| Titel: | Ueber die aus dem Steinkohlentheer abstammenden Farbstoffe; von W. H. Perkin. | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XCIV., S. 372 | 
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                        XCIV.
                        Ueber die aus dem Steinkohlentheer abstammenden
                           Farbstoffe; von W. H. Perkin.
                        Aus dem Quarterly Journal
                                 of the Chemical Society, vol. XV p. 3, durch die Zeitschrift
                                 				    für Chemie und Pharmacie, 1861 S. 700.
                        Perkin, über die aus dem Steinkohlentheer abstammenden
                           Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           Die Producte des Theers, welche bis jetzt Farbstoffe geliefert haben, sind zahlreich.
                              Die wichtigsten sind folgende:
                           Anilin und seine Homologen – Carbolsäure – Chinolin – Naphtalin
                              – Pyrrolbasen.
                           Anilin wurde 1826 von Unverdorben dargestellt durch Digestion von Indigo mit Kalihydrat und
                              Destillation des Productes. Später fand Zinin, daß
                              Nitrobenzol durch Schwefelammonium zu Anilin reducirt wird. Die Methode, nach
                              welcher die Basis gegenwärtig im Großen dargestellt wird, rührt von Béchamp her; sie besteht in der Reduction
                              des Nitrobenzols mittelst essigsauren Eisens. Die aus Anilin darstellbaren
                              Farbmaterialien sind zahlreich; wir erwähnen: Anilinpurpur – Violin –
                              Rosein – Fuchsin – Alphaanilinpur – Bleu
                                 de Paris – Nitrazophenylin – Dinitranilin –
                              Nitrophenylen-Diamin.
                           Anilinpurpur (Syn.: Tyrischer Purpur, Mauve dye [Malvafarbe] Phenamin, Indisin). – Da
                              bezüglich der Geschichte der Entdeckung dieser Farbe oft sonderbare Angaben gemacht
                              werden, so will ich kurz angeben, wie ich zuerst mit derselben bekannt wurde. Anfang
                              1856 versuchte ich künstliches Chinin dazustellen durch Einwirkung von Jodallyl auf
                              Toluidin, und Oxydation des so gebildeten Allyl-Toluidins:
                           
                           
                              
                                 2(C¹⁴H⁷, C⁶H⁵, H)N
                                    + O⁶
                                 =
                                 C⁴⁰H²⁴N²O⁴ +
                                    H²O²
                                 
                              
                                 Allyltolnidin.
                                 
                                 Chinin.
                                 
                              
                           Beim Vermischen des neutralen Sulfats der substituirten Base mit Kaliumbichromat
                              wurde indessen statt des gehofften Chinins nur ein schmutzig rothbrauner
                              Niederschlag erhalten. Als ich darauf, um die Reaction an einer einfacher
                              zusammengesetzten Basis zu studiren, Anilinsulfat mit Kaliumbichromat behandelte,
                              erhielt ich einen wenig versprechenden schwarzen Niederschlag, dessen nähere
                              Untersuchung indessen auf die Entdeckung des Anilinpurpurs führte. Die Methode zur
                              Darstellung dieses jetzt so vielfach angewandten Farbstoffes ist die folgende:
                              Aequivalente Mengen von Anilinsulfat und Kaliumbichromat werden gemischt und stehen
                              gelassen, bis die Reaction beendigt ist. Der erhaltene schwarze Niederschlag wird
                              durch Waschen mit Wasser von allem Kaliumsulfat befreit, getrocknet, vollständig
                              durch Digestion mit flüchtigem Steinkohlentheeröl (Naphta) ausgezogen und dann mit
                              Alkohol wiederholt ausgekocht. Die alkoholische Lösung liefert bei der Destillation
                              den Farbstoff als eine schöne bronze-farbige Substanz im Rückstand.
                           Etwa 9/10 des verwandten Anilins wird hierbei in ziemlich nutzlose Nebenproducte
                              verwandelt. Eines derselben findet sich in dem Naphta-Auszug, und wird in
                              Gestalt eines schwarzbraunen schmelzbaren Harzes erhalten. Dieses Harz ist löslich
                              in Alkohol, Aether, Terpenthinöl und in Schwefelkohlenstoff. Wenn seine Lösungen in
                              Kohlenwasserstoffen mit starken Säuren angesäuert und tüchtig geschüttelt werden, so
                              wird es vollständig niedergeschlagen. Alkalien machen es wieder löslich. Die
                              Substanz enthält etwa 10 Proc. Stickstoff. Mit wasserfreiem Zinnchlorid erhitzt,
                              liefert sie keine Farbstoffe.
                           Ein anderes Nebenproduct bleibt beim Ausziehen des Anilinpurpurs mit Alkohol im
                              Rückstand. Es enthält etwa 30 Proc. Chromoxyd. Es ist in den gewöhnlichen
                              Lösungsmitteln, mit Ausnahme starker Säuren, unlöslich und auffallend leicht
                              entzündlich. Man hat diese Substanz als schwarze Farbe und als Druckerschwärze
                              nutzbar gemacht. Sie würde sich gewiß vorzüglich gut zur Darstellung von
                              wasserfreiem Chromchlorid eignen.
                           Der nach dem beschriebenen Verfahren dargestellte Anilinpurpur ist zum Färben
                              verwendbar, aber noch nicht chemisch rein. Behufs vollständigerer Reinigung wird er
                              am besten in viel kochendem Wasser gelöst und aus der filtrirten Lösung mit einem
                              Alkali gefällt. Der Niederschlag wird mit Wasser bis zur vollständigen Entfernung
                              des Alkalis ausgewaschen und getrocknet. Man löst dann in absolutem Alkohol, und
                              verdampft im Wasserbad zur Trockne.
                           
