| Titel: | Ueber das Perier-Possoz'sche Verfahren der doppelten Carbonatation; von R. Riedel, Ingenieur in Halle a. S. | 
| Autor: | R. Riedel | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. L., S. 217 | 
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                        L.
                        Ueber das Perier-Possoz'sche Verfahren der doppelten Carbonatation; von R. Riedel, Ingenieur in Halle a. S.
                        Riedel, über das Perier-Possoz'sche Verfahren der doppelten
                           Carbonatation.
                        
                     
                        
                           Das in dieser Zeitschrift öfter erwähnte Verfahren der Herren Perier und Possoz zur Reinigung der Rübensäfte
                              vor der FiltrationMan sehe den zuletzt über dieses Verfahren erstatteten Bericht von Dumas, Pelouze und Payen im polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 388. ist jetzt in zwei renommirten Fabriken des Zollvereins eingeführt, und hat
                              sich in beiden als eine entschiedene Verbesserung der bisher üblichen
                              Fabricationsmethode bewährt.
                           In der Zuckerfabrik der Herren A. L. Sombart und Comp. in Ermsleben am Harz werden Rüben verarbeitet, die
                              unreif eingemiethet und viel stärker ausgewachsen sind, als dieß in früheren Jahren
                              der Fall war. Es muß daher dem Possoz'schen Verfahren
                              zugeschrieben werden, wenn die Arbeit trotzdem eine vorzügliche ist, und die Säfte
                              bei über 60 Proc. Ersparniß an Knochenkohle viel blanker, reiner und Heller sind,
                              als sie sonst in guten Jahren bei frischen, reifen Rüben und dem dreifachen Quantum
                              Knochenkohle waren.
                           Da etwa 40 bis 50 Proc. Wasser auf die Rüben gelassen werden, so werden bei 20 Proc.
                              Rückständen, 85 Saft für 100 Rüben gewonnen. Die Polarisation ergibt einen mittleren
                              Zuckergehalt im unverdünnten Safte von 11,3 Proc., die Brix'sche Spindel zeigte 14,5 Grad. Trotz dieses ungünstigen Gehaltes an
                              Zucker und Nichtzucker ist die Ausbeute an Füllmasse und Zucker eine sehr
                              befriedigende. Die möglichst stramm herangekochte Masse hat noch in keiner Woche
                              unter 11 Proc. vom Gewichte der Rüben betragen, wovon durchschnittlich 6,8 erstes
                              Product und 1,8 geschleudertes zweites und drittes, zusammen also 8,6 Zucker
                              erhalten wurden.
                           Während man bisher nur drei Producte machte, wird die Fabrik von jetzt ab mindestens
                              vier gewinnen können, da das dritte viel schneller auskrystallisirt als früher und
                              die Melasse noch zu rein ist, um sie an die Brennerei zu verkaufen.
                           Die Zucker sind heller und schöner als die früher erhaltenen, dabei von vorzüglichem
                              Geschmack und Geruch und enthalten weniger Kalk, als Rübenrohzucker gewöhnlich
                              enthält. Die Halle'sche Zuckersiederei-Compagnie
                              hat 500 Ctr. davon, welche aus allen Producten gemischt waren, getrennt verarbeitet
                              und bezeugt ihre besondere Zufriedenheit mit der Art, wie sich der Zucker ohne
                              Klärung mit Blut unter Anwendung von circa 25 Proc.
                              Kohle raffinirt hat.
                           Die grünen Syrupe aller Producte sind reinschmeckender und kürzer als die nach der
                              bisherigen Methode erhaltenen.
                           Diesen erfreulichen Resultaten gegenüber konnte der Verfasser dieses, welcher vom
                              Directorium des Vereins für Rübenzuckerindustrie im Zollverein zur Berichterstattung
                              nach Ermsleben geschickt wurde, nur ein durch- aus günstiges Urtheil über das
                              neue Verfahren abgeben. Derselbe hält sich verpflichtet, den von ihm erstatteten
                              Bericht auch weiter zu vertreten und das Verfahren Angriffen gegenüber, die dasselbe
                              früher erfahren hat, zu vertheidigen, um so mehr als dieselben ihren Grund in
                              mißglückten Versuchen im Kleinen haben, welche in einer dem Possoz'schen Verfahren nicht entsprechenden Weise veranstaltet wurden. Die
                              überzeugendste Wirkung auf alle etwaigen Gegner des Verfahrens wird indessen die
                              eigene Anschauung der Arbeit in der Ermslebener Fabrik ausüben, und da dieselbe
                              jedem Fabrikanten gegen billige Bedingungen gestattet ist, so darf ich mich darauf
                              berufen.
                           Hier will ich versuchen, die wesentlichen Vortheile, welche das neue Verfahren
                              gewährt, durch einige Worte klar zu machen.
                           Wenn man nach der jetzt gebräuchlichen Methode geschiedenen, etwa zwei Tausendtheile
                              Kalk enthaltenden Scheidesaft mit Kohlensäure bis zur „Probe“
                              saturirt, so enthält derselbe nach erfolgtem Absetzen im klaren Safte noch fast die
                              Hälfte der vor der Saturation darin vorhandenen Kalkmenge. Der Scheidesaft wird
                              durch die Saturation zugleich um circa 20 Proc.
                              entfärbt. Saturirt man weiter als bis zum Erscheinen jener Probe, so werden die
                              Säfte gewöhnlich wieder dunkler und trüber; man gelangt aber selbst durch einen
                              großen Ueberschuß von Kohlensäure nicht dahin, den Kalkgehalt unter eine gewisse
                              Grenze zu vermindern. Der dann noch im Safte enthaltene Kalk ist also in einer
                              Verbindung darin vorhanden, welche durch die Kohlensäure unter den bei dem alten
                              Verfahren statthabenden Bedingungen nicht zerlegt wird. Es sind dieß längst bekannte
                              Thatsachen, die ich jedoch hier von Neuem constatire. Ich habe der Vergleichung
                              wegen auch in einer anderen als der Ermslebener, in der renommirten Halle'schen Fabrik den Kalkgehalt und die Entfärbung der
                              Säfte nach der Saturation bestimmt. Die Ergebnisse mehrerer in Halle darüber
                              angestellten Versuche schwanken wenig und zeigen für durch Papier filtrirten
                              Scheidesaft 1,85 pro mille Kalk, und für ebenso
                              behandelten Saft nach rechtzeitig beendeter Saturation 0,82 pro mille. Die Entfärbung durch die Saturation betrug mit großer
                              Regelmäßigkeit etwa 24 Proc., es blieben also noch 76 Proc. Färbung.Die Entfärbung wurde unter Zugrundelegung des Scheidesaftes als
                                    Normalflüssigkeit mit dem Decolorimeter gemessen.
                              
