| Titel: | Bemerkungen zu den von Hrn. Perrot „über die Unwirksamkeit der gewöhnlichen Blitzableiter“ geäußerten Ansichten; von Professor C. Kuhn. | 
| Autor: | Carl Kuhn [GND] | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XXV., S. 111 | 
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                        XXV.
                        Bemerkungen zu den von Hrn. Perrot
                           „über die Unwirksamkeit der gewöhnlichen Blitzableiter“ geäußerten
                           Ansichten; von Professor C. Kuhn.
                        Kuhn, über Perrot's Resultate hinsichtlich der Mängel der
                           gewöhnlichen Blitzableiter.
                        
                     
                        
                           Eine am 2. August vorigen Jahres an der Prinz Eugen Caserne zu Paris vorgekommene
                              Blitzesentladung gab Hrn. Perrot Veranlassung zu einigen Experimenten,
                              welche über die Mängel der gewöhnlichen Blitzableiter Aufschluß geben, und die
                              Ursache jenes Blitzschlages klar herausstellen sollen. Die von ihm angestellten
                              Experimente, sowie die Folgerungen, die er hieraus zieht, hat Hr. Perrot in den nachbenannten Aufsätzen niedergelegt:
                           1) Sur l'inefficacité des paratonnerres actuels.
                                 Bulletin de la Société d'Encouragement, August 1862, S.
                              507-510.
                           2) Recherches relatives aux moyens d'augmenter
                                 l'efficacité des paratonnerres. Comptes rendus, t. LV p. 361-365.
                           3) Recherches concernant les moyens d'augmenter
                                 l'efficacié des paratonnerres. Ibid. p. 465-466.
                           Da nun durch die von Hrn. Perrot erhaltenen Resultate die
                              Wirksamkeit der Blitzableiter für manche Fälle in Frage gestellt werden müßte, wenn
                              man die von ihm gegebene Erklärung zugeben könnte, so mag es nicht überflüssig seyn,
                              auf eine kurze Beleuchtung der von dem Verfasser zu Grunde gelegten Anschauungen
                              weiter einzugehen.
                           Hr. Perrot ist nämlich der Ansicht, daß der genannte
                              Blitzschlag nur dem Umstande zuzuschreiben sey, daß bei der Construction des
                              fraglichen Gebäudes ausgedehnte Metallmassen verwendet worden sind, und derartigen
                              Anordnungen, da sie der neueren und neuesten Zeit angehören, bei der Einrichtung der
                              Blitzableiter nicht Rechnung getragen worden sey. Durch welche Ursachen aber das
                              erwähnte Ereigniß herbeigeführt worden ist, läßt sich aus den uns vorliegenden
                              Quellen nicht entnehmen, da der Verfasser bloß vorübergehend erwähnt, daß die Prinz
                              Eugen Caserne mit sieben Blitzableitern versehen sey, deren einer die Entladung
                              aufnahm und dieselbe in der Nähe des Bodens, gleichsam durch ein Abspringen des
                              Blitzes, gegen das Wachtlocal geführt haben soll. Er schildert ferner die Folgen
                              eines etwaigen Blitzschlages gegen das Pulvermagazin oder gegen das Patronengewölbe,
                              wenn die Entladung einen anderen Weg genommen hätte als den bezeichneten; nur eine
                              Beschreibung des wirklich eingetretenen Blitzschlages gibt der Verfasser nicht,
                              obgleich es sehr wichtig gewesen wäre, den Einfluß der in der Nähe des
                              Blitzableiters befindlichen Gasröhren zu ermitteln, und die Beschaffenheit der
