| Titel: | Ueber Ventilation und Erleuchtung von Gebäuden in London und Paris; vom Landbaumeister Hesse in Breslau. | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. LXXXVII., S. 337 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXXVII.
                        Ueber Ventilation und Erleuchtung von Gebäuden in
                           London und Paris; vom Landbaumeister Hesse in
                           Breslau.
                        Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1862, Nr.
                              22.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Hesse, über Ventilation und Erleuchtung von Gebäuden in London u.
                           Paris.
                        
                     
                        
                           Luft und Licht sind Haupterfordernisse zu einem gedeihlichen Leben für alle
                              organischen Wesen und so auch vor Allem für den Menschen. Sie werden aber um so
                              dringender, je mehr Menschen bei einander wohnen und je größer die Städte werden,
                              welche schon durch ihre Ausdehnung und Ausdünstung um so weniger der reinen, freien
                              Luft Zutritt in die Straßen, geschweige denn in die Wohnräume lassen. Demgemäß sind
                              London und Paris als die größten Städte Europas auch diejenigen, welche das
                              Bedürfniß nach Luft und Licht am meisten rege erhalten und sich besonders bestreben,
                              durch künstliche Vorrichtungen in jeder Beziehung das zu ersetzen, was dem Bewohner
                              des Landes von selbst zufällt.
                           Genügen nun derartige Vorrichtungen für Beschaffung von Licht und Luft schon in
                              Räumlichkeiten, in welchen namentlich des Abends und zur Nachtzeit Tausende von
                              Menschen sich zusammenfinden, wie in Theatern, Gesellschafts- und
                              Concertsälen, so werden sie in anderen untergeordneter Natur sicher ebenfalls
                              ausreichen. So sind es in London die großen, erst vor einigen Jahren erbauten
                              Gesellschafts- und Tanzsäle im Buckinghampalast der Königin von England,
                              welche mit dem Neuesten auf diesem Gebiete ausgestattet sind.
                           Der große Thron- und Musiksaal dieses Palastes steht in Verbindung mit der
                              Menge von prachtvoll ausgestatteten Luxusgemächern, Gallerien und anderen Sälen, und
                              wird bei einer Größe von circa 90 F. Länge, 60 F. Breite
                              und 40 Fuß Höhe am Tage durch 14 Fenster, welche circa
                              25 Fuß über dem Fußboden beginnen, erleuchtet. Bei festlichen Gelegenheiten dagegen
                              wird dieser Raum durch 21 Sonnenlichter und 10 Armleuchter mit je 30 Wachskerzen
                              erhellt. Diese 21 Sonnenlichter sind theils vor den 14 Fenstern, theils in der Decke
                              an 7 Stellen angebracht. Ein solches Licht besteht aus einer Menge von Gasbrennern,
                              welche mit ihren schlitzartigen Oeffnungen so angebracht sind, daß eine Flamme die
                              andere berührt und so sämmtliche Flammen zusammen einen Lichtstreif oder Lichtkranz
                              bilden. Vor jedem der Fenster ist ein Röhrensystem nach Anleitung von Fig. 21
                              angebracht, welches 312 Gasflammen trägt; mithin sind in allen diesen Fenstern
                              312 × 14 = 4368 Flammen. Außerdem sind die an der Decke angebrachten 7
                              Sonnenlichter, jedes mit 20 + 10 = 30, im Ganzen also mit 30 × 7 = 210
                              Gasbrennern versetzen, wonach die Zahl aller Gasflammen 4368 + 210 = 4578 beträgt.
                              20 der an den Sonnenlichtern angebrachten Flammen sind in einem hohlen Krystallknopf
                              eingeschlossen, der, mit Prismen geschmückt, unten in einer Glaskugel endigt, welche
                              wiederum 10 Brenner umgibt. Ueber allen diesen Flammen befindet sich eine inwendig
                              weißgestrichene Glocke, welche an einer 5 Zoll weiten Röhre hängt, die im Dachboden
                              in einen Kegel mündet, an dessen oberem Ende das 12 Zoll weite Abzugsrohr angebracht
                              ist. Diese Theile sind sämmtlich von Eisenblech gefertigt. Ein Bild dieser
                              Einrichtung gibt die Skizze in Fig. 22.