                           Der so erhaltene Anilinpurpur ist eine zerbrechliche Substanz von bronzefarbiger
                              Oberfläche; dünne Schichten erscheinen in durchfallendem Lichte
                              blau-violett.
                           Anilinpurpur ist schwer löslich in kaltem Wasser, obgleich er dieser Flüssigkeit eine
                              tiefpurpurrothe Farbe mittheilt, er ist reichlicher löslich in heißem Wasser, die
                              Lösung erstarrt beim Erkalten zu einer Gallerte. Der Farbstoff ist sehr löslich in
                              Methyl- und Aethylalkohol, aber unlöslich in Aether und in
                              Kohlenwasserstoffen. In Anilin löst er sich leicht. Er ist leichter in angesäuertem
                              als in reinem Wasser löslich, Alkalien und Salze fällen die wässerigen Lösungen;
                              Quecksilberchlorid bildet in denselben einen sehr fein vertheilten Niederschlag
                              (wahrscheinlich eine Verbindung des Farbstoffes mit dem Salze), welcher, in Wasser
                              vertheilt, eine im durchfallenden Lichte blau oder violett erscheinende Flüssigkeit
                              liefert.
                           Eine kleine Menge Kali- oder Natronhydrat färbt die alkoholische Lösung des
                              Farbstoffes violett, ohne denselben weiter zu verändern. Kochen mit alkoholischem
                              Kali zersetzt ihn nicht.
                           Der Anilinpurpur löst sich in concentrirter Schwefelsäure mit schmutzig grüner Farbe,
                              welche bei schwacher Verdünnung in ein schönes Blau übergeht; Verdünnen mit viel
                              Wasser stellt die ursprüngliche Purpurfarbe wieder her. Anilinpurpur kann eine
                              Stunde lang mit Nordhäuser Schwefelsäure auf 100° C. erhitzt werden, ohne
                              Zersetzung zu erleiden. Salzsäure wirkt ebenso wie Schwefelsäure. Chlor sowohl als
                              rauchende Salpetersäure bewirken Zersetzung. Zinnchlorid ist ohne Einwirkung.
                              –
                           Gegen stark reducirende Agentien verhält sich der Farbstoff ähnlich wie Indigo. Eine
                              alkoholische Lösung des ersteren, mit einer eben solchen von Schwefelammonium
                              vermischt, gibt eine schwach braune Flüssigkeit, welche, der Luft ausgesetzt, sich
                              wieder schön Purpurroth färbt. Eisenoxydul wirkt ähnlich wie Schwefelammonium,
                              schweflige Säure verändert die Farbe der alkoholischen Lösung nicht.
                           Wenn eine wässerige Lösung des Purpurs mit einer solchen von Tannin vermischt wird,
                              so scheidet sich eine in reinem Wasser unlösliche Verbindung beider Körper ab, die
                              eine etwas mattere Farbe besitzt, als der freie Farbstoff. Dieselbe löst sich gleich
                              dem letzteren in concentrirter Schwefelsäure, und wird durch Wasser wieder
                              unverändert gefällt.
                           Feuchtes Bleisuperoxyd verwandelt den Anilinpurpur in das durch seine
                              außerordentliche Färbekraft ausgezeichnete „Rosein.“
                              –
                           Violin. Dieser Farbstoff, ein Oxydationsproduct des
                              Anilins, wurde zuerst von Price erhalten, welcher ihn
                              folgendermaßen darstellte:
                           Eine wässerige Flüssigkeit, welche 2 Aequivalente Schwefelsäure und1 Aeq. Anilin enthält, wird zum
                              Sieden erhitzt, mit 1 Aeq. Bleisuperoxyd vermischt, noch einige Zeit gekocht und
                              heiß filtrirt. Das dunkel purpurfarbige Filtrat wird mit Kali gekocht so lange noch
                              Anilin entweicht, der hierbei entstehende Niederschlag wird auf einem Filter
                              gesammelt, etwas mit Wasser ausgewaschen und in verdünnter Weinsäurelösung
                              aufgelöst. Diese Lösung wird filtrirt, auf ein geringes Volum eingedampft, nochmals
                              filtrirt und dann mittelst eines Alkalis niedergeschlagen.
                           Das so erhaltene Violin stellt ein schwärzlich purpurfarbiges Pulver dar; nach dem
                              Auflösen in Alkohol und Verdampfen zur Trockne erscheint es als eine brüchige
