| Titel: | Beschreibung einer elektrischen Signal-Scheibe für Eisenbahnen; construirt von M. Hipp, Director der Fabrik telegraphischer und elektrischer Apparate in Neuenburg (Schweiz). | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XXIX., S. 108 | 
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                        XXIX.
                        Beschreibung einer elektrischen
                           Signal-Scheibe für Eisenbahnen; construirt von M. Hipp, Director der Fabrik telegraphischer und elektrischer Apparate in Neuenburg
                           (Schweiz).
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Hipp's elektrische Signal-Scheibe für
                           Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Signal-Scheiben werden beim Eisenbahndienst gewöhnlich bei der Einfahrt in
                              Bahnhöfe, Tunnel, Kreuzungspunkte u.s.w. angewendet, und dienen dazu dem kommenden
                              Zuge anzuzeigen, ob er einfahren könne oder anhalten müsse. Diese Vorsicht ist darum
                              nöthig, weil es gar häufig vorkommt, daß Wagen das Geleise wechseln müssen; wenn in
                              einem solchen Moment ein Zug ankommen würde, ohne in derjenigen Entfernung
                              angehalten worden zu seyn, in welcher es noch möglich ist, so würde ohne Zweifel ein
                              Zusammenstoß, mit den bekannten Folgen, stattfinden.
                           Eine elektrische Signal-Scheibe, wie die nachstehend beschriebene, functionirt seit einigen Monaten
                              auf dem Bahnhofe in Winterthur, und wurde auf besondere Veranlassung der Direction
                              der schweiz. Nord-Ost-Bahn construirt.
                           Ich lasse hiemit eine nähere Beschreibung derselben folgen, theils um sie in weiteren
                              Kreisen bekannt zu machen, theils um einige Veröffentlichungen über dieselbe zu
                              vervollständigen oder zu berichtigen.
                           Die fragliche elektrische Signal-Scheibe ist dazu bestimmt, wie es bei
                              Signal-Scheiben gewöhnlich der Fall ist, den ankommenden Zug zu
                              benachrichtigen, ob er in den Bahnhof einfahren könne oder nicht. Nach bisher
                              meistens üblicher Methode zeigt eine rothe Scheibe parallel zur Bahn gestellt an, daß der Zug passiren könne, und quer gestellt, daß derselbe nicht weiter dürfe.
                           Diese Scheibe muß natürlich so weit vom Bahnhof u.s.w. entfernt aufgestellt seyn, daß
                              auch bei Nebel, wo man dieselbe nicht von Ferne sehen kann, es noch möglich ist, den
                              Zug zu rechter Zeit anzuhalten.
                           Die Bewegung dieser Scheiben geschieht in der Regel dadurch, daß ein Draht, der von
                              der Scheibe bis zum Bahnhof reicht; in der Nähe des letzteren vermittelst eines
                              Hebels angezogen wird, der Draht läuft nahe am Boden hin und ist durch kleine
                              eingeschlagene Pfähle unterstützt, auf welchen sich wieder Rollen befinden, um die
                              Reibung des Drahtes bei seiner Bewegung zu vermindern. Es ist oft vorgekommen, daß
                              der Draht im Winter mit Schnee bedeckt worden oder eingefroren ist, und daß derselbe
                              bei der Anstrengung ihn los zu machen, zerriß. Dieses hätte an sich durchaus keine
                              anderen Folgen, als daß nun sofort Jemand zur Scheibe selbst gesendet werden müßte,
                              um den Zug zu erwarten und zu benachrichtigen; anders verhält es sich aber, wenn der
                              Draht z.B. in der Nähe der Scheibe zerreißt, und man glaubt die Scheibe gedreht zu
                              haben, während man nur den Draht gezogen hat. In solchem Falle kann eine wirkliche
                              Gefahr entstehen.
                           Um diese Gefahr zu beseitigen, ist es zur Regel geworden, daß man sich immer
                              überzeugt, ob die Scheibe sich auch wirklich gedreht hat. Dieß geschieht dadurch,
                              daß man sich an einem Orte aufstellt wo man die Scheibe sehen kann, oder daß man bei
                              Nebel z.B. sich zur Scheibe selbst begibt, um sich von ihrer Stellung zu
                              vergewissern.