                           Tageshelle verbreiten diese Flammen und erzeugen dabei im Saal nicht die geringste
                              Hitze, da sie sich außerhalb des Saales befinden, wohl aber eine vorzügliche
                              Ventilation, wozu die in den Fenstern sich befindenden noch wesentlich beitragen.
                              Das schon erwähnte Gasröhrensystem ist hier zwischen Doppelfenstern angebracht, von
                              denen die inwendigen matt geschliffen sind, und daher die Flammen nicht in einzelnen
                              Strahlen, sondern zerstreut als ein einziges Licht in den Saal fallen lassen. Vor
                              den äußeren befindet sich dagegen ein zum Aufziehen eingerichtetes Rouleau, das von
                              Gutta-percha und nach innen zu weiß ist. Jeder dieser Fensterkästen erhält
                              die zum Verbrennungsproceß nöthige Luft aus dem Saale durch unten in der Mauer
                              liegende Canäle, welche unter dem Fußboden sich hinziehend an den Wänden des Saales
                              mit verschließbaren Oeffnungen münden. Die durch 312 Flammen erwärmte Luft wird
                              durch einen im Fensterkasten oben angebrachten Schlot von 6 und 8 Zoll Weite im
                              Rechteck, der bis über das Dach hinaus geführt ist, abgeleitet.
                           Dieses in London schon seit ein Paar Jahren durchgeführte Erleuchtungs- und
                              Ventilationssystem ist in noch erhöhterem Maaße in Paris ausgebildet, und zwar bei
                              den beiden erst im vorigen Sommer vollendeten neuen Theatern, dem Théâtre Impérial du Châtelet
                              und dem Théâtre de la Gaîté,
                              beide im August vorigen Jahres eröffnet.
                           Das erstgenannte dieser Theater ist das ältere, und fast ausschließlich durch ein in
                              der Decke angebrachtes Sonnenlicht, wie Fig. 23 zeigt,
                              erleuchtet. Die Gasflammen desselben bilden, indem sie drei kreisrunden Gasröhren
                              entströmen, die so über einander gelegt sind, daß die unterste größer als die
                              darüber liegende und diese wiederum größer als die oberste ist, eine Pyramide, deren
                              Gesammtlicht, herunter geworfen von einem über ihr hängenden, inwendig weiß
                              lackirten Schirm von Eisenblech und durch eine darunter liegende flache Kuppel von
                              matt geschliffenem und gemustertem Glase fallend, ein Sonnenlicht von bedeutender Wirkung ergiebt.
                              Genannte Glaskuppel, deren Gerippe von Eisen ist, bildet gleichzeitig das Centrum
                              der den ganzen Zuschauerraum überspannenden, ebenfalls eisernen, flachen Kuppel und
                              schließt sonach alle durch die Flammen erzeugte Hitze von diesem ab. Andererseits
                              wird selbige durch eine zweite über der Peripherie der ersteren im Dachboden sich
                              erhebende, massiv eiserne Kuppel in ihrer Ausdehnung derartig beschränkt, daß alle
                              erwärmte Luft nur durch einen oben auf der Kuppel angebrachten und über das Dach
                              hinausreichenden, schornsteinartigen Aufsatz entweichen kann. Gleichzeitig führen
                              eine Menge Luftcanäle, die am Fuß des zwischen beiden Kuppeln führenden Raumes
                              münden, fortwährend andere Luft aus dem Theater zu, wodurch in diesem selbst eine
                              stets lebhafte Ventilation hervorgerufen wird.
