| Titel: | Ueber die quantitative Bestimmung der Weinsteinsäure und Citronensäure neben einander und neben anderen Säuren; von Guido Schnitzer. | 
| Autor: | Guido Schnitzer | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XXXVII., S. 132 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber die quantitative Bestimmung der
                           Weinsteinsäure und Citronensäure neben einander und neben anderen Säuren; von Guido Schnitzer.
                        Schnitzer, über quantitative Bestimmung der Weinsteinsäure und
                           Citronensäure neben anderen Säuren etc.
                        
                     
                        
                           Die chemischen Laboratorien kommen häufig in den Fall, Gemenge von Weinsteinsäure mit
                              unorganischen oder auch organischen Säuren, Gemenge wie sie sich hauptsächlich bei
                              der technischen Darstellung der Weinsteinsäure ergeben, analysiren zu müssen. Da man
                              nun nach den seither üblichen Methoden nur auf größeren Umwegen zu einem sicheren
                              Resultat zu gelangen vermochte, so dürfte ein neueres, durch Genauigkeit wie durch
                              Einfachheit sich empfehlendes Verfahren, wie wir es beschreiben werden, insbesondere
                              den technischen Analytikern willkommen seyn. Wir nehmen dabei zum Ausgangspunkt die
                              Schwerlöslichkeit des sauren weinsteinsauren Kalisalzes in Citronensäure. In keiner
                              Säure ist nämlich der reine Weinstein so wenig löslich als in Citronensäure. Wir
                              basiren auf diesen Umstand:
                           1) eine Methode der quantitativen Bestimmung der Weinsteinsäure neben unorganischen
                              und organischen Säuren;
                           2) ein Verfahren der Trennung und quantitativen Bestimmung von Weinsteinsäure und
                              Citronensäure in beliebigen Gemengen beider Säuren.
                           
                        
                           I. Bestimmung der Weinsteinsäure neben
                                 anderen Säuren.
                           Wir eröffnen unsere Auseinandersetzung mit einem concreten Fall: dasjenige Gemenge
                              von Weinsteinsäure mit anderen Säuren, welches erfahrungsmäßig von technischer Seite
                              am häufigsten zur Untersuchung und Werthbestimmung an die chemischen Laboratorien
                              gelangt, ist die Mutterlauge, welche nach dem letztmöglichen Auskrystallisiren von
                              Weinsteinsäure zurückbleibt. Gewöhnlich ist dieß eine dunkelbraune Flüssigkeit,
                              welche außer Eisen-, Thonerde- und Bittererdesalzen hauptsächlich
                              Schwefelsäure und Weinsteinsäure enthält. Um hierin die letztere mit möglichster
                              Schärfe quantitativ zu bestimmen, bringen wir zu einer abgewogenen Menge der
                              Flüssigkeit unter Erhitzen Kalilauge oder reine Potaschelösung bis zu vollständiger
                              Neutralisirung der Säuren; sind dabei Metalloxydniederschläge in der Flüssigkeit
                              entstanden, so wird abfiltrirt und mit heißem Wasser ausgewaschen. Nach dem
                              gänzlichen Erkalten wird dem neutralen oder schwach alkalischen Filtrat so lange
                              Citronensäure zugesetzt, bis bei Hinzufügung weiterer Tropfen Citronensäurelösung
                              kein Niederschlag von
                              Weinstein in der Flüssigkeit mehr entsteht. Hierauf läßt man die überstehende
                              Flüssigkeit durch ein bei 100º C. getrocknetes und gewogenes Filter gehen,
                              gibt zuletzt den Weinsteinniederschlag selbst darauf und wäscht mit Alkohol aus. Das
                              Filter sammt dem Weinsteinniederschlag wird bei 100º C. getrocknet und
                              gewogen. Die Differenz zwischen dem letzterhaltenen Gewicht und dem Gewicht des
                              Filters gibt das wirkliche Gewicht des trockenen Weinsteins und es verhält sich
                              dieses letztere zum absoluten Gewicht der in der abgewogenen Probe vorhanden
                              gewesenen wasserfreien Weinsteinsteinsäure wie 100 : 70.
                           Statt den Weinsteinniederschlag zu trocknen und zu wägen, kann ebenso gut sein Gehalt
                              an Weinsteinsäure durch Neutralisiren mit titrirter Natronlauge bestimmt werden.
                           Das vorstehend beschriebene Verfahren läßt sich für jedes beliebige Gemenge von
                              Weinsteinsäure mit anderen Säuren anwenden: wir haben als praktisches Beispiel die
                              Weinsteinsäuremutterlauge nur gewählt, weil kein Fall dem Analytiker öfter vorkommen
                              wird, als eben dieser. Wie sich diese Methode weiter noch zur Trennung von
                              Weinsteinsäure und Citronensäure selbst brauchbar zeigen kann, wird sich aus dem
                              Nachfolgenden ergeben.
                           
