| Titel: | Die Fabrication der Darmsaiten. | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXI., S. 230 | 
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                        LXI.
                        Die Fabrication der Darmsaiten.
                        Aus dem Technologiste durch das Mechanics'
                                 Magazine, Decbr. 1861, S. 389.
                        Ueber die Fabrication der Darmsaiten.
                        
                     
                        
                           Ein verhältnißmäßig wenig bekannter Industriezweig ist die Fabrication der
                              Darmsaiten. Diese werden aber meistens nicht aus Katzen-, sondern aus
                              Schafsdärmen hergestellt. Außer bei musikalischen Instrumenten werden die Darmsaiten
                              zu verschiedenen Zwecken, welche Festigkeit bei starker Spannung erheischen,
                              angewandt, wie z.B. zum Aufhängen der Uhrengewichte, zu Bogensehnen, bei
                              Hutmacherwerkzeugen u.s.w.
                           Die Fabrication der Saiten für musikalische Instrumente erheischt viele Sorgfalt und
                              Geschicklichkeit in der Auswahl des Materials, wie auch in der Fabrication selbst,
                              da die Saiten die beiden Eigenschaften: Widerstandsfähigkeit gegen eine gewisse
                              Spannung und Wohlklang vereinigen müssen. Bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
                              hatte Italien das Monopol des Saitenhandels, doch hat sich derselbe jetzt mehr
                              verallgemeinert. Nach der Meinung der Musiker werden aber auch heute noch die feinen
                              Violinsaiten am besten in Neapel gemacht, und zwar aus dem Grunde, weil die
                              italienischen mageren Schafe das beste und stärkste Material liefern. Die dünnsten
                              Violinsaiten bestehen aus drei zusammengedrehten Därmen eines nicht mehr als
                              einjährigen Lammes.
                           Die Hauptschwierigkeit bildet das Auffinden geeigneter Därme, und zwar sind diese um
                              so seltener in gehöriger Stärke und Klangfähigkeit zu finden, je höhere Töne erzielt
                              werden sollen; es ist z.B. bei der dünnsten Violinsaite aus drei Därmen die Spannung
                              doppelt so groß, wie bei der zweiten Saite, welche dabei aus sechs Därmen
                              besteht.
                           Sind die Schafsdärme gut gewaschen und gereinigt, so werden sie in eine schwache
                              Potaschelösung getaucht und mit einem messerförmigen Schilfrohr geschabt. Diese
                              Operation wiederholt man täglich zweimal während drei oder vier Tagen, und taucht
                              dabei die Därme jedesmal in eine frische Potaschelösung von der gehörigen Stärke.
                              Für gute Instrumentensaiten muß jede Fäulniß durchaus vermieden werden; sobald die
                              Därme an die Oberfläche des Wassers kommen und Gasblasen entwickeln, werden sie
                              sofort gesponnen.
                           Dabei werden die Därme nach ihrer Größe ausgewählt; man befestigt drei oder mehr, je
                              nach der Dicke der verlangten Saite auf einem Rahmen, und bringt sie dann
                              abwechselnd in Verbindung mit dem Spinnrad, um ihnen die erforderliche Torsion zu
                              geben. Hiernach setzt man die Därme, welche man auf dem Rahmen läßt, einige Stunden lang
                              Schwefeldämpfen aus, reibt sie mit einem Handschuh aus Pferdehaaren, dreht sie von
                              neuem, schwefelt, reibt und trocknet sie.
                           Die getrockneten Saiten werden auf einen Cylinder aufgewickelt und mit feinem
                              Olivenöl, welchem, um das Ranzigwerden zu verhindern, 1 Proc. Lorbeeröl zugesetzt
                              ist, gerieben.
                           Zu den gröberen Saiten, welche von Drehern, Schleifern, und zum Reinigen der
                              Baumwolle etc. angewendet werden, benutzt man Därme größerer Thiere, wie Pferde,
                              Ochsen etc. Man reinigt sie durch Fäulniß von den Schleimhäuten, behandelt sie mit
                              Potaschelösung, schneidet sie mit einem besonderen Messer in Streifen und spinnt sie
                              in der oben bezeichneten Weise.