                           Die Aufnahmeöffnungen dieser Canäle sind im Zuschauerraume theils im Fußboden des
                              Parquets, theils in den Brüstungen der Logen und Gallerien angebracht, welche zu
                              diesem Zweck von Eisenblech, hohl und an den Außenflächen mit durchbrochenen
                              Verzierungen construirt sind, so daß keinerlei Zugluft die Zuschauer treffen und
                              belästigen kann. Der Feuersgefahr wegen wird, wenn das Theater geschlossen ist, der
                              Zuschauerraum von der Bühne durch ein Drahtnetz getrennt; auch hier sind alle
                              Gallerien und Treppen, sowie die Schnürböden von Eisen construirt. Die Lampen am
                              Orchester zur Erhellung der Bühne sind in eisernen, nach einer Seite mit Glas
                              geschlossenen Kästen angebracht, so daß die strahlende Hitze die auf der Bühne
                              agitirenden Personen nicht treffen kann, und somit auch die Tänzerinnen vor dem
                              Anbrennen leichter Kleidungen geschützt sind. Der Grundriß des Theaters ist im
                              Allgemeinen so arrangirt, daß hinter der Bühne sich ein Hof befindet, von welchem
                              aus auf einer Rampe Pferde zur Bühne gebracht werden können, und welcher dabei noch
                              die besondere Bestimmung hat, in ihm eine großartige Gaserleuchtung zu arrangiren
                              und Feuerwerke abzubrennen.
                           Das zweite, vier Wochen später eröffnete Theater ist das in der Beleuchtung noch
                              reicher ausgestattete Théâtre de la
                                 Gaîté; denn wie das eben beschriebene Theater nur durch ein Sonnenlicht beleuchtet wird, sind deren hier eine
                              ganze Anzahl in der vielfach durchbrochenen Decke angebracht. Im Centrum gibt in
                              einer Oeffnung von circa 15 Fuß Durchmesser ein
                              Sonnenlicht von circa 250 Flammen die hauptsächlichste
                              Beleuchtung. Um dieses im Kreise sind sodann 8 Nebenöffnungen von 3 Fuß Durchmesser
                              mit je 36 Flammen, und über dem Gewölbe noch 16 Oeffnungen, von denen die 8 größeren
                              je 60, die anderen je 40 Flammen zählen, angebracht, wonach sich eine Gesammtsumme
                              von 1338 Flammen ergibt.
                              Rechnet man für den Consum einer Flamme per Stunde 2 1/2
                              Kubikf. Gas, und 1000 Kubikf. Gas zu dem Preise von 2 1/3 Thlr., so kostet mithin
                              die Beleuchtung des Zuschauerraumes in diesem Theater 7 7/9 Thlr. für die Stunde und
                              für einen Abend von Mündiger Spielzeit 23 1/3 Thlr. Eine Extrabeleuchtung des
                              Orchesters, wie der weit vorspringenden Ränge ist hier nicht nothwendig. Die
                              einzelnen Sonnenlichter, sowie die Ventilation sind nach demselben System, wie im
                              Théâtre Impérial du
                                 Châtelet angeordnet.
                           Die Vorzüge dieser Beleuchtung vor jeder anderen bisher angewendeten bestehen nach
                              dem Vorhergehenden in Kürze also darin, daß die einen Raum erleuchtenden Flammen,
                              indem sie außerhalb desselben angebracht sind, keine lästige Wärme erzeugen können
                              und daß diese vielmehr dazu nutzbar wird, den Raum, in welchem sie erzeugt wird, zu
                              einem wirkungsvollen Ventilator für das ganze Gebäude zu machen. Da sie noch
                              überdieß, wie bei einer Anlage in Doppelfenstern, auch die größere Billigkeit für
                              sich hat, dürfte sie also nicht allein in Theatern, sondern für alle größeren
                              öffentlichen Räume, wie denn auch besonders in Kirchen sehr zu empfehlen seyn. Die
                              große Feuersicherheit und die in solcher Vollkommenheit auf andere Weise nur sehr
                              schwer herzustellende Ventilation machen sie für Theater fernerhin sogar
                              unentbehrlich.
