| Titel: | Ueber Producte, welche bei der fabrikmäßigen Darstellung von Anilin erhalten werden; von Dr. C. Kraut. | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. LXXVIII., S. 305 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber Producte, welche bei der fabrikmäßigen
                           Darstellung von Anilin erhalten werden; von Dr. C. Kraut.
                        Aus dem Archiv der Pharmacie, 1862, Bd. CXI S.
                              97.
                        Kraut, über Producte, welche bei der fabrikmäßigen Darstellung von
                           Anilin erhalten werden.
                        
                     
                        
                           Haarstick, Chemiker der Waltjen'schen Fabrik in Bremen, bemerkte, daß beim Rectificiren von
                              Anilin, das nach Béchamp's Methode aus Nitrobenzol
                              reducirt war, gegen Ende der Destillation ein in der Vorlage erstarrendes Product
                              übergieng, welches er dem Verf. behufs weiterer Untersuchung übergab. Die rohe
                              butterartige Masse gerieth erst bei etwa 275°C. in volles Sieden; sie wurde
                              durch einmaliges Destilliren fast ungefärbt erhalten, während Theer zurückblieb. Das
                              Destillat wurde mit Salzsäure und Wasser bis zur Lösung erhitzt, von einer kleinen
                              Menge kohliger Substanz abfiltrirt und in die Kälte gestellt. Es erstarrte hierbei
                              zum Krystallbrei, der gesammelt und einigemale mit kaltem Wasser gewaschen
                              wurde.
                           
                           Beim Umkrystallisiren zeigte sich, daß der Krystallbrei zwei verschiedene Substanzen
                              enthielt, eine in Nadeln krystallisirend, leicht löslich in kochendem Wasser, ohne
                              vorher zu schmelzen und bei geringer Abkühlung sogleich krystallisirend, eine andere
                              in derben, zusammenhängenden Körnern anschießend, die in kochendem Wasser zum Oel
                              schmolzen, sich in mäßiger Menge lösten und erst mehrere Stunden nach völligem
                              Erkalten der Flüssigkeit wieder krystallisirten. In Folge dieses Verhaltens gelang
                              die Trennung durch Umkrystallisiren aus kochendem Wasser. – Beide Substanzen
                              zeigten sich frei von Salzsäure und Schwefelsäure, und konnten nicht mit diesen
                              Säuren verbunden erhalten werden.
                           Die Nadeln schmelzen bei etwa 140°C., sublimiren
                              bei stärkerem Erhitzen und werden beim Auflösen des Sublimats in kochendem Wasser
                              und Erkalten unverändert erhalten. Ihre wässerige Lösung färbt Chlorkalk nicht. Sie
                              lösen sich in Vitriolöl und werden durch Wasser unverändert gefällt, in rauchender
                              Salpetersäure, ohne daß diese Lösung durch Wasser eine Fällung erleidet, in
                              Weingeist und Aether. Mit Vitriolöl und zweifach-chromsaurem Kali wird die
                              Anilinreaction nicht erhalten. Bei den Stickstoffbestimmungen mit Natronkalk liefern
                              sie in der vorgeschlagenen Säure Anilin. Da hiernach vermuthet werden konnte, daß
                              sie ein Anilid seyen, versuchte der Verfasser sie durch Erhitzen auf 175°C.
                              mit weingeistigem Barythydrat im zugeschmolzenen Rohre zu zerlegen, erhielt aber der
                              kleinen Menge wegen, die zu dem Versuche angewandt werden konnte, keine
                              entscheidenden Resultate. Der Inhalt des Rohrs ließ beim Destilliren eine sehr
                              schwach alkalische Flüssigkeit übergehen, in der sich beim Stehen Krystallflittern,
                              vielleicht der unveränderten Substanz, bildeten. Das Destillat gab mit einigen
                              Tropfen Chlorkalk versetzt einen weißlichtrüben Niederschlag, der an der Luft braun
                              wurde und sich in Salzsäure zur schönrothen Flüssigkeit löste. Es färbte sich mit
                              Eisenchlorid in Berührung nach einigen Stunden weinroth und reducirte aus
                              salpetersaurem Silberoxyd einen Metallspiegel. Vielleicht sind diese Reactionen
                              einem sehr kleinen Anilingehalte in der weingeistigen Flüssigkeit zuzuschreiben. Der
                              bei der Destillation bleibende Rückstand wurde durch Einleiten von Kohlensäure vom
                              Aetzbaryt befreit. Nach dem Abfiltriren des kohlensauren Baryts blieb ameisensaurer
                              Baryt gelöst, kenntlich an seinem Verhalten gegen Eisenoxyd- und Silbersalze,
                              an dem Geruche der durch Schwefelsäure freiwerdenden Säure.
                           Die Analysen der Nadeln gaben keine übereinstimmenden Resultate, vielleicht weil die
                              von verschiedenen Krystallisationen herrührende Substanz nicht ganz gleichartig war.
                              Zu der dritten Analyse waren sie einige Stunden bei 100°C. getrocknet, erst
                              später erkannte der Verfasser, daß sie bei dieser Temperatur schon langsam verdampfen.
                              Die zu den übrigen Analysen benutzte Substanz war über Vitriolöl getrocknet.
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 IV.
                                 V.
                                 
                              
                                 C 
                                 71,78
                                 72,44
                                 70,69
                                 73,11
                                 69,69
                                 
                              
                                 H 
                                   7,55
                                   7,57
                                   7,41
                                   7,88
                                   7,53
                                 
                              
                                 N 
                                   4,53
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                           Die oben erwähnten Krystallkörner wurden nur in kleiner, zu einer Analyse
                              hinreichender Menge erhalten. Sie schmolzen bei 104–5° (corrigirt
                              105°,5 bis 106°,5), färbten Chlorkalk nicht und gaben wie die Nadeln
                              beim Erhitzen mit Natronkalk Anilin. Nach dem Trocknen über Vitriolöl wurden bei
                              ihrer Analyse 71,33 Proc. C, 6,84 H und 4,50 N, aus einer zweiten Krystallisation 68,67 Proc. C und 6,81 Proc. H
                              erhalten.
                           In den salzsauren Mutterlaugen, aus welchen die beschriebenen beiden Substanzen
                              entfernt waren, wurde vergeblich nach Benzidin gesucht. Mit Natronlauge destillirt
                              ließen sie viel Anilin übergehen, auf der rückständigen Flüssigkeit schwamm eine
                              braune Masse, die abfiltrirt, in Salzsäure löslich gefunden und durch öfteres
                              Ausfällen mit Natronlauge als zimmtbraunes Pulver erhalten wurde. Ihre salzsaure
                              Lösung mit Platinchlorid versetzt, gab einen amorphen, braunen, in Weingeist,
                              überschüssigem Platinchlorid und kochendem Wasser löslichen Niederschlag, der 24,6
                              und 23,6 Proc. Platin hielt.
                           Durch die vorstehenden Versuche war das erhaltene Material verbraucht. Sie genügen
                              nicht zur Feststellung von Formeln für die beschriebenen Körper, aber der Verfasser
                              hält sie für geeignet zu zeigen, daß der Proceß der Anilinbildung verwickelter ist,
                              als man gemeiniglich annimmt, und zur Bildung mannichfacher Nebenproducte Anlaß
                              gibt. Auffallend ist es, daß weder Benzidin, noch Azobenzid oder Azooxybenzid in der
                              untersuchten Substanz gefunden wurden.