| Titel: | Ueber das untere Ende der Blitzableiter; von Dr. Fr. Mohr. | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XXX., S. 113 | 
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                        XXX.
                        Ueber das untere Ende der Blitzableiter; von Dr.
                           Fr. Mohr.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie,
                              1862, Bd. CXVI S. 181.
                        Mohr, über das untere Ende der Blitzableiter.
                        
                     
                        
                           Bei der Versammlung der Naturforscher und Aerzte zu Freiburg im Jahre 1838 wurde von
                              Seiten der Stadt Freiburg der physikalischen Section die Frage über die
                              zweckmäßigste Anlegung eines Blitzableiters an den dortigen gothischen Dom
                              vorgelegt. Die städtische Behörde wollte die Gelegenheit des Zusammenseyns so vieler bedeutender
                              Physiker nicht unbenutzt vorübergehen lassen, um bei der beabsichtigten Schützung
                              der Kathedrale durch einen Blitzableiter das beste und gegen jeden Einwurf
                              gesichertste System zu erfahren. Die Section kam diesem Antrage sowohl wegen des
                              Interesses der Sache selbst, als auch wegen der freundlichen Aufnahme der
                              Versammlung aufs bereitwilligste entgegen, und hielt mehrere Sitzungen in einem
                              besonderen Locale, wo nur dieser Gegenstand zur Sprache kam. Unter den Anwesenden
                              befanden sich fast alle der Versammlung beiwohnenden Physiker und darunter mehrere,
                              die sich schon praktisch mit Ausführung von Blitzableitern beschäftigt hatten.
                           Bei der eingeleiteten Besprechung einigte man sich bald über die Form und Substanz
                              der oberirdischen Leitung; dagegen giengen die Ansichten über den unter dem Boden
                              befindlichen Theil des Blitzableiters sehr weit auseinander; nur darin war man
                              einstimmig, daß dieser Theil die schwache Seite der ganzen Erfindung sey, und zwar
                              weil sie der Aufsicht der Menschen ganz entzogen sey. Es war einleuchtend, daß ein
                              Blitzableiter, der nicht eine unter allen Umständen vermittelte Uebertragung des
                              Blitzes an den Erdboden sicherte, eher eine Gefahr als einen Schutz mit sich führe.
                              Es wurde zugegeben, daß keine der bisher vorgeschlagenen und ausgeführten
                              Bodenableitungen auf die Dauer Sicherheit gebe, weil kein Metall der immer nagenden
                              Wirkung von Kohlensäure und Wasser widerstehe. Das Ableiten in einen Brunnen
                              veranlasse das Rosten aller unedlen Metalle an der Berührungsstelle von Luft und
                              Wasser. Die Endigung der Leitung mit Streifen von Kupfer oder Blei bedinge eine
                              galvanische Wirkung an der Berührungsstelle der beiden Metalle; noch mehr würden
                              dieß die edleren, dem Roste nicht unterworfenen Metalle thun, selbst wenn sie wegen
                              des Kostenpunktes anwendbar wären. In Ermangelung eines passend gelegenen Brunnens
                              hat man solche eigens mit großem Aufwand hergestellt, oder man hat feuchte Kohlen in
                              einer tiefen Grube zur Aufnahme des elektrischen Stromes empfohlen, in der doppelten
                              Absicht die gute Leitungsfähigkeit der Kohlen und ihre vermuthete schützende Kraft
                              gegen Rost zu benutzen. Es ist aber keine Frage, daß feuchte Kohle eher Rost bedingt
                              als verhindert, theils weil sie mit dem Eisen eine galvanische Kette bildet, bei
                              welcher das Eisen Zink vorstellt, dann auch, weil gewöhnliche Holzkohle eine
                              beständige Quelle von Kohlensäure ist und sich immer vermindert. So könnte es im
                              Laufe der Jahre kommen, daß das Ende der eisernen Leitung, die ursprünglich in
                              Kohlen steckte, zuletzt in der Luft hänge.
                           Nachdem alle bekannten Vorschläge durchgesprochen, und jeder einzelne verworfen war,
                              trennte sich die Versammlung ohne zu einem anderen Resultate gekommen zu seyn, als
                              daß für die unterirdische Ableitung noch keine passende Form gefunden sey, und daß
                              die bekannten alle auf die Dauer nicht genügten. Ich
                              wohnte der damaligen Besprechung bei, ohne selbst Theil daran genommen zu haben.
                           Es wird zugegeben, daß wenn eine ununterbrochene Metall-Leitung in Wasser
                              hineingeführt wird, welches auf einer großen Fläche mit dem Erdboden in Verbindung
                              steht, die vollständige Ableitung des Blitzes erfolgen könne. Bedienen wir uns
                              dieses Mittels, aber nehmen dazu keinen Brunnen, welcher die metallische Ableitung
                              der Aufsicht entzieht und das Rosten bedingt, sondern nehmen wir einen solchen
                              Brunnen, der das ganze Jahr hindurch trocken liegt, der die ganze Leitung sammt der
                              Ableitung den Augen jedes Vorübergehenden bloß stellt, und der vor jedem Gewitter
                              gefüllt wird. Die regelmäßige Besichtigung einer in einen Brunnen abgeleiteten
                              Metallstange geht sicher im Laufe der Zeit in Vergessenheit; aber was nicht in
                              Vergessenheit kommt, ist, daß es vor jedem Blitzschlag stark regnet. Man leite also
                              den Blitzableiter außen am Gebäude herab bis zur Sohle der Straße, verbinde ihn dort
                              mit langen gußeisernen Wasserrinnen, und führe dicht neben dem Blitzableiter die
                              Hauptwasserröhre vom Dache auf diese eisernen Rinnen. Man kann denselben leicht eine
                              solche Gestalt geben, daß sie nach kurzem Regen ganz unter Wasser stehen, daß sie
                              mit mehreren hundert Quadratfuß den feuchten Erdboden berühren, und die sicherste
                              Ableitung gewähren. Indem man die unterirdische Leitung ganz aufgehoben hat, sind
                              alle die Schwierigkeiten beseitigt, welche damit verbunden waren. Die ganze
                              Ableitung ist immer bei hellem Lichte des Tages ohne eine besondere Operation Jedem
                              zugänglich und sichtbar. Die nur zeitweilig befeuchtete Stange trocknet wieder ab
                              und kann nicht rosten, und das Wasser des Brunnens kann nicht versiegen, so lange es
                              vor dem Blitze regnet. Aber auch selbst in diesem Falle würde eine Berührung des
                              Bodens mit einer großen Fläche zolldicker Eisenplatten, welche, weil sie gleichsam
                              einen Theil des Straßenpflasters ausmachen, niemals verrosten können, eine genügende
                              Sicherheit der Ableitung gewähren. Es sind mehrmals bei zufälligem Abbruch von
                              Blitzableitern und auch bei absichtlicher Besichtigung Fälle vorgekommen, daß das
                              untere Ende des Blitzableiters sich in einem gefährlichen isolirten Zustande befand.
                              Es möchte deßhalb allen Betheiligten zu rathen seyn, die sie betreffenden
                              Ableitungen zu untersuchen, und sich des Schutzes zu bedienen, welcher in der
                              Anwendung der obigen Idee liegt. Es liegt in der Natur der Sache, daß man mit
                              solchen Verbesserungen keine Versuche machen kann, um sie erst nach gemachter
                              Erfahrung mitzutheilen. Glücklicherweise schlägt der Blitz zu selten ein, als daß
                              man darauf warten könnte, um eine zweckmäßige Verbesserung ein Menschenalter zurückzuhalten.