                        
                           II. Quantitative Trennung von
                                 Weinsteinsäure und Citronensäure.
                           Behufs der Trennung von Weinsteinsäure und Citronensäure müssen aus dem flüssigen
                              Gemenge vorher alle diejenigen Substanzen, welche durch Kali oder Kalk unlöslich
                              niedergeschlagen werden könnten, nach der gewöhnlichen Methode entfernt seyn. Dann
                              bringt man zu einer abgewogenen Menge der Flüssigkeit in der Kälte so lange
                              Kali- oder reine Potaschelösung, als noch ein Niederschlag von Weinstein
                              entsteht. Daneben wird sich etwas citronensaures Kali bilden, welches in Lösung
                              bleibt. Der Weinsteinniederschlag wird wie nach Nr. I auf ein getrocknetes und
                              gewogenes Filter gebracht, mit Alkohol ausgewaschen, getrocknet und gewogen, oder
                              mittelst titrirter Natronlauge unter Kochen neutralisirt und darnach der Gehalt des
                              ursprünglichen Säuregemenges an Weinsteinsäure, wie schon angegeben, berechnet.
                           Das Filtrat mit dem alkoholischen Waschwassern des Weinsteinniederschlags dient dann
                              weiter zur Bestimmung der Citronensäure. Hatte man zur Abscheidung des Weinsteins
                              Potaschelösung verwendet, so muß das Filtrat zur Vertreibung noch darin befindlicher
                              Kohlensäure gekocht werden; darauf setzt man unter fortwährendem Kochen und
                              Eindampfen zu größerer Concentration vor allem etwas Chlorcalcium zu, um die Spur von citronensaurem
                              Kali, die sich bei der ersten Operation gebildet hat, zu zersetzen, dann gibt man
                              schwach überschüssiges Kalkwasser in die Flüssigkeit: es bildet sich ein flockiger
                              weißer Niederschlag von citronensaurem Kalk, welcher heiß filtrirt und mit kochendem
                              Wasser ausgewaschen wird. Der reine citronensaure Kalk wird nun entweder getrocknet
                              und als solcher gewogen und auf Citronensäure berechnet, indem 258 Gewichtstheile
                              bei 100º C. getrockneten citronensauren Kalks 192 Gewichtstheilen
                              krystallisirter Citronensäure entsprechen, oder man bestimmt den Kalkgehalt des
                              Niederschlags auf die gewöhnliche Weise, und berechnet daraus die Citronensäure,
                              wovon 1 Aequivalent an 3 Aequivalente Kalk gebunden war.
                           Diese Methode ist besonders in solchen Fällen dienlich, wo durch Zufall oder Absicht
                              Weinsteinsäure und Citronensäure vermengt wurden. Da in Fabriken wo die beiden
                              organischen Säuren dargestellt werden, durch Unvorsichtigkeit der Arbeiter manchmal
                              Verwechslung und folglich Vermischung beider Säuren vorkommen kann, so liegt es
                              nahe, daß auch in den Handel mitunter ein Product übergeht – natürlich in
                              solchem Fall in Pulverform –, welches ein Gemenge von Weinsteinsäure und
                              Citronensäure ist.
                           Bei Versuchen, welche zur Controle des beschriebenen Verfahrens mit Gemischen von
                              abgewogenen Theilen reiner Weinsteinsäure und reiner Citronensäure gemacht wurden,
                              haben sich sehr befriedigende Resultate ergeben; denn wenn es auch möglich war, bei
                              einzelnen Proben in dem Filtrat, welches nur Citronensäure enthalten sollte, noch
                              eine Spur von Weinsteinsäure zu entdecken, so ist dieß ein Fehler, der sich in viel
                              höherem Grade bei der sonst üblichen Trennungsmethode beider Säuren durch
                              Kalkwasser, wo der lösende Einfluß einer übermäßig großen Flüssigkeitsmasse seine
                              Rolle spielt, geltend macht. Wir geben deßhalb unbedingt der Trennung durch Potasche
                              den Vorzug.
                           Wien, im April 1862.