| Titel: | Ueber eine, auf Allotropie begründete, verschiedenfarbige kieselsaure Bleiverbindung (Bleifluß); von Dr. L. Elsner. | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XII., S. 34 | 
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                        XII.
                        Ueber eine, auf Allotropie begründete,
                           verschiedenfarbige kieselsaure Bleiverbindung (Bleifluß); von Dr. L. Elsner.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie,
                              1862, Bd. CXV S. 508.
                        Elsner, über eine, auf Allotropie begründete, verschiedenfarbige
                           kieselsaure Bleiverbindung.
                        
                     
                        
                           Bei der Darstellung einer kieselsauren Bleiverbindung, wie solche gewöhnlich als
                              Flußmittel für die Farbenkörper bei dem Email-Brennverfahren für Porzellan
                              angewendet zu werden pflegen, hatte ich Gelegenheit eine sehr interessante
                              allotropische Farbenerscheinung wahrzunehmen, welche nicht allein in
                              technisch-chemischer sondern auch in wissenschaftlicher Beziehung, eine
                              allgemeinere Beachtung verdient, weßhalb ich dieselbe näher zu erörtern in
                              Nachstehendem beabsichtige.
                           Um die obenerwähnte Nietverbindung darzustellen, welche, als fertiges Präparat,
                              nahezu einer neutralen kieselsauren Bleiverbindung entspricht, wurde die Mischung
                              aus reiner Mennige und geschlämmtem reinem Quarzsand in mehrere bedeckte
                              Schmelzgefäße vertheilt, dem Verglühofen-Feuer, etwa 1000° C. eines
                              Porzellanbrandes, auf dem Cylinder des Verglühofens stehend ausgesetzt; bei der,
                              nach Abkühlung des Ofens, vorgenommenen Besichtigung des Inhalts der Schmelzgefäße
                              ergaben sich folgende in der That sehr auffallende, Erscheinungen: in allen
                              Schmelzgefäßen war der Inhalt geschmolzen, allein die Färbung der geschmolzenen Massen war in verschiedenen Schmelzgefäßen eine
                              ganz merkwürdig verschiedene; in einigen Gefäßen hatte die geschmolzene
                              Bleiverbindung die sonst bei den Bleiflüssen überhaupt gewöhnliche wachsgelbe Färbung, war durchsichtig glasglänzend, klar
                              und von muschligem Bruch, wie auch nicht anders erwartet werden konnte; dagegen
                              besaß in anderen Gefäßen der Inhalt täuschend die rothbraune Färbung des Carneols und in anderen wieder die pechschwarze Färbung des Obsidians. In der Oxydationsflamme des Löthrohres blieben die farbigen
                              Varietäten des Bleiflusses klar; in der Reductionsflamme dagegen wurden sie trüber, durch Ausscheidung des Bleies, wie nicht anders zu erwarten war.
                              Besonders beachtenswerth zeigte sich der geschmolzene Inhalt in einigen Gefäßen
                              dadurch, daß an der geschmolzenen Masse alle drei
                              Färbungen zugleich wahrzunehmen waren, und zwar auf die
                              Art, daß die obere Schicht der geschmolzenen
                              Bleiverbindung, die sonst als normal auftretende wachsgelbe Färbung zeigte, die darunter liegende Schicht dagegen besaß die
                              carneolrothbraune Färbung, und die unter dieser
                              Schicht liegende zeigte die pechschwarze Färbung des
                              Obsidians. In dünnen
                              Splittern war die carneolroth gefärbte geschmolzene Bleiverbindung, so wie die