                           Diese 76 Proc. Färbung und obige 0,82 Proc. Kalk müssen nun nach der bisherigen
                              Methode durch die Knochenkohle bis auf das verlangte geringste Maaß aus dem Safte
                              entfernt werden, und von diesen Mengen hängt hauptsächlich das anzuwendende Quantum
                              Knochenkohle ab.
                           Sehen wir nun, wie sich diese entscheidenden Zahlen nach dem Possoz'schen Verfahren stellen.
                           Zur besseren Vergleichung wurden in Ermsleben auf den Scheidesaft von ein und
                              derselben Pfanne die alte Saturation und die doppelte Carbonatation angewandt, und
                              in beiden Säften, nachdem die genommenen Proben durch ein Papierfilter gelaufen und
                              ihnen vier Stunden Zeit zum etwaigen Nachdunkeln gelassen waren, der Kalkgehalt
                              mittelst Normal-Schwefelsäure und die Entfärbung mit dem Decolorimeter
                              bestimmt. Der Scheidesaft enthielt 1,68 Tausdthl. Kalk und seine Farbe diente im
                              Decolorimeter als normale. Es ergaben sich folgende Zahlen, welche den schlagendsten
                              Beweis für die Vorzüge des neuen Verfahrens bilden:
                           
                              
                                 Saft von der
                                       gewöhnlichenSaturation.
                                 Saft von der
                                       zweitenCarbonatation.
                                 
                              
                                 Kalkgehalt
                                 0,80 Tausendth.
                                 0,24 Tausendtheile
                                 
                              
                                 Entfärbung gegen Scheidesaft
                                 23 Proc.
                                               