                           Was die Ventilation in Privatgebäuden betrifft, so ist sie zwar nicht in allen Räumen
                              ein so nothwendiges und dringendes Bedürfniß; jedenfalls wird sie aber in
                              Küchen- und Kellerräumen einer Beachtung werth seyn, zumal sie hier nur
                              selten schwierig herzustellen seyn dürfte. In England werden die
                              Privat-Wohngebäude meistens der Art gebaut, daß die Küche, obgleich im
                              Souterrain gelegen, immer unter einem wenigstens zum Theil mehr oder weniger
                              geneigten und gebrochenen Glasdache liegt, welches Licht in Fülle liefert. An der
                              gebrochenen Kante ist senkrecht eine 1 bis 1 1/2 Fuß hohe Glaswand eingelegt, deren
                              Scheiben von unten mittelst Schnüren zu öffnen sind, wodurch die gehörige
                              Ventilation stets nach Bedürfniß hergestellt werden kann. Diese wird in den
                              englischen Küchen andererseits aber auch bei dem nie fehlenden Spießfeuer durch den
                              Schornstein erzeugt. So findet man in der Küche eines Clubhauses zu London, genannt
                              Army and Navy, in welchem täglich für 100 bis 150
                              Personen gekocht wird, eine höchst praktische Vorrichtung. Hinter einem aufrecht
                              stehenden Rost von starken, gußeisernen Stäben ist das circa 4 Fuß breite, 3 Fuß tiefe und 9 Zoll starke, aus brennenden
                              Steinkohlen bestehende Spießfeuer kaminartig unter einem nach oben sich verjüngenden
                              Schornsteine angebracht, in welchem ein turbinenartiges Rad durch den Luftzug in
                              steter Bewegung erhalten wird. Die hierbei wirkende Kraft ist so bedeutend, daß ein
                              an diesem Rade mittelst Zahnrädern angebrachtes Vorgelege die sämmtlichen
                              Bratenspieße ohne Weiteres dreht. Den zum Kochen, Wärmen und Warmhalten der Speisen
                              nöthigen Dampf liefern zwei Dampfkessel von je 10 Fuß Länge und 2 1/2 Fuß
                              Durchmesser, und außerdem werden mehrfach angebrachte Kochlöcher zum Brennen von
                              Holzkohlen und Gas beim Kochen der Gemüse u.s.w. benutzt. Hierbei sind zwei
                              Einrichtungen als neu und eigenthümlich wiederum besonders erwähnenswerth. Die eine
                              bezieht sich auf die ungewöhnliche, und zwar nach hinten geneigte Lage der einzelnen
                              Stäbe des Rostes (Fig. 24), welche so die ganze Hitze der in den Kochlöchern kreisförmig
                              angebrachten Gasflammen hindurch lassen, ohne daß der davorstehende Koch hierdurch
                              nur im Geringsten belästigt wird. Alsdann wird das Gas nicht rein verbrannt, sondern
                              erst nachdem dasselbe mit atmosphärischer Luft gemischt ist, wodurch ein
                              Schwarzwerden der Gefäße oder Rußansetzen gänzlich verhütet wird. Ein zu diesem
                              Zweck eingerichteter Dreifuß (Fig. 25) in derselben
                              Küche war construirt aus drei von einer kreisrunden Gasröhre aufsteigenden inneren
                              Röhren, a, a, a, welche von den drei hohlen Füßen b, b, b des Dreifußes so bedeckt sind, daß die auf die
                              aufsteigenden inneren Gasröhren a angesetzten Brenner
                              sich in halber Höhe des Ganzen befinden. Etwas tiefer sind in die Wandungen der Füße
                              Löcher eingeschnitten, durch welche beim Ausströmen des Gases atmosphärische Luft
                              gleichzeitig eintreten und sich mit dem Gase mischen kann. Dieses Gemisch steigt in
                              den, alle drei Füße verbindenden und mit Löchern versehenen Röhrenkranz und brennt
                              aus diesen, ohne eine weiß emaillirte Platte nur im mindesten zu schwärzen. Auch
                              diese Einrichtungen dürften hier in Deutschland vielfach nachahmungswürdig und mit
                              Erfolg in Anwendung zu bringen seyn; jedenfalls kann man aber in ihnen ersetzen, wie
                              anscheinend kleine Sachen in der Technik nie zu unbedeutend sind, um nicht, mit
                              Verstand und Umsicht behandelt, Vortheile für das Leben und die Wohlfahrt der
                              Menschen aus sich ziehen zu lassen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
