| Titel: | Ueber die Verfälschungen des Glycerins mit Zuckerlösungen und deren Ermittelung mittelst des polarisirten Lichtes; von Dr. J. J. Pohl. | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. LX., S. 212 | 
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                        LX.
                        Ueber die Verfälschungen des Glycerins mit
                           Zuckerlösungen und deren Ermittelung mittelst des polarisirten Lichtes; von Dr. J. J.
                              Pohl.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1861, Bd.
                              LXXXIV S. 169.
                        Pohl, über die Verfälschungen des Glycerins mit Zuckerlösungen und
                           deren Ermittelung mittelst des polarisirten Lichtes.
                        
                     
                        
                           Die vielfachen in letzterer Zeit vorgeschlagenen Anwendungen des Glycerins führten
                              bei dessen verhältnißmäßig noch immer hohem Preise zur Verfälschung dieser
                              Flüssigkeit mittelst Zuckerlösungen, welche, abgesehen von der beträchtlichen
                              Werthverminderuug, auch die Verwendbarkeit wesentlich beeinträchtigt, da bekanntlich
                              die Zuckerarten vom Glycerin sehr verschiedene Eigenschaften besitzen. Diese
                              Verfälschung kann, selbst wenn drei Viertheile des Glycerins durch Zuckerlösungen
                              ersetzt sind, bei einer oberflächlichen Prüfung des Handelsproducts nicht erkannt
                              werden, sondern gibt sich zum Nachtheile des Käufers meist erst während oder nach
                              dem Gebrauche durch ungünstige Erfolge kund. Man spricht gewöhnlich schlechtweg von
                              einem Zuckergehalte des käuflichen Glycerins, während selbem drei verschiedene
                              Zuckerlösungen beigefügt werden, nämlich eine reine Rohrzuckerlösung, eine bereits
                              unkrystallisirbaren Zucker haltende Rohrzuckerlösung, wie selbe in den
                              Zuckerraffinerien als Decksyrup vorkommt, oder auch als weißer Syrup verkauft wird,
                              endlich eine Lösung von Stärkezucker. Diese Zuckerlösungen verhalten sich in
                              chemischer wie physikalischer Beziehung wesentlich verschieden, und es entsteht nun
                              die mehrfache Frage: ob es leicht und sicher möglich sey, die Verfälschung des
                              Glycerins mit einer Zuckerlösung überhaupt zu erkennen; ob sich mit genügender
                              Sicherheit die Art der Zuckerlösung ermitteln lasse; ferner, ob eine
                              zweckentsprechende quantitative Bestimmung des als Verfälschung benutzten Zuckers,
                              und endlich selbst der Menge der zugefügten Zuckerlösung möglich sey?
                           Die Auffindung eines Zuckerzusatzes überhaupt gelingt mit völliger Bestimmtheit
                              mittelst des polarisirten Lichts, da Glycerin optisch inactiv ist, während nicht nur
                              die obenerwähnten Zuckerlösungen, sondern auch jene der übrigen Zuckerarten, mit
                              Ausnahme des Mannits, Drehungen der Polarisationsebene bedingen. Ist also ein
                              farbloses Glycerin in der fraglichen Richtung zu prüfen, so schaltet man es, am
                              besten mittelst einer 200 Millim. langen Proberöhre in ein entsprechendes
                              Polarisationsinstrument, wie etwa das Mitscherlich'sche
                              Polarisationssaccharimeter, ein. Gibt sich beim Sehen nach einer Lichtquelle keine
                              Drehung der Polarisationsebene kund, so ist das geprüfte Glycerin gewiß mit
                              keinerlei Zuckerlösung verfälscht, während stattfindende Drehungen nach Rechts
                              oderLinks die
                              gesuchte Verfälschung anzeigen. Diese Prüfung läßt sich in kaum 2 Minuten
                              durchführen. Wäre das Glycerin zu dunkel gefärbt, um eine Untersuchung im
                              Polarisationssaccharimeter zuzulassen, so müßte es vorerst einer Entfärbung
                              unterliegen, welche leicht und sicher durch Schütteln mit 0,1 Volum Bleizuckerlösung
                              und Abfiltriren des entstehenden Niederschlags gelingt.
                           Aber auch die Ermittelung der Art der zugefügten Zuckerlösung unterliegt mit Hülfe
                              des polarisirten Lichts keiner besonderen Schwierigkeit. Rohrzuckerlösungen,
                              Decksyrupe, sowie weiße Syrupe des Handels drehen nämlich, je nach ihrem Alter, die
                              Polarisationsebene nach Rechts oder Links, und zwar frisch bereitete Flüssigkeiten
                              nach Rechts, Zuckerlösungen, die aber seit sehr langer Zeit dargestellt sind,
                              zufolge weit vorgeschrittener Bildung von unkrystallisirbarem Zucker nach Links.
                              Obschon nun Stärkezuckerlösungen die Polarisationsebene gleichfalls nach Rechts
                              drehen, und deren Unterscheidung von frisch bereiteten Rohrzuckerlösungen beim
                              ersten Blick somit unthunlich erscheint, so gelingt selbe dennoch leicht und sicher.
                              Erhitzt man nämlich das zu prüfende Glycerin mit ungefähr 0,1 Volum concentirter
                              Salzsäure durch 10 Minuten bei 70, höchstens 75° C., so wird die Flüssigkeit,
                              nach dem Erkalten im Saccharimeter untersucht, noch immer Rechtsdrehungen zeigen,
                              wenn Stärkezucker zugegen war, dagegen invertirt seyn, d.h. Linksdrehung besitzen,
                              sobald die Verfälschung vor nicht zu langer Zeit mit Rohrzuckerlösungen geschah.
                           Der Lösung des dritten Theils der gestellten Aufgabe steht nun kein weiteres
