| Titel: | Ueber die Siemens'schen Glasöfen; von H. Boetius. | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. LXIX., S. 283 | 
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                        LXIX.
                        Ueber die Siemens'schen Glasöfen; von H. Boetius.
                        Mit einer Abbildung.
                        Boetius, über die Siemens'schen Glasöfen.
                        
                     
                        
                           Die pyrotechnische Rundschau von C. Schinz, im zweiten
                              Novemberheft 1862 des polytechn. Journals (Bd. CLXVI S. 270), bringt eine Kritik der
                              Gasfeuerung mit Regeneratoren für Glasöfen von C. W. und F. Siemens in London, welche uns um so mehr einiger Berichtigungen zu
                              bedürfen scheint, als die dortige Behandlungsweise einer der bedeutendsten und
                              wohlthätigsten Erfindungen der Neuzeit für kurze Zeit zu Mißverständnissen führen
                              könnte.
                           Der Artikel wird mit den Worten eingeleitet: „Die Regeneratoren stammen als
                                 solche bekanntlich von Ericsson her.“
                              Schon diese ersten Worte enthalten einen Irrthum, welcher einem Manne wie Hrn. Schinz, der sich auf einen so hohen wissenschaftlichen
                              wie praktischen Standpunkt in der Lehre der Wärmekunde stellt und ein auf diesem
                              Felde so wichtiges Princip, wie das der sogenannten Regeneratoren, gründlich studirt
                              haben sollte, jedenfalls eine Blöße gibt.
                           Jedem, welcher sich eingehend mit diesem Gegenstande befaßt hat, sollte bekannt seyn,
                              daß das Princip der Regeneratoren schon lange vor Ericsson aufgestellt und in Anwendung gebracht worden ist.
                           
                           Die erste Aufstellung dieses Princips stammt von Dr. Stirling in Dundee her, welcher schon im Jahre 1816 ein
                              Patent in England hierfür nahm und es, bekannter Weise, in Gemeinschaft mit seinem
                              Bruder James Stirling, mehrfach bei calorischen Maschinen
                              anwandte. Ericsson's erstes, in England ertheiltes Patent
                              auf eine calorische Maschine ist vom Jahre 1833 datirt, und in dieser Maschine
                              existirt noch kein eigentlicher Regenerator, sondern ein Röhrenapparat, mittelst
                              dessen die aus der Maschine entweichende heiße Luft zum großen Theil ihre Wärme an
                              die Speiseluft abgibt. Erst ein zweites Ericsson'sches
                              Patent, im Jahre 1851 unter dem Namen von Dunn
                              herausgenommen, macht auf die Anwendung eines wirklichen Regenerators Anspruch.
                              Uebrigens nahm Hr. C. W. Siemens im Jahre 1847 ein Patent
                              für die Anwendung des Regenerativprincips auf Dampfmaschinen und Condensatoren, und
                              die praktischen Erfolge, welche Hr. Siemens damals
                              erzielte, wurden im Frühjahr 1850 von der Society of
                                 arts durch Ertheilung ihrer goldenen Medaille belohnt.
                           Die amerikanischen Zeitungen stellten zur Zeit des bekannten unglücklichen Versuches
                              von Ericsson, im Jahre 1852, ein Seeschiff durch
                              calorische Maschinen zu treiben, diesen zugleich als Erfinder des
                              Regenerativprincips auf, und aus dieser wissenschaftlichen Quelle scheint es uns,
                              daß Hr. Schinz seine Bekanntschaft mit dem Regenerator
                              geschöpft hat, weßhalb es nicht zu verwundern ist, daß, wie aus erwähnter Abhandlung
                              hervorleuchtet, das Princip desselben ihm unklar geblieben ist.
                           Zur Vervollständigung des geschichtlichen Verlaufes ist noch hinzuzufügen, daß, wie
                              das englische Patentbureau es constatirt, die Anwendung des Regenerativprincips für
                              Oefen zuerst von F. Siemens, im Jahr 1856, in Vorschlag
                              gebracht und patentirt wurde; ein ferneres Patent, welches C. W. Siemens im J. 1857 nahm, erweiterte die Erfindung, welche
                              schließlich durch gemeinschaftliche Patente vom Jahr 1861 diesen Herren in England,
                              Frankreich etc. als Eigenthum gesichert wurde.
                           Obgleich Hr. Schinz sich nicht sehr bestimmt über die
                              Wirkungsweise eines Regenerators ausgesprochen hat, so scheint doch aus dem ganzen
                              Zusammenhange seiner Kritik hervorzugehen, daß er dieselbe nur sehr unvollständig
                              aufgefaßt hat. Ein eingehendes Studium der Sache würde Hrn. Schinz überzeugen, daß seine Annahme – die Temperatur der Esse,
                              sowie der durch die Regeneratoren erhitzten Gase und der Luft, sey schnellen
                              Veränderungen unterworfen – ganz unbegründet, ja sogar falsch ist.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 167, S. 285
                              