                              Bodenleitung genau anzugeben. Da aber bei Beurtheilung eines derartigen Ereignisses
                              nur die aus dem Hergange der dabei beobachteten Erscheinungen sich ergebenden
                              Thatsachen die einzigen wichtigen Hülfsmittel bilden, da man die Spuren der
                              Entladung, so weit als dieß thunlich ist, verfolgen muß und alle sonstigen
                              Nebenumstände, sowie auch die Anordnung des Blitzableiters, seine Verbindungsweise
                              mit dem Gebäude sowie mit den an letzterem befindlichen Metallconstructionen, die
                              Bodenbeschaffenheit des betreffenden Terrains, sowie die Art und Weise der Ausleitung des
                              Blitzableiters in den Boden u.s.w. kennen muß, wenn man eine richtige Beurtheilung
                              des ganzen Herganges vornehmen will, während der Verf. keinen einzigen der hiebei zu
                              berücksichtigenden und maaßgebenden Umstände in Erwähnung bringt, so können wir vor
                              allem gar nicht zugeben, daß Hr. Perrot die Gründe für
                              das Eintreten jenes Blitzschlages bis jetzt richtig ermittelt hat. Die von ihm
                              ausgeführten Experimente können also auch mit dem fraglichen Ereignisse in gar keine
                              Verbindung gebracht werden, und wir müssen daher bei unseren nachstehenden
                              Betrachtungen, in so weit sich diese auf die vom Verfasser geäußerten Ansichten
                              beziehen, von dem gedachten Blitzschlag ganz und gar Umgang nehmen. Hingegen scheint
                              Sacré, dessen uns vorliegende Arbeit wir unten
                              erwähnen werden, sachgemäße Vermuthungen, und selbst diese nur mit Vorsicht
                              aufgestellt zu haben, als er den Blitzschlag gegen die Prinz Eugen Caserne bei
                              seinen Erläuterungen über die Anordnung der Blitzableiter in Erwähnung bringt.
                           Von den vier Experimentalreihen, welche Hr. Perrot anstellte, sind nur drei
                              hervorzuheben; von diesen bezieht sich die erste auf die Anzahl der Spitzen, mit
                              welchen man das obere Ende eines Blitzableiters versehen soll; die zweite auf die
                              Spitzenwirkung der einfachen Spitze; endlich soll die dritte die gefährliche
                              Einwirkung eines Blitzableiters gegen die umgebenden Objecte erläutern. Die erste
                              Versuchsreihe aber, durch welche der Verfasser nachzuweisen versuchte, was man von
                              der Wirkungssphäre eines Blitzableiters zu halten habe, können wir um so mehr
                              umgehen, als die bekannte Charles'sche Regel schon längst
                              nicht mehr anerkannt wirdPolytechn. Journal Bd. CLV S. 283 f., dann S. 286.; nur mag
                              bezüglich der vom Verfasser hiebei angewendeten Methode bemerkt werden, daß es nicht
                              zulässig ist, die Rolle einer Gewitterwolke durch einen an dem Conductor einer
                              Elektrisirmaschine aufgehängten Baumwollenballen zu ersetzen, und es kann daher die
                              hieraus gezogene Folgerung, vermöge welcher der Schutz eines Blitzableiters
                              gleichsam mit dem eines Regendaches gegen heftigen Regen verglichen werden könne
                              – eine Phrase, die an die bekannten Einwendungen erinnert, wie solche schon
                              im vorigen Jahrhundert gegen Franklin's Ansichten gemacht
                              wurden –, auf die Wirksamkeit der Blitzableiter keine Anwendung finden.