                              bronzefarbige Masse, dem Anilinpurpur ähnlich, aber mit einem mehr kupferfarbigen
                              Scheine. Es ist noch weniger löslich in Wasser als der Anilinpurpur, und gleich
                              diesem unlöslich in Aether und in Kohlenwasserstoffen. Es ist leicht löslich in
                              Alkohol. Seine Lösungen sind veilchenfarbig. Concentrirte Schwefelsäure löst es zu
                              einer grünen Flüssigkeit, welche beim Verdünnen mit Wasser wieder die Farbe der
                              Lösungen des unveränderten Violins annimmt.
                           Die Farbe des Violins wird, wie diejenige des Anilinpurpurs, durch Reductionsmittel
                              zerstört und durch den Sauerstoff der Luft wieder hergestellt. Tannin vereinigt sich
                              mit Violin zu einer unlöslichen Verbindung. Mit wenig Bleisuperoxyd behandelt, geht
                              es in Anilinpurpur über; ein Ueberschuß dieses Reagens verwandelt es in Rosein.
                           Rosein begleitet den Anilinpurpur stets in geringer
                              Menge. Das Rosein wurde von Greville Williams entdeckt,
                              welcher es mit Hülfe mangansaurer Salze erhielt. Price
                              bereitet es folgendermaßen: Man fügt zu einer kochenden Lösung von 1 Aeq.
                              Anilinsulfat 2 Aeq. Bleisuperoxyd, kocht kurze Zeit, filtrirt die rosenrothe
                              Flüssigkeit, verdampft das Filtrat zu einem kleinen Volum, filtrirt von dem
                              ausgeschiedenen Harze ab, schlägt den Farbstoff mittelst eines Alkalis nieder,
                              wäscht denselben ein wenig aus und trocknet ihn. Der Farbstoff löst sich leicht in
                              Alkohol zu einer schön carminrothen Flüssigkeit, welche beim Verdampfen einen
                              brüchigen dunkel gefärbten Rückstand mit schwachem metallischem Reflex läßt. Das
                              Rosein löst sich viel leichter in Wasser als Anilinpurpur und Violin, aber es ist
                              gleich diesen unlöslich in Kohlenwasserstoffen und leichter löslich in sauren als in
                              neutralen Flüssigkeiten. Concentrirte Schwefelsäure löst es zu einer grünen
                              Flüssigkeit, welche beim Verdünnen mit Wasser roth wird. Es bildet mit Tannin eine
                              unlösliche Verbindung. Reductionsmittel entfärben seine Lösung, wenigstens
                              theilweise.
                           Die drei eben beschriebenen Farbstoffe sind einander offenbar naheverwandt, ihre Eigenschaften
                              weichen in der That nur wenig von einander ab. –
                           Fuchsin oder Magenta (oft uneigentlich Rosein genannt).
                              Dieser Farbstoff weicht in seiner Entstehungsweise und in seinen Eigenschaften so
                              sehr von den seither betrachteten ab, daß er offenbar zu einer anderen Reihe von
                              Verbindungen gehört als diese. Das Fuchsin wurde zuerst von Natanson bemerkt, als er die Einwirkung des Aethylenchlorids auf Anilin
                              studirte; später erhielt es Hofmann bei der Bereitung des
                              Cyantriphenyl-Diamins durch Einwirkung von Zweifach-Chlorkohlenstoff
                              auf Anilin. Hr. Verguin war, glaube ich, der erste,
                              welcher es als Farbematerial anwandte und seine Darstellung im Großen lehrte.
                              – Fuchsin kann erhalten werden durch Einwirkung reducirbarer Chlor-,
                              Brom-, Jod- und Fluorverbindungen und schwacher Oxydationsmittel auf
                              Anilin. Es bildet sich stets bei 170°–190 C. Bei der Bereitung im
                              Großen werden gewöhnlich die Perchloride des Zinns und des Quecksilbers sowie die
                              Nitrate des letzteren verwandt.
                           Darstellung des Fuchsins vermittelst Zinnchlorids.
                              Wasserfreies Zinnchlorid wird unter beständigem Umrühren in kleinen Portionen zu
                              einem Ueberschusse von Anilin zugefügt und die teigige Masse wird allmählich
                              erhitzt, wobei sie sich verflüssigt und eine braune Farbe annimmt. Sobald die
                              Flüssigkeit siedet, nimmt sie eine schwarze Farbe an, erscheint aber in dünnen Lagen
                              gesättigt carminroth. Man erhält die Mischung einige Zeit auf der Siedetemperatur,
