| Titel: | Leplay's und Cuisinier's neue Methode zur Wiederbelebung der Knochenkohle in Zuckerfabriken; von Dr. Otto Dammer. | 
| Autor: | Otto Dammer | 
| Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XCVII., S. 386 | 
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                        XCVII.
                        Leplay's und Cuisinier's neue
                           Methode zur Wiederbelebung der Knochenkohle in Zuckerfabriken; von Dr. Otto Dammer.
                        Dammer, über Leplay's Methode zur Wiederbelebung der Knochenkohle
                           in Zuckerfabriken.
                        
                     
                        
                           Die Rübenzuckerfabrication verdankt einen großen Theil ihrer Erfolge der
                              Knochenkohle. Die Kenntniß der Wirkung derselben muß deßhalb von größter Wichtigkeit
                              für den Fabrikanten seyn, und wir sehen, dem entsprechend, die Bemühungen unserer
                              hervorragendsten Rübenzuckerfabrikanten auf diesen Punkt gerichtet. Ich erinnere an
                              die geistreichen Untersuchungen Stammer's über die
                              Wirksamkeit der Kohlenfilter bei der Zuckerfabrication mit besonderer Rücksicht auf
                              die Absorption der Salze (dieses Journal Bd. CLX S. 378), über das Absüßen der
                              Kohlenfilter mit heißem und mit kaltem Wasser (dieses Journal Bd. CLXI S. 54) u.s.w.
                              Es ist gewiß nicht zu verkennen, welche außerordentlichen Vortheile die
                              Zuckerfabrication aus derartigen Untersuchungen zieht oder besser, ziehen kann, wenn
                              erst einmal die Leitung aller Fabriken in den Händen wissenschaftlich gebildeter
                              Männer ruhen und nicht mehr, wie jetzt noch zum großen Theil, rohen Empirikern
                              anvertraut seyn wird; aber wir dürfen uns auch keinen Augenblick verhehlen, daß der
                              Tag der wahrhaft rationellen und auf wissenschaftliche Erkenntniß gegründeten
                              Behandlung der Säfte eben erst angebrochen, und deßhalb außerordentlich viel zu thun
                              noch übrig ist. Es ist deßhalb unsere Pflicht, jede anscheinend gründliche
                              Untersuchung zu berücksichtigen, d.h. durch genaue vergleichende Versuche auf ihren
                              Werth zu prüfen und nicht zu ruhen, bis wir entweder von der Irrthümlichkeit der
                              aufgestellten Behauptungen uns überzeugt oder deren Richtigkeit erkannt haben, dann
                              aber auch unverzüglich in der Praxis dieselben zur Geltung zu bringen.
                           Die Knochenkohle wurde bekanntlich ursprünglich eingeführt, um die Säfte zu entfärben; man hat später erkannterkannnt, daß sie vermöge ihrer Anziehungskraft für Kalk eine nicht, minder
                              wichtige Rolle spielt, indem sie die Säfte entkalkt; es
                              war Stammer vorbehalten, unwiderleglich nachzuweisen, daß
                              die Kohle auch einen großen Theil der im Safte enthaltenen Salze zu absorbiren fähig ist, und daß hierin vielleicht ihre größte
                              Bedeutung zu suchen ist. Stammer hat aus den gefundenen
                              Thatsachen, das Verhalten der Kohle gegen Salze betreffend, mit Nachdruck auf die
                              allein richtige Verwendung der Absüßwasser hingewiesen, und wirsehen aus diesen Beobachtungen,
                              wie große Vortheile noch aus der gründlichen Erforschung aller Eigenschaften der
                              Kohle zu ziehen sind.
                           Es sind bekanntlich in der neueren Zeit von vielen Seiten Vorschläge gemacht worden,
                              die Kohle durch andere Stoffe zu ersetzen, man hat Seife, Alkohol u.s.w. empfohlen,
                              aber bis jetzt haben alle diese Methoden einer strengen Prüfung noch nicht Stand
                              halten können, und wir sehen uns immer von Neuem veranlaßt, der Kohle die größte
                              Aufmerksamkeit zu widmen.
                           Das ist nicht zu läugnen, daß die Kohle eine große Last für den Fabrikanten ist, und
                              daß wir ihre Unentbehrlichkeit theuer genug bezahlen müssen, ja, wenn wir auf der
                              einen Seite behaupten können, daß wir durch Anwendung von mehr Kohle die
                              Zuckerausbeute bedeutend zu steigern im Stande wären, so müssen wir auf der anderen
                              Seite zugeben, daß ohne die Wiederbelebungsfähigkeit ausgenutzter Kohle der
                              Benutzung derselben in irgend erheblichem Maaße unübersteigliche Schwierigkeiten
                              sich entgegenstellen würden. Die Wiederbelebung ist eines der wichtigsten Geschäfte
                              des Zuckerfabrikanten, und sein Wohl und Weh hängt zum großen Theil von dessen
                              erfolgreicher Ausführung ab. Bei so großer Wichtigkeit dieser Operation ist deßhalb
                              auch die hohe Zahl der vorgeschlagenen Methoden nicht überraschend, und eben dieser
                              Wichtigkeit halber dürfen wir es uns nicht verdrießen lassen, viele mit lebendiger
                              Hoffnung aufgenommene Untersuchungen als irrthümlich zurücklegen zu müssen, und
                              immer von Neuem mit gleicher Ausdauer neue Methoden zu prüfen.
