ventilationsapparate anstatt des bisher gebräuchlichen
                              Centrifugalventilators eines einfachen, leicht beweglichen Flügelventilators, ganz
                              ähnlich der Schraube eines Dampfschiffes, bediente.
                           Dieser van Hecke'sche Apparat, wie er im Jahre 1856 im
                              Spital Beaujon, später im Spital Necker in Paris, ferner im Kinderhospital in Basel,
                              in der protestantischen Schule in München und an anderen Orten zur Ausführung
                              gekommen ist, leistet bei verhältnißmäßig geringer Kraftverwendung in der That
                              Alles, was von einer guten Ventilation gefordert werden muß.
                           Der Redner verweilte hierauf länger bei der Beschreibung der von Pettenkofer selbst eingerichteten mechanischen
                              Ventilation im protestantischen Schulhause zu München, indem er beiläufig hervorhob,
                              von welcher Bedeutung es für die Gesundheitspflege seyn müßte, wenn es möglich wäre,
                              in unseren Schulen für eine bessere Ventilation zu sorgen.
                           In gedachtem Schulhause befindet sich der etwa 3 Fuß lange und an den Enden 1/2 Fuß
                              breite Flügelventilator im Souterrain des Hauses; er empfängt die frische Luft durch
                              einen einfachen hölzernen Schlauch, welcher in einem geöffneten Souterrainfenster mündet, und
                              treibt sie in einen gleichfalls im Souterrain befindlichen gemauerten Canal, an
                              dessen äußerstem Ende sich ein 5 Fuß hoher gewöhnlicher Kanonenofen befindet. Aus
                              einer Wölbung über letzterem tritt senkrecht eine Blechröhre aus, durch welche die
                              Luft in 3 übereinanderliegende Schulzimmer der verschiedenen Etagen geführt wird.
                              Die Blechröhre hat unten 2 1/2 Fuß Durchmesser, nach oben zu verengt sie sich bis
                              auf 1 1/2 Fuß Durchmesser; in jedem der Schulzimmer hat sie eine Oeffnung, durch
                              welche die Luft ausströmt.
                           Diese Einrichtung ist äußerst einfach und mit geringen Kosten herzustellen; sie
                              bezweckt zugleich die Ventilation und die Heizung der Schulzimmer.
                           Der Ventilator ist sehr leicht in Bewegung zu setzen; ein Mann fördert nach
                              anemometrischen Messungen in 1 Stunde 3000 Kubikmeter oder 120,000 Kubikfuß
                              Luft.
                           Anfangs fürchtete man, daß die Heizung dreier Schulzimmer, jedes 27 1/2 Fuß lang, 24
                              1/2 Fuß breit und 12 1/2 Fuß hoch, vermittelst eines noch dazu ziemlich kleinen
                              Kanonenofens unvollkommen bleiben müsse, und daß sie unverhältnißmäßige Kosten
                              veranlassen werde; in beiden Richtungen sind die Untersuchungen günstig
                              ausgefallen.
                           Bei – 10° R. im Freien brachte man nach 2 1/2 stündiger Ventilation
                              (von Morgens 5 bis 7 1/2 Uhr) zu ebener Erde eine Temperatur von + 11 –
                              12° R., im ersten Stock 13°, im zweiten Stock 14° R.
                              hervor.
                           Die Größe des Luftwechsels anlangend, so hat sich diese Einrichtung als vollkommen
                              gelungen herausgestellt; von Zug oder Hitze ist selbst in der Nähe der Oeffnungen
                              nichts fühlbar.
                           Die Bedenken, welche gegen Luftheizung überhaupt geltend gemacht werden, dürften bei
                              bevölkerten Schulen im Allgemeinen weniger zutreffen, auch ist zu erwägen, daß die
                              ausströmende Luft niemals eine übermäßig hohe Temperatur annimmt; äußersten Falls
                              ist es sehr einfach, dieselbe durch Anlage eines Wasserbassins in dem
                              Ventilationscanale vor ihrem Eintritte in die Wohnräume zu befeuchten, wie denn
                              dahin zielende Einrichtungen bereits in verschiedenen Spitälern, namentlich in
                              Paris, mit Erfolg getroffen sind.
                           Bemerkenswerth ist ferner, daß es besonderer Abführungscanäle für die Luft überall
                              nicht bedarf; einige verschließbare Oeffnungen in der Wand oder den Fenstern genügen
                              hierzu vollkommen.
                           Neuerdings hat man den van Hecke'schen Ventilationsapparat
                              mit großem Erfolge auch auf die Ventilation der Schiffsräume angewandt.
                           
                           Unter den Ventilationsarten ist zweifellos die mechanische Ventilation bei weitem die
                              vollkommenste, weil sie von allen äußeren Einflüssen unabhängig und unser Bedürfniß
                              vollständig zu befriedigen im Stande ist.