                              und kocht sie dann mit viel Wasser tüchtig aus. Der Rückstand ist eine feste braune
                              Masse, welche viel Zinn enthält, die Lösung enthält den Farbstoff neben viel
                              salzsaurem Anilin. Man kocht das Filtrat zur vollkommenen Verflüchtigung des freien
                              Anilins, welches sie enthalten mag, und sättigt dann mit Kochsalz. Das Fuchsin
                              scheidet sich alsdann als eine halbfeste goldgrüne Masse ab, während salzsaures
                              Anilin in Lösung bleibt. Der Farbstoff kann durch Digestion mit Benzol, welches ihm
                              eine harzartige Substanz entzieht, gereinigt werden.
                           Darstellung des Fuchsins mittelst salpetersauren
                                 Quecksilberoxyduls. Dieses Salz bildet, mit Anilin zusammengestellt, nach
                              einiger Zeit eine weiße teigige Masse. Wird diese vorsichtig auf 170 bis 180°
                              C. erhitzt, so verwandelt sie sich in eine, erst braune, später dunkel carminrothe
                              Flüssigkeit; der ganze Quecksilbergehalt des Salzes scheidet sich dabei als Metall
                              ab. Das Product der Reaction bildet nach dem Erkalten eine halbfeste, mit Krystallen
                              von salpetersaurem Anilin durchsetzte Masse. Zur Reindarstellung des Farbstoffes
                              entfernt man erst das salpetersaure Anilin mit wenig kaltem Wasser, und kocht dann
                              denRückstand
                              wiederholt mit Wasser aus. Die filtrirten Laugen setzen beim Erkalten eine goldgrüne
                              theerartige Substanz ab, welche man nur noch mittelst Benzols von einem
                              beigemischten brennen Harze zu befreien hat, um das Fuchsin in festem Zustande zu
                              gewinnen.
                           Die beiden so eben beschriebenen Processe können als Typen der meisten bis jetzt
                              empfohlenen Darstellungsmethoden des Fuchsins gelten.
                           Das Fuchsin bildet frisch gefällt, eine rothe voluminöse Masse, welche zu einem
                              purpurrothen Pulver eintrocknet. Es ist unlöslich in Aether und in
                              Kohlenwasserstoffen, wenig löslich in Wasser, und ziemlich löslich in Alkohol. Mit
                              Salzsäure schwach angesäuertes heißes Wasser löst es leicht; ein Ueberschuß von
                              Salz- oder Schwefelsäure löst es zu einer braungelben Flüssigkeit, aus der es
                              durch Ammoniak wieder unverändert abgeschieden wird. Hierdurch unterscheidet es sich
                              vom Rosein, welches mit starker Schwefelsäure eine grüne Lösung gibt. Das Fuchsin
                              hat einen entschieden basischen Charakter; bei der Darstellung desselben mittelst
                              Zinnchlorids erhält man das salzsaure, bei Anwendung von Quecksilbernitrat das
                              salpetersaure Salz. Ueberschüssig zugesetzte Alkalien schlagen das Fuchsin aus den
                              Lösungen seiner Salze nieder, lösen aber zugleich eine beträchtliche Menge desselben
                              zu farblosen Flüssigkeiten auf. Aus diesen kann der Farbstoff durch Sättigen
                              derselben mit Essigsäure und Eindampfen wieder gewonnen werden.
                           Aus einer alkoholischen Lösung durch Eindampfen zur Trockne erhalten, erscheint das
                              Fuchsin als eine brüchige Masse mit wunderschön goldgrünem metallischem Reflex.
                           Nach Analysen von Béchamp hat das Fuchsin die
                              Formel C²⁴H¹²N²O². das salzsaure Salz ist:
                              C²⁴H¹²N²O², HCl die Platinverbindung hat
                              die Zusammensetzung: C²⁴H¹²N²O²,
                              HPtCl³. Die Gegenwart von Sauerstoff in einer Substanz, welche aus
                              sauerstofffreiem Material erhalten werden kann, ist bemerkenswerth, und führt zu der
                              Vermuthung, daß dieselbe ein Hydrat sey von der Zusammensetzung:
                              C²⁴H¹⁰N² + H²O².
                           Diese Vermuthung wird einigermaßen bestätigt durch die Erfahrung, daß Jodanilin beim
                              Erhitzen Fuchsin liefert:
                           