                              pechschwarze, durchsichtig; auch wurde, durch nochmaliges
                              Umschmelzen, die Färbung derselben nicht verändert.
                           Für die Erklärung der soeben erwähnten auffallenden Erscheinungen erscheint
                              vorzugsweise die zuletzt angeführte Beobachtung einer besonderen Beachtung werth; in
                              den farbigen Uebergängen erschienen mir besonders in der schwarzen Varietät, mit der
                              Loupe betrachtet, weiße Ausscheidungen, die jedoch in der völlig geschmolzenen Masse nicht mehr zu erkennen waren und welche daher
                              völlig amorph war; die so eben erwähnten Ausscheidungen hatten Aehnlichkeit mit
                              denen im Reaumur'schen Porzellan. Irgend ein färbender Körper konnte von außen in
                              die Schmelzgefäße nicht eingedrungen seyn, denn sie waren während des Brandes alle
                              zugedeckt gewesen; auch war die Mischung in allen Schmelzgefäßen ein und dieselbe,
                              und zwar gleichzeitig aus derselben Mennige und demselben Sande bereitet worden;
                              auch konnte die verschiedene Färbung nicht ihren Grund in einer Reduction der
                              Bleiverbindung haben, denn sonst hätten die farbigen Varietäten nicht durchsichtig
                              erscheinen können, wie sie es doch in dünnen Splittern waren; um aber jeden Zweifel
                              in dieser Hinsicht zu beseitigen, wurden Proben der farbigen
                                 Varietäten sowohl, wie der normal gelb gefärbten
                              Bleiverbindung der Spectral-Analyse nach Bunsen
                              und Kirchhoff unterzogen, wozu Hr. Rohrbeck hierselbst die Güte hatte, seinen Apparat zur Disposition zu
                              stellen, wobei sich ergab, daß bei den farbigen
                              Varietäten sowohl, wie bei der normal gefärbten
                              Bleiverbindung, in keinerlei Weise ein Unterschied in dem
                              prismatischen Farbenbilde zu erkennen war, d.h. die Erscheinung war bei den farbigen
                              sowohl, wie bei der normalen Verbindung, völlig ein und dieselbe, was doch aber
                              unmöglich der Fall hätte seyn können, wäre irgendwie ein besonders färbender Körper
                              in den farbigen Varietäten der Grund der Färbung gewesen; bei allen dreien erschien
                              nur im prismatischen Farbenbilde die Natronlinie etwas heller und breiter.
                           Es konnte demnach diese merkwürdige Farbenverschiedenheit ein
                                 und derselben chemischen Verbindung nur auf einem verschieden allotropisch-molecularen Zustande derselben
                              beruhen, wie auch in der That ganz besonders die oben zuletzt erwähnte Beobachtung
                              dafür spricht, welche an ein und derselben geschmolzenen Masse, alle drei
                              verschieden farbigen Varietäten erkennen ließ.
                           Wenn der moleculare Zustand der drei verschieden farbigen Varietäten derselben
                              chemischen Verbindung als ein für jede einzelne farbige verschiedener angenommen
                              wird, so mußte auch nothwendigerweise das spec. Gewicht
                              der einzelnen farbigen Varietäten ein verschiedenes seyn, welche Voraussetzung auch in der
                              That durch die Bestimmung des spec. Gewichtes der verschieden farbigen Varietäten
                              der Bleiverbindung ihre Bestätigung fand, denn das spec. Gewicht der als normal anzunehmenden Bleiverbindung ergab sich 
                           