                           In diesem Sinne theile ich heute eine am 10. Febr. d. J. der französischen Akademie
                              der Wissenschaften von H. Leplay und J. Cuisinier vorgelegte Methode zur Reinigung der Säfte und
                              Syrupe und zur Wiederbelebung gebrauchter Knochenkohle mit.
                           Seitdem wan weiß, daß die Wirkung der Kohle auf die Säfte sich nicht auf Entfärbung
                              derselben, also auf die Absorption organischer, durch die Hitze zerstörbarer Stoffe
                              beschränkt, sondern daß zu gleicher Zeit auch Kalk absorbirt wird, kann von einer
                              genügenden Wiederbelebung durch einfaches Glühen nicht mehr die Rede seyn, man
                              behandelt auch dem entsprechend ganz allgemein die benutzte Kohle zunächst mit
                              Salzsäure, um den Kalt zu entfernen, dann erst läßt man
                              die Kohle gähren, um durch diesen Proceß die absorbirten organischen Stoffe zum
                              größten Theil zu entfernen, welche anders beim Glühen, indem sie Kohle hinterlassen,
                              die Porosität der Knochenkohle beeinträchtigen würden. Man hat ferner die Kohle nach
                              der Gährung wohl noch mit Salzsäure behandelt, stets aber dieselbe gewaschen, und da
                              man jetzt die so überaus wichtige Rolle kennt, welche die Kohle gegen die Salze
                              spielt, so muß auf das Waschendie größte Sorgfalt verwendet werden, weil nur dadurch die
                              absorbirten und beim Absüßen noch nicht ausgewaschenen Salze vollständig
                              fortgeschafft werden können. Es ist ferner gebräuchlich, die gewaschenen Kohlen zu
                              kochen und wohl auch noch mit Soda zu behandeln. Dann erst glüht man dieselben. Der
                              Wiederbelebungsproceß zerfällt also in einzelne streng von einander gesonderte
                              Theile, deren jeder die Entfernung eines bestimmten Körpers oder einer bestimmten
                              Gruppe von Stoffen gilt. Die Herren Leplay und Cuisinier haben deßhalb Unrecht, wenn sie vom bisherigen
                              Verfahren als von einem solchen sprechen, welches alle
                              ausgenutzten Eigenschaften der Kohle auf einmal wiederherzustellen trachte, und wenn
                              sie behaupten gefunden zu haben, daß die Kohle eine vielfache Rolle spielt, und daß
                              sie verschiedenartige absorbirende Kräfte besitzt, welche unabhängig von einander
                              wirken, so ist das nichts Neues, vielmehr eine uns Allen geläufige Thatsache,
                              welche, wie oben gezeigt, auch genügend gewürdigt wird, indem wir zur Entfernung der
                              verschiedenartigen Stoffe auch die den einzelnen entsprechenden Mittel wählen.
                           Wenn man Säfte über Kohle filtrirt, so hat man nach L. und C. zunächst drei Wirkungen
                              der letzteren zu unterscheiden. Die erste derselben erstreckt sich auf die
                              schleimigen, stickstoffhaltigen, ammoniakalischen, scharf schmeckenden und
                              riechenden Stoffe, welche die Flüssigkeit des Saftes, seine
                              Krystallisationsfähigkeit, die Härte und Schärfe des Korns, kurz die Qualität und
                              Quantität des Zuckers beeinträchtigen und welche dem Rohzucker den eigenthümlichen
                              Rübengeruch und Geschmack mittheilen. Die Wirkung der Kohle auf diese Stoffe
                              erschöpft sich zuerst und zwar nach L. u. C. unter den gewöhnlichen Verhältnissen
                              schon nach 4 Stunden. Sie haben aber gefunden, daß man das Vermögen der Kohle,
                              solche Stoffe zu absorbiren, einfach und immer wieder dadurch wiederherstellen kann,
                              daß man einen Dampfstrom über die im Filter enthaltene Kohle leitet.