                              
                                 2(C¹²(H⁶J)N)
                                 =
                                 C²⁴H¹⁰N² +
                                    2JH
                                 
                              
                                 Jodanilin.
                                 
                                 Fuchsin.
                                 
                              
                           Freilich ist es schwer einzusehen, warum das Fuchsinhydrat mit Salzsäure und selbst
                              mit dieser und PtCl² sich ohne Elimination von Wasser vereinigt.
                           Die von Béchamp untersuchte Substanz scheint
                              unkrystallisirbar gewesen zu seyn. Vor einiger Zeit hatte ich über 100 Gallons einer
                              heißen wässerigen Lösung des mit Hülfe von Quecksilbernitrat bereitetenFarbstoffes in Arbeit; diese
                              Lösung setzte beim Erkalten bedeutende Mengen Fuchsin in Gestalt von kleinen
                              Octaëdern ab.
                           Reductionsmittel entfärben Fuchsinlösungen; der atmosphärische Sauerstoff stellt ihre
                              ursprüngliche Farbe wieder her. Wenn eine alkoholische Fuchsinlösung mit
                              Schwefelammonium in Berührung gelassen wird, bis sie ganz (oder fast ganz) entfärbt
                              ist, und dann der Luft ausgesetzt wird, so nimmt sie ihre Farbe sofort wieder an;
                              hat jedoch die Mischung vorher mehrere Tage gestanden, so dauert es mehrere Stunden,
                              bis die Farbe wieder erscheint. – Fuchsin färbt sehr intensiv.
                           Gerbstoff schlägt aus den Lösungen des Fuchsins und seiner Salze schwer lösliche
                              Verbindungen nieder, Quecksilberchlorid fällt Doppelverbindungen.
                           Bei der Bereitung des Fuchsins mittelst Zinnchlorids oder Quecksilbernitrates,
                              besonders im letzteren Falle, bilden sich neben diesem noch zwei Farbstoffe, ein
                              orange- und ein purpurrother.
                           Der erstere wird durch Alkalien nicht gefällt, der letztere ist dem Fuchsin sehr
                              ähnlich und schwer von diesem zu trennen.
                           Das Bleu de Paris entsteht unter ähnlichen Verhältnissen
                              wie das Fuchsin. Persoz, de Luynes und Salvétat berichten Folgendes über seine
                              Darstellung und Eigenschaften:
                           9 Gramme wasserfreies Zinnchlorid und 16 Gramme Anilin liefern nach 30stündigem
                              Erhitzen auf 180° C. in einer zugeschmolzenen Röhre eine schön blaue
                              Substanz. Dieses Blau widersteht der Einwirkung von Säuren, und wird durch Alkalien
                              dunkler; concentrirte Lösungen der letzteren verändern dasselbe in Violett. Die
                              Farbe zeigt auch bei künstlicher Beleuchtung ihr volles Feuer und besitzt auf
                              thierische Fasern aufgetragen, einen Ton, dessen Schönheit nichts zu wünschen übrig
                              läßt.
                           Der Farbstoff krystallisirt aus seiner alkoholischen Lösung in feinen Nadeln, welche
                              dem ammoniakalischen Kupfersulfat ähnlich sehen. Er ist löslich in Wasser, Alkohol,
                              Holzgeist und Essigsäure, unlöslich in Aether und Schwefelkohlenstoff. In
                              concentrirter Schwefelsäure löst er sich mit Bernsteinfarbe, beim Verdünnen mit
                              Wasser wird die Lösung prächtig blau. Chromsäure schlägt den Farbstoff aus seinen
                              wässerigen Lösungen unzersetzt nieder. Chlor und starke Salpetersäure zersetzen ihn.
                              Schweflige Säure und nach meiner Erfahrung auch Schwefelammonium entfärben die
                              wässerigen Lösungen desselben nicht. Alkalien und Salze schlagen den Farbstoff aus
                              seinen wässerigen Lösungen nieder.
                           Anilingrün oder Emeraldin entsteht bei Einwirkung von
                              chlorsaurem Kalium oder Eisenchlorid auf eine salzsaure Lösung von Anilin als ein
                              mattgrüner Niederschlag, der beim Trocknen olivengrünwird. Säuren machen die Farbe
                              des Anilingrüns feuriger, aber unglücklicherweise entsteht nach der Entfernung
                              derselben der ursprüngliche matte Ton wieder. –
                           Nitrosophenylin
                              C¹²H⁶N²O², erhalten durch Einwirkung von
                              Wasserstoff im Entbindungsmoment auf Dinitrobenzol, könnte wohl als Farbmaterial
                              Anwendung finden.
                           Das Dinitranilin
                              C¹²H⁵(NO⁴)² N färbt Seide gelb. –
                           Das von Hofmann neuerdings untersuchte Nitrophenylendiamin färbt Seide sehr klar goldgelb.
                           Die Pikrinsäure oder Trinitrophenylsäure wurde vor etwa
                              5–6 Jahren von den Herren Guinon, Marnas und Bonney aus Lyon in die Färberei eingeführt. Die Säure
                              wird im Großen gewöhnlich aus Carbolsäure oder aus gewissen Gummiharzen dargestellt.
                              Ich habe mit gutem Erfolg die folgende Bereitungsmethode in Anwendung gebracht.
                              Carbolsäure wird erst mit Salpetersäure behandelt, deren specifisches Gewicht
                              < 1,3 ist, und dann mit stärkerer Säure gekocht, um die Umwandlung in
                              Pikrinsäure zu vollenden. Beim Verdünnen der sauren Lösung fällt die Pikrinsäure
                              nieder; sie kann durch Umkrystallisiren aus Wasser gereinigt werden.
                           Die bei diesem Processe entwickelten Dämpfe werden zweckmäßig mit Luft gemischt und
                              in Carbolsäure eingeleitet, welche hierdurch theilweise in Nitro- und
                              Dinitrophenylsäure verwandelt wird, Substanzen, welche mit einem geringeren Aufwand
                              an Salpetersäure vollständig nitrirt werden können, als unveränderte Carbolsäure.
                              –
                           Die von Runge 1834 entdeckte Rosolsäure
                              Tschelnitz im polytechn. Journal Bd. CXLIV S.
                                       467. wurde vor Kurzem im Großen dargestellt und zum Bedrucken von Musselin
                              angewandt. Soviel ich weiß, wurde das Magnesiumsalz mittelst Albumins fixirt. Ich
                              glaube kaum, daß der Proceß jetzt noch angewandt wird, da man im Fuchsin eine weit
                              schönere Farbe besitzt. Duppa und ich fanden bei unserer
                              Untersuchung einiger Derivate der Essigsäure, daß beim Erhitzen von Phenylsäure mit
                              Bromessigsäure auf 120° C. zwei Producte erhalten werden, von welchen das
                              eine die Eigenschaften der Rosolsäure, das andere die der Brunolsäure besitzt. Wir
                              beobachteten auch, daß eine Mischung von Jod und Phenylsäure, mit
                           C²H²O⁴, C⁴H⁴O⁴,
                              C⁸H⁸O⁴, oder C¹⁰H¹⁰O⁴
                           erhitzt, Rosolsäure oder wenigstens eine dieser ähnliche
                              Substanz liefert.
                           
