| Titel: | Ueber die Zustände, in denen das Silber bei der Reduction seiner Salze auf nassem Wege auftritt; von H. Vogel. | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XXVIII., S. 123 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber die Zustände, in denen das Silber bei der
                           Reduction seiner Salze auf nassem Wege auftritt; von H. Vogel.
                        Aus den Monatsberichten der Berliner Akademie, Mai 1862, S. 289.
                        Vogel, über die Zustände, in denen das Silber bei der Reduction
                           seiner Salze auf nassem Wege auftritt.
                        
                     
                        
                           Bei der Reduction von Silbersalzen auf nassem Wege treten die ausgeschiedenen
                              Silbermassen unter verschiedenen Umständen mit verschiedenen Eigenschaften auf, die
                              man in speciellen Fällen schon seit längerer Zeit beobachtet hat. Jedermann kennt
                              das durch Einwirkung von Eisenvitriol auf Silbersalzlösungen gewonnene Silberpulver,
                              oder die durch Reduction von feuchtem Chlorsilber mittelst Zink gewonnene graue
                              schwammige Masse, oder den durch verschiedene Reductionsmittel erzeugten
                              Silberspiegel. Noch Niemand hat aber bisher die Aehnlichkeit und Unterschiede
                              zwischen diesen so verschieden erscheinenden Silbermassen und die Ursachen ihrer
                              Bildung zu erforschen gesucht. Verschiedene photographische und
                              Spiegelversilberungs-Versuche lehrten den Verf., wie wichtig es sey, diese
                              Lücke in unseren Kenntnissen auszufüllen, und veranlaßten ihn zu einer Reihe
                              zahlreicher Versuche, deren Ergebnisse in Folgendem mitgetheilt sind.
                           Zu diesen Versuchen wandte Vogel theils Silbersalze in
                              fester Form, theils verdünnte Lösungen an, die 1 Procent Silbersalz enthielten. Von
                              schwefelsaurem und essigsaurem Silberoxyd nahm er kalt gesättigte Lösungen.
                           I. Einwirkung der Metalle und des galvanischen Stroms auf
                                 Silbersalzlösungen. – Taucht man einen Zinkstab in eine Lösung von
                              salpetersaurem, schwefelsaurem oder essigsaurem Silberoxyd, so bedeckt sich derselbe
                              sogleich mit einem schwarzen Barte, der beim Weiterwachsen grau und endlich
                              silberweiß wird. Die so erzeugten schwarzen und grauen Niederschläge hat schon Poggendorff (siehe dessen Annalen Bd. LXXV S. 337)
                              untersucht und, entgegen der Ansicht von Priestley, der
                              sie für Silberhydrür hielt, nachgewiesen, daß sie metallisches Silber seyen.
                              Aehnliche Niederschläge liefern auch Eisen (das jedoch, um es seiner Passivität zu
                              berauben, vorher in verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure getaucht werden muß),
                              Blei, Kupfer und der galvanische Strom. Den letzteren benutzte Poggendorff vorzugsweise zur Herstellung der schwarzen und grauen
                              Silberniederschläge und entdeckte auch hierbei ihr Verhalten gegen Säuren. Dem Verf.
                              war es interessant, die Form dieser Niederschläge, die bisher noch unbekannt war, zu
                              erforschen. Zu diesem Zwecke prüfte er dieselben bei 360facher Vergrößerung unter dem Mikroskope. Der
                              schwarze Niederschlag erschien als ein Haufwerk feiner Nadeln, die sich bei
                              genauerer Betrachtung als federförmige Gestalten, wie sie das natürliche Silber
                              öfter zeigt, ergaben. Das graue Silber zeigte dieselben Formen, nur größer und
                              deßhalb viel deutlicher und schöner ausgebildet. Man konnte hier oft den
                              sechsstrahligen Stern bemerken, welchen das regelmäßig baumförmige Silber und Kupfer
                              gewöhnlich zeigen, und beobachten, daß derselbe aus lauter parallel an einander
                              gereihten Octaedern und Kombinationen von Octaedern und Dodekaedern bestand.