                              Hinderniß entgegen. Erwies nämlich die qualitative Analyse die Verfälschung mit
                              Rohrzucker oder dessen Syrupen, so mißt man sich zur quantitativen Bestimmung des
                              Zuckers, vorausgesetzt, daß das Glycerin farblos ist, davon genau 25 Kubikcentimeter
                              ab, verdünnt mit dem gleichen Volum Wasser, setzt 5 Kubikcentim. concentrirte
                              Salzsäure zu, und erhitzt das Gemenge in einem Glaskölbchen, das mit einem Kork
                              verstopft ist, durch welchen ein Thermometer bis nahe an den Boden des Gefäßes
                              reicht, während 15 Minuten bei einer Temperatur von 70 bis 75° C. Die
                              Flüssigkeit wird dann durch Eintauchen des Kölbchens in kaltes Wasser rasch
                              abgekühlt, hierauf damit eine genau 200 Millim. lange Proberöhre gefüllt, und
                              endlich unter den nöthigen Vorsichten, insbesondere genauer Beobachtung der
                              TemperaturDiese Vorsichten sind in der Abhandlung: „Ueber die Anwendung des
                                       Mitcherlich'schen
                                       Polarisationssaccharimeters in chemisch-technischen Proben, von
                                       J. J. Pohl
                                        (Sitzungsber. der kais. Akad. der Wissensch. zu Wien,
                                    math.-naturw. Classe, Bd. XXI S. 492) zusammengestellt., die Prüfung im Polarisationssaccharimeter vorgenommen. Bedeutet S die Dichte des Gemischesvon gleichen Raumtheilen des zu
                              untersuchenden Glycerins und Wasser, ferner D die im
                              Mittel an Mitscherlich's Saccharimeter abgelesene
                              Linksdrehung der Polarisationsebene, jedoch bereits um 0,1 ihres numerischen Werthes
                              als Correction wegen des Salzsäurezusatzes vergrößert, so folgt, wenn die bei der
                              Ermittelung von D beobachtete Temperatur der Flüssigkeit
                              15° C. war, der Zuckergehalt des Glycerins p, auf
                              Gewichtsprocente reinen Rohrzuckers bezogen, nach der Gleichung:
                           p = (4,401 . D)/S
                           Ist die Beobachtungstemperatur t° hingegen von
                              15° verschieden, so muß die Berechnung des Zuckergehalts nach der
                              Gleichung:
                           p = 4,401 (D + 0,025 D (15° – t°))/S
                           geschehen. Der die Temperaturcorrection bedingende
                              summatorische Theil + 0,025 D (15° –
                              t°) führt somit eine Vergrößerung des positiv in Rechnung gebrachten D herbei, wenn t kleiner als
                              15° ist, hingegen eine Verkleinerung, wenn t
                              größer als 15° beobachtet wurde.
                           Gefärbtes Glycerin ist behufs der Entfärbung vor der Erwärmung mit Salzsäure noch mit
                              etwas gepulvertem Spodium zu versetzen, welches nach der Inversion durch Filtration
                              entfernt wird. Selbst die quantitative gesonderte Bestimmung des in der Zuckerlösung
                              noch vorhandenen Rohrzuckers, sowie des unkrystallisirbaren Zuckers, gelingt, wenn
                              man ein ähnliches Verfahren mittelst des Polarisationssaccharimeters einschlägt, wie
                              für die Prüfung der Melassen. Eine solche Ermittelung hat jedoch für die
                              Werthbestimmung des Glycerins nur sehr untergeordneten Belang.
                           Zeigt die qualitative Prüfung das Glycerin mit einer Stärkezuckerlösung verfälscht,
                              so werden zur Bestimmung des Stärkezuckergehalts 25 Kubikcentim. des Glycerins
                              abgemessen, selbes mit dem gleichen Volum Wasser verdünnt, dann zur Erzielung einer
                              constanten Drehung der Polarisationsebene in einem, mit einer Glasplatte bedeckten
                              Gefäße, durch eine Minute gekocht, und nach dem Erkalten die Drehung der
                              Polarisationsebene D bestimmt. Ist nun abermals die
                              Dichte S des Gemenges von Wasser und Glycerin bekannt,
                              so folgt der Gehalt des geprüften Products an wasserfreiem Stärkezucker
                              (C₁₂H₁₂O₁₂) aus der Gleichung:
                           p¹ = (3,894 . D)/S
                           Die Temperatur der Flüssigkeit hat keinen besonderen Einfluß auf das zu erhaltende
                              Resultat; sollte aber das Glycerin gefärbt gewesen seyn, so müßte man es durch 0,1
                              Volum Bleiessig entfärben und das im Mittel abgelesene D
                              um 0,1 seines numerischen Werthes vergrößern.
                           
                           Was endlich den letzten Theil der gestellten Aufgabe betrifft, so ist selber leider
                              nicht mit entsprechender Sicherheit zu lösen. Die Schwierigkeit liegt eben im Mangel
                              der Kenntniß, von welcher Concentration die zugesetzte Zuckerlösung sowie das
                              Glycerin selbst waren. Glücklicherweise erscheint aber die Bestimmung der Menge der
                              zum Glycerin gefügten Zuckerlösung ziemlich werthlos, sobald die in letzterer
                              enthalten gewesene Zuckermenge bekannt ist, und man darf daher wohl behaupten: die
                              Polarisationsebene liefere, obschon sie den vierten Punkt der gestellten Aufgabe
                              ungelöst läßt, dennoch ein den Anforderungen des Technikers entsprechendes Mittel
                              zur qualitativen und quantitativen Untersuchung des Glycerins bezüglich etwaiger
                              Verfälschungen mittelst Zuckerlösungen.