                        
                           
                           Farbstoffe aus Chinolin.
                           Chinolin findet sich neben Lepidin, Cryptidin und anderen Basen in den basischen
                              Oelen des Steinkohlentheers; es kann auch aus Cinchonin durch Destillation mit
                              caustischen Alkalien erhalten werden. Der letztere Proceß scheint sich am besten für
                              die Praxis zu eignen: er liefert 65 Proc. vom Gewicht des Cinchonins eines zur
                              Bereitung von Farbmaterialien hinlänglich reinen Productes.
                           Chinolin liefert drei Farbstoffe, einen violetten, einen blauen und einen grünen, zu
                              deren Darstellung Greville Williams folgende Anweisung
                              gibt:
                           1 Gewichtstheil Chinolin und 1 1/2 Theile Jodamyl werden 10 Min. lang mit einander
                              gekocht. Die Anfangs strohgelbe Lösung wird zuletzt rothbraun, und erstarrt beim
                              Erkalten zu einer krystallinischen Masse. Man löst diese durch 10 Minuten langes
                              Kochen mit etwa 6 Thl. Wasser, filtrirt und hält das Filtrat in einer emaillirten
                              eisernen Schale eine Stunde lang in gelindem Sieden, wobei man das durch Verdampfen
                              Verlorene von Zeit zu Zeit durch verdünntes Ammoniak (gleiche Vol.
                              Ammoniakflüssigkeit von 0,88 und Wasser) ersetzt. Nach dem Erkalten hat sich fast
                              die ganze Menge des Farbstoffes als eine harzartige Masse am Boden des Gefäßes
                              abgeschieden. Das Harz löst sich leicht in Alkohol zu einer tief purpurblauen
                              Flüssigkeit.
                           Wird ein reines Blau gewünscht, so ist das beschriebene
                              Verfahren folgendermaßen abzuändern: Man erhitzt die wie oben erhaltene Lösung der
                              durch Einwirkung von Chinolin auf Jodamyl erhaltenen Krystallmasse zum Sieden, und
                              setzt innerhalb 15 Minuten nach und nach 3/4 Aeq. Kalihydrat (in Gestalt einer
                              20procentigen Kalihydratlösung) für je 1 Aeq. Jodamyl zu. Man filtrirt alsdann,
                              kocht das Filtrat mit noch 1/4 Aeq. Kalihydrat, um einen beigemischten rothen
                              Farbstoff als einen scheinbar schwarzen Niederschlag zu entfernen, und filtrirt
                              abermals. Das Filtrat ist rein blau. Der schwarze Niederschlag liefert beim
                              Behandeln mit Alkohol eine purpurfarbige Lösung, in welcher indessen das Roth
                              vorwaltet, der Rückstand ist löslich in Benzol; die Lösung besitzt manchmal, aber
                              nicht immer, eine herrlich smaragdgrüne Farbe.
                           Das Chinolinviolett und das Chinolinblau sind, wie mir scheint, chemisch identisch.
                              Sie sind Basen und lösen sich in Säuren mit rother Farbe, die beim Zusatz von
                              Ammoniak in Blau übergeht. Die Basen sind etwas löslich in heißem Wasser, die
                              Lösungen werden durch Tannin gefällt. Reductionsmittel bringen keine Farbenänderung
                              hervor.
                           