                           Die schwarzen Silbermassen wurden durch Drücken mit einem Glasstabe glänzend
                              silberweiß und änderten theils freiwillig, theils durch verdünnte Schwefelsäure,
                              Salpetersäure, Salzsäure und Essigsäure ihre Farbe schnell in Grau um. Diese
                              Farbenänderung ist, wie man beim Experimentiren unter dem Mikroskope bemerken kann,
                              durchaus mit keiner Formänderung verbunden. Die einmal grau gewordenen Massen werden
                              durch kein Mittel wieder schwarz.
                           II. Einwirkung der Metalle und des galvanischen Stroms auf
                                 festes Chlor-, Brom- und
                                 Jodsilber. – Feuchtes Chlor-, Brom- und Jodsilber auf ein
                              Stück amalgamirtes Zink gelegt oder zwischen die Pole einer galvanischen Batterie
                              gebracht, wird sehr bald reducirt. Bei Anwendung kleiner Mengen bemerkt man, daß die
                              Reduction von Außen nach Innen fortschreitet und daß nach Vollendung derselben die
                              Oberfläche des Stückes immer eine dunklere Farbe besitzt, als das Innere. Erstere
                              ist schwarzgrau beim Chlorsilber, tiefsammetschwarz beim Brom- und Jodsilber,
                              während das letztere bei allen dreien hellgrau ist. Diese dunkle Oberflächenfarbe
                              ändert sich nicht mit Säuren. Reducirt man größere Massen der genannten Salze in der
                              Thonzelle einer galvanischen Combination, so zeigt sich Anfangs um den in das
                              Silbersalz tauchenden negativen Pol ein dunkler Saum, der allmählich gegen den Rand
                              der Zelle fortschreitet und endlich verschwindet, so daß man bei Anwendung von
                              Chlorsilber und Bromsilber gleichförmig grau gefärbte, schwammige Massen vor sich
                              hat. Die aus Jodsilber erhaltene graue Masse zeigt jedoch eine dunklere
                              Oberflächenfarbe, die sie nach dem Trocknen behält, während die aus Brom- und
                              Chlorsilber gewonnenen Silbermassen getrocknet gleichförmig hellgrau gefärbte,
                              matte, poröse, lockere Stücke bilden. Unter dem Mikroskope bieten diese Arten von
                              Silber ein Ansehen dar, das sich von dem aus Silberlösungen gewonnenen, regelmäßig
                              baumförmigen Silber wesentlich unterscheidet. Man sieht keine Nadeln und durchaus
                              keine federförmigen Gestalten, sondern lauter einzelne Körner von verschiedener Größe, die theils
                              einzeln liegen, theils regellos zu Flocken zusammengehäuft sind. Das Ganze hat oft
                              in hohem Grade das Ansehen einer amorphen Masse. Manche der größeren Körner zeigen
                              jedoch unvollkommene vier- und sechsseitige Umrisse; dieß und manche
                              Analogien mit dem mittelst Eisenvitriol aus Silberlösungen gefällten deutlicher
                              krystallinischen Silber veranlassen den Verf., es nicht für amorph zu erklären. Er
                              nennt die so erhaltenen Silbermassen, zum Unterschiede von dem deutlich
                              krystallisirten regelmäßig baumförmigen Silber, körnig pulveriges Silber.
                           Alle diese Silbermassen enthalten noch eine geringe Menge des zur Darstellung
                              verwendeten Silbersalzes, das weder durch Ammoniak noch durch unterschwefligsaures
                              Natron vollständig ausgezogen werden kann. Diese Verunreinigung macht eine genaue
                              spec. Gewichtsbestimmung unmöglich. Durch Drücken mit einem Glasstabe werden sie
                              glänzend silberweiß, durch Glühen sintern sie zusammen und werden mattweiß. Sie
                              lösen sich schon in der Kälte leicht in Salpetersäure.
                           Um nun zu erforschen, wie sich gelöstes Chlorsilber gegen Metalle verhält, prüfte der
                              Verf.
