| Titel: | Neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus Rübenmelasse mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus; von Dr. C. Stammer. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XXXI., S. 136 | 
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                        XXXI.
                        Neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus
                           Rübenmelasse mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus; von Dr. C. Stammer.
                        Stammer, neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus Rübenmelasse
                           mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus.
                        
                     
                        
                           Die Versuche über das Verhalten von Kalk und Strontian zur Melasse, welche mich schon
                              früher längere Zeit beschäftigten (s. polytechn. Journal Bd. CLXIII S. 215 ff.) und
                              die damals zu einem günstigen Resultate nicht führten, habe ich im verflossenen
                              Sommer weiter fortgesetzt und bin dabei zu Resultaten gelangt, welche ebenso neu und
                              interessant sind, wie sie einer größeren Anwendung fähig zu seyn scheinen. Da die
                              gewonnenen Ergebnisse in jeder Weise constant und gewiß geeignet sind die
                              Aufmerksamkeit des Chemikers wie des Praktikers auf sich zu lenken, so lasse ich
                              nachstehend den Bericht über meine Arbeiten folgen, in der Hoffnung, daß dadurch ein
                              neuer Weg zu einer höheren Verwerthung der Melasse angebahnt werden möge.
                           Die Verbindungen des Strontians mit dem Zucker sind bisher noch wenig untersucht, und noch
                              weniger die Reactionen zwischen demselben und weniger reinen Zuckerlösungen, wie sie
                              unsere Syrupe darstellen, bekannt. Da aber auf der anderen Seite Baryt eine so
                              charakteristische Reaction zeigt und das Verhalten des Kalkes so manche interessante
                              Thatsache ergeben hatte, so ließ sich erwarten, daß der Strontian vielleicht ganz
                              neue und anwendbare Erscheinungen darbieten würde. Um hierüber Klarheit zu erhalten,
                              habe ich zunächst das Verhalten des Strontians, im Zustande des reinen,
                              krystallisirten Hydrates zu Deckklärsel (also zu concentrirter reinster
                              Zuckerlösung) untersucht.
                           Sowohl die heiß gesättigte Lösung, wie die festen Krystalle lösten sich leicht in dem
                              Klärsel auf.
                           Ebenso konnte durch Aufeinanderschichten der beiden Lösungen keine Ausscheidung
                              erzielt werden.
                           Auch Aufeinanderschichten von Weingeist mit einer Lösung von Strontian und Zucker
                              lieferte keine Abscheidung.
                           An eine weitere Verdunstung der schon so concentrirten Lösungen war nicht zu denken;
                              es mußte vielmehr gefolgert werden, daß der sich etwa bildende Strontianzucker auch
                              in der geringsten Menge Wasser löslich ist, welche bei seiner Entstehung zugegen
                              seyn muß, und zwar ist diese nicht unbeträchtlich, da das Strontianhydrat ja mit 8
                              Aequivalenten Wasser krystallisirt.
                           Durch Anwendung von Alkohol konnte dagegen aus einer Mischung von Deckklärsel mit
                              concentrirter Strontianlösung reichlich Strontianzucker gefällt werden. Der
                              Niederschlag zeigte sich bald käsig, bald körnig, je nach der relativen Menge
                              Strontian und war in jedem Falle, nach dem Abgießen der überstehenden klar
                              gewordenen Lösung leicht in Wasser löslich.
                           Aus diesen und ähnlichen Versuchen geht hervor, daß durch Vermischen von
                              Strontianlösung mit Zuckerlösung und Zusatz von Alkohol in verschiedenen
                              Verhältnissen, verschiedene Verbindungen von Strontian und Zucker gefällt werden
                              können, von denen die eine körnig ist und leicht von der Flüssigkeit getrennt werden
                              kann.
                           Es fragte sich nun zunächst, ob das, was für reine Zuckerlösung gilt, auch für die