                           Was nun zunächst seine zweite Versuchsreihe betrifft, so stellt Hr. Perrot derselben einen Satz voran, den zu widerlegen
                              seine Absicht ist; dieser Satz heißt beiläufig: „Man nimmt gewöhnlich an,
                                 daß eine einzige an einem elektrisirten Körper angebrachte Spitze die Entladung
                                 weit schneller vornimmt als deren mehrere etc.“ Zu dem Ende bringt der Verfasser
                              vor die elektrisirte Scheibe (disque
                                 électrisé) eine Spitze, sowie eine Reihe von solchen, ferner
                              eine einen Blitzableiter repräsentirende Vorrichtung an, die bald mit einer Spitze,
                              bald aber mit einer kronenförmig angeordneten Spitzenreihe versehen ist, und findet,
                              daß von letzterer die Scheibe unter allen von ihm beobachteten Umständen rascher
                              entladen wird als durch eine einzige Spitze. Ob jene Scheibe die der
                              Elektrisirmaschine selbst, oder eine isolirte mit dem Conductor in Verbindung
                              gebrachte Metallscheibe war, sagt zwar der Verfasser nicht; aber wir müssen doch
                              wohl letzteres voraussetzen, da sonst anzunehmen wäre, daß der Verfasser von dem
                              Verhalten eines sogenannten Isolators im elektrischen Zustande sich nicht die
                              gehörige Vorstellung machen könne. Nehmen wir daher an, die elektrisirte Scheibe sey
                              aus Metall gewesen und durch den Conductor der Maschine in den elektrischen Zustand
                              versetzt worden, was auch aus den weiteren Versuchen des Hrn. Perrot hervorzugehen scheint, bei welchen er die Function einer
                              Gewitterwolke durch jene Scheibe ersetzt, so sind wir gezwungen, aus den
                              vorliegenden Versuchen zu schließen, daß der Verfasser die Vertheilungsweise der
                              Elektricität an einer Scheibe von der an einem kugelförmigen Leiter etc. nicht zu
                              unterscheiden weiß, und daß derselbe ferner die Art und Weise der Einwirkung eines
                              elektrisirten Körpers auf einen in seiner Nähe befindlichen – isolirten oder
                              nicht isolirten – Leiter sich nicht klar zu machen im Stande ist. Will der
                              Verfasser die Spitzenwirkung an elektrischen Körpern studiren, so muß er den
                              metallischen Leiter selbst zuvörderst mit einer Spitze oder deren mehreren versehen,
                              um sich überzeugen zu können, ob dabei der Körper eine Ladung annimmt etc.; will
                              derselbe aber den Einfluß kennen lernen, den ein in die Nähe des isolirten Leiters
                              gebrachter indifferenter Leiter auf seine Entladungszeit hat, so muß er wohl noch
                              auf andere Umstände Rücksicht nehmen, als dieß bei seinen Versuchen geschehen ist.
                              Wie aber Hr. Perrot dazu kömmt, seine Versuchsresultate
                              dazu anzuwenden, um darzuthun, daß das obere Ende eines Blitzableiters in eine
                              Spitzenkrone ausgehen müsse, um die Gewitterwolke rasch und vollständig zu entladen,
                              ist jetzt leicht zu erklären, da derselbe dem Blitzableiter eine Function beilegt,
                              auf die man die Wirksamkeit der Blitzableiter bei ihrer Anordnung nicht zu gründen
                              vermag.
                           Wenn gleichwohl durch vielfache Erfahrungen, die bei einer anderen Gelegenheit
                              zusammengestellt worden sind, nachgewiesen werden kann, daß durch eine Reihe von
                              vielen Blitzableitern die Ladung der Gewitterwolken vermindert werden und unter
                              günstigen Umständen sogar neutralisirt werden kann, so schreibt man dennoch einem
                              Blitzableiter sowie einem an einem Gebäude angebrachten Systeme derselben eine derartige Wirksamkeit nicht
                              zu, sondern man will durch einen Blitzableiter nur die gegen das Gebäude von Seite
                              der Gewitterwolke ausgeübte Influenzwirkung unschädlich machen.
                           9 Jede Gewitterwolke kann nämlich, auch wenn sie sich in weit größerer Entfernung als
                              die Schlagweite beträgt von der Erde befindet, gegen die an der Erde befindlichen
                              Objecte Fernwirkungen ausüben, die denen ähnlich sind, mit welchen ein elektrisirter
                              Körper gegen andere nicht mit ihm in Verbindung stehende Leiter einzuwirken sucht.