                           III. Die Wirkung von Zink auf eine Lösung von Chlorsilber in
                                 Ammoniak. – Beim Eintauchen von Zink in eine solche mit Chlorsilber
                              gesättigte Lösung bildet sich ein schwarzer Bart, der aber an einzelnen Stellen sehr
                              schnell grau wird und überhaupt seine schwarze Farbe viel weniger lange behält, als
                              das bei Reduction von Silberoxydsalzen entstehende schwarze Silber. Die so erhaltene
                              Masse erschien unter dem Mikroskope theils als feine Nadeln und federförmige
                              Gestalten, theils als ein regelloses Haufwerk einzelner Körner ohne deutliche
                              Krystallform. Demnach erhält man hier beide oben beschriebene Arten von Silber, das
                              regelmäßig baumförmige und das körnig pulverige. Die so erhaltenen Silbermassen
                              lösen sich in Salpetersäure unter Zurücklassung von etwas stark violett gefärbtem,
                              silberchlorürhaltigem Chlorsilber, das sich mit Ammoniak unter Abscheidung von
                              körnig pulverigem Silber zersetzt. – Bei den bisher beschriebenen Versuchen
                              blieb die Reduction auf eine Stelle, nämlich auf den Ort des eingetauchten Metalls
                              beschränkt; jetzt folgt die Beschreibung der Versuche, bei denen die Reduction durch
                              die ganze Masse des festen oder gelösten Silbersalzes vor sich geht.
                           IV. Wirkungen von Eisenvitriollösung auf
                                 Silberoxydsalzlösungen. – Mischt man Silberoxydsalzlösungen (AgO,
                              NO⁵; AgO, SO³; AgO, Ā) mit Eisenvitriollösungen, so erscheint
                              je nach der Concentration bald früher bald später ein grauer Niederschlag, der zum
                              Theil glänzend ist und sich als eine graue Masse an einzelne Stellen des Glases legt. Gewaschen und
                              getrocknet bildet er ein sehr hellgraues, theilweise glänzendes Pulver, das unter
                              dem Mikroskop als eine regellose Zusammenhäufung lauter einzelner Körner erscheint,
                              die sich von dem oben beschriebenen, körnig pulverigen Silber nur durch ihre Größe
                              und zum Theil durch ihre deutlichere Krystallgestalt unterscheiden. Man erkennt hie
                              und da regelmäßige Sechsecke, zum Theil mit abgestumpften Kanten, und Dreiecke,
                              offenbar Theile von regulären Octaedern und Combinationen derselben mit Dodekaedern.
                              Dieselben hat schon G. Rose (Poggendorff's Annalen Bd.
                              LXXV S. 340) beobachtet. – Der Verf. wird von diesem Niederschlage, der einen
                              wesentlichen Bestandtheil unserer Glasphotographien bildet, bei Beschreibung seiner
                              photographischen Versuche noch ausführlicher berichten.
                           V. Silbersalze und organische Körper. – Zahlreiche
                              organische Substanzen veranlassen unter verschiedenen Umständen eine Reduction der
                              Silbersalze, bei der das Silber entweder als körnig pulverige Masse, oder als ein
                              glänzender Spiegel, oder in beiden Formen zugleich auftritt. Unter den zahllosen
                              organischen Substanzen hat der Verf. bei den folgenden Untersuchungen einzelne
                              leicht zu erlangende und namentlich technisch wichtige herausgegriffen und ihre
                              Wirkung auf Silbersalze untersucht.
                           Kocht man eine Lösung von essigsaurem Silberoxyd, so wird das Silber zum Theil
                              reducirt. Ein Theil legt sich als Spiegelsilber an die Wände des Gefäßes, ein
                              anderer scheidet sich als dunkelgraues körnig pulveriges Silber ab. – Eine
                              Lösung von Pyrogallussäure, mit einigen Tropfen salpetersaurer Silberoxydlösung
                              versetzt, färbt sich nach kurzer Zeit tief braun und läßt einen grauschwarzen
                              Niederschlag fallen, der nach dem Auswaschen durch Drücken mit einem Glasstabe
                              glänzend silberweiß wird, sich in Salpetersäure unter Ausscheidung einer gelblichen,
                              in Ammoniak löslichen, organischen Masse löst und sich unter dem Mikroskope als sehr
                              feinkörniges pulveriges Silber ergibt. An Ammoniak gibt dasselbe eine gelbfärbende
                              organische Substanz ab; durch Glühen wird es weiß. Die dunkle Farbe desselben wird
                              durch die beigemengte organische Substanz, die sich bei der Zersetzung gebildet hat,
                              verursacht. Bei diesem Processe bildet sich also nur körnig pulveriges Silber.
