| Titel: | Ueber das Thallium, ein neues Metall; von A. Lamy. | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXXII., S. 284 | 
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                        LXXII.
                        Ueber das Thallium, ein neues Metall; von A. Lamy.
                        Aus den Comptes rendus,
                              t. LIV p. 1255.
                        Lamy, über das Thallium.
                        
                     
                        
                           Bei der spectralanalytischen Prüfung von Selen, das aus dem Kammerschlamm gewonnen
                              war, der sich bei der Fabrication der Schwefelsäure durch Verbrennen der Kiese
                              bildet, fand der Verf. eine wohlbestimmte grüne Linie, die keiner ihm bisher
                              bekannten Substanzen angehören konnte. Es war ihm unbekannt geblieben, daß bereits
                              Crookes unter ähnlichen Verhältnissen dieselbe Linie
                              bemerkt und sie einem neuen Elemente zugetheilt hatte, das er Thallium, von ϑαλλός oder thallus, nannte. Dieser hatte es für ein der
                              Schwefelgruppe zugehöriges Metalloid gehalten, es war ihm jedoch nicht gelungen,
                              dasselbe zu isoliren und seine wirkliche Natur zu studieren.
                           Der Verf. hat den neuen Körper nun aus dem Selen, das aus dem Schlamm der Bleikammern
                              ausgezogen war, zu isoliren gesucht und ist, indem er das Auftreten der grünen Linie
                              besonders verfolgte, zu vollkommen bestimmten krystallisirten Verbindungen gelangt,
                              aus denen er das Thallium, zuerst durch den elektrischen Strom, auszuscheiden
                              vermocht hat.
                           Eigenschaften des Thalliums. – Das Thallium zeigt
                              alle Eigenschaften eines wirklichen Metalls und bietet in seinem physikalischen
                              Verhalten die meiste Aehnlichkeit mit dem Blei. Etwas
                              weniger weiß als Silber, zeigt es auf frischem Schnitte einen lebhaften Metallglanz.
                              Reibt man es mit einem harten Körper, so erscheint es gelblich, doch muß dieß von
                              einer Oxydation herrühren, da das durch einen elektrischen Strom aus der wässrigen
                              Lösung niedergeschlagene, wie das im Wasserstoffstrom geschmolzene Metall weiß mit
                              einer graubläulichen Nuance ist, nämlich wie das Aluminium.
                           Das Thallium ist sehr weich, sehr hämmerbar, es kann mit dem Nagel geritzt und leicht
                              mit dem Messer geschnitten werden. Auf Papier erzeugt es einen gelben Strich. Sein
                              spec. Gewicht 11,9 ist etwas höher als das des Bleies; es schmilzt bei 290°
                              C., verflüchtigt sich in der Rothglühhitze. Endlich hat noch das Thallium ein großes
                              Bestreben zu krystallisiren, denn die durch Schmelzen erhaltenen Stäbchen lassen
                              beim Biegen das Zinngeschrei hören. Seine wichtigste physikalische Eigenschaft ist
                              die, welche auch seine Entdeckung herbeigeführt hat: seine Fähigkeit, der nicht
                              leuchtenden Gasflamme eine intensiv grüne Farbe zu ertheilen und in dem Spectrum derselben
                              eine einzig grüne Linie hervorzubringen, die ebenso frei dasteht und bestimmt
                              auftritt, als die gelbe Linie des Natriums oder die rothe des Lithiums. Sie
                              erscheint auf der Mikrometerscale des Spectroskops des Verf. auf dem Theilstrich
                              120,5, wenn sich die des Natriums auf 100 befindet. Die allergeringste Menge von
                              Thallium oder eines seiner Salze ruft die grüne Linie in einem solchen Glanze
                              hervor, daß sie weiß zu seyn scheint, 1/50000000 Gramm kann nach der Schätzung des
                              Verf. noch erkannt werden.
                           Das Thallium läuft rasch an der Luft an, indem es sich mit einem dünnen Oxydhäutchen
                              überzieht, welches das übrige Metall vor Veränderung schützt. Dieses Oxyd ist
                              löslich, deutlich alkalisch und besitzt einen dem Kali analogen Geruch und
                              Geschmack. Hierdurch, wie durch sein optisches Verhalten nähert sich das Thallium
                              den Alkalimetallen.
