| Titel: | Der Bitterstoff des Hopfens, krystallinisch rein dargestellt; von Dr. J. C. Lermer. | 
| Autor: | Johann Karl Lermer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XVII., S. 55 | 
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                        XVII.
                        Der Bitterstoff des Hopfens, krystallinisch rein
                           dargestellt; von Dr. J. C. Lermer.
                        Lermer, über den Bitterstoff des Hopfens im krystallinisch reinen
                           Zustande.
                        
                     
                        
                           Die Allgemeinheit der Anwendung des Hopfens zur Bierfabrication, die bis jetzt
                              gänzlich ohne Erfolg gebliebenen Bestrebungen dafür ein Ersatzmittel aufzufinden,
                              stellen es als Thatsache hin, daß gewisse Bestandtheile desselben und das
                              Verhältniß, nach welchem diese sich darin vorfinden, Träger von Eigenschaften sind,
                              welche die Braumethode unserer Zeit nothwendig an die Verwendung des Hopfens ketten.
                              Während der Gerbsäure, als dem in seinen Wirkungen auf die Würze am vollständigsten
                              untersuchten Hopfenbestandtheil, beim Brauprocesse die Entfernung der
                              überschüssigen, die Haltbarkeit des Bieres in Gefahr bringenden proteinartigen
                              Körper als bestimmter Rayon ihrer Thätigkeit angewiesen ist, fallen ihren Begleitern im
                              Hopfen in ähnlicher Weise bestimmt abgegrenzte Aufgaben zu, deren Gesammtheit dem,
                              ursprünglich wohl für den angedeuteten Zweck fast instinctmäßig gewählten Hopfen,
                              vor allen bis jetzt erprobten ähnlichen Stoffen den ersten Rang vindicirt.
                           Unter diesen Bestandtheilen gesellt sich dem eben genannten Gerbsäuregehalt als für
                              die physiologische Wirkung des Bieres und dessen specielle Aufgabe als Aliment
                              wichtigster Bestandtheil, das Bitterprincip ebenbürtig zu. Unsere Kenntniß über
                              dieses ist kaum weiter gediehen, als unmittelbar diese Beziehung aussagt. Ives
                              Ives, Annals of
                                       Philosophy, new series, t. I p.
                                    194. sah 1821 zuerst die in den Hopfenkätzchen sich am Grunde der Deckschuppen
                              findenden Drüschen als Sitz dieses bitteren Körpers an und benannte das, als
                              Hopfenmehl bezeichnete, sich im trockenen Zustande leicht durch mechanische
                              Erschütterung von den Hopfendolden ablösende, gelbe, staubartige Pulver mit dem
                              Namen Lupulin. Es ist hierunter, wie die Endung des Wortes leicht verleiten könnte,
                              indeß durchaus nicht eine chemische Individualsubstanz, oder gar speciell ein
                              Alkaloid zu verstehen.
                           Das Ives'sche Lupulin ist nichts anderes als die genannten
                              Blüthen, histologische Elemente des Hopfenfruchtstaubes, gefüllt mit einer
                              zahlreichen Reihe chemisch verschiedener Substanzen (flüchtiges Oel, Harz, Wachs
                              etc.).
                           Demnach wäre es gemäß den Analogien des bitteren Princips im sogenannten Lupulin und
                              seinen physiologischen Wirkungen, daß dasselbe ein ausgeprägtes, selbstständiges
                              Glied sey, den chemisch vollständiger untersuchten und im isolirten Zustande bekannt
                              gewordenen Bitterstoffen sich anreihend.
                           Ich hatte mir die Aufgabe gestellt, diesen Körper, den Träger der Hopfenbitterkeit,
                              rein darzustellen und seine wesentlichsten chemischen Eigenschaften aufzudecken.
                              Meine dahin abzielenden Versuche, welche übrigens nicht geringe Ausdauer und
                              pecuniäre Opfer forderten, sind endlich soweit vom Erfolg gekrönt, daß ich den
                              genannten Bitterstoff des Hopfens als ein mit ausgezeichneter
                                 Krystallisationsfähigkeit ausgestattetes, chemisch selbstständiges
                                 Einzelglied von den zahlreichen, seine Isolirung so sehr erschwerenden
                              Begleitern abzuscheiden vermochte.