                              Diese Influenzerscheinung ist als eine gegenseitige Einwirkung der elektrischen
                              Gewitterwolke und der an der betreffenden Erdstrecke befindlichen
                              Elektricitätsleiter anzusehen; den hierüber bekannten Thatsachen gemäß kömmt
                              dieselbe nur dann merklich zum Vorschein, wenn der betreffende Theil der Erdstrecke,
                              der noch von der Gewitterwolke influencirt werden kann, auf ausgedehnten
                              Wasserstrecken ruht, hingegen kommen Blitzschläge in solchen Gegenden, wo das
                              unterirdische Wasser sehr tief unter der Oberfläche liegt, entweder gar nicht, oder
                              wenigstens nur dann vor, wenn durch heftige Regengüsse eine leitende Verbindung mit
                              dem Grundwasser schon hergestellt worden ist. Der Weg also, den ein Blitzschlag
                              gewöhnlich nimmt, ist in der Regel schon durch die Terrainbeschaffenheit sowie durch
                              die Leitungsstrecke zwischen dem unterirdischen Wasser und dem hervorragendsten
                              Theil des oberirdischen Objects vorgeschrieben. Soll daher der Blitzableiter von
                              Nutzen seyn, so muß derselbeS. polytechn.
                                    Journal Bd. CLV S. 274 f. vor allem mit seinem unteren Ende bis
                              zu jenen unterirdischen Wassercanälen reichen, er muß mit allen metallischen und
                              leitenden Objecten, zu deren Schutz er bestimmt ist, in solcher Verbindung stehen,
                              daß das ganze System einen continuirlichen Leiter bildet. Damit der Blitzableiter
                              auch während einer noch so kurzen Zeit keine Ladung behalten kann, muß sein oberes
                              Ende in eine einfache geeignet angeordnete Spitze ausgehen. Daß ein nicht isolirter
                              Blitzableiter, der ein vollkommen metallisches und continuirliches System von
                              Leitern bildet, und die ausreichende Leitungsfähigkeit besitzt, keine Ladung
                              annehmen kann, wenn derselbe bloß mit einer einfachen vollkommenen Spitze versehen
                              ist, geht aus bekannten Thatsachen hervor, während durch diese nachgewiesen wird,
                              daß die Spitzenwirkung eines Blitzableiters durch das Anbringen mehrfacher Spitzen
                              beeinträchtigt wird. – So viel mag einstweilen der Ansicht entgegen gehalten
                              werden, welche Hr. Perrot bei der Benutzung der Resultate
                              seiner zweiten Versuchsreihe aufgestellt hat. Hr. P. hätte also seinen Versuch nicht in der Art
                              anstellen sollen, daß er zu ergründen suchte, ob seine improvisirte Wolke durch
                              mehrere Spitzen rascher entladen werde als durch eine derselben genäherte Spitze,
                              sondern er hätte im Gegentheile zeigen müssen, ob die von ihm benutzte dem
                              Blitzableiter ähnliche Vorrichtung selbst durch eine an ihrem oberen Ende
                              befindliche Spitzenreihe schneller entladen werden kann, als durch eine einfache
                              Spitze, wenn er einen passenden und dem in Rede stehenden Zwecke entsprechenden
                              Versuch hätte anstellen wollen.
                           Durch seine dritte Versuchsreihe will der Verfasser einen Satz widerlegen, den
                              Niemand vor ihm bis jetzt noch aufgestellt hat. Hr. Perrot glaubt nämlich, daß man bis jetzt angenommen habe, die
                              Spitzenwirkung sey von den Dimensionen des Kegels, der die Spitze bildet, ganz
                              unabhängig, und weist nun mittelst der bereits erwähnten Methode nach, daß ein
                              stumpfer Kegel (cône obtus) keine Spitzenwirkung
                              ausübe; ferner behauptet Hr. P., daß bei Kegeln von gleicher Basis die
                              Spitzenwirkung weit mehr als im quadratischen Verhältnisse der Höhe des Kegels
                              zunehmen soll. Wie weit dieses von dem Verfasser vermuthete Gesetz richtig ist,
                              haben wir nicht zu entscheiden, aber es mag genügen, wenn wir bemerken, daß man
                              einen vollkommen spitzen Kegel – gleichviel mit welcher Basis – in der
                              Wirklichkeit gar nicht herstellen kann, und daß, wie thatsächlich nachgewiesen
                              worden ist, bei Kegeln von gleicher Basis die Spitzenwirkung mit der Höhe des
                              letzteren zwar wächst, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze, daß aber selbst
                              innerhalb dieser Grenze ein bestimmtes Gesetz für die Spitzenwirkung sich bis jetzt
                              noch nicht herausgestellt hat.
