| Titel: | Ueber Verhinderung des Kesselsteins; von Emil Brescius, Chemiker in der Goldscheideanstalt in Frankfurt a. M. | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XXXIV., S. 124 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber Verhinderung des Kesselsteins; von Emil Brescius, Chemiker in der Goldscheideanstalt in Frankfurt a. M.
                        Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1862 S.
                              833.
                        Brescius, über Verhinderung des Kesselsteins.
                        
                     
                        
                           Das Leitungswasser in Frankfurt a. M., das uns zum Kesselspeisen dient, enthält in
                              1000 Theilen 0,28 kohlensauren Kalk, etwas kohlensaure Magnesia und 0,02 Gyps. Es
                              setzt in kurzer Zeit sehr viel Kesselstein ab, der, obgleich er zum größten Theil
                              aus kohlensaurem Kalk und etwas kohlensaurer Magnesia besteht, doch so dicht und
                              hart ist, daß er mit dem Hammer losgeschlagen werden muß. Der hohe Gehalt des
                              Wassers an kohlensaurem Kalk ist aber auch von sehr störendem Einfluß auf den Giffard'schen Speiseapparat, der den Kessel mit Wasser
                              versieht. Indem in jenem das Wasser erwärmt wird, verliert es einen Theil seiner
                              Kohlensäure, welche die an sich unlöslichen kohlensauren Salze gelöst erhält, und
                              so setzt sich
                              kohlensaurer Kalk mit etwas Magnesia bereits im Apparat fest und verstopft bald die
                              ohnehin kleinen Aus- und Einströmungsöffnungen für den Wasserstrahl. Es
                              werden hier täglich circa 60 Centner Wasser durch den
                              Apparat in den Kessel befördert; bei diesem Quantum war jener stets schon nach zwei
                              Tagen so verstopft, daß er seinen Dienst versagte und aus einander genommen werden
                              mußte. Unter solchen Umständen war ich auf Reinigung des Wassers bedacht, und da
                              diese durch ein sehr nahe liegendes und einfaches Mittel leicht von Statten geht,
                              ist eine Mittheilung darüber vielleicht Manchem, der mit ähnlichem Wasser zu thun
                              hat, von einigem Interesse. Um Wasser von kohlensaurem Kalk, beziehentlich
                              kohlensaurer Magnesia zu befreien, ist nur nöthig, die Kohlensäure, die jene Salze
                              in Lösung erhält, zu entfernen. Hat man eine billige Wärmequelle, z.B. die
                              abgehenden Dämpfe einer Maschine, so kann man diese benutzen, das Speisewasser
                              vorher zu erwärmen, dadurch wenigstens den größten Theil der Kohlensäure verjagen
                              und eine entsprechende Menge der kohlensauren Salze niederschlagen. Auf solche Weise
                              bereitet z.B. Hr. Maschinenfabrikant Schmalz in Offenbach
                              sein Speisewasser vor. Einfacher scheint es mir aber zu seyn und ist dieß immer zu
                              ermöglichen, die Kohlensäure durch Kalk, und zwar durch klares Kalkwasser zu
                              entfernen.
                           Das Verfahren dabei ist gewissermaßen die Pettenkofer'sche
                              Bestimmung der Kohlensäure im Großen; auf diese weise ich daher im Wesentlichen hin
                              und erlaube mir nur einige Bemerkungen.
                           Um zunächst zu erfahren, wie viel Kalkwasser man anzuwenden habe, verfährt man,
                              glaube ich, am besten wie folgt. Man füllt sich mehrere Bechergläser, auf welche,
                              nachdem der Rand derselben nöthigenfalls mit etwas Talg bestrichen worden,
                              Glasplatten gut schließend aufgelegt werden können, mit einer bestimmten Menge des
                              zu reinigenden Wassers, beiläufig 50 Kubikcentimetern, und läßt in je eines aus
                              einer Bürette 1, 1 1/2, 2, 2 1/2 etc. Kubikcentimeter klares Kalkwasser laufen,
                              rührt mit einem Glasstabe um und legt die Glasplatte auf. Nach Verlauf einer halben
                              Stunde prüft man nun jede Flüssigkeit mit dem Glasstabe auf Curcumapapier;
                              diejenige, welche einen kleinen braunen Ring erzeugt, hat eine geringe Menge
                              Kalkwasser zu viel erhalten. Es entstehe z.B. der Ring bei 5 1/2 Kubikcentimetern,
                              bei 5 aber keiner, so beträgt die anzuwendende Menge Kalkwasser entweder 5
                              Raumtheile auf 50 des zu reinigenden Wassers, oder liegt zwischen 5 und 5 1/2. Dieß
                              kann man auf gleiche Weise mit einer Bürette, die in kleine Theile getheilt ist,
                              leicht finden; diejenige Menge, bei der kein Ring entsteht, ist eben die richtige.
