| Titel: | Beitrag zur Kenntniß der Löslichkeitsverhältnisse des schwefelsauren Bleioxyds sowie des damit zusammenhängenden eigenthümlichen Verhaltens gewisser Rohzuckersorten; von Dr. C. Stammer. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LVI., S. 209 | 
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                        LVI.
                        Beitrag zur Kenntniß der Löslichkeitsverhältnisse
                           des schwefelsauren Bleioxyds sowie des damit zusammenhängenden eigenthümlichen
                           Verhaltens gewisser Rohzuckersorten; von Dr. C. Stammer.
                        Stammer, Beitrag zur Kenntniß der Löslichkeitsverhältnisse des
                           schwefelsauren Bleioxyds.
                        
                     
                        
                           Bei der Untersuchung einiger aus Nachproducten stammenden Rohzucker auf deren
                              Zuckergehalt hatte ich schon früher ein eigenthümliches Verhalten bemerkt. Wenn man
                              die Lösung dieser Zucker behufs ihrer Entfärbung mit einem Ueberschuß von Bleiessig
                              versetzte, so ließ sich die abfiltrirte, etwas milchige Flüssigkeit nicht, wie
                              sonst, durch einen Zusatz von Essigsäure klären, sondern gab vielmehr mit derselben
                              einen starken, weißen, körnigen Niederschlag, der weder in Wasser noch in einem
                              Ueberschuß von Essigsäure löslich war.
                           Dieses Verhalten machte es nothwendig, eine geringere Quantität Bleizucker
                              anzuwenden, als eigentlich erforderlich gewesen und die alsdann klar filtrirte und
                              meist schlecht entfärbte Lösung zur Polarisation zu nehmen.
                           Essigsäure fällte aus der Zuckerlösung allein nichts; ebenso wenig nach Zusatz einer
                              geringen Menge Bleiessig. Um den Niederschlag
                              hervorzubringen, war der vorherige Zusatz von einem Bleiessig überschuß nothwendig; die gewöhnliche Fällung durch Bleiessig hatte dabei
                              durchaus keinen Einfluß.
                           Jedenfalls bot dieses eigenthümliche Verhalten der betreffenden Rohzucker
                              Auffallendes genug, um eine nähere Untersuchung desselben wünschenswerth erscheinen
                              zu lassen.
                           Ich habe daher im Verlaufe längerer Zeit viele Arten Rohzucker in dieser Richtung
                              geprüft und es stellte sich dabei zunächst heraus, daß diese Eigenschaft, auf Zusatz
                              eines Ueberschusses von Bleiessig einen Niederschlag mit Essigsäure zu geben, nur
                              sehr wenigen Zuckern zukomme, daß sie sich nur bei Nachproducten – sowohl
                              Zuckern wie Syrupen – finde und in ihrem Vorkommen an eine bestimmte Regel
                              nicht gebunden sey. Es schien, daß man diese Eigenschaft dem Vorhandenseyn eines
                              bestimmten fremden Stoffes zuschreiben müsse, der sich erst mit der Länge der Zeit
                              und der Wiederholung der Fabrications-Arbeit entwickele; beim Raffiniren
                              verschwand er nur theilweise. Geringe Nachproducte welche diese Substanz enthielten,
                              ergaben auch nach der ersten Raffination Bastardzucker mit derselben
                              Eigenschaft.
                           