                              Dasselbe bildet einen Hauptbestandtheil der photographischen Negativbilder.
                           Eine Lösung von 1 Th. Milchzucker in 10 Th. Wasser färbt sich beim Kochen mit einigen
                              Tropfen Silberoxydsalzlösung allmählich braun und scheidet dabei neben einer
                              flockigen organischen Substanz eine sehr geringe Menge von körnig pulverigem Silber
                              ab. Energischer ist die Wirkung des Milchzuckers auf eine ammoniakalische Lösung der
                              Silberoxydsalze. Eine 1
                              Proc. Silbersalz enthaltende Lösung, mit einem eben zur Wiederlösung des Anfangs
                              entstandenen Niederschlags hinreichenden möglichst geringen Ammoniaküberschusse
                              versetzt, färbt sich beim Erwärmen mit 1/5 his 1/7 ihres Volumens einer
                              10procentigen Milchzuckerlösung bald gelb, braun und endlich beim Kochen schwarz,
                              setzt einen dünnen, oft stockigen Spiegel ab und läßt allmählich einen schwarzgrauen
                              Niederschlag von körnig pulverigem Silber, das durch einen geringen Gehalt an
                              organischen Substanzen mehr oder weniger dunkel gefärbt ist, fallen. Dieses so
                              erhaltene schwarzgraue Silber wird durch Salzsäure etwas Heller, bekommt dadurch
                              öfter einen Stich ins Violette, was einen geringen Gehalt von Silberoxydul vermuthen
                              läßt, und erscheint unter dem Mikroskope höchst feinkörnig. In allen übrigen
                              Eigenschaften verhält es sich dem oben beschriebenen körnig pulverigen Silber
                              analog. – Eine mit überschüssigem Ammoniak versetzte Silberoxydsalzlösung
                              reducirt sich mit Milchzucker viel schwieriger, färbt sich erst nahe beim Kochen
                              gelb und liefert entweder keinen oder doch nur einen äußerst schwachen Spiegel und
                              sehr dunkel gefärbtes körnig pulveriges Silber.
                           Noch energischer ist die reducirende Wirkung des Milchzuckers bei Gegenwart von
                              Aetzkali oder Aetznatron. Hierauf gründet sich die von Liebig (polytechn. Journal Bd. CXL S. 199) vorgeschlagene
                              Spiegelversilberungsmethode: 1 Grm. salpetersaures Silberoxyd wird in 20 Grm. Wasser
                              gelöst, mit Ammoniak bis zur Wiederlösung des ursprünglich entstandenen
                              Niederschlags versetzt, 45 Kub. Centim. Kalilauge von 1,05 spec. Gew. oder eine
                              äquivalente Menge Natronlauge hinzugefügt, der dadurch etwa entstandene Niederschlag
                              wieder mit möglichst wenig Ammoniak gelöst, das Ganze bis auf 145 Kub. Centim.
                              verdünnt und das überschüssige Ammoniak durch Zusatz von salpetersaurem Silberoxyd
                              bis zur Entstehung eines bleibenden Niederschlags abgestumpft. Diese Flüssigkeit
                              färbt sich nach dem Versetzen mit 1/8 bis 1/10 einer 10procentigen Milchzuckerlösung
                              schon in der Kälte schnell gelb, braun, endlich schwarz und setzt (falls die
                              Glaswände rein sind) einen schönen festhaftenden Silberspiegel, daneben aber auch
                              eine beträchtliche Menge hellgrau gefärbten körnig pulverigen Silbers ab. Nach Liebig beträgt die Menge des sich als Spiegel
                              abscheidenden Silbers circa 1/16 des ursprünglich in
                              Arbeit genommenen. Die Reduction ist hierbei eine vollständige (ohne Anwendung von
                              Kali oder Natron bleibt immer etwas Silbersalz unreducirt). Erwärmt man die
                              Flüssigkeit, so wird die Reduction außerordentlich beschleunigt; bei
                              50–55° C. ist sie in einigen Minuten beendet.
