| Titel: | Bemerkungen über Schwefelsäurebildung; von Dr. R. Weber. | 
| Autor: | R. Weber | 
| Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CXI., S. 453 | 
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                        CXI.
                        Bemerkungen über Schwefelsäurebildung; von Dr. R.
                              Weber.
                        Weber, Bemerkungen über Schwefelsäurebildung.
                        
                     
                        
                           Für den Proceß der Schwefelsäurebildung ist das Verhalten der Krystalle oder der
                              salpetrigen Säure zu Schwefelsäure von verschiedenen ConcentrationenMan s. die Abhandlung des Verf. „über die bei der
                                       Schwefelsäure-Fabrication beobachteten Krystalle“ im
                                    polytechn. Journal Bd. CLXVI S. 59. von Interesse. Es sollen im Folgenden noch einige hierauf bezügliche
                              Erscheinungen beschrieben werden.
                           In concentrirter englischer Schwefelsäure lösen sich bekanntlich die
                              Bleikammerkrystalle unzersetzt auf; die Lösung kann, ohne daß die salpetrige Säure
                              entfernt wird, destillirt werden, während die isolirten Krystalle schon durch
                              gelindes Erwärmen unter Entwickelung brauner Dämpfe sich zersetzen.
                           Es ist bemerkenswerth, daß selbst verdünntere Säuren von 1,7 bis 1,55 spec. Gewicht
                              die Krystalle in der Kälte unzersetzt lösen, und daß die Zersetzung erst beginnt,
                              wenn die Dichte der verdünnten Säure unter 1,55 bis 1,50, also unter die Dichte der
                              Kammersäure, gesunken ist. Die Lösung der Krystalle in den concentrirteren Säuren
                              wird, wie gleich näher erörtert werden soll, von schwefliger Säure nur schwierig
                              zersetzt.
                           Die Wechselwirkung zwischen der Untersalpetersäure und den verdünnten Schwefelsäuren
                              kommt bei dem Bleikammerprocesse zur Geltung.
                           
                           Fügt man Untersalpetersäure, welche durch gelindes Erwärmen von rauchender
                              Salpetersäure bereitet, jedenfalls noch etwas Salpetersäure enthalten hat, zu den
                              Schwefelsäuren von verschiedener Concentration, so zeigt sich Folgendes: englische
                              Schwefelsäure und Säure von 1,7 nimmt dieselbe auf, ohne sich zu färben; Säure von
                              1,55 wird gelb, die Untersalpetersäure ist also wahrscheinlich zum großen Theile
                              einfach absorbirt, wie von dem Salpetersäurehydrat, während wohl im ersten Falle
                              eine Spaltung derselben in salpetrige Säure und Salpetersäure eingetreten seyn mag.
                              Säure von 1,49 färbt sich grüngelb, von 1,41 intensiv grün, Säure von 1,31 dagegen
                              färbt sich blau und entbindet Stickoxydgas, das bei gelindem Erwärmen unter heftigem
                              Schäumen entweicht. Schwächere Säuren werden nur vorübergehend tingirt.
                           Demnach würde anzunehmen seyn, daß Säuren von 1,8 bis 1,7 die Untersalpetersäure
                              unter Erzeugung von Verbindungen der Schwefelsäure mit salpetriger Säure aufnehmen,
                              schwächere Säuren sie einfach absorbiren und die stärker verdünnten sie unter
                              Bildung von salpetriger Säure, Stickoxyd, zersetzen.
                           Die Einwirkung der schwefligen Säure auf diese Gemische ist je nach der Concentration
                              verschieden. Die Lösung der Bleikammerkrystalle in englischer Schwefelsäure wird,
                              selbst wenn das getrocknete Gas längere Zeit hindurchstreicht, nur unvollständig
                              zersetzt. Verdünnt man solche mit schwefliger Säure behandelte Lösung dann mit
                              Wasser, so gibt schon die Entwickelung brauner Dämpfe die Anwesenheit der
                              salpetrigen Säure zu erkennen. Es ist ein dem Fabrikanten lange bekanntes Factum,
                              daß eine mit salpetriger Säure verunreinigte, concentrirte Schwefelsäure durch
                              schweflige Säure nur schwierig zu reinigen ist. Dagegen wird das gelbe Gemisch von
                              1,55 spec. Gew. und die gefärbten verdünnteren Säuren unter heftigem Schäumen unter
                              Entbindung von Stickoxydgas zersetzt.
                           Vermischt man concentrirte Schwefelsäure mit wenig concentrirter Salpetersäure und
                              leitet in das Gemisch schwefligsaures Gas, so wird die Salpetersäure in der Kälte
                              nur zu salpetriger Säure reducirt, welche mit der Schwefelsäure verbunden bleibt.
                              Diese widersteht dann der ferneren Einwirkung der schwefligen Säure, wie die aus
                              concentrirter Schwefelsäure und den Bleikammerkrystallen bereitete Lösung. Die
                              verdünntere Säuren von den vorhergenannten Concentrationen, unter 1,7 spec. Gew.,
                              enthaltenden Gemische werden nach Maaßgabe ihrer Verdünnung mehr oder weniger leicht
                              zersetzt.
                           Bei der Erklärung des in den Bleikammern vorgehenden Processes kommen jene Thatsachen
                              in Betracht. Nach Peligot findet die Oxydation der
                              schwefligen Säure nur auf Kosten des Sauerstoffes der durch Zersetzung der
                              Untersalpetersäure mittelst Wasser regenerirten Salpetersäure statt, welche letztere
                              durch schweflige Säure wieder in Untersalpetersäure verwandelt wird, sich mit Wasser
                              in Stickoxyd und Salpetersäure umsetzt, ersteres den Sauerstoff der Luft aufnimmt
                              und auf diese Weise überträgt. Es ist hierbei auf das Vorhandenseyn der schon
                              gebildeten Schwefelsäure, deren Einfluß der Fabrikant wohl kennt, und deren
                              Verhalten zur Untersalpetersäure sehr in Betracht zu ziehen ist, nicht Rücksicht
                              genommen. Die verdünnte Schwefelsäure, mit welcher die Untersalpetersäure in
                              Berührung kommt, bewirkt die Bildung von salpetriger Säure neben Salpetersäure,
                              erstere wird bei Gegenwart von Schwefelsäure unter Bildung von Stickoxyd zersetzt.
                              Auch wird bei Gegenwart der Schwefelsäure die Salpetersäure zu Stickoxyd reducirt.
                              Die Quelle für jenes Gas ist nicht sowohl in der Zersetzung der Untersalpetersäure
                              mit Wasser, als eben in diesem Reductionsproceß zu suchen. Ueberhaupt spielt bei dem
                              Bildungsprocesse der englischen Schwefelsäure die salpetrige Säure eine wichtigere
                              Rolle, als ihr nach Peligot's Theorie beigemessen wird.
                              (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure.)