                           Die Quantität des erhaltenen Niederschlags war verschieden; einige Zucker, von denen
                              gewogene Mengen so behandelt wurden, lieferten davon bis 1,5 Proc.
                           Nach dem Auswaschen und Trocknen stellte sich der Niederschlag als ein feines
                              hellgelbliches Pulver, das unter dem Mikroskop krystallinisch erschien, dar; er war
                              in kaltem, wie in siedendem Wasser so gut wie unlöslich. Ebenso verhielt er sich
                              gegen die meisten anderen Prüfungsmittel indifferent. Salpetersäure und Ammoniak
                              lösten ihn sehr langsam auf; Schwefelsäure gab dann erst in größerem Ueberschusse
                              wieder eine Fällung.
                           Das Pulver schwärzte sich beim Glühen und hinterließ schwefelsaures Bleioxyd nebst
                              Bleioxyd. Eine genauere Prüfung ergab, daß das Pulver aus 96–97 Proc.
                              schwefelsaurem Bleioxyd und einer geringen, wechselnden Menge organischer Substanz
                              bestehe.
                           Es lag daher nahe, in dieser organischen Substanz die Ursache zu suchen, durch welche
                              das schwefelsaure Bleioxyd nach dem Zusatze von Bleiessig in der Zuckerlösung gelöst
                              bleiben konnte, um erst auf Zusatz von Essigsäure mit derselben gefällt zu werden.
                              Indessen lag eine chemische Verbindung von schwefelsaurem Bleioxyd mit einer
                              organischen Substanz nicht vor, wie einmal aus dem großen Procentgehalte vom
                              ersteren und dann aus der nicht constanten Zusammensetzung folgte.
                           Nachdem zahlreiche Versuche, die organische Substanz aus dem Niederschlage zu
                              isoliren, zu keinem Resultate geführt hattenDurch Schwefelwasserstoff z.B. wurde zwar reines Schwefelblei gefällt, aber
                                    die organische Substanz beim Eindampfen der verdünnten Lösung sehr bald
                                    durch die freie Schwefelsäure zersetzt., kam ich auf den Gedanken, daß dieselbe vielleicht nur eine zufällige
                              Beimengung sey, und das schwefelsaure Bleioxyd an und für sich in Gegenwart gewisser
                              anderer Stoffe bis zum Zusatz von Essigsäure gelöst bleiben könne. Ich schlug daher
                              den umgekehrten Weg, den der Synthese ein und fand bald die Bestätigung dieser
                              Ansicht.
                           Deckkläre wurde mit oder ohne Zusatz von Traubenzucker unter verschiedenen
                              Verhältnissen mit frisch gefälltem schwefelsaurem Bleioxyd vermischt und die
                              filtrirte Flüssigkeit mit Essigsäure geprüft, hierbei aber ein positives Resultat
                              nicht erzielt.
                           Das schwefelsaure Bleioxyd mußte also wohl im Entstehungsmomente vorhanden seyn.
                           Deckklärelösung wurde nun mit Kalk und einer geringen Menge Schwefelsäure vermischt,
                              die stark alkalische Flüssigkeit mit Bleiessig versetzt und filtrirt. In der filtrirten
                              Lösung gab Essigsäure einen reichlichen Niederschlag, der dem in Rede stehenden,
                              früher untersuchten in allen Punkten entsprach.
                           Traubenzuckerlösung verhielt sich wie Rohrzuckerlösung.
                           Auch ohne Zucker wurde dasselbe Resultat erhalten: setzt man zu Kalkmilch etwas
                              Schwefelsäure und dann einen Ueberschuß von Bleiessig, so wird in der filtrirten
                              Lösung durch Essigsäure schwefelsaures Bleioxyd in reichlicher Menge gefällt.
                           Es ist somit das schwefelsaure Bleioxyd im frisch gefällten Zustande nicht
                              unbedeutend in alkalischer Gypslösung löslich.
                           Dieses Ergebniß wird unter anderm durch folgenden Versuch bestätigt:
                           Neutrale Gypslösung löst weder frischgefälltes
                              schwefelsaures Bleioxyd, noch wird darin nach dem Vermischen mit einem neutralen Bleisalze und Filtriren, durch Essigsäure etwas
                              gefällt. Fügt man aber zur Gypslösung ein alkalisch reagirendes Bleisalz, z.B.
                              Bleiessig, und filtrirt alsdann, so erhält man eine alkalisch reagirende Lösung,
                              welche auf Zusatz von Essigsäure schwefelsaures Bleioxyd fallen läßt.
                           Ganz ähnliche Resultate erhält man, wenn man Gypslösung mit wenig Kalk versetzt, und
                              irgend ein lösliches Bleisalz, also z.B. salpetersaures Bleioxyd hinzufügt.
                           Es folgt also aus diesen und ähnlichen Versuchen, daß die Schwefelsäure des Gypses aus Lösungen, welche freies Alkali enthalten, durch
                                 Bleisalze nicht gefällt wird, sondern daß dazu vorerst die Neutralisation
                              mit Essigsäure nöthig ist. Da indessen auch neutraler essigsaurer Kalk geringe
                              Mengen schwefelsauren Bleioxyds zu lösen vermag, so steht zu erwarten, daß eine vollständige Fällung auch jetzt noch nicht erreicht
                              wird.
                           Zur Erklärung des speciellen Falles, von welchem die erwähnten Versuche ausgiengen,
                              reicht diese Thatsache nun vollkommen aus. Viele Nachproducte enthalten Gyps, der
                              sich bei Gypsgehalt der Fabrikwasser mehr und mehr darin ansammelt; dieselben sind
                              ferner, wenn sorgfältig gearbeitet worden, stets etwas alkalisch. Trifft nun
                              Gyps- und Alkali-Gehalt in genügender Größe zusammen, oder setzt man
                              alkalische Bleilösung hinzu, so wird bei einem Ueberschuß dieser letztern etwas
                              schwefelsaures Bleioxyd gelöst bleiben müssen und erst durch Essigsäure gefällt
                              werden. Daß bei dieser Fällung noch einige fremde organische Substanzen mit
                              ausfallen, ist natürlich.
                           Bei Schwefelsäure-Bestimmungen ist dieses Verhalten des schwefelsauren
                              Bleioxydes jedenfalls nicht zu übersehen, und möchte ich daher hiermit darauf aufmerksam
                              machen, da mir nicht erinnerlich ist, dasselbe irgendwo mitgetheilt gesehen zu
                              haben.