                           Der Weg, auf dem ich am schnellsten die Trennung und Reindarstellung dieses Körpers
                              – wenn es sich nur um seine alleinige Gewinnung mit Vernachlässigung der
                              Begleiter handelt – auszuführen lernte, ist der folgende.
                           Der nach Möglichkeit frische Hopfen wird zunächst mit Aether (im großen,
                              weißblechernen Scheidetrichter; ich arbeitete mit 15 Pfund Hopfen und circa 60 Pfund Aether) wiederholt extrahirt. Dieser
                              nimmt den ganzen Harzgehalt u.s.w. aus den Lupulinbläschen auf, einen tiefgrünen,
                              rothe Fluorescenz zeigenden Auszug bildend.
                           Derselbe, im Wasserbade abdestillirtEs ist hierbei nöthig, vor der Destillation eine Filtration durch Papier, im
                                    Gilm'schen Trichter leicht ohne Verlust
                                    ausführbar, einzuschalten, indem in der ätherischen Flüssigkeit suspendirt
                                    bleibende Partikelchen der Hopfendoldenblättchen etc. Veranlassung zu einem,
                                    die Destillation unmöglich machenden Stoßen geben. Senken sich die in der
                                    Flüssigkeit auf- und absteigenden Körperchen zu Boden, so sind sie
                                    bei jeder Berührung mit dieser Ursache einer vermehrten Dampfbildung und des
                                    damit zusammenhängenden explosionsartigen Stoßens der Flüssigkeit., hinterläßt eine dickflüssige, schmierige, schwarzgrüne Masse, in der sich,
                              nachdem sie eine Zeit lang (48 Stunden) sich selbst überlassen blieb, eine
                              beträchtliche Menge Myricin (palmitinsaures Myricyloxyd) ausscheidet. Beim Behandeln
                              mit kaltem Weingeist von 90 Procent bleibt dieses ungelöst und kann durch Auswaschen
                              damit, nöthigenfalls nochmaliges Umkrystallisiren aus heißem Alkohol, leicht völlig
                              weiß erhalten werden.
                           Die vom palmitinsauren Myricyloxyd abfiltrirte, alkoholische Lösung wird abermals
                              abdestillirt und nun von neuem in Aether aufgenommen. _ Diese ätherische Lösung ist
                              mit starker Kalilauge anhaltend und wiederholt zu schütteln, so lange, bis beim
                              Behandeln mit frischer Kali- oder Natronlauge diese keine tief gelbe Farbe
                              mehr annimmt. Durch diese Behandlung geht der größte Ueberschuß der nicht
                              krystallisirbaren, harzartigen Körper an die wässerige (untere) Kalischichte.
                           Wäre die wirksame Substanz im Hopfen, wie sie R. Wagner
                              angibt, Quercitrin, so müßte sich dasselbe in dieser alkalischen Flüssigkeit finden
                              und durch Säuren, wenn nicht andere Begleiter es verhinderten, als schweres
                              krystallinisches Sediment daraus abgeschieden werden.
                           Auf Zufügung von Säuren entstand eine gelblich weiße emulsionartige Flüssigkeit, auf
                              deren Oberfläche sich die aus dem Aetherauszuge aufgenommenen, harzähnlichen Körper
                              als eine schmierige, ziemlich dünnflüssige Masse ansammelten. Wenigstens kann darin
                              also Quercitrin, mit dem sie nichts anderes als die gelbe Farbe in alkalischer
                              Lösung gemein hat, nicht ausschließlich, oder als vorwiegender Bestandtheil
                              enthalten seyn. Eine weitere Zerlegung dieser Ausscheidung wird mein Studium noch
                              längere Zeit in Anspruch nehmen. Sie enthält dagegen noch eine sehr namhafte Menge
                              unseres neuen krystallisirbaren Bitterstoffes, den ich aber vor der Hand durch diese
                              Scheidungsmethode, um den Rest rein gewinnen zu können, aufopfern mußte.
