| Titel: | Die Patent-Turbine von C. Schiele in Oldham bei Manchester. | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XLIV., S. 168 | 
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                        XLIV.
                        Die Patent-Turbine von C. Schiele in
                           Oldham bei Manchester.
                        Aus dem Practical Mechanics' Journal, Juli 1861, S.
                              91.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Schiele's Patent-Turbine.
                        
                     
                        
                           Die alte Methode, aus Wasserströmen eine Triebkraft mittelst der gewöhnlichen,
                              schwerfälligen Wasserräder sich zu verschaffen, ist durch die wohlfeilere,
                              compendiösere und einen höheren Nutzeffect bietende Turbine fast vollständig verdrängt, so
                              daß die Zeit nicht mehr fern liegt, wo gewöhnliche Wasserräder aus unseren großen
                              Fabriken vollständig verschwunden seyn werden, und wo man dieselben vom nämlichen
                              Gesichtspunkte aus betrachten wird, wie heutzutage eine Savery'sche oder Newcomen'sche Dampfmaschine,
                              wenn man sie mit unseren neueren Maschinen vergleicht. Die Turbinen werden im
                              Vergleiche mit den gewöhnlichen Wasserrädern, besonders bei höheren Gefällen, nur
                              sehr klein, da das Wasser immer gleichzeitig auf alle
                              Schaufeln der Turbine wirkt, und durch dieselbe mit einer Geschwindigkeit strömt,
                              welche der ganzen Fallhöhe entspricht, und bei höheren Gefallen außerordentlich groß
                              wird, während beim gewöhnlichen Wasserrade das Wasser nur auf einen kleinen Theil
                              des Radumfanges wirkt, und auf demselben lange nicht die Geschwindigkeit hat, welche
                              es beim freien Falle von der Gefällhöhe herab erlangen würde. Es ist daher
                              einleuchtend, daß die Dimensionen einer Turbine nur ein Bruchtheil derjenigen
                              Dimensionen seyn werden, welche unter gleichen Umständen ein gewöhnliches Wasserrad
                              erhalten müßte. Die Geschwindigkeit gewöhnlicher Wasserräder beträgt immer nur zehn
                              bis fünfzehn Umdrehungen in einer Minute, und einige große Wasserräder machen nicht
                              mehr als drei oder vier Umdrehungen in derselben Zeit, während die Geschwindigkeit
                              der Turbinen immer viel größer ist und mit der Höhe des Gefälles wächst. So macht
                              z.B. eine Turbine für 20 Pferdekräfte bei 5 Fuß Gefälle ungefähr 40 Umdrehungen in
                              einer Minute (etwas mehr oder weniger, je nach dem Systeme wornach sie construirt
                              ist), während eine Turbine von derselben Stärke bei 60 Fuß Gefälle ungefähr 1000
                              Umdrehungen in einer Minute machen wird.
                           Der Erfinder der ersten Turbine von praktischem Werthe war bekanntlich der
                              französische Ingenieur Fourneyron, und es werden noch
                              heutzutage Turbinen nach seiner Construction ausgeführt. Diese Construction ist
                              jedoch complicirt, bietet wenig Haltbarkeit, und die arbeitenden Theile sind schwer
                              zugänglich. Mehrere andere Turbinen sind seit dieser Zeit erfunden und, eingeführt
                              worden, und zwar mit mehr oder weniger Erfolg. Es ist jedoch erst wenige Jahre her,
                              daß Turbinen in England verwendet werden.
                           Die Figuren
                                 1–4 stellen zwei Modificationen von Schiele's
                              Patent-Turbine dar, wie sie von der North Moor Foundry
                                 Company zu Oldham ausgeführt werden. Sie scheinen der Vollkommenheit näher
                              zu kommen, als irgend eine bis jetzt ausgeführte Turbinenart, sowohl hinsichtlich
                              der Einfachheit der Construction, als bezüglich ihrer Wirkung, und, gestützt auf
                              praktische Versuche, getraut sich die genannte Fabrik zu garantiren, daß sie in Betreff des
                              Nutzeffectes jede andere Turbinenart übertreffen.
                           Auf dem europäischen Continent und in Amerika sind die Turbinen so allgemein
                              angewandt, daß sie die früheren Wasserräder fast vollständig verdrängt haben,
                              wenigstens in all den Fällen, wo großer Nutzeffect und Gleichmäßigkeit der Bewegung
                              als Haupterfordernisse ausbedungen sind. Sie passen gleich gut für kleine und große
                              Gefälle. Bei großen Gefällen, wo oft sehr große Wasserräder, oder sogar mehrere
                              solche übereinander angewandt werden, empfehlen sich die Turbinen besonders durch
                              Wohlfeilheit, durch den kleinen Raum welchen sie einnehmen, und durch hohen
                              Nutzeffect. Bei sehr geringem Gefälle, wo bloß unterschlägige Wasserräder gebraucht
                              werden können, deren Wirkungsgröße sehr gering ist, übertreffen die Turbinen
                              hinsichtlich des Nutzeffectes die Wasserräder bedeutend. Hinterwasser, welches bei
                              den Wasserrädern häufig ein so großer Uebelstand ist, beeinträchtigt die Wirksamkeit
                              der Turbine nicht im geringsten, so lange die Gefällhöhe die nämliche bleibt.
