| Titel: | Ueber den Peru-Guano; von Justus v. Liebig. | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XLII., S. 150 | 
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                        XLII.
                        Ueber den Peru-Guano; von Justus v. Liebig.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1861,
                              Bd. CXIX S. 11.
                        v. Liebig, über den Peru-Guano.
                        
                     
                        
                           Die so sehr in die Augen fallenden Wirkungen des Peru-Guano auf die Felder
                              haben bis jetzt noch keine genügende Erklärung gefunden; gewöhnlich werden diese
                              Wirkungen dem großen Gehalte desselben an Stickstoffverbindungen zugeschrieben,
                              welche vornehmlich in der Form von Ammoniaksalzen und Harnsäure darin enthalten
                              sind; es liegen aber Thatsachen genug vor, welche zeigen, daß durch Düngung mit
                              Guano einem Felde ein sehr hoher Ertrag abgewonnen worden ist, während durch Zufuhr
                              einer Quantität von Ammoniaksalzen, welche in ihrem Stickstoffgehalte dem des Guano
                              vollkommen gleich war, auf einem Stücke des nämlichen Feldes, in demselben Jahre und
                              derselben Frucht, der Ertrag desselben kaum merklich beeinflußt wurde.
                           Wenn der Stickstoff des Guano der Grund seiner Wirksamkeit in dem einen Falle gewesen
                              ist, so bleibt es unverständlich, warum die nämliche Stickstoffmenge in dem anderen
                              Falle, in der wirksamsten Form angewendet, kaum eine Wirkung hatte; es muß darum die
                              Ursache der größeren Wirkung des Guano in dessen anderen Bestandtheilen gesucht
                              werden, und wenn man von der Harnsäure Umgang nimmt, deren Antheilnahme an der
                              Vegetation so gut wie unbekannt ist, so bleiben nur die phosphorsauren Erden und
                              Alkalien übrig, denen man im Verein mit den Ammoniaksalzen die stärkere Wirkung des
                              Guano zuschreiben könnte.
                           