                              unreinste, die Melasse, Gültigkeit habe und ob sich einerseits hierfür die
                              Verhältnisse so treffen lassen, daß stets der allein brauchbare körnige Niederschlag
                              entstehe und andererseits dieser Niederschlag beim Zersetze:! reinen oder doch
                              reineren Zucker gebe, oder ob er sich wie der merkwürdige Kalkniederschlag aus
                              Melasse (a. a. O. S. 223) verhalte.
                           Einige vorläufige Versuche lieferten alsbald auf diese drei Fragen vollkommen
                              befriedigende Antworten. Der Niederschlag entstand bei Melasse ebenfalls, er war bei
                              gewissen Verhältnissen der drei Flüssigkeiten körnig und leicht von der Lösung zu
                              trennen, und ergab bei einer annähernden
                               Untersuchung, nach
                              Entfernung des Alkohols und Strontians, eine Verbesserung des relativen
                              Zuckergehaltes (der Polarisation der Trockensubstanz) von etwa 15 Proc., das heißt
                              eine Erhöhung desselben um etwa 23 Proc. des ursprünglichen.
                           In solchen Resultaten lag gewiß Veranlassung genug, diese Reaction weiter zu
                              verfolgen; es wurde daher auch eine Reihe von Versuchen in folgender Weise
                              angestellt:
                           Nachdem das Gemisch von Melasse und Strontian in
                              verschiedenen Verhältnissen hergestellt war, wurde dasselbe durch Weingeist von 86
                              bis 90 Proc. Tr. gefällt. Die ganze Masse wurde nach kurzer Zeit in einen leinenen
                              Sack gebracht und mittelst einer starken Hebelpresse möglichst ausgepreßt, dann der
                              relative Zuckergehalt in der erhaltenen abgepreßten
                              Lösung wie in dem zurückbleibenden Preßkuchen in folgender Weise untersucht: die
                              Flüssigkeit wurde direct, die feste Substanz nach dem Aufrühren (wobei das Meiste
                              sich löste) mit Wasser, mittelst reiner Kohlensäure vollständig saturirt, in dem
                              Filtrat durch längeres Kochen unter Wasserzusatz und endliches Verdunsten zur
                              Syrupconsistenz im Wasserbade, aller Weingeist verjagt und die erhaltene
                              dickflüssige Lösung nach passender Verdünnung mit dem Aräometer genau gewogen und
                              endlich polarisirt. Die Beziehung zwischen den beiden Procentzahlen (scheinbare
                              Trockensubstanz und wirklicher Zuckergehalt) ergab den scheinbaren relativen
                              Zuckergehalt in Form einer Procentzahl; diese ist von derselben Bedeutung und der
                              gleichen Genauigkeit wie alle Polarisationen in Procenten trockener Substanz, welche
                              mit Hülfe des Aräometers ausgeführt den relativen
                              Zuckergehalt der verschiedenen Fabrikproducte ergeben; da die meisten Polarisationen
                              der Melasse, des Dicksaftes, des Rübensaftes u.s.w. in dieser Weise angegeben
                              werden, so sind sie also damit direct vergleichbar und erlauben demnach eine
                              Schätzung des durch die Behandlung erzielten Erfolges, welche im Ganzen und Großen
                              mit der Fabrikpraxis in Uebereinstimmung sich befinden muß. Aus diesen Versuchen
                              ergab sich wesentlich Folgendes:
                           1) Es stellen sich im Allgemeinen zwei Mischungsverhältnisse heraus, welche zwei ganz
                              bestimmt unterschiedene Producte – Strontianzucker von ungleicher
                              Zusammensetzung – liefern und wodurch der relative Zuckergehalt des hieraus
                              zu erzielenden Productes ein entsprechend verschiedener wird.
                           Melasse, welche bei 10 Proc. Ball. 5,84 polarisirte, deren Quotient also 58,4 Proc.
                              betrug, ergab nach dem einen Verfahren einen Niederschlag, der nach dem Auspressen,
                              Lösen, Saturiren, Kochen, Verjagen des Weingeistes etc. bei 20 Proc. Ball. 15,6
                              Proc. polarisirte. Hierdurch war also der Zuckerquotient von 58,4 auf 78 Proc.
                              gestiegen.
                           