                           Fig. 1 ist
                              eine Seitenansicht einer horizontalen Turbine mit verticaler Achse, wobei das die
                              Turbine umgebende Gehäuse im Durchschnitte dargestellt ist. Fig. 3 ist ein der Fig. 1
                              entsprechender Grundriß derselben mit horizontalem Durchschnitte des Gehäuses.
                           Fig. 3 ist
                              eine Seitenansicht einer verticalen Turbine mit horizontaler Achse, und Fig. 4 ist die
                              Vorderansicht derselben, rechtwinkelig zu Fig. 3.
                           Diese Turbine, welche als an einer verticalen Mauer befestigt dargestellt ist, liegt
                              oberhalb des Unterwasserspiegels; der Theil des Gefälles, welcher unter der Turbine
                              liegt, ist jedoch nicht verloren, sondern das Wasser wirkt hier saugend, oder
                              ebenso, als wenn es ein Vacuum herstellen wollte. Da das Wasser in diesem Falle
                              durch Röhren zu- und abgeleitet wird, so kann die Turbine irgend eine
                              passende Lage gegen eine Mauer wie in der Abbildung, oder gegen eine ebene
                              Bodenfläche, oder gegen einen Tragbalken eines Gebäudes haben. Ebenso können die
                              Röhren unter irgend einem Winkel geneigt, wie es die Localitäten erfordern, angelegt
                              werden.
                           Die Art und Weise, wie die Turbine wirkt, ist aus den Zeichnungen Fig. 1 und 2 leicht verständlich. Das
                              Wasser wird der Turbine entweder in einem offenen Canale, oder, wie dieß häufiger
                              der Fall ist, durch Röhren zugeführt, welche in die horizontal liegende,
                              spiralförmige Wasserkammer A einmünden. Diese umgibt das
                              Rad, und leitet das Wasser durch die Eintrittsöffnungen B so auf die Mitte des Radumfanges, daß dasselbe ohne allen Stoß in die
                              Schaufeln C des Rades D
                              eintritt. Das Wasser gibt so, während es die gekrümmten Schaufeln durchströmt, seine
                              Kraft durch einen
                              stetigen Druck gegen die Schaufeln ab, und tritt gleichzeitig ober und unter dem
                              Rade ruhig und geräuschlos aus, was der beste Beweis ist, daß die ganze Kraft
                              absorbirt wurde. Da das Wasser im Rade sich nach zwei entgegengesetzten Richtungen
                              bewegt, so übt es durchaus keinen Druck auf das Fußlager der Radwelle aus. Auch ist
                              das Rad hohl gegossen, und luftdicht gemacht, so daß es zum Theile im Wasser
                              schwimmt, und dadurch daß man etwas mehr Wasser durch die Schaufeln der unteren
                              Radhälfte strömen läßt, als durch die der oberen, drückt dasselbe mehr aufwärts als
                              abwärts, so daß man den Wasserzufluß so reguliren kann, daß das Gewicht des Rades
                              mit seiner Achse gerade im Gleichgewicht erhalten wird, und das Fußlager erhält so
                              durchaus, keinerlei Druck. Das Fußlager ist regulirbar gemacht, und nach Schiele's Antifrictionscurve construirt, so daß dieses
                              Fußlager die möglich geringste Abnutzung und Reibung erleidet.
                           Aus den Zeichnungen ist ersichtlich, daß die Construction der Turbine so einfach ist,
                              als man sich es nur denken kann. Das Rad ist in allen Theilen zugänglich, und kann,
                              um zum Fußlager zu gelangen, ausgehoben werden, ohne daß man vorher irgend einen
                              anderen Theil zu entfernen braucht. Auch kann dasselbe nicht streifen wie bei
                              anderen Turbinen, wenn sich der Spurzapfen abgenutzt hat, sondern es kann sich frei
                              durch den Cylinder oder die Wasserkammer hindurch senken, von welcher es umgeben
                              ist. Die neue Turbine gestattet auch eine sehr genaue, ökonomische Regulirung
                              entweder von Hand oder durch einen Regulator, wenn entweder ihre Belastung oder die
                              Wassermenge sich ändert. Zum Reguliren dienen messingene Schieber E, wie sie in Figur 1 ersichtlich sind,
                              welche durch Stangen F und Handräder G bewegt werden. Mittelst dieser Schieber kann eine
                              Anzahl von Einströmungsöffnungen oder Leitcurven nach und nach verschlossen werden,
                              im selben Verhältnisse wie die Aufschlagwassermenge oder die Belastung der Turbine
                              abnimmt.
