| Titel: | Untersuchungen über das Roheisen und über das Puddeln; von L. Cailletet. | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XXXI., S. 111 | 
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                        XXXI.
                        Untersuchungen über das Roheisen und über das
                           Puddeln; von L.
                              Cailletet.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1862, t. LIV p.
                              368.
                        Cailletet's Untersuchungen über das Roheisen und über das
                           Puddeln.
                        
                     
                        
                           Bezüglich der Hypothese, daß das Roheisen Sauerstoff enthalte, haben schon die
                              älteren Chemiker Versuche angestellt. In Berzelius'
                              Lehrbuch der ChemieDeutsche Uebersetzung von F. Wöhler, 4. Auflage,
                                    Bd. III S. 454. findet man folgende Stelle:
                           
                              „Bergman, welchem wir die ersten
                                 wissenschaftlichen Begriffe über die Zusammensetzung des Roheisens verdanken,
                                 fand, daß eine um so geringere Menge Wasserstoffgas bei der Auflösung desselben
                                 in Säuren entwickelt wird, je dunkler es war, und er schloß daraus, daß das
                                 Roheisen ein unvollständig reducirtes Eisen ist, welches außer dem Sauerstoff
                                 auch Kohlenstoff enthalten muß, weil es Graphit als Rückstand hinterläßt. Später
                                 schloß man aus Bergman's Versuchen daß das Roheisen
                                 eine dreifache Verbindung von Eisen, Sauerstoff und Kohlenstoff ist.“
                              
                           
                              „....Ich habe ein manganhaltiges Roheisen aus Lekebergslag mit Sorgfalt
                                 analysirt, und dasselbe aus 91,53 Th. Eisen, 4,57 Th. Mangan (einen kleinen
                                 Gehalt von Kiesel und Magnesium eingerechnet) und 3,9 Th. Kohlenstoff
                                 zusammengesetzt gefunden; es blieb also hierbei nichts übrig, welches Sauerstoff
                                 hätte seyn können.“
                              
                           Die Herren Minary und Résal haben kürzlich der (französischen) Akademie eine neue Arbeit
                              über diese Frage eingereicht (polytechn. Journal Bd. CLXIII S. 352), worin sie annehmen, daß das weiße Roheisen
                              hinreichend Eisenoxyd enthalte, um bei geeigneter Temperatur ohne Zusatz mittelst
                              bloßen Umrührens verfrischt werden zu können.
                           
                           Die Versuche, welche ich in dieser Hinsicht angestellt habe, und die ich hiemit der
                              Beurtheilung der Akademie unterstelle, stimmen mit jener Ansicht keineswegs
                              überein.
                           Wenn das Roheisen ein Gemenge von Eisenoxyd und Kohlenstoffeisen enthält, so ist es
                              gewiß auffallend, daß diese beiden Verbindungen während ihres Verweilens im Herde
                              des Hohofens neben einander bestehen konnten, während sie so rasch auf einander
                              einwirken, nachdem sie auf der Sohle des Puddelofens in den flüssigen Zustand
                              übergegangen sind. Ich habe mit großer Sorgfalt und zu wiederholtenmalen die
                              Gegenwart des Sauerstoffs im weißen Roheisen, insbesondere im löcherigen, durch die
                              Analyse nachzuweisen versucht. Als ich über das in feines Pulver verwandelte und zum
                              Rothglühen erhitzte Material einen Strom trocknen Wasserstoffgases leitete, bildete
                              sich niemals eine bemerkliche Quantität Wasser; in der ersten Zeit des Versuchs
                              bemerkt man nur einige dicke und brenzliche Dämpfe. Um zu ermitteln, ob das weiße
                              Roheisen an und für sich (ohne Zusatz) verfrischt werden kann, schmolz ich in einem
                              Tiegel 15 Kilogr. löcheriges weißes Roheisen, indem ich das Metall bloß mit einer
                              dicken Schicht glasiger Schlacke bedeckte; zu wiederholtenmalen umgerührt,
                              veranlaßte dasselbe gar keine Entbindung von Kohlenoxydgas; nachdem das Schmelzen
                              beiläufig fünf Stunden lang fortgesetzt worden war, konnte das Roheisen, welches
                              sich in vollkommen flüssigem Zustande befand, in eine Form gegossen werden, deren
                              Erhabenheiten es sämmtlich annahm. Nach dem Erkalten hatte sich weder das Gewicht
                              noch das Ansehen des angewandten Roheisens verändert. Während es hiernach unmöglich
                              ist, das Verfrischen durch die Reaction des im Roheisen gebunden enthaltenen
                              Sauerstoffs zu erklären, wird man aus den folgenden Versuchen ersehen, daß zum
                              Frischen die Gegenwart von Eisenoxyd erforderlich ist, welches das eigentliche
                              Frischmittel ist.
                           1) Eine Quantität desselben weißen Roheisens, welches nicht für sich allein
                              verfrischt werden konnte, wurde unter einer Schicht von Hohofenschlacke geschmolzen;
                              nach vollständigem Schmelzen setzte man Hammerschlag zu, welcher bald eine lebhafte
                              Entbindung von Kohlenoxydgas veranlaßte: endlich war das Verfrischen so vollständig
                              bewerkstelligt, daß man aus dem Tiegel eine Masse schwammigen Eisens nehmen konnte,
                              welches sich unter dem Hammer zerquetschen, auch leicht feilen ließ.
                           2) Man beschickte die Sohle eines Puddelofens mit 180 Kilogr. dunkelgrauen Roheisens,
                              welches nach Minary und Résal keinen gebundenen Sauerstoff enthält; dieses Roheisen wurde
                              von den Puddlern in gewöhnlicher Manier verarbeitet, ausgenommen daß sie weder
                              Wasser noch Schlacken zusetzten.
                           