                           Dieselbe Melasse, nach dem zweiten Verhältniß mit Strontian und Weingeist behandelt,
                              ergab nach der gleichen Bestimmung einen Syrup, welcher bei 17,4 Proc. Ball. 15,16
                              Proc. polarisirt. Der Quotient war also hier auf 87 Proc. gestiegen.
                           Hier haben wir folglich mittelst einer Operation, welche in kurzer Zeit ausgeführt
                              werden kann und weder schwierige Manipulationen noch den Gebrauch von Knochenkohle
                              einschließt, eine Umwandlung von Melasse in einen Syrup, welcher in seinem relativen
                              Zuckergehalt dem filtrirten Dicksafte ziemlich gleichsteht. Geschmack, Farbe und
                              Krystallisationsfähigkeit erscheinen damit im Einklang. Die wässerige Lösung war auf
                              freiem Feuer eingedampft und lieferte, in ganz geringer Menge in einem Uhrglase
                              hingestellt, alsbald eine höchst befriedigende und durch und durch krystallisirte
                              Zuckermasse.
                           Der Vorgang ist einfach der: der Weingeist fällt den Strontianzucker, während die
                              fremden Stoffe, Salze etc. in Lösung bleiben. Nach dem Abscheiden des Niederschlags
                              liefert dieser (nach der Saturation zur Abscheidung des Strontians) einen Syrup, der
                              um so reiner ist, je vollständiger und ausschließlicher die Fällung des
                              Zuckerstrontians geschah und je besser das Auspressen die salzreiche Lösung vom
                              Niederschlag getrennt hat. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, und specielle
                              Bestimmungen des Wassergehaltes weisen mit Sicherheit darauf hin, daß der oben
                              bezeichnete Factor von 87 Proc. nur deßhalb nicht noch weit höher gefunden wird,
                              weil noch von der alkoholischen Lösung der fremden Stoffe im Niederschlag
                              zurückgeblieben war. Daß in dieser alkoholischen Lösung der Strontianzucker nicht
                              absolut unlöslich ist, steht zu erwarten; bei den eben angeführten Versuchen wurde
                              der Zuckergehalt derselben nicht bestimmt, wohl aber bei anderen ähnlichen Producten
                              Zahlen gefunden (s.u.), welche den durch diese Löslichkeit entstehenden Verlust, der
                              bewirkten bedeutenden Reinigung gegenüber, als sehr unwesentlich erscheinen
                              lassen.
                           2) Man sollte glauben die bezeichnete Fällung werde weit leichter und schon bei
                              geringerem Weingeistzusatze erfolgen, wenn weniger Wasser zugesetzt würde, d.h. also
                              bei Anwendung des Strontianhydrats im festen Zustande. Allein es ist zum Erfolge die
                              Gegenwart einer gewissen Menge Flüssigkeit – verdünnten Weingeistes –
                              nothwendig, wie folgender Versuch zeigt. Der Strontian wurde als krystallisirtes
                              Hydrat in dem erforderlichen besten Verhältnisse zu der mit etwas heißem Wasser
                              verdünnten Melasse gesetzt und da die feinen Krystalle sich nur wenig lösten,
                              dagegen aber ihr Aussehen sehr zu verändern schienen, kein Weingeist angewandt. Nach
                              einiger Zeit wurde der bleibende feste krystallinische Niederschlag abgepreßt und die melassenreiche
                              Lösung polarisirt. Sie ergab einen Quotient von 63 Proc., also keine erhebliche
                              Verschlechterung durch die vorgenommene Reaction. Es lag also keine Veranlassung
                              vor, auf diesem Wege weiter zu versuchen, und die Anwendung des Strontians in
                              gelöster Form einerseits und des Weingeistes andererseits stellt sich demnach als
                              nothwendig heraus.
                           3) Soll das Verfahren überhaupt im Großen angewandt werden, so muß der jedesmal zum
                              Fällen gebrauchte Strontian und der Alkohol sich wieder gewinnen lassen. Für den
                              Alkohol wird dieß leicht durch Destillation bis zu einem Minimum zu erreichen seyn,
                              welches dann als Verlust in Rechnung gebracht werden muß. Der Strontian wird bei der
                              Zersetzung des Zuckerstrontians als kohlensaurer Strontian wieder erhalten, und kann
                              dann entweder durch Glühen in einer Art Kalkofen oder besser und billiger durch
                              Glühen in Retorten unter Zuleitung von überhitztem Wasserdampf, in Oxyd oder Hydrat
                              verwandelt und dann wieder angewandt werden.
                           Sowie aber ein gewisser Antheil des Zuckers in die alkoholische Lösung übergeht,
                              ebenso wird ein Theil des Strontians in diese gelangen und entweder verloren seyn,
                              oder eine Abscheidung mittelst Saturation oder auf anderem Wege bedingen; da dieser
                              Antheil Strontian wahrscheinlich als Verlust betrachtet und wegen der nicht
                              unbeträchtlichen Kosten für das Mineral beachtet werden muß, so ist dessen
                              Verhältniß zum Ganzen mittelst Abscheidung und Wägung bestimmt worden. Der Verlust
                              beträgt, nach Maaßgabe des angewandten Strontians, für jeden Ctnr. der auf diese
                              Weise verarbeiteten Melasse 2-2 1/2 Pfd. Strontianit.
                           Nur Versuche in größerem Maaßstabe können darthun, ob dieses Verhältniß constant
                              bleibt, oder ob es unter Umständen überschritten wird. Diese allein können auch
                              lehren, ob es vortheilhafter ist diesen gelösten Strontian verloren zu geben, oder
                              ihn durch Saturation oder durch Abdampfen der Lösung und Brennen des Rückstandes
                              wieder zu gewinnen. Es wird sich alsdann auch bald herausstellen, ob man diese
                              Salzlösung unmittelbar als Dünger verwerthen oder ob man erst eine trockene Masse
                              daraus darstellen soll.
                           4) Was nun den Zucker betrifft, welcher im Weingeist gelöst bleibt (vermuthlich als
                              Strontianzucker), so ist derselbe in der oben beschriebenen Weise verhältnißmäßig
                              bestimmt worden.
                           Melasse von einem Zuckerquotienten (Pol. der trockenen Substanz) von 60 Proc.
                              lieferte nach dem Vermischen mit Strontianlösung, Fällen mit so viel Weingeist, daß
                              auf weiteren Zusatz kein Niederschlag mehr erfolgte, und einfachem starken
                              Auspressen einen sehr Weißen festen Rückstand, welcher nach dem Saturiren, Kochen u.s.w. einen Syrup
                              ergab, der bei 20,5 Proc. Ball. 17,6 Proc. polarisirte, also einen Quotienten von
                              85,8 besaß.
                           Die abgepreßte Lösung wurde saturirt, abfiltrirt und bis fast zur Trockne verdampft,
                              dann gelöst und bei 12,2 Proc. Ball. eine Polarisation von 1,71 Proc. oder ein
                              Quotient von 14 Proc. gefunden, gewiß die niedrigste Polarisation, welche ein Syrup
                              bisher ergeben haben wird!
                           Da sich die Ausbeute an beiden Syrupen aus einem bestimmten Quantum Melasse durch den
                              Versuch schlecht ermitteln läßt, so ist dieselbe nur durch Rechnung bestimmt worden.
                              Es zerfällt nämlich die Melasse von 60 Procent in zwei Producte, wovon eines 86
                              Procent, das andere 14 Proc. hat; die Rechnung zeigt, daß dieß nur eintreffen kann,
                              wenn aus 100 Thln. Melasse
                           