                           In der über dem wässerigen Kali sich ansammelnden ätherischen Schichte findet sich,
                              nach mehrfacher Behandlung mit neuer Kalilauge, nun gleichfalls eine bedeutende
                              Menge von der unteren Schicht aufgenommenen Kalis, durch Harzbestandtheile und als
                              Verbindung mit unserem Bitterstoff in Aether löslich gemacht, eine stark alkalische
                              Reaction derselben bedingend.
                           Die ätherische, tief braun gefärbte Schichte wird nun mit reinem Wasser geschüttelt;
                              die in ihr gelösten Bestandtheile vertheilen sich dadurch nach dem Schütteln in den
                              sich bildenden beiden Schichten in einer solchen Weise, daß das Hopfenbitter
                              vorzugsweise an die untere wässerige Schicht tritt, die Begleiter aber größtentheils
                              von der oberen ätherischen Schichte zurückgehalten werden.
                           Es handelt sich nun darum, unseren Körper aus dieser alkalischwässerigen Lösung
                              weiters abzuscheiden. Für diesen Zweck vermischte ich dieselbe mit einer neutralen
                              Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd. Es entsteht dadurch in sehr reichlicher Menge
                              ein bläulicher Niederschlag, welcher zu Boden fällt, während die überstehende
                              Flüssigkeit eine tiefgrüne Farbe, durch auch von ihr stattfindende Kupferaufnahme
                              annimmt. Der erhaltene Niederschlag ist eine Verbindung des Hopfenbitters mit
                              Kupferoxyd. Er stellt feine, mikroskopische Nadeln dar. Durch Waschen mit Aether auf
                              dem Filtrum von der dunkelgefärbten Flüssigkeit, in der er sich ausschied, befreit,
                              nimmt er rasch eine schön blaue Farbe an; in größeren Mengen Aethers ist er indeß
                              völlig löslich, ein Beweis daß der Niederschlag kein ausgeschiedenes
                              Kupferoxydhydrat enthält, sondern gänzlich aus dem Kupfersalze des
                              Hopfenbitterstoffs besteht.
                           Die von dem wässerigen Alkali durch das ätherische Extract aufgenommene bedeutende
                              Kalimenge war also lediglich in der Form eines Kalisalzes im Aether löslich
                              geworden; durch die nachfolgende Behandlung mit CuO,
                              SO³ trat die Säure dieses Salzes an das CuO, damit den schwerlöslichen blauen
                              Niederschlag bildend; das Kali blieb als schwefelsaures Kali in der Flüssigkeit
                              gelöst. Scheidet sich dieses Kupfersalz aus der ätherischen Flüssigkeit, wenn auch
                              nicht von den Begleitern völlig befreit, langsam aus, so nehmen die
                              Krystallindividuen größere Dimensionen an, und die ganze Ausscheidung ist nach
                              Hinwegnahme der Mutterlauge mit Aether viel compacter und im mit Aether befeuchteten
                              Zustande von einer sehr feurig blauen Farbe. Diese wird jedoch beim Trocknen, in
                              Folge der Verdunstung des Aethers, matt und verliert, wenn nicht besonders schöne Ausbildung der
                              Krystalle erzielt wurde, viel von ihrer Ansehnlichkeit. Sie verhält sich darin ganz
                              ähnlich den als Tünche gebräuchlichen Wasserfarben, welche im feuchten Zustande
                              gleichfalls tief und satt gefärbt erscheinen, beim Trocknen aber abblassen und matt
                              werden. Die Flüssigkeit, aus der die Fällung durch schwefelsaures Kupferoxyd
                              geschah, setzt beim spontanen Verdunsten noch eine ziemliche Ausbeute schön
                              krystallisirten Kupfersalzes ab.