                              Im Großen kann freilich kaum der Grad der Genauigkeit erzielt werden, als bei einer Bestimmung im
                              Kleinen, und, da ein Ueberschuß von Kalkwasser, in welchem wohl immer mehr Kalk
                              enthalten seyn dürfte als im Speisewasser, leicht schaden könnte, ist es besser,
                              etwas weniger von jenem zuzusetzen, als zu viel. Wären also im angenommenen Falle 5
                              Raumtheile noch zu wenig, so würde man lieber diese nehmen, als eine Menge zwischen
                              5 und 5 1/2, und doch noch großen Vortheil haben, wie folgende Rechnung zeigt. 5 1/2
                              Centner oder Raumtheile (da das specifische Gewicht wenig höher als das des
                              gewöhnlichen Wassers) Kalkwasser würden z.B. aus 50 Centnern Wasser 614 Gram.
                              kohlensauren Kalk niederschlagen, 5 aber 555; es würden also bei Zusatz von
                              letzterer Menge nur wenige Gramme noch gelöst bleiben. Nachdem der mit der Arbeit im
                              Großen Betraute überdieß einige Uebung in der Erkennung der richtigen Grenze des
                              zuzusetzenden Kalkwassers erlangt hat, wird er auch stets fast genau die nöthige
                              Menge zufügen können.
                           Die Einrichtung im Großen richtet sich nach den Verhältnissen; man kann sich entweder
                              zwei große Behälter herrichten, aus deren einem man das zubereitete Wasser abläßt,
                              während sich in dem anderen der Niederschlag absetzt, oder mehrere kleine. Ich habe
                              hier mehrere cylindrische Ständer von Kesselblech, 150 Centimeter hoch, 98 Centim.
                              im Durchmesser, mit einem Ablaßhahn 11 Centim. über dem Boden, damit der
                              Niederschlag nicht mit dem Wasser herausfließe. In diesen Ständern setzt sich
                              innerhalb 24 Stunden der Niederschlag völlig ab und kann dann das Wasser vollkommen
                              klar abgelassen werden; in höheren Ständern dürfte dieß in der angegebenen Zeit noch
                              nicht der Fall seyn. Ueber den eisernen befinden sich zwei halb so große hölzerne
                              Ständer, in denen 28 Centim. über dem Boden ein Bleirohr angebracht ist, das bis an
                              die Wasserständer reicht, wo es mit einem Hahn verschlossen ist. Damit sich in das
                              Bleirohr kein Kalk setze, ist es ein Stück in den Ständer hinein verlängert und so
                              umgebogen, daß seine Mündung dem Boden zugewendet ist. In diese Ständer kommen nun
                              circa 30 Pfund gebrannter Kalk; nachdem derselbe
                              gelöscht ist, wird bis nahe an den Rand Wasser eingefüllt und aufgerührt; nach 24
                              Stunden kann man klares Kalkwasser ablassen und durch Zufügen von gewöhnlichem
                              Wasser und Aufrühren neues bereiten. Mit 30 Pfund Kalk reicht man schon ziemlich
                              lange; nach einiger Zeit prüft man mit Curcumapapier, ob das Wasser noch stark genug
                              wird. Wenn das Papier nicht mehr intensiv braun davon gefärbt wird, leert man nach
                              Befinden den aus gebildetem kohlensauren Kalk und unlöslichen Bestandtheilen des
                              gebrannten Kalks bestehenden Schlamm aus und fügt neuen Kalk zu. Da man nicht immer,
                              namentlich im Winter, frisch gebrannten Kalk haben kann, halte ich mir eine dicke Kalkmilch in gut
                              verstopften Schwefelsäureballons vorräthig, in denen der Kalk unverändert ätzend
                              bleibt und aus welchen er nach Bedarf ausgeleert werden kann.