                              
                                 64 Thle.
                                 Syrup
                                  I. Art und
                                 
                                 
                              
                                 36   – 
                                 –
                                 II.  –
                                 entstehen.
                                 
                              
                           Von dem Zucker der angewandten Melasse kommen also in den Syrup I 55/60, in den Syrup
                              II nur 5/60; da letztere verloren gehen, so stellt sich der Verlust an Melassezucker
                              auf 1/12; annähernd kann man also sagen, daß 8,3 Proc. der Melasse verloren werden,
                              um die übrigen 91,7 Proc. in einen Syrup von der Qualität des filtrirten Dicksaftes
                              zu verwandeln, welcher direct, ohne weitere Filtration wie dieser verwendbar ist.
                              Die Ausbeute an Zucker wird hiernach jeder Fabrikant leicht überschlagen können.
                           Ohne Zweifel muß es aber gelingen, die beiden Syrupe noch vollkommener zu trennen als
                              dieses bei der einfachen Pressung möglich war. Dazu führt sowohl die Anwendung
                              stärkerer Pressen oder anderer Trennungsmethoden, als auch diejenige größerer Mengen
                              Weingeistes, die eine Art Auswaschen oder Decken bewirken. Auf diesem Wege steht ein
                              noch besseres Resultat, als dasjenige, welches diese kleinen Versuche lieferten, in
                              Aussicht.
                           5) Die Frage nach der Rentabilität des ganzen Verfahrens muß natürlich vor Allem die
                              anzuwendende, wie die verloren gehende Menge Strontian berücksichtigen, da die
                              Arbeitskosten offenbar sehr gering sind. Die Menge Strontian, welche als verloren zu
                              betrachten ist, wurde bereits oben angegeben; es entspricht dieselbe bei einem
                              Kostenpreis von 3 1/3 Thlr. für den Centner Strontianit dem Betrage von 2-3
                              Sgr. für den Centner Melasse. Der Verlust an Alkohol ist in einer besonderen
                              Untersuchung mit möglichster Genauigkeit zu bestimmen versucht worden, worauf ich
                              weiter unten ausführlich zurückzukommen habe.
                           Die Menge Strontian und Alkohol, welche ein für allemal in Arbeit genommen werden und
                              während der ganzen Fabrication in laufender Benutzung und „Wiederbelebung“
                              bleiben muß, bildet insofern ein wesentliches Moment, als durch die betreffenden
                              Zinsen die Kosten des Verfahrens sehr erheblich bedingt werden, da weder Strontian
                              noch Weingeist zu den wohlfeilen Substanzen zu rechnen sind. Es ist indessen zu
                              bemerken, daß sich bestimmte Normen vor der Hand noch nicht angeben lassen, da das
                              in Rede stehende Quantum ganz besonders durch die Zeit bedingt ist, welche zur
                              Wiederbelebung, resp. Wiedergewinnung nothwendig und diese Zeit von dem hierzu in
                              Anwendung kommenden Apparate und der auf einmal in Arbeit genommenen Melassenmenge
                              abhängig ist. Dasselbe gilt von den durch die Wiederbelebung bedingten Verlusten,
                              die sich also ebenfalls nicht eher feststellen lassen, als bis Versuche mit
                              passenden Apparaten und geeigneten Methoden in größerem Maaßstabe ausgeführt worden
                              sind.
                           Einen der wichtigsten Factoren bildet allerdings das Normalquantum Weingeist, wie
                              Strontianit, welches in allen Fällen per Centner Melasse
                              bei der ersten Fällung nothwendig ist; auch habe ich es mit angelegen seyn lassen,
                              das Minimum beider Substanzen, welches zur Erzielung eines günstigen Resultates
                              erfordert wird, mit möglichster Genauigkeit zu ermitteln. Da ich später nochmals
                              ähnliche Umstände zu besprechen haben werde, so muß ich hier auf das weiter unten
                              Mitzutheilende verweisen und bemerke nur, daß die Quantitäten, obwohl nicht
                              unbedeutend, doch auch nicht übermäßig sind und daß sie recht gut einen Betrieb in
                              fabrikmäßigem Umfang möglich machen. Nimmt man für die Alkoholwiedergewinnung die
                              für die Rectification in der Praxis geltenden Verlustzahlen an, so ergibt sich für