                           Auf die Construction des oberen Endes der Blitzableiter hat jedoch dieser Umstand
                              weniger Einfluß als der, daß bei einer etwa wirklich eintretenden Entladung zwischen
                              Wolke und Blitzableiter die Leitungsfähigkeit der obersten Strecke der Auffangstange
                              zwischen der indifferenten Schichte und der Spitze noch so groß seyn muß, daß an
                              dieser eine Wärmewirkung unter keinerlei Umständen eintreten kann. Welchen
                              Anforderungen aus diesem Grunde die Spitze des Blitzableiters genügen muß, ist bei
                              anderen Gelegenheiten schon umfassend erörtert worden.
                           Endlich die vierte von dem Verfasser vorgenommene Versuchsreihe, über welche er in
                              den Comptes rendus seine Untersuchungen niederlegte, hat
                              den Zweck nachzuweisen, „daß ein Blitzableiter für die Umgebung gefährlich
                                 werden könne, wenn in dieser sich ausgedehnte Metallconstructionen befinden, und
                                 daß ein mit dem Blitzableiter in Verbindung stehendes Metalldach eines Gebäudes
                                 die am Boden des letzteren befindlichen Metallobjecte nicht gegen das Einschlagen der Blitze
                                 schützen könne, selbst wenn auch der Blitzableiter von untadelhafter
                                 Construction sey.“
                              
                           Die von Hrn. Perrot zur Begründung dieser Behauptung
                              angestellten Versuche sind jedoch nicht geeignet, irgend welchen Nachweis zu
                              liefern, der mit der Construction eines Blitzableiters für ein Gebäude in irgend
                              welchem Zusammenhange steht. Er benutzt bei seinen Experimenten eine gewölbte
                              Scheibe, die mit dem Conductor der Elektrisirmaschine in Verbindung gebracht wird,
                              bringt unterhalb dieser Scheibe, welche die Gewitterwolke darstellen soll, eine
                              Metallröhre an, die auf der Erde aufsteht, und nennt diese Röhre den zu jener Wolke
                              gehörigen Blitzableiter. Versetzt man nun die Elektrisirmaschine in Thätigkeit, und
                              bringt mit der Röhre eine parallel zur oberen Scheibe gehaltene Metallplatte o. dgl.
                              in Verbindung, so erhält man starke Commotionen beim Berühren dieser Scheibe. Aus
                              diesen und einigen anderen derartigen Versuchen, die der Verfasser unter Benutzung
                              mehrerer parallelen Platten u. dgl. in derselben Weise anstellte, schließt Hr. P.,
                              daß ein Blitzableiter von dem Gebäude, zu dessen Schutz derselbe dienen soll,
                              isolirt werden müsse. Da Hr. Perrot schon bei den
                              erstgenannten Versuchen dargethan hat, daß er sich die von ihm beobachteten
                              Erscheinungen nicht zu erklären weiß, so können wir nunmehr seinen Anschauungsweisen
                              keine Beachtung mehr schenken, da er gerade Thatsachen aufführt, die man erwarten
                              mußte, während der Verfasser gerade solche Vorgänge hätte beibringen müssen, die mit
                              den von ihm beobachteten nicht im Einklang stehen, wenn er etwas Neues hätte
                              beibringen wollen.