                           Nach Maßgabe der Vorherbestimmung im Kleinen wird nun bis zu einer gewissen Höhe der
                              Wasserständer, von den Ablaufhähnen an gerechnet, Leitungswasser und von da bis zu
                              einem höheren Punkte Kalk-Wasser zugelassen. Wird ein Ständer zum ersten Mal,
                              oder nachdem er einmal gereinigt worden, wieder gefüllt, so kommt allerdings, weil
                              die Ablaßhähne ein Stück über dem Boden angebracht sind, und die Wasserhöhe von den
                              Hähnen an gerechnet ist, auf die angenommene Menge Kalkwasser etwas zu viel
                              gewöhnliches Wasser; es ist dieß aber nicht bedeutend und kommt nicht häufig vor, da
                              man die Ständer nur selten zu reinigen braucht. Als Maaß dient ein Stück gebogenes
                              Bandeisen mit einem längeren und kürzeren Schenkel das über den Rand der Ständer
                              gehängt wird. Bis an den längeren Schenkel wird gewöhnliches Wasser zugelassen, dann
                              wird das Eisen herumgedreht, bis an den kürzeren Schenkel Kalkwasser zugefügt und
                              mit einer Stange, an die mit der Flachseite ein Stück Bret angenagelt ist, von unten
                              nach oben aufgerührt. Da, wie Pettenkofer zuerst bekannt
                              gemacht hat, der kohlensaure Kalk gleich nach seiner Bildung noch löslich ist und
                              daher alkalisch reagirt, erzeugt auch das Wasser gleich nach dem Zusatz von
                              Kalkwasser und nach dem Aufrühren auf Curcumapapier noch einen braunen Ring; nach
                              einer halben Stunde und abermaligem Aufrühren darf indessen kein solcher mehr
                              entstehen. Ich sage nach abermaligem Aufrühren, denn da man den Tropfen zur Prüfung
                              von der Oberfläche nimmt, könnte einstweilen an dieser die Kohlensäure der Luft die
                              geringe Menge etwa in Ueberschuß zugesetzten Kalkes in kohlensauren verwandelt
                              haben. Es verdient überdieß bemerkt zu werden, daß, wenn in einem Ständer sich
                              bereits etwas ausgeschiedener kohlensaurer Kalk befindet, die anfängliche alkalische
                              Reaction viel schneller, und zwar fast gleich nach dem Aufrühren, verschwindet. Zwei
                              Ständer, von denen der eine schon etwas kohlensauren Kalk enthält, der andere nicht,
                              mit Wasser gefüllt und auf gleiche Weise mit Kalkwasser behandelt, zeigen dieß
                              deutlich; es beschleunigt also der vorhandene ausgeschiedene die Ausscheidung des
                              noch gelösten kohlensauren Kalkes. Demnach kann man auch den mit der Arbeit
                              betrauten Arbeiter dahin instruiren, daß, wenn er nach dem Zusatz von Kalkwasser
                              einige Male aufgeführt hat, ein herausgenommener Tropfen auf Curcumapapier gar
                              keinen Ring erzeugen dürfe, und braucht bloß im Anfang, oder, wenn ein Ständer
                              gereinigt worden, selbst zu probiren, abgesehen davon, daß man hin und wieder den
                              Arbeiter durch eigenes Probenehmen controliren wird. Der Arbeiter, dem hier die Reinigung
                              übertragen ist, hat sehr bald die nöthige Uebung erlangt, und habe ich dann nie
                              bemerkt, daß er zu viel Kaltwasser zugesetzt hat.
                           Gegen das Verfahren läßt sich einwenden, daß es leicht mangelhaft oder auch gar
                              nachtheilig seyn könne, wenn der Kohlensäuregehalt des Wassers nicht constant ist.
                              Vielfache Untersuchungen, ob der Gehalt verschiedener Wässer an dieser Säure sehr
                              schwankend sey, habe ich allerdings nicht angestellt, allein ich habe gefunden, daß
                              von Anfang October vorigen Jahres bis jetzt, d.h. während 7 Monaten, das
                              ursprünglich angewandte Verhältniß von Kalkwasser hier immer das rechte geblieben
                              ist. Möglich, daß es im Sommer sich noch ändert. Es ist aber im Kleinen leicht zu
                              finden, wie viel man mehr oder weniger Kalkwasser nehmen müsse, und die dazu nöthige
                              Arbeit würde kaum sehr häufig anzustellen seyn, da der Kohlensäuregehalt doch
                              innerhalb mehrerer Wochen sich gleich bleiben dürfte. Ueberdieß findet man bei der
                              jedes Mal vorzunehmenden Probe mit Curcumapapier gleich, ob zu viel Kalkwasser
                              zugefügt worden ist und kann sich dann leicht dadurch helfen, daß man noch etwas
                              anderes Wasser zulaufen läßt. Man thut deßhalb gut, für diesen Fall noch Raum in den
                              Ständern zu lassen.