                           Bei diesem Processe scheidet sich das Silber ebenfalls in zweierlei Zuständen ab,
                              theils als körnig pulveriges, theils als Spiegelsilber. Das körnig pulverige Silber enthält
                              immer eine geringe Menge (0,6-0,8 Procent) organischer Substanz, die sich
                              durch kein Lösungsmittel beseitigen läßt. Der Silberspiegel bildet eine vollkommen
                              homogene, bei großer Dicke undurchsichtige, bei geringerer Dicke blau, bei noch
                              geringerer gelb durchsichtige Masse, an der durchaus keine Structurverhältnisse
                              wahrzunehmen sind. Zerreibt man ihn aber durch Drücken mit dem Daumen, so offenbaren
                              die zerrissenen Ränder unter dem Mikroskope einen zackigen Bruch, an dem man nicht
                              selten gerade, sich unter Winkeln von 90 oder 120° schneidende Linien
                              bemerkt. Dieses deutet auf eine krystallinische Structur des Spiegels hin, die
                              jedenfalls noch deutlicher hervortreten würde, wenn nicht die Geschmeidigkeit des
                              Metalls bei der Verletzung Verzerrungen zuließe. Bei einem freiwillig entstandenen
                              Risse beobachtete der Verfasser die krystallinische Structur noch deutlicher. Durch
                              Benetzen mit Salpetersäure wird der Spiegel locker, nimmt eine matte, graue Farbe
                              an, zerfällt und löst sich endlich auf. Bei sehr dünnem Spiegel beobachtet man diese
                              Erscheinung in auffallendem Grade auch bei der Einwirkung verdünnter Salzsäure oder
                              Schwefelsäure, ohne daß eine Lösung stattfindet. Dieses Verhalten erinnert an das
                              ähnliche des schwarzen, regelmäßig baumförmigen Silbers.
                           Die äußere Fläche des Silberspiegels hat meist ein matteres Ansehen als die
                              Glasseite, herrührend von einer geringen Menge daran haftenden, grauen, körnig
                              pulverigen Silbers. Auf der Glasseite des Spiegels zeigen sich zuweilen mehr oder
                              weniger dunkle Flecke, die den Spiegel verunreinigen. Diese Flecke sind zum Theil
                              durch organische Substanzen mehr oder weniger dunkel gefärbtes, körnig pulveriges
                              Silber. Das körnig pulverige Silber, welches nicht an reinen Glasflächen adhärirt,
                              hat nämlich die Eigenschaft, sich im Augenblicke seiner Ausscheidung an unreine oder
                              raue Stellen des Glases zu legen.
                           Auf Chlorsilber wirkt Milchzucker für sich allein nicht. Eine Mischung von
                              Milchzucker mit Kali- oder Natronlauge bewirkt aber beim Erwärmen mit festem
                              Chlorsilber eine schnelle Reduction unter Braunfärbung der Flüssigkeit. Das
                              Chlorsilber färbt sich dabei grau. Ein oberflächlich vollständig reducirt
                              erscheinendes Stück enthält im Inneren oft noch einen weißen Kern, der von der
                              äußeren Hülle von körnig pulverigem Silber durch einen violetten, mit Ammoniak unter
                              Ausscheidung von körnig pulverigem Silber grau werdenden Saum von Silberchlorür
                              getrennt ist; ein Zeichen, daß die Reduction hier eine unvollständige ist.
                           Ammoniakalische Lösungen von Chlorsilber reduciren sich unter sonst gleichen
                              Umständen viel schwieriger als Silberoxydlösungen und geben hierbei keinen oder doch nur
                              einen sehr schwachen Spiegel und viel dunkel gefärbtes körnig pulveriges Silber.