                           Die zweite Wirkung der Kohle betrifft die Salze mit Einschluß des Kalkes, und
                              erschöpft sich erst nach sechs- bis achtmal so langer Zeit als die erste. Die
                              Dauer der Wirksamkeit der Kohle diesen Stoffen gegenüber ist natürlich von der
                              Alkalinität der Säfte abhängig, und wird ferner bedingt durch die Natur der Salze,
                              welche die Säfte enthalten, denn wir wissen aus Walkhoff's Untersuchungen (dieses Journal Bd. CLXI S. 380), daß die
                              Absorptionsfähigkeit der Kohle für die verschiedenen Salze durchaus nicht gleich
                              ist, und daß Kochsalz fast gar nicht zurückgehalten wird, hat Schwarz (dieses Journal Bd. CLIX S. 457) deutlich gezeigt. Davon sagen die
                              Herren Leplay und Cuisinier
                               nichts. Die Salze
                              entfernen sie durch Waschen mit einer schwachen Salzsäurelösung und durch einen dann
                              folgenden reichlichen Wasserstrom.
                           Die dritte Wirkung der Kohle beruht in der Absorption der färbenden Stoffe, und hält
                              30 bis 40 mal so lange vor als die erste Wirkung. Es ist ganz richtig, wenn die
                              Verfasser behaupten, daß gerade die färbenden Stoffe nicht von großer Bedeutung
                              sind, und man kann aus dunkeln Säften einen weißen Zucker erhalten, wenn die Säfte
                              nur blank, frei von suspendirten Stoffen waren. Ist endlich auch die Wirkung der
                              Kohle auf die färbenden Materien erschöpft, so behandelt man sie im Filter mit einer
                              Lösung von caustischen Alkalien.
                           Ueberall bleibt jede höhere Temperatur wie die des Dampfes ausgeschlossen.
                           Nun wissen wir über die Behandlung der Kohle mit Soda aus Stammer's Untersuchungen (dieses Journal Bd. CLXI S. 141) wie ungenügend
                              dieselbe ist, wenn derselben kein Glühen folgt, es bliebe also nur die Frage offen,
                              ob caustische Alkalien so viel günstiger wirken, und freilich kennen wir die
                              energischere Wirkung dieser gegen kohlensaure Alkalien zur Genüge. Es kann aber
                              hierüber nur ein Versuch im Großen entscheiden, und wenn ich die neue Methode hier
                              bespreche, so geschieht es nicht, um sie anzupreisen, sondern nur, um bei der
                              vorgerückten Zeit noch exacte Prüfungen von Fachmännern, welche in der Lage sind,
                              dieselben auszuführen, möglich zu machen. All dem Humbug gegenüber, welcher aus
                              Frankreich zu uns gekommen ist, wäre es Thorheit, dieser Methode ohne Prüfung
                              irgendwie das Wort zu reden.
                           Leplay und Cuisinier gehen
                              aber noch weiter, sie wollen durch ihre Methode nicht nur die einzelnen
                              Eigenschaften der Kohle jedesmal wieder auf ihre ursprüngliche Stärke
                              wiederherstellen, sondern sie behaupten auch ein Mittel gefunden zu haben, durch
                              Veränderungen der Kohle selbst die absorbirenden Eigenschaften derselben bedeutend
                              zu verstärken. Dieses Mittel besteht in der Umwandlung des
                              dreibasisch-phosphorsauren Kalkes der Kohle, in neutralen phosphorsauren Kalk
                              (2CaOHO, cPO⁵), indem sie die Kohle im Filter mit einer Lösung von saurem
                              phosphorsaurem Kalk behandeln. Der entstandene neutrale phosphorsaure Kalk soll
                              äußerst energische absorbirende Wirkungen besitzen, und demgemäß die mit solcher
                              Kohle behandelten Säfte um vieles bessere Resultate erzielen lassen. – Es ist
                              nicht gesagt, wie sich solche Kohle, bei welcher man jede saure Reaction doch wohl
                              sorgfältig zu vermeiden haben wird, gegen Salze verhält, ja es wäre die Frage, ob in
                              oft mit Salzsäure behandelter Kohle nicht schon eine große Menge neutralen
                              phosphorsauren Kalkes enthaltensey, und dann handelte es sich nur darum, ob eine Beladung
                              der Kohle mit diesem Salz wirklich als nützlich sich erwiese.
                           Schließlich, wollen die Verfasser auch noch durch Erzeugung eines Niederschlags von
                              basisch-phosphorsaurem Kalk in zu klärenden Flüssigkeiten, Säften oder
                              Syrupen, bessere Resultate erhalten haben, als bei Albumin, Blut u.s.w.
                           Die Verfasser bemerken, daß sie in zwei Zuckerfabriken im Departement der Oise, in
                              der Fabrik von Bachoux u. Comp. zu Francières und von Daniel u. Comp. zu Troyères, 300,000 Kilogr. Zucker nach
                              ihrem Verfahren hergestellt haben, und daß man jetzt, nachdem die Saftgewinnung
                              aufgehört, fortfährt zweites und drittes Product nach derselben Methode zu
                              verarbeiten, auch hoffen sie, daß die Flüssigkeit ihrer Syrupe ihnen gestatten
                              werde, auch noch viertes Product zu verarbeiten.