                              jeden Centner Melasse nur ein unbedeutender Kostenbetrag; für den Strontian liegen
                              ähnliche Erfahrungen nicht vor und läßt sich namentlich nichts Bestimmtes über die
                              Kosten für Wiederbelebung in Retorten unter Anwendung von Wasserdampf ermitteln.
                              Nimmt man indessen hierfür den Verbrauch an Brennmaterial, wie ihn das Brennen einer
                              entsprechenden Menge Kalk erfordert, als Vergleichsgröße an, so ergeben sich auch
                              hier nur 2–3 Sgr. für die Wiederbelebung des Strontians für jeden Ctnr.
                              Melasse. Es hängt aber dieser Umstand, wie auch die Wiedergewinnung des Weingeistes,
                              zumeist von der Zuverlässigkeit der anzuwendenden Apparate ab.
                           ––––––––––
                           Nachdem sich durch die vorbeschriebenen Versuche die Möglichkeit unzweifelhaft
                              herausgestellt hatte, durch Anwendung von Strontian und Weingeist den größten Theil
                              des Melassenzuckers in eine solche Verbindung überzuführen, daß er daraus wie aus
                              filtrirtem Dicksafte abgeschieden werden kann, lag es natürlich sehr nahe, ähnliche Versuche
                              mit Kalk und Weingeist anzustellen. Obwohl nun meine
                              früheren Bemühungen, den Zucker der Melasse durch Kalk niederzuschlagen, nur
                              negative Resultate ergeben hatten, so kann ich doch jetzt mittheilen, daß die
                              Anwendung von Kalk in ähnlicher wie der oben beschriebenen Weise Ergebnisse
                              geliefert hat, die zwar nicht ganz so günstige Verhältnisse ermöglichen wie beim
                              Strontian, aber dennoch allen irgend gehegten Erwartungen
                              entsprechen und es für jetzt zweifelhaft erscheinen lassen, ob dem Strontian oder
                              dem Kalk der Vorzug gebühren wird. Bei der verhältnißmäßigen Seltenheit und
                              Kostspieligkeit des Strontianits schien einstweilen der Kalk mehr Aussicht auf
                              Anwendung im Großen zu haben und deßhalb habe ich sein Verhalten im Verein mit
                              Weingeist zur Melasse und anderen Syrupen einer besonders ausführlichen Prüfung
                              unterworfen.
                           I. Die Mischung von Melasse von 61,1 Proc. Polarisation (der trockenen Substanz) mit
                              Kalk und Weingeist, in dem dem ersten Versuche mit Strontian entsprechenden
                              Verhältnisse, gab einen hellgelben, vollkommen amorphen Niederschlag, der sich
                              leicht abfiltriren und dann mit Spiritus von 87-88 Proc., so wie schließlich
                              mit einer Auflösung desselben Niederschlages in Wasser auswaschen ließ. Derselbe
                              wurde nun mit Wasser gemischt, wobei sich der größte Teil auflöste, dann mit
                              Kohlensäure saturirt und wie mehrfach erwähnt, untersucht. Es wurde ein Syrup von 79
                              Proc. Polarisation erhalten.
                           Die abgepreßte weingeistige Lösung wurde im Wasserbad eingedampft, wobei sie stark
                              schäumte und sich sehr alkalisch zeigte, während doch die Saturation mit Kohlensäure
                              nur einen ganz geringen Niederschlag und die von diesem abfiltrirte Lösung auch nur
                              wenig Trübung mit kohlensaurem Ammoniak lieferte, woraus zu entnehmen ist, daß die
                              Alkalität vorzugsweise von freien (oder kohlensauren) Alkalien herrührte.
                           Die saturirte Lösung lieferte bei weiterm Abdampfen im Wasserbad einen braunen,
                              ekelhaft und bitter schmeckenden Syrup, welcher bei der Polarisation nur 21,7 Proc.
                              als Quotient ergab. Er polarisirte nämlich bei 11 Proc. Ball. nur 2,39 Proc.
                           Man sieht, es war hier eine Trennung der Melasse von 61,1 Proc. in zwei Producte von
                              je 79 Proc. und 22 Proc. erfolgt.
                           II. Zur zweiten Mischung wurde ein anderes Verhältniß gewählt, welches auch für
                              Strontian ein besseres Resultat geliefert hatte, dabei aber zugleich das Auswaschen
                              des Niederschlages durch die der fabrikmäßigen Arbeit besser entsprechende einfache
                              starke Auspressung ersetzt. Die Melasse war dieselbe wie bei I, d.h. sie zeigte den
                              Quotienten 61,1 (polarisirte 12,03 bei 19,7 Proc. Ball.).
                           