                           Aufgeblasene Därme werden zum Aufbewahren von Nahrungsstoffen vielfach angewandt;
                              hierzu erleiden sie eine Reihe von Operationen, deren Zweck die Entfernung der
                              beiden den Darm bedeckenden Häute, der Schleimhaut und der Darmhaut ist.
                           Zuerst wird mittelst eines Messers das anhängende Fett nebst dem größeren Theil der
                              Darmhaut entfernt; alsdann wäscht man die Därme, wendet sie um und überläßt sie in
                              einer Bütte ohne weiteren Wasserzusatz der faulen Gährung, wozu im Winter
                              5–8, im Sommer 2–3 Tage erforderlich sind. Damit die Fäulniß nicht zu
                              weit vorschreitet, was die Zerstörung der Därme zur Folge haben würde, setzt man
                              etwas Essig zu.
                           Nach dieser Gährung ist die Schleimhaut gänzlich zerstört und auch der Rest der
                              Darmhaut leicht zu entfernen. Hierauf werden die Därme gewaschen und aufgeblasen.
                              Während dieser Operation entwickeln die Därme einen sehr schädlichen Geruch, so daß
                              die Arbeiter nicht im Stande sind, ohne Benachtheiligung ihrer Gesundheit dieses
                              Geschäft mehrere Tage nacheinander auszuführen.
                           Um diesen Uebelstand zu vermeiden, hat die Société d'Encouragement in Paris einen Preis auf die
                              Erfindung eines chemischen Processes ausgesetzt, welcher die faule Gährung zu
                              umgehen gestattet. Das Verfahren des Hrn. Labarraque,
                              welchem der Preis zuerkannt wurde, ist ebenso ökonomisch wie leicht auszuführen. Die
                              darnach behandelten Därme lassen sich leichter verarbeiten und länger ohne Nachtheil
                              aufbewahren. Die gereinigten Därme werden nämlich in ein Gefäß mit Wasser gelegt,
                              welchem auf je 40 Pfd. 1 1/2 Pfd. von einer 13° Baumé starken Lösung
                              von unterchlorigsaurem Natron (Javellischer Lauge) zugesetzt sind. Nach einer
                              zwölfstündigen Maceration löst sich die Schleimhaut leicht los und die Därme sind frei von
                              jedem schlechten Geruch, so daß das Aufblasen leicht geschehen kann.
                           Die aufgeblasenen Därme werden getrocknet, dann geöffnet und die Luft herausgedrückt.
                              Hierauf schwefelt man sie, um sie zu bleichen und vor Insecten zu schützen, worauf
                              sie zum Gebrauche fertig sind.
                           In England werden außer dem eigenen Erzeugniß jährlich mehrere hundert tausend Pfund
                              eingesalzener Blasen aus Amerika und von dem Continent eingeführt, und man schätzt
                              den Gesammtwerth der in England verbrauchten Blasen auf 40000–50000 Pfd.
                              Sterl. jährlich.
                           Die Benutzung der Rennthier-Sehnen zu Riemen, Bändern und Schnüren ist
                              allgemein in Norwegen und Lapland, so wie an der ganzen asiatischen und
                              amerikanischen Küste bis nach Californien und zum 36° N. Br. Man findet sie
                              bis zur östlichsten Küste von Amerika und wieder in Grönland. Sir E. Belcher theilt in den Transactions der ethnologischen Gesellschaft in London mit, daß die
                              Anwendung von Rennthiersehnen sich ununterbrochen von der westlichen Küste bis zum
                              36sten Grade in Californien verfolgen läßt, wo die mexikanischen Indianer sie
                              einweichen und in Streifen formen, mit denen sie das ganze Holz des Bogens umhüllen.
                              Auch die Spitzen des Bogens werden daraus geformt; getrocknet erscheint dieses
                              Material so matt grau und durchscheinend wie Horn.