                           Des technischen Interesses wegen prüfte der Verf. noch die Wirkung der Weinsäure und
                              eines Aldehyds, des Rautenöls, auf ammoniakalische Silbersalzlösung. Erstere ist
                              bekanntlich von Petitjean, letzteres von Wagner zur Versilberung vorgeschlagen worden. Auch bei
                              der Wirkung dieser Körper scheidet sich das Silber theils als Spiegel, theils als
                              graue pulverige Masse aus. Durch überschüssiges Ammoniak wird auch hier die
                              Reduction erschwert und die Entstehung des Spiegels theilweise oder ganz
                              verhindert.
                           Ammoniakalische Lösungen von Chlorsilber werden unter sonst gleichen Umständen durch
                              diese Reductionsmittel viel schwieriger reducirt als Silberoxydlösungen, und geben
                              keinen oder einen sehr schwachen Spiegel und viel körnig pulveriges Silber.
                           Die mit Hülfe von ätherischen Oelen dargestellten Spiegel zeigen nicht selten braune
                              Flecken, die von einer harzartigen Substanz herrühren (Drayton, Wagner u.a.).
                           Aus diesen Untersuchungen geht hervor, daß sich das Silber bei der Reduction auf
                              nassem Wege theils als glänzender, weißer, zusammenhängender Spiegel, theils als ein
                              graues oder schwarzes Pulver abscheidet. Der Spiegel bildet eine glänzend
                              silberweiße, an reinen Glasflächen fest haftende, homogene Silberschicht, die durch
                              Einwirkung von Säuren zerfällt und grau wird.
                           Die pulverigen Massen sind matt, grau oder schwarz, und von ganz und gar nicht
                              metallischem Ansehen. Sie werden durch Drücken mit einem Glasstabe weiß und
                              silberglänzend, und sintern beim Glühen zu einer mattweißen Masse zusammen. Nach
                              ihrem Ansehen unter dem Mikroskope zerfallen sie in zwei Abtheilungen:
                           
                              1) regelmäßig baumförmiges Silber;
                              2) körnig pulveriges Silber.
                              
                           Erstens bildet entweder ein graues oder schwarzes, durch verdünnte Säuren grau
                              werdendes Pulver, dessen einzelne Theilchen ganz das Ansehen des natürlichen
                              regelmäßig baumförmigen Silbers zeigen. Das letztere bildet ebenfalls ein mehr oder
                              weniger dunkelgraues, zum Theil durch organische Substanzen (und wahrscheinlich auch
                              etwas Silberoxydul) gefärbtes Pulver, dessen Nüance jedoch beständiger ist, als die
                              des regelmäßig baumförmigen Silbers. Es besteht aus lauter einzelnen regellos
                              zusammengehäuften Körnern und hat die Eigenthümlichkeit, sich im Augenblicke seiner
                              Ausscheidung an unreine oder rauhe Stellen des Glases zu hängen. Dadurch gibt es in der
                              Silberspiegelfabrication Veranlassung zur Entstehung von Flecken, in der
                              Photographie dagegen – wie unten erläutert werden soll – Veranlassung
                              zur Entstehung von Bildern. Diese Ablagerungen des körnig pulverigen Silbers bilden
                              nie einen zusammenhängenden Spiegel, sondern stets einen matten oder doch nur sehr
                              schwach glänzenden Ueberzug, der unter dem Mikroskope als lauter einzelne regellos
                              neben einander liegende Körner erscheint.
                           Die Erklärung dieser verschiedenartigen Reductionserscheinungen ist folgende:
                           Bei der Reduction von Silberoxydsalzlösungen durch Metalle ist der Vorgang, mit
                              Ausnahme des allerersten Silbertheilchens, ein galvanischer (Poggendorff a. a. O.). Die ausgeschiedenen Silbertheilchen lagern sich
                              alle am negativen Pole ab, kommen sich dabei nahe genug und besitzen, als in einer
                              Flüssigkeit befindlich, Beweglichkeit genug, um sich gegenseitig anziehen und nach
                              den Krystallisationsgesetzen gruppiren zu können; es entsteht in Folge dessen
                              regelmäßig baumförmiges Silber.