                              
                                 bei 18° C. indestillirtem Wasser zu
                                 4,7304
                                 
                              
                                 das der rothen Varietät zu
                                 4,6841
                                 
                              
                                 das der schwarzen Varietät
                                    zu
                                 4,6709.
                                 
                              
                           Die spec. Gewichte der beiden farbigen Varietäten weichen
                              demnach wenig von einander ab und sind dagegen von der normalen wachsgelben
                              Verbindung wesentlich verschieden, und es erinnern die erhaltenen Resultate an
                              ähnliche, mit großer Sorgfalt angestellte Untersuchungen von Brongniart, Magnus, G. Rose u.A.
                           Die Farbenverschiedenheiten in der oben erwähnten kieselsauren Bleiverbindung
                              beruhten demnach nur auf einem veränderten Molecularzustande der einzelnen
                              Varietäten oder was dasselbe ist, auf ihrem allotropisch verschiedenen
                              Aggregat-Zustande als Folge der möglicherweise in den einzelnen
                              Schmelzgefäßen überall nicht ganz gleichen Erhitzung der schmelzenden Mischung,
                              wofür auch die Thatsache zu sprechen scheint, daß in ein und demselben Schmelzgefäß
                              die geschmolzene Masse alle drei verschiedenfarbige Varietäten zeigte, oder es ist
                              auch möglich, daß die verschiedenen Färbungen ein und derselben Masse erst beim
                              Abkühlen der Masse eingetreten sind, indem sich die obere Schicht zuerst abgekühlt
                              hat, dann erst die unten liegenden, wofür gleichfalls die verschiedene Färbung der
                              Schichten zu sprechen scheint; immerhin bleibt als Grund der Färbung nur ein
                              veränderter Molecular-Zustand in den einzelnen farbigen Varietäten
                              anzunehmen, hervorgerufen durch Temperatur-Differenzen. Daß die merkwürdige
                              Farbenschiedenheit der beschriebenen Bleiverbindung wohl ihren Grund in der
                              Abkühlung der geschmolzenen Masse haben möge, dafür spricht eine von einem
                              erfahrenen Praktiker mir noch mitgetheilte Beobachtung, die ich hier anzuführen von
                              Bedeutung erachte. Dieselbe oben beschriebene Mischung zu dem in Rede stehenden
                              Bleifluß war in einem hessischen Schmelztiegel geschmolzen und dann im flüssig
                              geschmolzenem Zustande in einen messingenen Gießbukel ausgegossen worden, wobei die
                              interessante Beobachtung gemacht wurde, daß bei dem Abkühlen des ausgegossenen Bleiflusses sich schwarze Adern in demselben bildeten und daß der, der Hauptsache nach gelbe Fluß, wie schwarz
                              marmorirt erschien.
                           Für die Anwendung als Flußmittel für Farbenkörper für die Email-Malerei zeigte
                              sich die rothe sowohl wie die schwarze Varietät des obigen Bleiflusses ebenso
                              geeignet, wie der als normal erkannte gelbe Bleifluß: die damit dargestellten
                              Emailfarben erschienen nach dem Einbrennen in derselben Reinheit und Schönheit im Farbenton, wie
                              diejenigen, welche mit dem wachsgelben klaren Bleifluß bereitet worden waren, woraus
                              auch von empirischer Seite folgt, daß keine fremden Körper Ursache der rothen und
                              schwarzen Färbung des Bleiflusses gewesen seyn konnten, da ein solches Vorhandenseyn
                              fremder färbender Körper sofort einen störenden Einfluß auf die Reinheit und
                              Schönheit der Emailfarben hervorgebracht haben würde, was doch nicht im
                              Entferntesten der Fall war.
                           Die so eben nachgewiesene Verwendbarkeit selbst der roth und schwarz farbigen
                              Varietäten obigen Bleiflusses zur Anfertigung von Emailfarben ist insofern auch von
                              ökonomisch-technisch-chemischer Bedeutung, als sich daraus ergibt, daß
                              wenn bei der Darstellung eines solchen Bleiflusses in großen Quantitäten, wie dieses
                              bei einem großen Geschäfts-Betriebe gewöhnlich der Fall ist, solche abnorm gefärbte geschmolzene Massen sich gebildet haben
                              sollten, dieselben nicht etwa als unbrauchbar zu verwerfen sind, sondern ganz in
                              derselben Weise verwendet werden können, wie die normal-wachsgelbfarbigen
                              Varietäten derselben Bleiverbindung.
                           Noch bemerke ich schließlich, daß obgleich eine chemische Analyse der farbigen
                              Bleiverbindungen mir eigentlich nicht weiter erforderlich schien, da in allen
                              Schmelzgefäßen, wie oben schon bemerkt, ein und dieselbe Mischung von Mennige und
                              Sand sich befand, und letztere nach ein und demselben Verhältniß vorher gemischt
                              worden waren, auch krystallinische Aussonderungen, welche auf eine chemische
                              Verminderung in den völlig geschmolzenen Massen hätten
                              hindeuten können, in denselben, selbst durch die Loupe, nicht wahrzunehmen waren, im
                              Gegentheil, die ganze durch und durch geschmolzene Masse amorph, klar und
                              durchsichtig erschien, ich dennoch der Vollständigkeit halber die chemische
                              Untersuchung der völlig geschmolzenen Bleiverbindungen
                              unternommen habe, deren Resultate auch in der That die oben aufgestellte Ansicht
                              bestätigten, denn die gelbe sowohl wie die rothe und schwarze Varietät bestand aus
                              0,65 Grm. Bleioxyd und 0,35 Grm. Kieselerde; die verschiedenen farbigen Varietäten
                              der oben beschriebenen kieselsauren Bleiverbindung hatten demnach alle drei dieselbe
                              chemische Zusammensetzung, daher der Grund ihrer verschiedenen Färbung auch nicht in
                              ihrer möglichen chemischen Verschiedenheit zu suchen ist. Die Untersuchungen von
                              natürlichem fleischfarbigen Feldspath und demselben nach
                              dem Schmelzen bei hoher Temperatur, wo derselbe eine milchweiße amorphe Masse darstellt, ergaben nach S. D. Hayes (Poggendorff's Annalen
                              Bd. CXIII S. 468), daß die verschiedene Färbung des natürlichen und des
                              geschmolzenen ohne Einfluß auf dessen chemische
                              Zusammensetzung gewesen war; eine Beobachtung, welche geeignet ist hier nachträglich noch mit angeführt
                              zu werden, da dieselbe in naher Beziehung zu den von mir oben beschriebenen
                              Thatsachen steht.