| Titel: | Ueber Ermer's Schweißpulver für Eisen und Stahl; von F. Gergent in Mainz. | 
| Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XCVIII., S. 366 | 
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                        XCVIII.
                        Ueber Ermer's Schweißpulver für Eisen und Stahl; von
                           F. Gergent in
                           Mainz.
                        Aus dem Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen, 1862
                              S. 67.
                        Ermer's Schweißpulver für Eisen und Stahl.
                        
                     
                        
                           Es sind im Laufe der letzten Jahre so mancherlei Schweißpulver für Stahl und Eisen in
                              Fabriken und kleineren Werkstätten in Umlauf gesetzt worden, welche von keiner Dauer
                              waren, so daß die meisten Techniker sich dahin aussprachen, die Schweißbarkeit von
                              Stahl, ich meine hiermit Gußstahl erster Qualität, wie er uns von John Tourton u. Söhne in Sheffield
                              geliefert wird, sey unmöglich. Wenn je ein angepriesenes Mittel wirklich das
                              Schweißen bewirkte, so war doch jedesmal die Textur des Stahls, mithin seine
                              Dauerhaftigkeit eine andere, als die des ungeschweißten, und somit war nichts
                              gewonnen, als ein Stück schlechten, unstandhaften Stahls an einem Stück Eisen zu
                              haben, den man wegen seiner Brüchigkeit zu nichts gebrauchen konnte. Ich wurde
                              deßhalb gegen jedes neue Mittel mißtrauisch. Vergangenen Sommer kam ein Schmied,
                              Namens Heinrich Erner aus Arnsberg in Westphalen abermals
                              mit einem Schweißpulver. Ich zweifelte auch an dessen Brauchbarkeit, jedoch Erner vertheidigte sein Mittel so lange, bis ich ihm
                              endlich zur Probe ein Stück Sheffielder Stahl und Eisen gab, und ihm folgende
                              Bedingungen setzte, für welchen Fall ich ihm das Geheimniß abkaufen wollte:
                           1) Muß der Stahl auf irgend eine Art entweder geplättet, oder mit Kluppen bei dem
                              ersten Ausfahren aus dem Feuer geschweißt werden (damit nicht öfters Hitze gemacht
                              werden muß). 2) Muß der Stahl glashart abgekühlt, einen zarten Bruch haben und
                              mindestens einem ungeschweißten prima Innenberger Stahle
                              gleichkommen. 3) Ein Stück Stahl zu einem Drehmeißel bearbeitet, muß mindestens
                              weiches Schmiedeeisen ebensogut bearbeiten und die Schneide behalten, als guter
                              englischer Gußstahl. 4) Das ganze geschweißte Stück glashart gemacht und hohl
                              gelegt, mit dem Hammer zerschlagen, darf nicht an der Schweißstelle brechen. Durch
                              diese Bedingungen glaubte ich Herrn Erner abzuschrecken, aber ich täuschte mich; er bat sogar, noch eine
                              fünfte Bedingung zuzusetzen, nämlich 5) der Drehmeißel, havergelb angelaufen, muß
                              ausgeglühten Stahl abdrehen und die Schneide behalten.
                           Meine vier Anforderungen waren zwar gelinde, jedoch anderem Schweißpulver gegenüber
                              sehr streng. Die fünfte Anforderung, welche Erner selbst
                              stellte, war eine sehr befremdende. Nachmittags kam dieser und brachte mir einen
                              bimssteinartigen, leichten und schaumigen Körper von graublauer Farbe, mit einem
                              seifenartigen Geschmack, offenbar von Borax. Die Probe wurde gemacht. Das Eisen ward
                              aufgespalten, Stahl abgepinnt und eingeschoben. Als beide Stücke eine gleichförmige
                              kirschrothe Hitze angenommen hatten, wurde das Pulver aufgestreut und diese
                              Operation dreimal wiederholt; nun wurde eine schwache Weißglühhitze gemacht, im
                              Feuer mit genanntem Pulver beworfen, ausgefahren und geschweißt. Der Stahl war
                              vollständig mit dem Eisen zu einer Masse verbunden, deren Trennungsstelle man nicht
                              mehr sehen konnte. Daß diese Probe, von Erner selbst
                              gemacht, gelang, ist natürlich, indem derselbe große Uebung hatte. Jedoch hatte sich
                              in kürzester Zeit ein Schmied ebenso eingeschult, daß nichts mehr zu wünschen übrig
                              blieb.
                           Nun wurde die Probe angestellt, nachdem der Stahl verschiedene Mal rothwarm unter
                              Bestreuen von jenem Pulver ausgeschmiedet war, zuerst ausgespitzt, dann abgekühlt
                              und abgeschlagen. Der Bruch war fast derselbe, wie der des Gußstahls und nur mit der
                              Loupe konnte man eine größere Krystallisation bemerken.
                           Nun kam der Versuch zu Schneidewerkzeugen an die Reihe. Hierfür mußten dieselben in
                              einem Wasser gehärtet werden, welches aus 1/4 Pfd. Salpeter und 1/2 Loth gelbem
                              Blutlaugensalz in 4 Maaß Wasser aufgelöst bestand. Ein Drehmeißel hielt 3 Tage, ohne
                              geschliffen zu werden, zur Bearbeitung einer Transmissionsrolle (Schmiedeeisen).
                           Ein anderer wurde zum Ausbohren eines Rades benutzt und während viertägigem, über
                              harte Gußoberflächen-Rutschen nur 5 Mal geschliffen. Die Vibration war derart
                              bei dieser Arbeit, daß ich jeden Augenblick das Abspringen an der Schweißstelle
                              befürchten mußte; aber der Stahl hielt glücklich bis zu Ende aus und ich hielt die
                              Probe auf Abbrechen im Falle des Hohlliegens für unnöthig. Beim Abdrehen von
                              Stahlspurzapfen für Mühlen verhielt sich der Stahl ausgezeichnet.
                           Von der Dauerhaftigkeit überzeugt, wurde das Geheimniß schließlich abgekauft und ich
                              veröffentliche hier dasselbe, da es mehr oder weniger mit anderen bekannten Pulvern
                              übereinstimmt und es nur hauptsächlich auf das Mengenverhältniß der einzelnen dazu
                              gehörigen Bestandtheile ankommt.
                           Die Bereitung des Pulvers ist folgende: 1/2 Pfund Borax, 2 Loth Salmiak und 2 Loth gelbes
                              Blutlaugensalz werden zerstoßen, gemischt und in einem Trinkglase voll Wasser
                              aufgelöst und diese Lösung unter beständigem Umrühren zur Trockne eingedampft und
                              zwar in einem eisernen Gefäße; wird jedoch die Masse zu stark erhitzt, so entwickelt
                              sich Cyanstickstoff und Chlorstickstoff, welche beide furchtbare Explosionen
                              verursachen, weßhalb ich sehr vor allzugroßer Erhitzung beim Abdampfen warne, indem
                              mir selbst eine Quantität von 1/4 Pfund, auf der Esse zureitet, explodirte und wir
                              meinen Rührstab aus der Hand riß, sonst aber keine weitere Beschädigung
                              verursachte.