                           Bei der Reduction aus festen Silberverbindungen fehlt dagegen diese Beweglichkeit;
                              die einzelnen Theilchen des Silbers bleiben in Folge dessen regellos neben einander
                              liegen, es entsteht körnig pulveriges Silber.
                           Bei der Einwirkung von Zink auf Lösungen von Chlorsilber in Ammoniak wird ein Theil
                              des Chlorsilbers vollständig reducirt und liefert regelmäßig baumförmiges Silber,
                              ein anderer Theil unterliegt aber, namentlich wenn die Reduction durch
                              Ammoniaküberschuß erschwert wird, einer unvollständigen Reduction zu Silberchlorür
                              (s. o.). Dieses Silberchlorür zersetzt sich aber durch das vorhandene Ammoniak in
                              sich lösendes Silberchlorid und sich ausscheidendes graues körnig pulveriges
                              Silber.
                           Aehnlich ist der Vorgang bei der Reduction ammoniakalischer Silberoxydsalzlösungen
                              mittelst organischer Substanzen (Milchzucker, Aldehyde, Weinsäure), wobei das Silber
                              theils als Spiegel, theils als graue körnig pulverige Masse auftritt. Hier spielt
                              aber auch die Adhäsion des Glases zum Silber eine wesentliche Rolle. In einem
                              Gefäße, dessen Wände keine Adhäsion zum Silber haben, z.B. in einem Kautschuknapfe,
                              entsteht nur sehr wenig Spiegelsilber auf der Oberfläche. Die Adhäsion ist jedoch
                              nicht alleinige Ursache der Entstehung des Spiegels, was schon daraus hervorgeht,
                              daß sich auch körnig pulveriges Silber an das Glas legt, und die Abscheidung
                              desselben sowie die des Spiegelsilbers bedingt ist durch die chemische
                              Zusammensetzung der Versilberungsflüssigkeit. Alle Umstände, welche die Reduction
                              erschweren, z.B. Ueberschuß von Ammoniak, Chlorgehalt etc., erschweren auch die
                              Bildung des Spiegels, und befördern die Ablagerung von körnig pulverigem Silber und
                              die Entstehung von Flecken. Hieraus geht mit großer Wahrscheinlichkeit hervor, daß das
                              Spiegelsilber durch unmittelbare und vollständige Reduction des Silberoxyds
                              entsteht, während die körnig pulverigen Massen ein secundäres Product einer
                              unvollständigen Reduction sind. Bei der durch die angegebenen Umstände erschwerten
                              Reduction wird nämlich das Silberoxyd nur zu Silberoxydul reducirt; dieses zersetzt
                              sich aber, wie Vogel experimentell gefunden hat, durch
                              Ammoniak in sich lösendes Silberoxyd und körnig pulveriges Silber, oder es
                              unterliegt einer weiter gehenden Reduction, wobei ebenfalls – wie immer durch
                              Reduction einer festen Silberverbindung – körnig pulveriges Silber
                              resultirt.
                           Hieraus erklärt es sich, warum beim normalen Versilberungsprocesse immer zuerst der
                              Spiegel, später, wenn in Folgender Reduction des Silberoxyds der Gehalt an freiem
                              Ammoniak zunimmt, das körnig pulverige Silber entsteht.
                           Bei der Reduction von ammoniakalischen Chlorsilber-Lösungen durch organische
                              Substanzen finden ähnliche Processe statt. Wegen der schwierigen Reducirbarkeit des
                              Chlorsilbers wird jedoch nur ein sehr geringer Theil desselben unmittelbar zu
                              Silber, der größte Theil aber zu Silberchlorür reducirt, welches theils durch
                              Ammoniak in der oben beschriebenen Weise, theils durch weiter gehende Reduction
                              unter Ausscheidung von körnig pulverigem Silber zerlegt wird. Daher kommt es, daß
                              ein Chlorgehalt in den Spiegelversilberungsflüssigkeiten so nachtheilig wirkt.