                           Gegen diese Ansicht sprechen wieder andere Thatsachen. Der phosphorsaure Kalk,
                              welcher neben den Ammoniaksalzen den Hauptbestandtheil des Peru-Guano
                              ausmacht (32 bis 36 Proc.), in der Form von Knochenmehl besitzt, auch in der
                              4- bis 6- und 8fachen Menge angewandt, die Wirkung des Guano nicht;
                              durch Zusatz von Ammoniaksalzen zum Knochenmehle wird dessen Wirkung häufig
                              gesteigert, aber lange nicht in dem Verhältnisse, wie dieß durch eine entsprechende
                              Menge Guano von gleichem Gehalte an phosphorsaurem Kalke geschieht. Der
                              Hauptunterschied liegt bei beiden in der Raschheit der Wirkung und gerade diese ist
                              unerklärt; die des Guano macht sich gleich im ersten Jahre, oft schon nach einigen
                              Wochen bemerklich und nimmt in den folgenden Jahren ab, während die des Knochenmehls
                              im ersten Jahre gering und in den folgenden steigend ist.
                           Einige Versuche, die ich mit mehreren Sorten Peru-Guano anstellte, gaben über
                              das Verhalten dieses Dungmittels Aufschluß; sie deuten darauf hin, daß die Ursache
                              der rascheren, oder, wie man in diesem Falle sagt, der stärkeren Wirkung des Guano
                              in seinem Gehalte an Oxalsäure liegt.
                           Die verschiedenen Guanosorten enthalten eine sehr ungleiche Menge Oxalsäure, wie es
                              denn bekanntlich keine Sorte von einer constanten Zusammensetzung gibt; nach einigen
                              Versuchen, welche freilich für einen sicheren Schluß nicht zahlreich genug sind,
                              scheint die Menge der Oxalsäure im umgekehrten Verhältnisse zur Harnsäure im Guano
                              zu stehen, d.h. die an Harnsäure reichen Sorten sind in der Regel ärmer an
                              Oxalsäure.
                           Uebergießt man Peru-Guano mit kaltem oder kochendem Wasser und filtrirt die
                              Flüssigkeit ab, so erhält man beim Verdampfen derselben eine reichliche
                              Krystallisation von neutralem oxalsaurem Ammoniak; in der Mutterlauge bleibt eine
                              gewisse Menge phosphorsaures und schwefelsaures Ammoniak.
                           Uebergießt oder befeuchtet man Guano mit kaltem Wasser und überläßt das Gemenge in
                              diesem Zustande sich selbst, so zeigen sich andere Verhältnisse. Die Oxalsäure nimmt
                              nämlich in der Lösung, welche sich bildet, fortwährend ab, während an ihre Stelle
                              Phosphorsäure in die Flüssigkeit übergeht; nach 24 Stunden schon ist die Menge
                              derselben so groß, daß beim Vermischen des Filtrates mit Bittersalzlösung ohne
                              Zusatz von Ammoniak beim Kochen ein starker krystallinischer Niederschlag von
                              phosphorsaurer Bittererde und phosphorsaurem Bittererde-Ammoniak sich
                              bildet.
                           Die Erklärung des Löslichwerdens der Phosphorsäure im befeuchteten Guano liegt nahe:
                              es ist klar, daß das löslich gewordene oxalsaure Ammoniak sich nach und nach mit dem
                              phosphorsauren Kalke umsetzt in unlöslichen oxalsauren Kalk und in phosphorsaures
                              Ammoniak, und daß die
                              Phosphorsäure des Guano nur darum in Lösung übergeht, weil er gleichzeitig Oxalsäure
                              enthält; denn wenn man die sämmtlichen fixen Basen im Guano auf die Phosphorsäure,
                              Schwefelsäure und Chlor vertheilt, so bleiben für Phosphorsäure nur 2 Aeq. Kalk und
                              Bittererde übrig, die damit ein in neutralen Ammoniaksalzen etwas, aber wenig
                              lösliches Salz bilden; daß in der wässerigen Lösung des Guano kein Kalk enthalten
                              seyn kann, versteht sich aus der Anwesenheit der Oxalsäure von selbst.
                           Dieser Erklärung steht die Thatsache entgegen, daß frisch gefällter phosphorsaurer
                              Kalk mit 3 und 2 Aeq. Kalk durch oxalsaures Ammoniak kaum eine Veränderung erleidet,
                              und nur Spuren von Phosphorsäure in Lösung übergehen; in dem Guano wirkt in der That
                              noch ein anderer Körper mit, welcher die Zersetzung vermittelt, dieß ist das nie
                              darin fehlende schwefelsaure Ammoniak; durch dieses Salz wird der phosphorsaure Kalk
                              etwas löslich gemacht, aber er geht als solcher nicht in die Flüssigkeit über,
                              sondern der Kalk wird augenblicklich durch die Oxalsäure gefällt. Da nun aber die
                              Wirkung des schwefelsauren Ammoniaks immer fortdauert, so schreitet auch die
                              Zersetzung fort.
                           In einer Mischung von oxalsaurem Ammoniak mit phosphorsaurem Kalke, der man etwas
                              schwefelsaures Ammoniak oder ein paar Tropfen Salmiaklösung zusetzt, verwandelt sich
                              der phosphorsaure Kalk sehr rasch in oxalsauren Kalk.
                           Die Umsetzung des oxalsauren Ammoniaks in phosphorsaures geht in dem mit Wasser
                              befeuchteten Guano bis zu einer gewissen Grenze rasch, über diese hinaus hingegen
                              sehr langsam vor sich, und ist in einem der von mir beobachteten Fälle in acht Tagen
                              noch nicht vollkommen gewesen; es blieb immer noch etwas Oxalsäure in der
                              Flüssigkeit, was daran leicht erkennbar ist, daß der durch ein zugesetztes Kalksalz
                              entstehende Niederschlag durch Essigsäure nicht wieder vollkommen verschwindet. Der
                              Grund hiervon ist vielleicht der, daß sich der noch unzersetzte Theil des
                              phosphorsauren Kalkes so dick mit oxalsaurem Kalke umkleidet, daß die Einwirkung des
                              oxalsauren Ammoniaks außerordentlich verlangsamt wird.
                           Macht man aber das Wasser, womit man den Guano befeuchtet, durch Schwefelsäure etwas
                              sauer, so daß die Mischung deutlich sauer reagirt, so wird die Umsetzung in dem
                              Grade beschleunigt, daß sie jetzt in wenigen Stunden vollendet ist. Nach dieser Zeit
                              befindet sich in der Lösung keine Spur von Oxalsäure mehr; an ihrer Stelle enthält
                              dieselbe ein Aequivalent derselben von Phosphorsäure.
                           Essigsäure, ja schon kohlensaures Wasser, hat wie die Schwefelsäure gleiche Wirkung
                              auf den Guano.
                           