                           In mehreren Bahnhöfen, besonders in Frankreich, ist letzterem Uebelstande auf sehr
                              praktische Weise dadurch abgeholfen, daß eine Telegraphenleitung vom Bahnhofe bis
                              zur Scheibe geführt wird, und daß bei einer Stellung der
                              Scheibe ein Contact gemacht wird, welcher eine Batterie einschaltet, die ein
                              Glockenwerk in Bewegung setzt, das nun im Bahnhofe so lange fortläutet als die
                              fragliche Stellung der Scheibe dauert.
                           
                           Letztere Scheibe scheint entschieden den Vorzug zu verdienen, obwohl sie noch den
                              Fehler hat, daß durch nichts angedeutet wird, wenn man sie außer Contact stellen
                              will, ob sie wirklich diese Stellung angenommen hat, oder ob nicht etwa der
                              telegraphische Draht zerrissen ist, oder die Batterie versagt hat.
                           Durch die neue elektrische Signal-Scheibe sollen die Uebelstände, welche dem
                              bisherigen System theilweise noch ankleben, beseitigt werden; es wird sich sodann am
                              Schlusse der Abhandlung zeigen, in wie weit die Beseitigung derselben gelungen
                              ist.
                           Die neue Signal-Scheibe gewährt:
                           1) bequemere Handhabung der Signalisirung, wodurch der Vortheil erreicht wird, daß
                              die Arbeit des Signalisirens selbst, nicht einem gewöhnlichen Arbeiter überlassen zu
                              werden braucht, somit eine Quelle des Mißverständnisses beseitigt wird;
                           2) Entfernung der Zugdrähte, an deren Stelle Telegraphendrähte kommen, wodurch eine
                              Quells von Unregelmäßigkeiten beseitigt und es möglich gemacht wird, die Entfernung
                              der Scheibe vom Bahnhof beliebig groß zu machen;
                           3) absolute Sicherheit in der Angabe der Stellung der Scheibe, die jeden Augenblick
                              im Bahnhofe selbst in einem Zimmer oder an jedem andern beliebigen Platze verificirt
                              werden kann.
                           Fig. 40 zeigt
                              die äußere Ansicht der Scheibe.
                           Der einfache Mechanismus befindet sich in der Mitte der Säule; es ist ein Räderwerk,
                              das durch ein Gewicht, welches in der hohlen Säule aufgehängt ist, in Thätigkeit
                              kommt, und ohne frisch aufgezogen zu werden, die Stellung der Scheibe etwa 200 mal
                              verändert.
                           Ein Elektromagnet löst das Räderwerk aus, wodurch es der Scheibe gestattet ist, sich
                              um 90° zu drehen.
                           Im Bahnhofe selbst, sey es im Zimmer des Bahnhof-Vorstehers oder außerhalb des
                              Gebäudes, befindet sich der Directionshebel Fig. 41.
                           Derselbe besteht in dem um c drehbaren hölzernen Hebel
                              c, d, welcher circa 1
                              Fuß lang ist und die Stellung nach rechts oder links, oder auch, da eine Seite des
                              Kreisbogens roth, die andere weiß bezeichnet ist, auf Roth oder Weiß annehmen kann,
                              was dasselbe ist.
                           Eine kleine Scheibe, oberhalb des Directionshebels angebracht, zeigt Weiß oder Roth
                              genau so wie die Signal-Scheibe, wird folglich mit der Farbe des
                              Directionshebels stets im Einklange stehen.
                           Zu diesem Apparat gehört noch eine Signal-Glocke, d.h. ein gewöhnliches
                              elektrisches Läutwerk, das, um auch auf das Gehör zu wirken, so lange läutet, als
                              Directions-Hebel und Scheibe nicht im Einklange stehen, wornach also von dem
                              Momente an, wo dem Directions-Hebel z.B. die Stellung von Weiß auf Roth
                              gegeben wird, die Glocke so lange forttönt, bis die Signal-Scheibe sich
                              wirklich gedreht hat.
                           Ein ähnliches Glockenwerk kann auch im nächsten Wärter-Häuschen (wie es in
                              Winterthur wirklich der Fall ist) angebracht seyn, und besitzt dieselben
                              Eigenschaften.
