| Titel: | Ueber den unter dem Namen Wootz bekannten indischen Gußstahl; von E. Fremy. | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXXVIII., S. 287 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber den unter dem Namen Wootz bekannten indischen Gußstahl; von E. Fremy.
                        Aus den Comptes rendus, März 1862, t. LIV p.
                              697.
                        Fremy, über unter dem Namen Wootz bekannten indischen
                           Gußstahl.
                        
                     
                        
                           Der indische Wootz ist schon seit der Zeit Alexanders des
                              Großen mit Recht berühmt; dieser Stahl besitzt die so wichtige Eigenthümlichkeit,
                              auch bei dem größten Härtegrade eine gewisse Zähigkeit zu behalten, und daher bei
                              seiner Anwendung zu Meißeln und anderen schneidenden Instrumenten dem Ausbrechen
                              wenig zu unterliegen.
                           
                           Nachdem Baron C. Dupin in dem kürzlich erschienenen
                              fünften Bande seines Werkes Sur la Force productive des
                                 Nations die höchst einfache Methode beschrieben hat, wornach die Indier das
                              Stabeisen darstellen, wozu sie ganz kleine Oefen benutzen, welche ein einziger
                              Arbeiter aufbaut und in Betrieb setzt, sagt er: „das so erhaltene
                                 vortreffliche Eisen zerschroten die Indier in kleine Stücke, und geben diese mit
                                 trockenen Holzspänen von Cassia auriculata und
                                 einigen grünen Blättern von Asclepias gigantea in
                                 kleine Tiegel. Wenn ihnen diese Blätter nicht zur Hand sind, werden sie durch
                                 diejenigen von Convolvulus laurifolia ersetzt. Die
                                 Verkohlung dieser Pflanzenstoffe genügt, wenn die Tiegel der erforderlichen
                                 Hitze ausgesetzt werden, zur Umwandlung des Eisens in Wootzstahl.“
                              
                           Bekanntlich ist der Hauptzweck der von mir veröffentlichten Arbeiten über den Stahl:
                              zu beweisen, daß der Kohlenstoff nicht das einzige stahlerzeugende Element ist, und
                              daß das gekohlte Eisen die charakteristischen Eigenschaften des Stahls erst dann
                              annimmt, wenn man es mit dem Stickstoff verbindet, oder mit irgend einem anderen
                              Körper, welcher dieselbe chemische Rolle wie dieser spielen kann; ein solcher ist
                              der Phosphor.
                           Diese Theorie wird durch obige Mittheilungen über die Darstellung des indischen
                              StahlsDie Darstellung des Wootzstahls ist ausführlich beschrieben in Ure's
                                    Dictionary of arts, manufactures and mines,
                                    deutsche Bearbeitung von Karmarsch und Heeren, zweite Auflage, Prag 1857, Bd. III S.
                                    349. A. d. Red. bestätigt.
                           Ich habe nämlich gefunden, daß die Pflanzenstoffe, welche den Wootzstahl erzeugen,
                              viel Stickstoff und Phosphor enthalten. Aus meinen Analysen geht hervor, daß der
                              Stickstoff durch die Blätter der Asclepias gigantea
                              geliefert wird, welche eine beträchtliche Menge milchichter und stickstoffhaltiger
                              Säfte enthalten, und daß den Phosphor das Holz von Cassia
                                 auriculata liefert, dessen Asche fast ausschließlich aus phosphorsauren
                              Salzen besteht.
                           Ich glaube daher, daß die vorzügliche Güte des Wootzstahles hauptsächlich der
                              Anwendung von Pflanzenstoffen zugeschrieben werden muß, welche dem Eisen die
                              Elemente der Stahlbildung liefern, nämlich den Phosphor und den Stickstoff. Die
                              Natur des zur Darstellung des Wootzstahles verwendeten Stabeisens kann ebenfalls auf
                              dessen Güte einen Einfluß ausüben; dieses Eisen wird nämlich stets bei niedriger
                              Temperatur erzeugt; nun geht aber aus meinen Untersuchungen über die Stahlbildung
                              hervor, daß solches Eisen sich stets mit Leichtigkeit in Stahl verwandelt, weil es
                              nicht so mit Silicium, Schwefel und Arsenik verunreinigt ist, wie das Stabeisen, welches
                              aus einem bei heißem Winde erblasenen Roheisen dargestellt wurde. Uebrigens werde
                              ich alle auf die Qualität des Stahls bezüglichen Fragen in einer neuen Abhandlung
                              erörtern, mit deren Ausarbeitung ich gegenwärtig beschäftigt bin.
                           Ich werde darin zeigen, daß der Phosphor bei der Stahlbildung eine wichtige Rolle
                              spielt, indem ich beweise, daß die besten Stahlsorten Phosphor enthalten, und daß
                              man, wenn dem gekohlten Eisen Phosphor in geeignetem Verhältniß zugesetzt wird,
                              vortrefflichen Stahl erhält, der sich besonders durch die Härte empfiehlt, welche
                              ihm ertheilt werden kann.