                           Bei der Reduction von Silberoxydsalzlösungen durch Eisenoxydulsalze scheinen alle
                              Bedingungen zur Erzeugung eines Spiegels gegeben zu seyn; dennoch entsteht hier nur
                              körnig pulveriges Silber. Mangelnde Adhäsion ist nicht der Grund dieser Erscheinung,
                              denn ein Theil des Silbers legt sich ziemlich fest an das Glas. Höchst
                              wahrscheinlich ist auch hier das körnig pulverige Silber ein secundäres Product. H.
                              Rose hat gezeigt (Poggendorff's Annalen Bd. CI S.
                              321), daß in verdünnten, mit einander vermischten Lösungen von salpetersaurem
                              Silberoxyd und Eisenvitriol, welche für sich allein nicht sogleich einen
                              Niederschlag geben, ein schwarzer Niederschlag entsteht, sobald sie im geringsten
                              alkalisch gemacht werden. Dieser schwarze Niederschlag besteht aus einer Verbindung
                              von Silberoxydul mit Eisenoxyduloxyd und wird sowohl durch Säuren als auch durch
                              Eisenoxydulsalze unter Abscheidung von körnig pulverigem Silber zerlegt, das dem
                              durch Eisenvitriol unmittelbar gefällten in hohem Grade ähnlich sieht. Bei der
                              Wirkung von Eisenvitriol auf Silberlösungen entsteht demnach wahrscheinlich zuerst
                              die erwähnte Silberoxydulverbindung, die dann in der angegebenen Weise unter
                              Abscheidung von körnig pulverigem Silber sogleich weiter zerlegt wird. Beim
                              Vermischen einer
                              salpetersauren Silberoxydlösung mit essigsaurer Eisenoxydullösung, kann man diese
                              Reactionen leicht nach einander beobachten. Erst schlägt sich die schwarze
                              Silberoxydulverbindung nieder, aber bald wird dieselbe unter Ausscheidung von körnig
                              pulverigem Silber grau (H. Rose a. a. O. S. 336).
                           Das Spiegelsilber und regelmäßig baumförmige Silber sind demnach bei allen hier
                              besprochenen Processen Producte einer vollständigen Reduction; das körnig pulverige
                              Silber dagegen ist ein secundäres Product einer unvollständigen Reduction,
                              entstanden durch im Moment des Freiwerdens erfolgte Zersetzung von im festem
                              Zustande sich ausscheidendem, freiem oder gebundenem Silberoxydul oder einem
                              demselben analogen Haloidsalze.
                           Bei der Spiegelversilberung ist das so entstehende körnig pulverige Silber ein
                              unnützes und unter Umständen, wegen seiner Neigung Flecke zu bilden, sogar
                              schädliches Nebenproduct. Anders ist es in der Photographie; hier ist es ein
                              wichtiges Hauptproduct. Indem bei dem sogenannten Hervorrufungsprocesse die mit
                              Höllensteinlösung benetzte, in der Camera exponirte photographische Platte mit einer
                              Lösung von Eisenvitriol oder Pyrogallussäure übergossen wird, entsteht ein
                              Niederschlag von körnig pulverigem Silber, der sich an die belichteten Stellen der
                              Platte legt und so das Erscheinen des Bildes bewirkt.
                           Silberspiegelfabrication und Silberphotographie sind in gewisser Beziehung ähnliche
                              Gewerbe. Beide basiren auf der Reduction von Silberoxydsalz zu Silber. Bei der
                              Spiegelbelegung sucht man einen gleichartigen Niederschlag von Spiegelsilber zu
                              erzeugen und vermeidet möglichst den Niederschlag des körnig pulverigen; bei der
                              Photographie dagegen sucht man auf der belichteten Platte einen ungleichartigen
                              Niederschlag von körnig pulverigem Silber zu erhalten, ungleichartig nach Maaßgabe
                              der Belichtung. Ueber diesen Gegenstand will der Verf. später ausführlich
                              berichten.