                           Ein Blitzableiter kann allerdings in denselben Fällen, in welchen derselbe zum
                              Schutze eines Bauwerkes dienen soll, auch gefährlich für dieses werden, jedoch nur
                              dann, wenn seine Construction tadelhaft ist, und nicht wie Hr. Perrot meint, wenn seine Anordnungen tadelfrei sind; als tadelfrei kann
                              aber ein Blitzableiter oder ein Blitzableitersystem nur dann betrachtet werden, wenn
                              seine Anordnung allen bekannten AnforderungenS. a. a. O. Genüge leistet. Bekanntlich hängt die Größe der von
                              den influencirten Objecten aufgenommenen und abzuführenden Ladung von der Ausdehnung
                              der Gewitterwolke, von der Elektricitätsmenge der letzteren, von der Form und den
                              Dimensionen der influencirten Leiter, sowie von der gegenseitigen Lage und
                              Entfernung der Wolke und des irdischen Leiters ab. Obgleich wir nun über alle diese
                              Elemente nur unsichere Angaben zu liefern im Stande sind, und überhaupt eine mathematische Theorie der
                              Blitzableiter sich hierauf nicht gründen läßt, so kann man dennoch ein
                              Blitzableitersystem so anordnen, daß dasselbe in jedem vorkommenden Falle die
                              Entladung in sicherer Weise bewerkstelligt, wenn man nicht bloß auf die herrschenden
                              Umstände bei der Anlegung von Blitzableitern gehörig Rücksicht nimmt, sondern auch
                              von den bekannten Erfahrungen den gehörigen Gebrauch macht. In einem Falle, wie ihn
                              der fragliche darbietet, hat man unter sonst gleichen Umständen insbesondere die
                              Zahl der Ableitungen, mit welchen das Gebäude zu versehen ist, sowie ihre sichere
                              metallische Verbindungsweise unter sich, ferner die Dicke der Leitungen oberhalb und
                              in der Erde, die Anordnung der Bodenleitung etc. gehörig in Rücksicht zu ziehen, die
                              Verbindungsweise der an dem Gebäude befindlichen Metalltheile mit dem Blitzableiter
                              zweckmäßig anzuordnen u.s.w., wenn der Blitzableiter die zur Entladung kommenden
                              Elektricitätsmengen sicher zur Ausgleichung bringen soll. Auf das Detail dieser
                              Anordnungen hier einzugehen, kann um so weniger die Absicht des Referenten seyn, als
                              derselbe bei anderen Gelegenheiten umfassende Erörterungen hierüber vorgenommen
                              hat.Allgemeine
                                    Encyklopädie der Physik, Bd. XX, Abschn. I, Cap. III und IV. (Ein Auszug,
                                    der über die Anordnung der Blitzableiter an Gebäuden die allgemeinen Umrisse
                                    enthält, ist in diesem Journal, Bd. CLV S. 273 f. gegeben worden.) Bei diesen Erörterungen wurde unter Anderm auch gezeigt, in wie ferne durch
                              einen Blitzableiter bei einem etwa eintretenden Blitzschlage auch seitliche (nämlich
                              Influenz-, sowie Inductions-) Wirkungen eintreten können, und es mag
                              daher die Bemerkung genügen, daß die Erscheinung, die man mit dem sog. Abspringen
                              des Blitzes vom Blitzableiter aus gegen andere Objecte der Umgebung bezeichnet,
                              nicht vorkommen kann, wenn der Blitzableiter tadellos construirt worden ist, und
                              allenfallsige Gebrechen desselben stets sorgfältig beseitigt werden. Wenn daher an
                              dem Blitzableiter der Prinz Eugen Caserne ein Abspringen des Blitzes gegen die
                              GasleitungEin derartiger Fall,
                                    wie er vor nicht langer Zeit in München sich ereignete, ist in der
                                    „Zeitschr. des deutsch.-österr.
                                       Telegraphen-Vereins von W. Brix,“ Bd. IX S. 13, von mit beschrieben worden. Nach
                                    den gewöhnlichen Anschauungsweisen hätte man zur Erklärung desselben
                                    angenommen, daß die bezüglich der Wirkungssphäre immer noch herrschende
                                    Regel hier eine Ausnahme zeigte. In der Wirklichkeit war aber die Sache
                                    anders; es war nämlich unter Anderm die Bodenleitung des betreffenden
                                    Blitzableiters mangelhaft, und wird vielleicht später ihre Mängel wieder
                                    erkennen zu geben einmal eine passende Gelegenheit finden.
                              stattgefunden hat, so geht daraus nur hervor, daß derselbe entweder nicht richtig
                              construirt oder mangelhaft geworden war, und daß namentlich die Bodenleitung nicht
                              die geeignete Anordnung hatte. Diese Vermuthung dürfte vielleicht durch die von Sacré gegebene Beschreibung seiner
                              Blitzableiter-Einrichtungen [Comptes rendus, t.