                           Zur Entfernung des Gypses aus dem Wasser hat man bekanntlich Chlorbaryum
                              vorgeschlagen, und wenn gerade viel Gyps vorhanden ist, dürfte die Fällung mit einem
                              Barytsalz auch zweckentsprechend seyn; es eignete sich aber dafür besser der
                              gefällte kohlensaure Baryt, der sich mit Gyps ebenfalls, wenn auch etwas langsamer,
                              umsetzt. Man müßte deßhalb durch längere Zeit öfter umrühren, erhielte aber dafür
                              unlöslichen kohlensauren Kalk und kein Chlorcalcium, von dem, wenn das Wasser nicht
                              öfter aus dem Kessel abgelassen werden würde, nach und nach eine starke Lösung
                              entstehen müßte. Alle Chlormetalle greifen aber das Eisen an; auch Chlorbaryum und
                              ein zugesetzter Ueberschuß desselben ist also, abgesehen vom Verlust, noch
                              schädlich. Ein Ueberschuß von kohlensaurem Baryt schadet aber nicht, da dieses Salz
                              unlöslich ist; auch dürfte sich aus dem entstandenen Gemenge von kohlensaurem Kalk,
                              schwefelsaurem und kohlensaurem Baryt dieser letztere leichter wieder zu gut machen
                              lassen, als der Ueberschuß von Chlorbaryum im Wasser aus dem Kessel.
                           Bei geringem Gehalt des Wassers an Gyps ist es aber jedenfalls einfacher und
                              billiger, von Zeit zu Zeit eine gewisse Menge Wasser aus dem Kessel abzulassen,
                              damit sich nie eine gesättigte Lösung von Gyps bildet, aus welcher sich dieser doch
                              erst abscheiden kann. Wie oft und wie viel man abzulassen hat, ist leicht zu
                              berechnen, wenn man den Gypsgehalt des Wassers kennt, und weiß, wie viel in gewisser
                              Zeit verdampft wird.
                              Unser Kessel hält sammt Vorwärmern bis zum gehörigen Wasserstand 80 Centner Wasser;
                              täglich werden 60 Centner verdampft; bei dem angegebenen Gypsgehalt von 0,02 per Mille würde also erst nach circa 150 Arbeitstagen das Wasser im Kessel zu einem gesättigten
                              Gypswasser werden. Es brauchte mithin erst nach dieser Frist das Wasser aus dem
                              Kessel abgelassen zu werden; da dieser indessen Sonntags nicht geheizt wird, so wird
                              jeden Sonnabend Abend, nachdem das Feuer ausgegangen, etwa der dritte Theil des
                              Kesselwassers auslaufen gelassen, so daß nie eine gesättigte Gypslösung entstehen
                              kann.
                           In 6 Monaten, während welcher das Wasser hier mit Kalkwasser behandelt wurde,
                              brauchte der Giffard'sche Apparat nicht ein einziges Mal
                              aus einander genommen zu werden und zeigte, nach jener Zeit geöffnet, kaum eine Spur
                              von Incrustation. Kessel und Vorwärmer wurden nach genannter Frist ebenfalls
                              geöffnet und hatten gar keinen angesetzten Kesselstein; es fand sich nur eine höchst
                              geringe Menge Schlamm, aus kohlensaurem Kalk, etwas kohlensaurer Magnesia und
                              Kieselsäure und Eisenrost bestehend, vor, aber kein Gyps, so daß eine andere
                              Reinigung als ein leichtes Ausfegen nicht nöthig war.
                           In den 6 Monaten zu 150 Arbeitstagen wurden insgesammt 9000 Centner Wasser verdampft;
                              Gyps hätte sich während dieser Zeit allerdings, wenn auch nicht jede Woche etwas
                              Wasser abgelassen worden wäre, wenigstens nicht in großer Menge absetzen können; es
                              hätten sich aber allein 252 Pfd. kohlensaurer Kalk abgeschieden, wenn dem Wasser
                              kein Kalk zugesetzt worden wäre. Die ganze Menge des im Kessel und in den Vorwärmern
                              abgesetzten Schlamms aber betrug getrocknet ungefähr 3 Pfund. Nach diesem Ergebniß
                              brauchte man den Kessel nach Verlauf von 6 Monaten noch nicht zu öffnen und könnte
                              ihn ruhig mindestens 1 Jahr lang heizen, ohne ihn zu säubern.
                           Ich glaube somit das Verfahren empfehlen zu können.