                           In einer von C. Clemm-Lennig in Mannheim bezogenen
                              Guano-Sorte, welche sich durch ihren Reichthum an Harnsäure (sie enthielt 18
                              Proc. Harnsäure) auszeichnete, und verhältnißmäßig arm an Oxalsäure war, gaben 100
                              Theile an Wasser außer Kali, Natron und Ammoniak ab:
                           
                              
                                 Phosphorsäure
                                 2,857
                                 
                              
                                 Oxalsäure
                                 4,202
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 3,371
                                 
                              
                           Durch die Umsetzung des phosphorsauren Kalkes, beschleunigt durch einen kleinen
                              Zusatz von Schwefelsäure, traten an die Stelle der 4,2 Proc. Oxalsäure in diesem
                              Guano beinahe 3 Proc. Phosphorsäure, so daß durch dieses Mittel sehr nahe die Hälfte
                              aller im Guano enthaltenen Phosphorsäure (13 Proc.) löslich gemacht wurde.
                           Bei anderen Guano-Sorten kann die auf dem angegebenen Wege löslich gemachte
                              Phosphorsäure auf 10 bis 12 Proc., d.h. auf die ganze, überhaupt im Guano enthaltene
                              Phosphorsäure steigen.
                           Wenn ein Feld mit Peru-Guano gedüngt wird, so vereinigen sich bei Regenfällen,
                              welche nicht stark genug sind, um den mit der Erde gemischten Guano auszulaugen,
                              alle Bedingungen zur Löslichmachung einer gewissen Menge an Kalk gebundener
                              Phosphorsäure und damit zur Verstärkung der Wirkung des Ammoniaks. Der Guano spielt
                              in diesen Fällen die Rolle des Kalksuperphosphats.
                           Starker und anhaltender Regen wirkt durch Auslaugen der Erde störend auf die vor sich
                              gehende Umsetzung ein, und es wäre ganz interessant, wenn die Landwirthe ihre
                              Aufmerksamkeit auf das Verhalten des Guano in Beziehung auf die Fruchtbarmachung der
                              Felder unter diesen verschiedenen Umständen richten wollten.
                           Es ist wohl kaum nöthig, die Aufmerksamkeit der Landwirthe darauf zu lenken, daß sie
                              die Wirkung des Guano, in so weit dieselbe auf der durch die Oxalsäure löslich
                              werdenden Phosphorsäure beruht, ganz sicher machen, wenn sie den Guano mit sehr
                              verdünnter Schwefelsäure befeuchtet, bevor sie ihn aufs Land bringen, 24 Stunden
                              liegen lassen. Die feuchte Masse muß sauer reagiren.
                           Die am häufigsten vorkommende Verfälschung des Peru-Guano ist seine
                              Gewichtsvermehrung durch Wasser; sie hat nebenbei noch den großen Nachtheil, daß sie
                              die beschriebene Zersetzung einleitet, und durch das Abdunsten des Ammoniaks aus dem
                              entstehenden phosphorsauren Ammoniak erklärt sich der Stickstoffverlust, den man
                              beim Aufbewahren des Guano häufig beobachtet hat.
                           Daß man aus der Analyse des Guano und den Preisen des Ammoniaks, der Phosphorsäure und des
                              phosphorsauren Kalks ohne Berücksichtigung der Oxalsäure nicht rückwärts den
                              landwirthschaftlichen Werth der Guanosorten bestimmen kann, liegt auf der Hand.