                                    70 Proc.
                                 
                              
                                 Färbung (Scheidesaft = 100)
                                 77    „
                                               
                                    30    „
                                 
                              
                           Diese Unterschiede sind zu stark, um bezweifelt werden zu können; der bloße
                              Augenschein reicht vollkommen hin, um sie zu würdigen. Eines Decolorimeters bedarf
                              man dazu nicht. Der Saturationssaft ist verhältnißmäßig so dunkel, daß man ihn mit
                              fast zwei Volumen filtrirten Wassers verdünnen muß, um ihn an Entfärbung dem
                              Carbonatationssafte gleich zu stellen; das Feuer und die Schönheit des letzteren
                              erlangt er nie. Was folgt daraus für das anzuwendende Quantum Spodium? Da der Kalk
                              in den Ermslebener Säften sich zu demjenigen in den Säften der alten Saturation
                              verhält wie 24: 80 oder 30: 100, so wird man auch nur 30 Proc. der früher
                              angewendeten Menge Kohle nöthig haben, um denselben Grad von Kalkfreiheit in den filtrirten Säften zu
                              erreichen, welchen man nach der bisherigen Methode hat und haben muß, damit sich die
                              Säfte gut verkochen lassen. Da ferner die durch die Knochenkohle noch aus den
                              Ermslebener Säften zu entfernende Färbung sich zu der aus den Saturationssäften zu
                              entfernenden verhält wie 30: 77 oder wie 38: 100, so wird die früher erreichte
                              Farblosigkeit der filtrirten Säfte jetzt mit nur 38 Proc. des ehemals angewendeten
                              Spodiums erzielt werden können, und wäre dieses Quantum, wie oben berechnet, dann
                              auch zur genügenden Entkalkung mehr als ausreichend.
                           Die Erfahrung zeigt nun aber in Ermsleben, daß, wenn man wirklich bei dem Possoz'schen Verfahren noch diese 38 Proc. Knochenkohle
                              anwendet, die Säfte und Zucker bedeutend schöner werden als bei der dreifachen
                              Filtration. Unsere Rechnung ist also noch zu ungünstig für das neue Verfahren; sie
                              hat nur den Zweck, den durch dasselbe erreichten Fortschritt im Allgemeinen zu
                              versinnlichen.
                           Die Fabrik in Ermsleben rangirt niemals Kohle aus, und hat die für diese Campagne wie
                              sonst regelmäßig angekauften 500 Centner Kohle, der vorzüglichen Resultate des neuen
                              Verfahrens wegen, zurückgegeben. Es wird also die theilweise schon seit 1852 im
                              Gebrauch befindliche, sehr schwere Kohle (der Kubikfuß Pr. wiegt circa 75 Pfd. Zollgewicht) ganz ohne dießjährigen Ersatz
                              benutzt. Da ferner die Wiederbelebung von etwas mehr oder weniger Kohle bei der dort
                              bestehenden Einrichtung des Kohlenhauses wenig Mehrkosten verursacht, so ziehen die
                              Herren A. L. Sombart und Comp.
                              es vor, sich mit 60 bis 70 Proc. Ersparniß zu begnügen, und dafür bei den dieses
                              Jahr schlechteren Rüben bessern Zucker als in früheren Jahren bei guten Rüben zu
                              erzielen.
                           Wenn diese thatsächlichen Erfolge nicht überall erreicht worden sind, wo nach den
                              verschiedenen, in technischen Zeitschriften enthaltenen Beschreibungen des
                              Verfahrens dasselbe im Kleinen versucht wurde, so liegt dieß zum Theil daran, daß
                              das Verfahren in neuerer Zeit wesentliche Vervollkommnungen erfahren hat. Der
                              hauptsächliche Grund aber ist der, daß man sich nicht an die Vorschriften der
                              Erfinder gehalten, sondern auf andere Weise unrichtig experimentirt hat. Wer das
                              Verfahren versuchen will, muß bei dem rohen Saft anfangen, nach Vorschrift scheiden
                              und dann beide Carbonatationen mit genauer Beobachtung der von den Erfindern
                              gegebenen Anweisung und mit dem für eine jede Operation zweckmäßigen Kalkzusatz
                              ausführen.
                           Wer dagegen nach der bisherigen Methode bereits geschiedenen und saturirten, kurz,
                              bis zur Filtration ganz fertigen Dünnsaft nachträglich nach dem Possoz'schen Verfahren behandelt, der darf dem letzteren
                              keinen Vorwurf machen,
                              wenn er kein gutes Resultat erzielt. Es liegt in dem Mißglücken solcher Versuche nur
                              eine Bestätigung dafür, daß der Fabrikant, welcher das Possoz'sche Verfahren einführt, besser thut den Erfindern ein ihnen wohl
                              gebührendes Honorar zu zahlen und sich ordentlich zu instruiren und instruiren zu
                              lassen, als ein Paar hundert Thaler zu sparen und sich dafür Verlusten in der
                              Fabrication auszusetzen.Nach einer in Moigno's Cosmos erschienenen Notiz (welche in das Breslauer Gewerbeblatt
                                    und daraus in das polytechn. Journal Bd. CLXVI S. 159 überging) hat der
                                    französische Zuckerfabrikant Tilloy gesunden, daß
                                    die nach dem Perier-Possoz'schen Verfahren
                                    erhaltenen Zucker weniger rein schmeckend sind, als die mittelst der
                                    gewöhnlichen Entkalkung der Säfte durch Knochenkohle gewonnenen, daß sie
                                    über- dieß viel Kalk enthalten und das Wasser, worin man sie auflöst,
                                    trüben. Diese Behauptungen sind durch die vorstehend mitgetheilten Resultate
                                    genügend widerlegt.A. d. R.