| Titel: | Untersuchungen über die Zusammensetzung des Roheisens; Anwendung derselben auf die Theorie des Puddelns; von Minary und Résal. | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. LXXXIX., S. 353 | 
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                        LXXXIX.
                        Untersuchungen über die Zusammensetzung des
                           Roheisens; Anwendung derselben auf die Theorie des Puddelns; von Minary und Résal.
                        Aus den Comptes
                                 rendus, Januar 1862, t. LIV p. 212.
                        Minary, über die Zusammensetzung des Roheisens und die Theorie des
                           Puddelns.
                        
                     
                        
                           Man nimmt allgemein an, daß das Roheisen eine Verbindung von Eisen mit Kohlenstoff
                              ist, worin das Verhältniß des letzteren zwischen 3 und 5 Procent variirt, und daß
                              mit dieser Verbindung einige andere Körper, nämlich Silicium, Mangan, Phosphor etc.
                              vereinigt sind, deren Gegenwart nur eine zufällige ist, und bloß von der
                              Beschaffenheit der angewandten Erze abhängt; diese letzteren Körper sind also nicht
                              als constituirende Bestandtheile des Roheisens zu betrachten, obgleich sie dessen
                              physische Eigenschaften in gewissem Grade modificiren.
                           Nach den zahlreichen Versuchen, welche wir seit zwei Jahren verfolgen, sind wir
                              veranlaßt die Umwandlung der Erze in Roheisen unter einem andern Gesichtspunkt zu
                              betrachten, und in Stand gesetzt einige der in den Hohöfen stattfindenden Reactionen
                              zu erklären, über welche man unseres Wissens bisher nicht im Klaren war. In diesem
                              Aufsatz werden wir uns jedoch nur mit der Zusammensetzung des Roheisens und den
                              daraus bezüglich des Puddelns sich ergebenden Folgerungen beschäftigen, indem wir
                              uns vorbehalten später auf die Frage der Hohöfen zurückzukommen, sobald wir die
                              betreffenden Untersuchungen abgeschlossen haben.
                           Die natürliche Classification des Roheisens, welche sich auf dessen physisches
                              Ansehen gründet, ist folgende: 1) graues oder schwarzes (übergares) Roheisen; 2)
                              weißes Roheisen, welches krystallinisch und blätterig ist; 3) weißes Roheisen,
                              welches körnig und sehr porös (löcherig) ist.
                           Das Roheisen erster Kategorie besteht bloß aus gekohltem Eisen, in welchem das
                              Verhältniß des Kohlenstoffs zwischen 3 und 5 Proc. wechselt.
                           Das Roheisen zweiter Kategorie ist ein Gemisch von gekohltem Eisenund oxydirtem Eisen, worin der
                              Sauerstoff und Kohlenstoff beiläufig im Verhältniß ihrer Aequivalente enthalten
                              sind. In dem Roheisen dritter Kategorie ist das Verhältniß des Eisenoxyds größer als
                              in dem vorhergehenden, oder mit anderen Worten, der Sauerstoff ist darin bezüglich
                              des Kohlenstoffs im Ueberschuß.
                           Das graue oder schwarze Roheisen, welches kein oder nur wenig Eisenoxyd enthält, läßt
                              sich nur dadurch frischen, daß man ihm den zum Verbrennen seines Kohlenstoffs
                              nöthigen Sauerstoff liefert; dieß findet beim Frischen in Herden und bei der
                              Anwendung des Bessemer'schen Verfahrens statt.
                           In den Puddelöfen liefert man durch den Zusatz von Eisenoxyd, nämlich von
                              Frischschlacken, Hammerschlag etc. dem Roheisen den ihm fehlenden Sauerstoff, und
                              verwandelt es dadurch in Stabeisen.
                           Das krystallinische weiße Roheisen, welches allen zur Ausscheidung seines
                              Kohlenstoffs nothwendigen Sauerstoff enthält, erheischt zum Verfrischen gar keinen
                              Zusatz; es genügt, dasselbe längere Zeit im flüssigen Zustande zu erhalten und es
                              umzurühren, damit die Molecule des Eisenoxyds und diejenigen des gekohlten Eisens
                              mit einander in Berührung kommen, welche dann aufeinander einwirken und
                              Kohlenoxydgas entbinden; letzteres veranlaßt das sogenannte Aufkochen, wornach das
                              Stabeisen gebildet ist.
                           Das körnige weiße Roheisen erheischt ebenfalls wie das vorhergehende zum Verfrischen
                              gar keinen Zusatz; das überflüssige Oxyd, welches darin enthalten ist, veranlaßt
                              eine viel raschere Reaction, welche nicht so lange andauert. Das Stabeisen ist daher
                              in kürzerer Zeit gebildet, behält aber den Ueberschuß von Oxyd oder Sauerstoff,
                              welcher im Roheisen enthalten war. Das mit diesem Roheisen erzeugte Stabeisen ist
                              weiß, blätterig; es ist spröde und von schlechter Qualität.
                           Dieses Roheisen verliert in dem Maaße an Güte, als es löcheriger wird.
                           Die löcherige Structur des weißen Roheisens rührt von einem beginnenden Verfrischen
                              im Herde des Hohofens her; man bemerkt auch in diesem Falle beim Abstechen des
                              Roheisens zahlreiche bläuliche Flammenstrahlen, welche die Verbrennung des aus
                              demselben entweichenden Kohlenoxydgases charakterisiren und die löcherige Structur
                              des erstarrten Roheisens verursachen.
                           Wir haben schon vor längerer Zeit gefunden, daß gewisse Stabeisensorten Sauerstoff
                              enthalten, insbesondere diejenigen welche man nach dem Bessemer'schen Verfahren erhält; dieß erklärt, warum diese Methode die
                              ausschließliche Anwendung von grauem Roheisen erheischt; fernerwarum sie nur Stahl oder
                              stahlartiges, schon Sauerstoff enthaltendes Stabeisen liefern kann, oder sprödes
                              Stabeisen, wenn man die Operation lange genug fortsetzt.
                           Die Schmelzbarkeit des Stabeisens nimmt, wie wir gefunden haben, mit dem Verhältniß
                              des darin enthaltenen Sauerstoffs zu. Wir stellten z.B. im Windofen zwei ganz
                              gleiche Tiegel neben einander, welche Stückchen von mit Holzkohlen erzeugtem
                              Stabeisen erster Qualität enthielten, und gaben in den zweiten ein gewisses
                              Verhältniß von Eisenoxyd; nach einem heftigen Feuer hatten die Eisenstücke im ersten
                              Tiegel ihre anfängliche Beschaffenheit beibehalten, obgleich sie schwach
                              zusammengeschweißt waren; aber der zweite Tiegel lieferte uns einen König von
                              blätterigem Stabeisen, welches eine weiße Farbe hatte und mit dem oben besprochenen,
                              aus körnigem weißen Roheisen erzeugten Stabeisen vollkommen übereinstimmte; dieses
                              Eisen schweißt sich gut, sobald man es aber warm schmiedet, entstehen Risse auf den
                              vorspringenden Theilen.