                           Das Auspressen durch Barchent gieng ohne Schwierigkeit von Statten und lieferte eine
                              fast vollkommen klare Lösung und einen hellgelben trockenen Niederschlag (Preßling).
                              Letzterer wurde zum Theil mit Weingeist von 50 Proc. einige Zeit ausgewaschen, um
                              möglichst die salzreichere Lösung daraus zu entfernen, und die Beschaffenheit dieser
                              gereinigten mit derjenigen der unmittelbar durch Auspressen erhaltenen Substanz
                              verglichen. Die erhaltene Waschflüssigkeit gab mit Weingeist von 88 Proc. keinen
                              Niederschlag; der 50 procentige Weingeist hatte also keinen durch Weingeist
                              fällbaren Zuckerkalk aufgelöst.
                           Die Untersuchung der festen Substanz in der mehrfach
                              erwähnten Weise lieferte für die ungereinigte einen Quotienten von 81 Proc., für die
                              gereinigte einen solchen von 86,7 Proc.Ich bemerke hierbei, daß bei diesen, wie bei allen folgenden Versuchen das
                                    Eindampfen und Verkochen des Alkohols stets auf freiem Feuer vorgenommen und
                                    kein Wasserbad mehr angewendet wurde, wodurch also die Resultate gegen
                                    Fabrikarbeit eher beeinträchtigt worden sind.
                              