                           In jedem Regenerator muß, wie leicht verständlich, unter Voraussetzung hinreichender
                              Größe der Oberflächen, die Temperatur der darin enthaltenen Körper von einem,
                              graphisch durch a b dargestellten Maximum, welches der
                              Ofentemperatur nahe kommt, auf ein Minimum g h, welches
                              sich in irgend einer Höhe des Regenerators befindet und, annähernd, entweder gleich
                              der Temperatur der abgekühlten Gase oder der atmosphärischen Luft ist, abnehmen.
                              Beim Durchströmen der heißen Verbrennungsproducte wird die Maximaltemperatur a b immer tiefer in den Regenerator hineindringen,
                              ebenso die Minimaltemperatur g h mit gleicher
                              Geschwindigkeit sich immer mehr dem Boden des Regenerators nähern. Beim umgekehrten
                              Durchströmen der kalten Luft und der Gase hingegen, wird die Minimaltemperatur,
                              welche beim vorhergehenden Proceß z.B. bis i k, und die
                              Maximaltemperatur, welche bis e f hinuntergedrungen ist,
                              wieder im Regenerator hinaufsteigen und nach und nach ihre anfängliche Position
                              einnehmen. So lange nun jedesmal die Stromrichtungen der verschiedenen Gase nur so
                              zeitig gewechselt worden, daß stets Maximalwie Minimaltemperatur in den Grenzen des
                              Regenerators bleiben, müssen nothwendigerweise die Temperatur der Esse sowohl, wie
                              diejenige der in den
                              Ofen gelangenden erhitzten Luft und Gase, wenigstens innerhalb sehr enger Grenzen, constant bleiben.
                           Hr. Schinz nimmt ferner an: daß die Temperatur der in die
                              Esse entweichenden Gase 1000° C. erreicht; schon das Vorhergehende beweist,
                              unserer Ansicht nach, die völlige Unrichtigkeit dieser Annahme, während zudem noch
                              die Erfahrung bestätigt, daß jene Temperatur 200° C. nie überschreitet. Die
                              Annahme dieser hohen Temperatur in der Rechnung führt Hrn. Schinz dann zu so widersinnigen Schlüssen, daß wir es unerklärlich finden
                              würden, wie es möglich ist, daß dieselben ihn nicht stutzig gemacht haben, wenn wir
                              nicht glaubten, daß alle dortigen Berechnungen nur bloße Irrlichter seyn sollen.
                           Bei weiterem Studium der Regenerativ-Oefen würde Hr. Schinz seine Zweifel, ob mittelst derselben ein höherer Hitzegrad zu
                              erreichen sey, sofort fallen lassen, da doch das Princip an sich schon zu dem
                              nothwendigen Schlusse führt: daß die zu erreichende Temperatur nur durch den
                              Schmelzpunkt des Ofens selbst begrenzt ist. Die Regenerativ-Oefen haben sich
                              außerdem schon so vielfach in den vorzüglichsten Werken Englands, Frankreichs und
                              selbst Deutschlands bewährt, daß eine noch nähere eingehende Rechtfertigung des
                              Princips, gegen oberflächliche Angriffe, uns nicht nöthig erscheint.
                           Außerdem ist der Gegenstand durch einen Vortrag von Hrn. Faraday in der Royal Society sowie von Hrn. C.
                                 W. Siemens in einer Mittheilung an die Institution of mechanical engineers, bereits sehr
                              eingehend erörtert worden.
                           London, im Januar 1863.