                           Folgende Tabelle enthält das durchschnittliche Resultat von drei Operationen:
                           
                              
                                 ZeitabschnittederBearbeitung.
                                 
                                 
                                    Bemerkungen
                                    
                                 
                              
                                 Stunde.
                                 Min.
                                 
                                 
                                 
                              
                                 0
                                   0
                                 Man setzt 180 Kil. kaltes    Roheisen
                                    ein.
                                 
                                 
                              
                                 0
                                 30
                                 Das Roheisen beginnt
                                    zu    schmelzen.
                                 Man sieht das Eisen an einigen
                                    Punkten     lebhaft brennen.
                                 
                              
                                 0
                                 40
                                 Durcharbeiten mit dem     eisernen
                                    Haken.
                                 Das Roheisen ist glänzend und brennt,
                                    wenn     es mit dem Haken aufgehoben
                                    wird.
                                 
                              
                                 1
                                 
                                 Deßgl.
                                 Das Roheisen ist mit einer schwachen    
                                    Schlackenschicht überzogen.
                                 
                              
                                 1
                                 15
                                 Deßgl.
                                 Die Schlacken sind dicker. – Das
                                    Frischen     nähert sich dem Ende. –
                                    Zahlreiche     Strahlen von
                                    Kohlenoxydgas.
                                 
                              
                                 1
                                 35
                                 Deßgl.
                                 Man gewahrt einige Stücke gebildeten    
                                    Schmiedeeisens.
                                 
                              
                                 1
                                 45
                                 Durcharbeiten mit der   geraden Brechstange. 
                                 Das Schmiedeeisen ist fast
                                    vollständig     gebildet, es ist blendend
                                    weiß.
                                 
                              
                                 2
                                   5
                                 Ende der Operation und     Zängen.
                                 Das erhaltene Stabeisen wog nur 154
                                    Kil.,     während man durchschnittlich
                                    (beim     Schlackenfrischen) 166 Kil.
                                    erhält.
                                 
                              
                           Man ersieht also aus dem bei dieser Bearbeitungsweise erhaltenen Abgang, daß ein
                              Theil des Roheisens im Herde verbrannte und daß erst nach der Bildung dieses Oxyds
                              die Entkohlung statt gefunden hat.
                           Auf den Hütten vermindert man die Dauer der Arbeit und den Abgang an Metall
                              bedeutend, indem man direct Frischschlacken oder Hammerschlag zusetzt, denn das
                              Verfrischen beginnt sobald das Roheisen mit diesen an Eisenoxyd reichen Zusätzen in
                              Berührung kommt.
                           Aus den vorstehenden Versuchen glaube ich schließen zu dürfen, daß das Frischen des
                              Roheisens nicht durch einen Gehalt desselben an chemisch gebundenem Sauerstoff
                              erklärt werden kann, und daß die Entkohlung stets unter dem Einfluß der an Eisenoxyd
                              reichen Schlacken stattfindet, sey es daß man dieselben direct zusetzt, oder daß
                              sich ein Theil des Roheisens vorher oxydirt, indem er die Gase des Feuerherdes
                              absorbirt.
                           Das mehr oder weniger leichte Verfrischen des grauen oder weißen Roheisens muß man
                              zum Theil der wandelbaren Menge und dem eigenthümlichen Zustand des Kohlenstoffs und
                              der anderen zufällig mit dem Roheisen verbundenen Körper zuschreiben.