                           Scheibe und Directions-Hebel sind durch zwei telegraphische Drähte von 4
                              Millimeter dickem Eisendraht verbunden, und wird außer diesem die Erdleitung
                              benützt.
                           Die Batterie besteht aus acht bis zwölf Elementen einer
                              Kohlen-Zink-Batterie, mit verdünnter Schwefelsäure oder Salzwasser
                              gefüllt.
                           Folgendes ist nun der Vorgang, wenn die Scheibe gedreht werden soll.
                           Die Scheibe steht z.B. auf Weiß, d.h. offener Bahn, ebenso der
                              Directions-Hebel. (Es muß hier die Bemerkung eingeschaltet werden, daß die
                              Scheibe auf beiden Seiten roth ist, und daher die Benennung Weiß sich auf die
                              parallele Stellung, d.h. offene Bahn, und die Benennung Roth sich auf die
                              winkelrechte Stellung, d.h. geschlossene Bahn, bezieht.)
                           Wird nun der Directions-Hebel von Weiß auf Roth gebracht, so circulirt sofort
                              ein Strom in dem Drahte 1 und 2 (Erde soll als Draht 3 bezeichnet werden). In dem
                              Drahte 1 ist sowohl der Elektromagnet der Scheibe als derjenige des Läutwerkes
                              eingeschaltet. Das Werk wird also sofort ausgelöst und das Allarmwerk ertönt, die
                              Scheibe wird frei und kann sich drehen. Sollte sie sich aus irgend einem Grunde
                              nicht drehen, dann würde das Allarmwerk nicht zur Ruhe kommen, es würde forttönen
                              bis Abhülfe gebracht würde. Ein Fall wäre noch möglich, es könnten alle Drähte
                              abgeschnitten seyn, oder es könnte die Batterie versagen; in diesem Falle würde die
                              Glocke natürlich schweigen und dadurch anzeigen, daß etwas nicht in Ordnung ist.
                           Dreht sich nun die Scheibe wirklich, so wird die Glocke aufhören zu ertönen, sobald
                              die Scheibe sich gedreht hat. Die Scheibe selbst hat durch ihre Drehung die
                              Verbindung der Linie 1 mit 2 unterbrochen, somit das Allarmwerk abgestellt, dagegen
                              aber eine Verbindung mit der Linie 3 hergestellt, durch welche nun der Strom gehen
                              wird, sobald der Directions-Hebel wieder auf Weiß gestellt wird, und dasselbe
                              Spiel wird sich wiederholen.
                           Die kleine Control-Scheibe des Directions-Hebels könnte gewissermaßen
                              als überflüssig betrachtet werden, wenn sie nicht den unschätzbaren Werth hätte, die
                              bei der nächsten Drehung der Scheibe nothwendigen Contacte im Voraus zu controliren,
                              und, indem sie als Galvanometer dient, die Stromstärke anzuzeigen. Diese kleine
                              Control-Scheibe wird sich also, sobald die Glocke aufgehört hat zu tönen und
                              die Signal-Scheibe ihre Stellung eingenommen hat, sofort auch auf Roth
                              stellen.
                           Dieses geschieht, indem der Strom nun durch den neu gebildeten Contact in die Linie 3
                              geht, um durch einen Umweg zur Control-Scheibe zu gelangen und derselben die
                              verlangte Stellung zu geben. Es könnte also der mögliche Fall eintreten, der in
                              Wirklichkeit höchst selten vorkommen wird, daß ein Contact an der Scheibe selbst
                              fehlerhaft wäre, welcher dadurch im Voraus angedeutet würde, daß das Alarmwerk
                              richtig ginge und die Control-Scheibe nichts anzeigen würde, d.h. halb auf
                              Weiß und halb auf Roth stehen bliebe.