                           Greville Williams beschreibt ein
                              „Chinolingrün“ als eine prachtvoll smaragdgrüne Farbe.
                              Chlorgas verwandelt die Farbe einer alkoholischen Lösung von Chinolinblan in Grün;
                              ich weiß aber nicht, ob Williams seine Farbe in dieser
                              Weise bereitet. –
                           ––––––––––
                           (Bezüglich der Naphtalinfarben verweisen wir auf die
                              Abhandlungen von Roussin, Jacquemin, Wildes und Scheurer-Kestner im
                              Jahrgang 1861 des polytechn. Journals, da die Angaben des Verfassers wenig Neues
                              enthalten.)
                           Das „Azulin,“ ein sehr schönes blaues
                              Farbmaterial, ist vor Kurzem von den Herren Guinon,
                                 Marnas und Bonney aus Lyon in den Handel
                              gebracht worden. Die Farbe wird aus Steinkohlentheer gewonnen; die BereitungsweiseBereitungsweife indessen wird von den Erfindern geheim gehalten.
                           Das Azulin ist ein amorpher Körper mit kupferfarbigem Reflex. Es ist sehr wenig
                              löslich in Wasser, und leicht löslich in Alkohol. Die Farbe der letzteren Lösung ist
                              herrlich blau mit einem Stich ins Rothe. Verdünnte Säuren verändern das Azulin
                              nicht. Concentrirte Schwefelsäure löst es mit blaurother Farbe, beim Verdünnen mit
                              Wasser wird es unverändert gefällt. Seine ammoniakalische Lösung wird durch
                              Schwefelammonium nach und nach schwach gelbbraun gefärbt. Jod zerstört die blaue
                              Farbe des Azulins.
                           
                        
                           Anwendung der Steinkohlentheerfarben zur Seide- und
                                 Wollefärberei.
                           Um Seide mit Anilinpurpur,
                                 Violin oder Rosein zu färben, vermischt man die
                              alkoholische Lösung der Farbe mit ihrem achtfachen Volum heißen Wassers, das vorher
                              mit Weinsäure angesäuert wurde, und gießt die Mischung in das aus angesäuertem
                              kaltem Wasser bestehende Färbebad. Die Seide wird dann (ungeheizt) mit dem Bade in
                              Berührung gelassen, bis sie den richtigen Ton angenommen hat. Wenn ein bläulicher
                              Ton verlangt wird, so setzt man dem Bade etwas Indigoschwefelsäure zu, oder man
                              grundirt mit Berlinerblau oder anderem Blau.
                           Das Färben der Seide mit Fuchsin, Pikrinsäure,
                                 Chinolinblau und Chinolinviolett ist noch
                              einfacher; es geschieht einfach durch Eintauchen der Seide in kalte, wässerige
                              Lösungen der Farbmaterialien. Mit Fuchsin und Pikrinsäure kann etwas Säure angewandt
                              werden, bei Anwendung der Chinolinfarbe ist dieß zu vermeiden.
                           Das Färben der Seide mit Azulin
                              ist nicht ganz leicht. Der gewöhnlich befolgte Proceß besteht in Folgendem: 1)
                              Eintauchen der Seide in eine Auflösung des Azulins in mit Schwefelsäure angesäuertem
                              Wasser, bis die Farbe eine genügende Tiefe erlangt hat. 2) Erhitzen des Bades zum
                              Sieden und abermaliges Einbringen der Seide. 3) Auswaschen der Seide mit Wasser bis
                              zur Entfernung aller Säure. 4) Bearbeiten mit Seifenwasser. 5) Auswaschen und
                              Schönen im Säurebad.
                           Um Wolle mit Anilinpurpur, Violin,
                                 Rosein, Fuchsin und den Chinolinfarben zu
                              färben, taucht man dieselbe in eine verdünnte wässerige Lösung des Farbmaterials,
                              welche vorher auf 50–60° C. erhitzt worden ist. Säuren sind
                              wegzulassen.
                           