                           Durch Chlor wird das Thallium bei gewöhnlicher Temperatur langsam angegriffen, rasch
                              bei einer über 200° C. gelegenen Temperatur. Es schmilzt dann, kommt durch
                              die Einwirkung des Gases zur Weißgluth und bildet eine gelbe Flüssigkeit, die beim
                              Erkalten eine etwas heller gefärbte Masse darstellt.
                           Mit Jod, Brom, Schwefel, Phosphor bildet das Thallium ebenfalls Verbindungen.
                           Frisch dargestellt, behält das Thallium in Wasser seinen Metallglanz. Es scheint
                              diese Flüssigkeit bei der Siedetemperatur nicht zu zersetzen, mit Hülfe einer Säure
                              aber tritt unter Wasserstoffentwickelung Zerlegung ein.
                           Schwefelsäure und Salpetersäure greifen das Thallium am leichtesten an, besonders
                              beim Erwärmen. Salzsäure, selbst kochende, löst es nur sehr schwierig. Es bildet
                              sich hierdurch das Sulfat und Nitrat, beide weiße lösliche Salze, die mit
                              Leichtigkeit krystallisiren und ein wenig lösliches Chlorür, das ebenso wie jene
                              leicht krystallisirt.
                           Das durch directe Einwirkung des Chlors oder durch Königswasser dargestellte Chlorür
                              scheidet sich aus der wässrigen Lösung als prächtige gelbe Blättchen aus, die dem
                              rhomboedrischen System anzugehören scheinen.
                           Zink scheidet aus der Lösung des Sulfats und des Nitrats das Thallium als glänzende
                              krystallinische Blättchen aus.
                           Salzsäure und lösliche Chlormetalle geben mit diesen Lösungen einen weißen
                              Niederschlag von Thalliumchlorür, der dem Chlorsilber gleicht, aber etwas löslich in
                              Wasser ist, dagegen sehr wenig löslich in Ammoniak und am Lichte unveränderlich.
                           Schwefelwasserstoff ist auf reine neutrale oder saure Lösungen ohne Einwirkung, in
                              alkalischen dagegen erzeugt er einen voluminösen schwarzen Niederschlag von Thalliumsulfür,
                              der sich leicht am Boden des Gefäßes sammelt und in einem Ueberschuß des
                              Fällungsmittels unlöslich ist.
                           Kali, Natron und Ammoniak fällen kein Thalliumoxyd aus seiner Verbindung mit
                              Schwefelsäure und Salpetersäure.
                           Vorkommen und Darstellung. – Das Thallium kann
                              nicht als in der Natur sehr selten angesehen werden, denn es kommt in mehreren Arten
                              von Schwefelkies vor, die man jetzt in großen Massen zu Tage fördert, um sie
                              hauptsächlich zur Schwefelsäurefabrication zu verwenden. Der Verf. führt namentlich
                              die belgischen Schwefelkiese von Theux, Namur und Philippeville an, auch hat er es
                              in Proben von Nantes und Bolivia in Amerika aufgefunden.
                           Man würde das Thallium strenggenommen aus diesen Kiesen darstellen können, jedoch ist
                              es einfacher, es aus dem Absatz der Bleikammern zu gewinnen, in dem es sich in
                              verhältnißmäßig beträchtlicher Menge während der Schwefelsäurefabrication ansammelt.
                              Aus diesem hat der Verf. nach einer besonderen Methode das Thalliumchlorür
                              dargestellt, welches ihm als Ausgangspunkt zum Studium des Metalls und seiner
                              Verbindungen diente.
                           Das Metall selbst kann aus einem seiner Salze entweder durch den elektrischen Strom,
                              oder durch Fällen mittelst Zink, oder durch Reduction mit Kohle bei erhöhter
                              Temperatur gewonnen werden. Auch kann man aus der Chlorverbindung das Chlor durch
                              Kalium oder Natrium beim Erwärmen hinwegnehmen; in diesem Falle ist die Einwirkung
                              sehr lebhaft.
                           Der Verf. hat der französischen Akademie ein kleines 14 Grm. wiegendes Stäbchen des
                              Metalls vorgelegt, das allein durch den Strom einiger Bunsen'scher Elemente ausgeschieden worden war, weiterhin noch die zuerst
                              erhaltene Chlorverbindung und das krystallisirte Sulfat, das durch Lösen von
                              Thallium in reiner Schwefelsäure entstanden war. Er verspricht noch weitere, die
                              Kenntniß des Metalls vervollständigende Mittheilungen.