                           Der Mechanismus ist sehr einfach und ohne grobe Veranlassung nicht leicht zu stören;
                              indessen will ich hier nicht unerwähnt lassen, daß die in Winterthur aufgestellte
                              Scheibe anfänglich ihren Dienst mehreremal versagt hatte, was bei einer neuen
                              Erfindung, die in allen Einzelnheiten eben noch zu studiren war, nicht auffallen
                              kann; die Ursache war, daß in das Innere der Säule Wasser eindrang, welches im
                              Winter gefror. Dieses Wasser kam nicht etwa durch Regen hinein, denn die Säule war
                              allzugut verschlossen, sondern durch Condensation der im Innern befindlichen
                              feuchten Dünste. Durch einige am passenden Orte angebrachte Luftlöcher wurde diesem
                              Uebelstande abgeholfen.
                           In keinem Falle jedoch, und dieß ist wohl zu bemerken, hat die Scheibe, auch wenn sie
                              sich nicht drehen wollte, den Dienst versagt, indem sie es stets sofort anzeigte,
                              wenn eine Störung eingetreten war und man daher zu rechter Zeit seine
                              Vorsichtsmaßregeln treffen konnte.
                           Wie bereits im Anfange angedeutet, bleibt nur noch übrig die Vortheile hervorzuheben,
                              welche die neue elektrische Signal-Scheibe gegenüber den gewöhnlichen
                              gewährt; diese sind:
                           1) Bequemlichkeit der Handhabung. Aus der mitgetheilten Beschreibung ist dieser
                              Vortheil so ersichtlich, daß hierüber nichts weiter zu sagen ist; der schwere, den
                              Verkehr manchmal hindernde eiserne Hebel ist durch einen Hebel ersetzt, zu dessen
                              Bewegung keine Anstrengung nöthig ist, und der außer diesem, wenn man will, gar
                              leicht unter Schloß gebracht werden kann;
                           2) Ersetzung der Zugdrähte durch Telegraphendrähte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß
                              letztere haltbarer und sicherer sind, auch viel leichter überall angebracht werden
                              können und mit der Länge durchaus keine Schwierigkeiten bieten, während erstere in
                              dieser Beziehung nur eine sehr beschränkte Anwendung finden können und die
                              Schwierigkeiten bezüglich der Länge sich progressiv steigern;
                           
                           3) absolute Sicherheit.
                           Es kann durchaus nicht in Abrede gestellt werden, daß auch der beste Mechanismus
                              einmal fehle: wenn aber dadurch ein Irrthum entstände in der Art, daß man etwa der
                              Meinung wäre, die Bahn sey geschlossen, während sie es nicht ist, so könnte daraus
                              der beklagenswertheste Unfall entspringen.
                           Ein solcher Fall ist, wie obige Beschreibung deutlich genug zeigt, bei der
                              elektrischen Signal-Scheibe nicht möglich. Auge
                              und Ohr wird in Anspruch genommen, wenn etwas nicht in Ordnung ist.
                           Nicht wenig trägt zur Sicherheit auch der Umstand bei, daß die Handhabung des
                              Apparates durch die intelligenteste Persönlichkeit geschehen kann, man sich somit
                              nicht auf einen Arbeiter zu verlassen hat, der die Wichtigkeit der ihm anvertrauten
                              Arbeit vielleicht kaum ahnt.
                           Die Erleichterung, die Signal-Scheibe in größerer Entfernung vom Bahnhof oder
                              an Stellen anzubringen, wo sie vom Bahnhof aus nicht gesehen werden kann, trägt
                              gewiß auch zur Sicherheit bei; es kann gar leicht vorkommen und ist schon
                              vorgekommen, daß ein Zug bei der Signal-Scheibe angekommen, wenn die Scheibe
                              auf „abgeschlossen“ zeigt, nicht mehr rechtzeitig angehalten
                              werden kann u.s.w.
                           Da die Sicherheit beim Eisenbahndienst von höchster Wichtigkeit ist, so dürften sich
                              obgenannte Signal-Scheiben dieser Eigenschaft wegen zu allgemeiner Einführung
                              empfehlen, um so mehr als die Preise nur wenig höher sind, als die der gewöhnlichen
                              Signal-Scheiben. Das Aufziehen des Werkes macht weder Mühe noch Kosten, weil
                              es durch denjenigen geschieht, der ohnedieß täglich die Bahn passiren muß.
                           Die Unterhaltung der Batterie, namentlich da wo ohnedieß ein
                              Telegraphen-Büreau besteht, ist kaum in Anschlag zu bringen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
