| Titel: | Ueber die Fabrication der Pikrinsäure von Perra in Petit-Vauves (Seine-Depart.); Bericht von Balard. | 
| Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XCII., S. 387 | 
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                        XCII.
                        Ueber die Fabrication der Pikrinsäure von Perra in Petit-Vauves (Seine-Depart.); Bericht
                           von Balard.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'Encouragement, Mai 1862, S. 265.
                        Ueber Perra's Fabrication der Pikrinsäure.
                        
                     
                        
                           Laurent gab zuerst im Jahr 1841 eine genaue Vorschrift
                              zur Darstellung der Pikrinsäure aus Phensäure, resp. aus Steinkohlentheeröl. Diese
                              Vorschrift war so bestimmt, daß man denken sollte, sie sey unmittelbar in der
                              Industrie anwendbar und müsse stets gute Resultate liefern.
                           Allein die in den Handel gebrachten Producte waren stets von der reinen Pikrinsäure
                              mehr oder minder verschieden; man war also von der gegebenen Vorschrift häufig sehr
                              wesentlich abgewichen.
                           Die Verschiedenheiten in den erzielten Producten hängen mit der complicirten Natur
                              der verarbeiteten Theeröle zusammen, welche verschiedene Körper, die bei höherer
                              Temperatur als die Phensäure sieden, so wie mehrere Kohlenwasserstoffe enthalten.
                              Auf Zusatz von concentrirter Natronlauge fällt demnach ein Gemenge von Verbindungen
                              aus, welchem noch mechanisch die schwerer flüchtigen Kohlenwasserstoffe beigemischt
                              sind, die bisweilen 1/3 des Phensäurevolumens ausmachen. Als Schlußproduct erhält
                              man daher nicht nur krystallinische Pikrinsäure, sondern neben derselben pulverige,
                              weniger färbende Substanzen und Kleesäure, die auch eine gewisse Menge Salpetersäure
                              der Benutzung entzogen hat. Endlich mengen sich die harzigen Zersetzungsproducte der
                              Kohlenwasserstoffe bei, und verunreinigen das Färbebad nicht selten als sogenannte
                              Augen, die den Färbeproceß erheblich stören können.
                           Ganz anderer Art sind die von Perra in den Handel
                              gelieferten Producte. Man erkennt dieselben auf den ersten Blick als reine
                              Substanzen, wie sie der Chemiker im Laboratorium darstellen kann, und es hat sogar
                              Schwierigkeiten gemacht, dieselben in Aufnahme zu bringen, so sehr war man an das
                              Ansehen der unreinen Stoffe gewöhnt.
                           Hr. Perra hat sich nämlich an die Angaben der Wissenschaft
                              gehalten und genau das Verfahren Laurent's befolgt. Er
                              behandelt nur diejenigen Oele mit Alkalien, welche zwischen 150° und
                              200° C. destilliren. Das erhaltene phensaure Natron (billiger als das von Laurent benutzte Kalisalz) wird durch eine Behandlung mit
                              Wasser von den mitgerissenen Kohlenhydraten befreit und dadurch gleichzeitig der
                              größte Theil der Producte zerstört, welche das Natron mit den Homologen der
                              Phensäure bildet. Hierauf wird nach der Vorschrift Laurent's die reine Phensäure dargestellt, dieselbe durch Destillation
                              entwässert und endlich nur ein krystallisirtes Product mit Salpetersäure behandelt,
                              so daß man durch eine passende Leitung der Operation im Mittel aus 100 Theilen
                              Phensäure 90 Thle. reine Pikrinsäure erhält, während das Verhältniß bisweilen auf
                              110 Thle. steigt. Dabei werden nur 6 Thle. Salpetersäure von 36° Baumé
                              verbraucht. Allerdings erhält man auf diesem Wege nur 2/3 derjenigen Menge
                              Pikrinsäure, welche bei der Behandlung sämmtlichen
                              Theeröles resultiren würde; allein der Verlust wird dadurch mehr als aufgewogen, daß
                              man weniger Salpetersäure braucht und ein ganz reines, rein und lebhaft gelb
                              färbendes Product erzielt.
                           Diese Eigenschaften kommen sowohl der nach ihrer Auflösung in Salpetersäure
                              umkrystallisirten Säure, als auch den gelben, krystallinischen Massen zu, welche Hr.
                              Perra darstellt, und die billiger als jene sind, aber
                              gleiches Färbevermögen besitzen.
                           Ebenso sind auch die Farbstoffe, welche durch eine geringere Einwirkung der
                              Salpetersäure erhalten werden, und die man zu Orangeroth auf Wolle benutzt, homogen
                              und von krystallinischem Bruch.
                           In Färbeflotten sind alle diese Substanzen vollkommen löslich; die Nüance ist im
                              allgemeinen etwas dunkler, ohne daß hieran die Alkalien Schuld sind.
                           Indem Hr. Perra demnach zu den Verfahrungsarten des
                              Laboratoriums zurückgekehrt ist und reine Producte erzeugt hat, lieferte er den
                              Beweis daß diese Methoden ökonomisch vortheilhaft sind; er hat der Industrie dadurch
                              einen wesentlichen Dienst erwiesen.