                           Die Untersuchung der abgepreßten alkoholischen Lösung ergab deren Quotienten zu 22,5
                              Proc. Die durch Auswaschen erhaltene Lösung ergab dagegen einen solchen von 37
                              Proc.; es muß daher weiteren Untersuchungen, wobei namentlich die relative Menge der
                              einzelnen Syrupe genau ermittelt wird, vorbehalten bleiben zu entscheiden, ob dieses
                              Auswaschen des einmal durch starkes Auspressen erhaltenen Zuckerkalkes von Vortheil
                              seyn wird oder nicht. In Anbetracht des hohen Quotienten von 37 Proc. ist daher auch
                              vor der Hand bei den weiteren Versuchen von dieser Art der Reinigung abgesehen und
                              eine Erhöhung der Polarisation von 61 auf 81 für genügend erachtet worden.
                           Die genannten Quotienten sind, wie derjenige der Melasse, natürlich nur scheinbare, da sie sämmtlich durch Vergleich der
                              Polarisation mit dem (scheinbaren) durch das Aräometer angezeigten Gehalt an
                              Trockensubstanz und nicht durch directe Bestimmung der wirklichen Trockensubstanz
                              (mittelst Abdampfen) gefunden sind. Sonach sind diese Zahlen, wie auch schon
                              Eingangs bemerkt worden, mit vollkommenem Rechte vergleichbar. Um derselben jedoch
                              noch sicherer zu seyn und mich zu überzeugen, ob namentlich der ganz abnorm geringe
                              Quotient der Lösung nicht auf diesem Wege mit größerer Ungenauigkeit als die übrigen
                              resultirt, habe ich auch directe Bestimmungen der Trockensubstanz wie des
                              Aschengehaltes gemacht und folgende wirkliche
                              Zusammensetzung gefunden.
                           
                           Der ausgepreßte Niederschlag, vollkommen trocken, enthielt:
                           
                              
                                 Zucker
                                 84,3
                                 
                              
                                 Asche
                                 6,7
                                 
                              
                                 fremde organische Stoffe
                                 9,0
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Die von diesem abgepreßte Lösung ergab in 100 Thln. Trockensubstanz:
                           
                              
                                 Zucker
                                 24,0
                                 
                              
                                 Asche
                                 33,8
                                 
                              
                                 fremde organische Stoffe
                                 42,3
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Es sind also auch hier die wirklichen Quotienten (84 und 24) etwas höher als die
                              scheinbaren, und zwar nicht in größerem Verhältniß als sonst, und man kann daher
                              ohne größere Fehler als bei allen derartigen Bestimmungen die scheinbaren Quotienten dieser Producte ebenso wie den der Melasse gelten
                              lassen.
                           Berechnet man aus den beiden Quotienten wie oben beim Strontian (4) das Verhältniß
                              der von den beiden Syrupen zu erhaltenden Mengen, so findet man für 100 Thle.
                              Melasse von 61,1 Proc.:
                           
                              
                                 66,1 Thle.
                                 Syrup
                                  I Art
                                 und
                                 
                              
                                 33,9   –
                                 –
                                 II  –
                                 
                                 
                              
                           Von dem Zucker der Melasse kommen somit in den Syrup I 53,5/61,1 und in den Syrup II
                              7,5/61,1 so daß also 75/611 oder etwa 14 Proc. des Melassenzuckers verloren gehen
                              und der Rest in Form eines Syrups von 81 Proc. erhalten wird. Dieser Syrup steht
                              folglich, wenn der Kalkzucker nur durch einmaliges Abpressen mit einer starken
                              Hebelpresse (von einer Kraft = 4/5 der hydraulischen Pressen) dargestellt wird, etwa
                              in der Mitte zwischen filtrirtem Dicksaft und dem entsprechenden vom J. Product
                              abcentrifugirten Syrup. Ja, es dürfte manche Dicksäfte von nur wenig höherem
                              Quotienten geben. In der That tritt auch hier bei einer kleinen Probe die
                              Krystallisation nach dem Abkühlen sehr bald und befriedigend ein.
                           III. Es wurde hiernach noch eine Anzahl von Versuchen mit anderen Verhältnissen
                              zwischen Melasse, Kalk und Spiritus angestellt, und dabei namentlich die Wirkung
                              größerer Kalkzusätze einerseits und die Möglichkeit eines geringeren
                              Spiritusverbrauches andererseits im Auge behalten. Allein sämmtliche Versuche ohne
                              Ausnahme lieferten viel ungünstigere Resultate als die oben angeführten und es kann
                              daher bis auf Weiteres
                              das bei Versuch II in Anwendung gebrachte Gemisch als das beste betrachtet werden,
                              welches für die gegebenen Substanzen sich finden läßt. Die folgenden Versuche sind
                              denn auch mit diesem angestellt worden.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)