| Titel: | Ueber die organischen Bestandtheile des Brunnenwassers; von Professor Dr. August Vogel. | 
| Autor: | Prof. Dr. August Vogel [GND] | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XXX., S. 135 | 
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                        XXX.
                        Ueber die organischen Bestandtheile des
                           Brunnenwassers; von Professor Dr. August Vogel.
                        Vogel, über die organischen Bestandtheile des
                           Brunnenwassers.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich ist schon seit längerer Zeit die immer zunehmende Verschlechterung des
                              Trinkwassers in großen Städten zu einer wahren Calamität der Bewohner derselben
                              geworden. Abgesehen von unvermeidlichen localen Terrainverhältnissen, beruht der
                              Grund einer solchen Verschlechterung des Trinkwassers nicht selten auch auf
                              schlechter Canalisirung, indem durch die Nachbarschaft der Cloaken an Brunnen dem
                              Wasser vermittelst des Bodens eine unglaubliche Menge in Zersetzung begriffener
                              organischer Substanzen, der Producte und Effluvien der Fäulniß, zugeführt wird. Von
                              ähnlichen Umständen scheint auch die seit einiger Zeit sehr auffallende Verderbniß
                              des Wassers in den Pumpbrunnen einiger Vorstädte Münchens herzurühren, welches wir
                              in höherem Auftrage zu untersuchen veranlaßt wurden. Es kann natürlich hier nicht
                              der Ort seyn, unsere Ansicht über die diese Wasserverderbniß speciell veranlassenden
                              Ursachen, noch weniger über die möglichen Mittel der Verbesserung oder Verhütung
                              derselben darzulegen, sondern es wird nur beabsichtigt die vorläufigen Resultate der
                              chemischen Untersuchung dieses Wassers mitzutheilen.
                           Da die physikalische Untersuchung des Wassers an Ort und Stelle durch Geruch und
                              Geschmack schon dessen völlige Unbrauchbarkeit als Trinkwasser, so wie zum
                              häuslichen Gebrauch auf das Unzweifelhafteste dargethan hatte, so konnte es nur noch
                              die Aufgabe der chemischen Prüfung seyn, den Nachweis zu liefern, daß die Verderbniß
                              des Wassers von einer außergewöhnlich großen Menge organischer Verunreinigungen herrühre und durch diese
                              bedingt sey.
                           Zu den Versuchen diente das Wasser aus verschiedenen Pumpbrunnen der betreffenden
                              Vorstadt Münchens; da die quantitativen Verhältnisse indeß nur geringe Unterschiede
                              zeigten, so beziehen sich die im Folgenden angegebenen Zahlen auf den
                              Durchschnittswerth.
                           Die Probe mit Uebermangansäure nach der schon früher mitgetheilten MethodePolytechn. Journal Bd. CLX S. 55. ergab, daß das Wasser eine 10 Milligramme Uebermangansäure zersetzende Menge
                              organischer Substanzen per Liter enthalte. Hieraus
                              erkennt man schon eine außergewöhnliche Menge dieser Verunreinigung, indem gutes
                              Brunnenwasser nur eine 1 bis 2 Milligramme Uebermangansäure zersetzende Menge
                              enthält.
                           Zur Trockne abgeraucht, hinterläßt das Wasser einen beträchtlichen Rückstand
                              (zwischen 0,4 und 0,5 Grm. per Liter) von gelblicher
                              Farbe und eigenthümlichem unangenehmem Geruch, welcher beim Erhitzen im Platintiegel
                              mit stark rußender Flamme brennt und dabei den beim
                              Verbrennen stickstoffhaltiger Substanzen charakteristischen Geruch entwickelt. Die
                              hierbei zurückbleibenden mineralischen Bestandtheile wurden nicht weiter untersucht,
                              indem deren detaillirte Angabe, wie sie sich durch eine Analyse ergeben würde, bei
                              einem Wasser, welches schon auf den ersten Blick in so hohem Grade alle Zeichen der
                              Schädlichkeit an sich trägt, kaum von großem Belange seyn dürfte.
                           Erhitzt man den bei 120° C. getrockneten Rückstand in einem Glasrohre, so
                              entwickeln sich anfangs Lackmuspapier röthende, daher saure Dämpfe. Dieß rührt
                              vielleicht von flüchtigen Säuren her, wie Buttersäure, Propionsäure, Essigsäure und
                              AmeisensäureAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XCIX S. 257; Journal für praktische
                                    Chemie, Bd. LXX S. 15., welche, allerdings nur in sehr geringer Menge, in einigen Wässern schon
                              früher nachgewiesen worden sind. Bei länger andauerndem und stärkerem Erhitzen
                              entwickelt sich Ammoniak, welches beim Erhitzen des mit Natronkalk vermengten
                              Rückstandes sogleich von Anfang herein sehr deutlich auftritt.
                           Der bei 180° C. getrocknete Rückstand des abgerauchten Wassers enthält nach
                              mehreren Bestimmungen durchschnittlich 33,4 Proc. organischer Bestandtheile.
                           Der Stickstoffgehalt des getrockneten Wasserrückstandes wurde nach der gewöhnlichen
                              Methode durch Verbrennung mit Natronkalk und Auffangen der Verbrennungsproducte in
                              titrirter Schwefelsäure bestimmt. Die Verbrennungen sind im chemischen Laboratorium der kgl.
                              Universität von Hrn. F. Belliger aus Luzern ausgeführt
                              worden. Als Mittel mehrerer Verbrennungen ergibt sich der Stickstoffgehalt zu 0,657
                              Proc. für den Wasserrückstand, was auf die organischen Bestandtheile allein
                              berechnet 1,9 Proc. Stickstoff beträgt. Dieß entspricht 12,2 Proc. albuminartiger
                              Substanzen; die organischen Bestandtheile des Wasserrückstandes enthalten daher über
                              ein Drittheil derartiger Beimengungen. Ob hierdurch die im Publicum verbreitete
                              Ansicht Unterstützung finde, daß die Dejectionen der in der Nähe jener Brunnen
                              befindlichen Bierbrauereien ein mitwirkendes Moment zur Erklärung dieser
                              Wasserverderbniß bilden, mag vorläufig unentschieden bleiben.
                           Endlich muß noch bemerkt werden, daß obige Angaben sich nur auf die am Anfange
                              December v. J. dem kgl. Universitätslaboratorium übersendeten Wasserproben beziehen,
                              indem, wie die Untersuchung eines später geschöpften Wassers ergab, die
                              quantitativen Verhältnisse der festen Bestandtheile bereits eine Aenderung erfahren
                              hatten, überdieß aber die organischen Beimengungen des Wassers in einer beständigen
                              Umsetzung begriffen sind.