                           Die Wassermenge, welche einer Turbine zugeführt wird, sollte niemals durch eine
                              Drehklappe regulirt werden. Da nämlich das Wasser in der Turbine durch sein Moment
                              wirkt, so hängt seine Wirksamkeit von der Geschwindigkeit ab, mit welcher es durch
                              die Leitcurven B und auf das Rad I) strömt. Wenn nun der
                              Wasserzufluß auf einer gewissen Höhe in der Röhre durch eine Drehklappe zum Theil
                              abgeschnitten wird, so daß nur die halbe Wassermenge, für welche die Turbine
                              bestimmt ist, zugelassen wird, so wird die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser
                              durch die Leitcurven geht, auf die Hälfte der ursprünglichen Geschwindigkeit
                              reducirt, und da die Wirkung des Wassers im Verhältnisse zu dem Quadrat der
                              Geschwindigkeit und Menge steht, so würde der erhaltene Effect nur ein Achtel der ganzen
                              Kraft seyn, obgleich die halbe Wassermenge durch das Rad gegangen ist. Wenn dagegen
                              der Zufluß des Wassers durch die Einlaufmündungen B mit
                              den Schiebern E, oder 1, 2, 3, Fig. 2, nach und nach
                              regulirt wird, so wird nur die durch das Rad strömende Wassermenge abgeändert, ohne
                              daß hiedurch die Geschwindigkeit des Wassers im geringsten geändert wird, so daß die
                              halbe Wassermenge auch die halbe ursprüngliche Kraft gibt, und so im Verhältnisse
                              fort. Diese Art der Regulirung ist von der größten Wichtigkeit, wo der Wasserzufluß
                              oder die Belastung der Turbine sehr schwankend ist.
                           Bei der Anordnung der verticalen Turbine mit horizontaler Achse, die in Fig. 3 und 4 abgebildet
                              ist, wird das Wasser, welches aus beiden Seiten des Rades austritt, in einem das
                              ganze Rad einschließenden Gehäuse a aufgesammelt, und
                              von da durch eine Röhre b dem Unterwasser zugeführt. In
                              allen anderen Beziehungen ist diese Turbine der vorhin beschriebenen horizontalen
                              Turbine ganz ähnlich. Wird sie über den Unterwasserspiegel gesetzt, so entsteht eine
                              saugende Wirkung in dem Gehäuse, das die Turbine umgibt, und in welches das Wasser
                              beim Austritt aus dem Rade gelangt. Dieses Ansaugen bringt genau dieselbe Wirkung
                              hervor wie der Druck einer Wassersäule von gleicher Höhe, so daß die Turbine, ohne
                              ihren Effect zu verringern, innerhalb der Grenze von 33 Fuß beliebig hoch über den
                              Unterwasserspiegel aufgestellt werden kann. Da der Atmosphärendruck nur eine
                              Wassersäule von 33 Fuß Höhe im Gleichgewichte zu halten im Stande ist, so kann auch
                              die Saughöhe nicht größer angenommen werden, und wollte man eine Turbine höher als
                              33 Fuß über dem Unterwasserspiegel anbringen, so würde ein Theil der Gefällhöhe
                              verloren seyn.
                           Die verticale Turbine eignet sich vorzüglich für hohe Gefälle und geringe
                              Wassermengen. Sie erfordert fast kein Fundament, und kann in einigen Fällen allein
                              von der Röhre getragen werden. Man kann sie leicht so stellen, daß man die Kraft da
                              von ihr abnehmen kann, wo man dieselbe nöthig hat, weil das Wasser in geschlossenen
                              Röhren zu- und abgeführt wird. Alle arbeitenden Theile können leicht
                              herausgenommen werden, ohne eine Röhrenverbindung zu unterbrechen, oder das Gehäuse
                              zu entfernen.
                           Die Hauptvortheile, welche diese Turbinen bieten, sind folgende: Sie nehmen einen
                              sehr kleinen Raum ein, sind wohlfeil, einfach in ihrer Construction, nützen das
                              Wasser vollständig aus, und geben, da sie durch das Moment des Wassers wirken,
                              direct große Geschwindigkeiten. Sie können, ohne daß sich ihr Nutzeffect wesentlich
                              vermindert, nach Bedürfniß mit verschiedenen Geschwindigkeiten gehen, je nachdem sie
                              die eine oder andere
                              Maschine zu treiben haben. Die Turbine ist frei von allen Erschütterungen und jedem
                              Geräusche während sie arbeitet, so daß ihre Fundamentirung nur das Gewicht der
                              Vorrichtung zu tragen hat. Man kann städtische Wasserleitungen benutzen, um diese
                              Turbinen für häusliche oder andere Zwecke zu treiben, und das Wasser kann, nachdem
                              es durch die Turbine gegangen ist, noch ebenso gut benutzt werden, wie vorher.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