                        
                           Anwendung der Steinkohlentheerfarben zum Färben und Drucken
                                 von Baumwollenzeugen.
                           Der Anilinpurpur wird nicht nur von thierischen, sondern auch von vegetabilischen
                              Fasern absorbirt. Im letzteren Falle widersteht indessen die Farbe der Einwirkung
                              der Seife nicht.
                           Im Jahre 1857 entdeckten Hr. Puller aus Perth und ich
                              gleichzeitig ein Verfahren, mittelst dessen vegetabilische Faserstoffe mit
                              Anilinpurpur seifefest gefärbt werden können: Die Baumwolle wird 1–2 Stunden
                              lang in ein Bad von Sumach, Galläpfeln oder einer anderen gerbstoffhaltigen Substanz
                              eingetaucht, dann während einer Stunde in eine verdünnte Lösung von zinnsaurem
                              Natron gebracht, ausgewunden, in ein Säurebad eingetaucht und endlich gewaschen. Die
                              so vorbereitete Baumwolle ist schwach gelb gefärbt; sie entzieht einer angesäuerten
                              wässerigen Lösung von Anilinpurpur den letzteren vollständig. Derselbe Proceß eignet
                              sich auch für Rosein, Fuchsin, Violin und die Chinolinfarben.
                           Eine andere Methode, um Baumwolle dauerhaft mit Anilinpurpur zu färben, besteht im
                              Beizen derselben mit einem basischen Bleisalze und darauffolgendem Eintauchen in
                              eine heiße Seifenbrühe, welcher der Anilinpurpur zuvor beigemischt wurde.Hinsichtlich dieses, seinem Zweck nicht entsprechenden Verfahrens verweisen
                                    wir auf die im polytechn. Journal Bd. CLVI S. 153 mitgetheilten Versuche. A.
                                    d. Red.
                           Man kann die Baumwolle auch dadurch mit Anilinpurpur färben, daß man dieselbe durch
                              Eintauchen in Albumin und darauffolgendes Dämpfen mit diesem Stoffe überzieht, und
                              sie alsdann wie thierische Faser behandelt. –
                           
                           Das Bedrucken von Calico mit
                              Theerfarben geschieht gewöhnlich einfach durch
                              Auftragen einer Mischung der betreffenden Farbe mit Albumin oder Lactarin, und
                              Fixiren durch Dämpfen.
                           Vor Kurzem ist das folgende Verfahren in Anwendung gekommen: Der Zeug wird mit
                              zinnsaurem Natron gebeizt, mit Tannin bedruckt und dann in eine heiße verdünnte und
                              angesäuerte Lösung des Farbstoffes getaucht. Hierbei färben sich die mit Tannin
                              bedruckten Stellen stark, die übrigen nur schwach. Die letzteren werden in der
                              bekannten Weise entfärbt. Beim Aufdrucken von Chinolinfarben ist die Anwendung von
                              Säuren zu vermeiden.
                           ––––––––––
                           Von den zahlreichen aus Steinkohlentheer abstammenden Farbstoffen werden gegenwärtig
                              nur vier im Großen angewandt: der Anilinpurpur, das Fuchsin, die Pikrinsäure und das
                              Azulin; ich glaube indessen, daß einige andere, wie z.B. das „Bleu de Paris“ bald ihren Weg in die
                              Praxis finden werden. Das Nytrophenylendiamin könnte in der Seidenfärberei Anwendung
                              finden: seine Farbe ist schön und widersteht dem Licht gut.
                           Die schönen Chinolinfarben sind leider sehr vergänglich; vor einiger Zeit wurden
                              bedeutende Mengen Seide mit denselben gefärbt; jetzt geschieht dieß nicht mehr, da
                              man gefunden hat, das die Zeuge durch zwei- bis dreistündige Einwirkung des
                              Sonnenlichts gebleicht werden. –
                           Anilinpurpur widersteht dem Lichte sehr gut. Fuchsin und Alphaanilinpurpur blassen
                              schnell ab, besonders auf Baumwolle. Azulin und Bleu de
                                 Paris halten auf Seide die Einwirkung des Lichtes sehr gut aus.