                              LV p. 444], die durch das vorgekommene Ereigniß hervorgerufen worden
                              zu seyn scheint, auch gerechtfertigt seyn. Vermöge dieser Beschreibung weicht man
                              nämlich in Frankreich nicht unwesentlich von den Anhaltspunkten ab, wie dieselben
                              von Seite der akademischen Commission zu Paris im Jahre 1854 gegeben wurden. In
                              jener Beschreibung, die im Allgemeinen bekannte Anordnungen für die Blitzableiter
                              angibt, finden wir keinen einzigen Punkt, in welchem zu erkennen gegeben wäre, auf
                              welche Umstände bei der Bestimmung der Dicke der cylindrischen Leitung, bei der
                              Ermittelung der Anzahl der Ableitungen etc. man besonders Rücksicht zu nehmen hat.
                              Was aber am meisten auffällt, das ist die Einrichtung, wie man sie für die
                              Bodenleitung der Blitzableiter wählt. Wenn nämlich keine natürlichen Gewässer in der
                              Nähe der Gebäude angetroffen werden, so wird der untere Theil der Leitung durch eine
                              gußeiserne Röhre geführt, und sein Ende mit einer Kupferplatte von 1 bis 2
                              Quadratmeter Oberfläche (und noch mehr) versehen, um eine möglichst große
                              Berührungsfläche mit der Erde zu erhalten. Ueber die Länge der gußeisernen Röhre ist
                              nichts erwähnt; dieselbe wird mit gut ausgeglühten Kohlen gefüllt und dann
                              verschlossen. Daß diese Anordnung nur dann ausreichen würde um die Leitung zu
                              conserviren, wenn dabei die Kohle in einem luft- und wasserfreien Raume für
                              immer bleiben würde, wurde schon bei früheren Gelegenheiten erörtert.Polytechn. Journal Bd. CLV S. 281. Da aber diesen Bedingungen niemals genügt werden kann, so wird diese
                              Anordnung selbst durch mannichfache chemische und elektrolytische Einwirkungen mit
                              der Zeit die Quelle für die Zerstörung des unterirdischen Theiles der Leitung. Durch
                              diese Einrichtung der Bodenleitung ist also der Wirksamkeit der Blitzableiter nicht
                              Rechnung getragen, indem man dabei von den oben angegebenen Principien keinen
                              Gebrauch macht. Daß man den unterirdischen Theil des Blitzableiters, wenn man die
                              Anlagekosten nicht scheuen will, so einrichten kann, daß derselbe einige Jahrzehnte
                              seine vollkommene Brauchbarkeit behalten kann, bedarf keiner weiteren
                              Auseinandersetzung, und da man außerdem ausreichende Mittel besitzt, um die
                              Leitungsfähigkeit etc. eines Blitzableiters seiner ganzen Ausdehnung nach zu prüfen
                              und von Zeit zu Zeit untersuchen zu können, so kann man die Schwierigkeiten, welche
                              die Einrichtung der Bodenleitung darbietet, als überwunden ansehen.
                           Zum Schlusse mag endlich erwähnt werden, daß die vorstehenden Bemerkungen
                              insbesondere durch den Umstand veranlaßt worden sind, daß die in Rede stehenden
                              Abhandlungen in Zeitschriften veröffentlicht sich befinden, welche für Fragen der vorliegenden Art in
                              der Regel nur maaßgebende und entscheidende Ansichten beibringen. Die vorliegenden
                              Erscheinungen dürften also wohl nur als Ausnahmen von den gewöhnlichen Regeln
                              anzusehen seyn, denn es dürfte wohl kaum anzunehmen seyn, daß ein Rath, vermöge
                              welchem man „die Leitung eines Blitzableiters in einen Blumentopf
                                 einsetzen, denselben vom Gebäude isoliren, und sodann sein oberes Ende mit einer
                                 Spitzenkrone versehen soll,“ in ernster Weise aufgenommen werden
                              könne.