                           Aus diesem Kupfersalze haben wir unsern Körper nun wieder auszuscheiden. Die
                              Auflösung desselben in Aether wird für diesen Zweck mit einem Strom von
                              Schwefelwasserstoffgas behandelt, wodurch CuS niederfällt und die Lösung der reinen
                              Säure in Aether erhalten wird. War der blaue Kupferniederschlag nicht sorgfältig von
                              der dunkeln Flüssigkeit, worin er sich ausschied, befreit, so ereignet es sich, daß
                              Schwefelwasserstoff nicht den ganzen Kupfergehalt auszufällen vermag, indem das in
                              der Mutterlauge des blauen Niederschlags enthaltene lösliche Kupfersalz durch
                              Schwefelwasserstoff nicht zerlegt wird. Diesen Umstand hat man also sorgfältig zu
                              vermeiden.
                           Die erhaltene ätherische Lösung des reinen Hopfenbitterstoffes wird nun im
                              Kohlensäurestrom abgedunstet. Es resultirt nach Entfernung des Aethers ein bräunlich
                              gefärbtes syrupartiges Residuum, in welchem sich nach kurzer Zeit, 12–24
                              Stunden, an verschiedenen Punkten strahlenförmig Krystalle auszusondern beginnen,
                              die immer mehr zunehmen, bis endlich der ganze Rückstand völlig in eine strahlig
                              krystallinische Masse umgewandelt ist. Dieselbe ist indeß immer noch bräunlich
                              gefärbt, wenigstens in conpactem nicht gedrückten Zustande, bedingt durch einen
                              geringen Rückhalt fremder Bestandtheile. Der Entfernung dieser letzteren stellen
                              sich ungewöhnliche Schwierigkeiten entgegen, indem die geringe Menge Mutterlauge,
                              worin sich die Krystalle aussonderten, in allen gebräuchlichen Lösungsmitteln nahezu
                              gleiche Löslichkeit mit den Krystallen selbst hat, so daß an ein Beseitigen
                              derselben durch Auswaschen nicht zu denken ist. Ich habe nur ein Lösungsmittel auffinden können, welches in dieser Hinsicht für die
                              Krystalle und die Mutterlauge ein beachtenswertes verschiedenes Lösungsvermögen
                              besitzt; es ist dieses das Nitrobenzol.
                           Uebergießt man mit demselben die noch braungefärbte Krystallmasse, so wird die braune
                              Mutterlauge rasch aufgenommen, während die ausgeschiedenen Krystalle des
                              Hopfenbitters als weiße, glänzende Krystalle zurückbleiben. Da diese Krystalle
                              außerordentlich spröde sind, so ist ein Abpressen der Mutterlauge hier auch nicht am
                              Platze; sie würden dadurch zu einem feinen Pulver zerdrückt werden, das nun durch
                              seine Aufsaugungsfähigkeit die Wirkung des Pressens (zwischen Filtrirpapier) wieder aufheben und der
                              Entfernung der Mutterlauge entgegentreten würde.
                           Um dieses Hinderniß zu umgehen, habe ich es am zweckmäßigsten gefunden, die mit
                              Nitrobenzol zu einem breiartigen Magma angerührte, kristallinische Masse auf scharf
                              getrocknete, lockere Gypsplatten aufzutragen. Diese wirken hierbei in ähnlicher
                              Weise wie das Decken des Zuckers in den Zuckerraffinerien; die Mutterlauge wird
                              begierig von dem Gyps aufgesogen und die Krystalle unseres Bitterstoffes bleiben
                              unverletzt und trocken an der Oberfläche desselben zurück; ein nochmaliges
                              Befeuchten mit Nitrobenzol macht dieselben vollends weiß und wir haben in dieser
                              Form nach Abdunstung des Restes von Nitrobenzol endlich den reinen Körper unter
                              Händen. Selbst in diesem Zustande erhält sich derselbe aber nicht lange unverändert.
                              Er vergilbt schon binnen 12 Stunden und nimmt dabei zugleich eine weiche Consistenz
                              an.
                           Das dabei resultirende weiche Product scheint mir in einer directen Beziehung zu
                              stehen zu der Form, in welcher unser Körper in dem frischen Hopfen vorkommt. Es hat
                              dieselbe weiche, klebrige Form und die gelbe Farbe wie frische
                              Lupulin-Körperchen. Vielleicht ist diese umgeänderte Form nur ein
                              allotropischer Zustand, eine amorphe Modification der krystallisirten Substanz. Ich
                              habe dieselbe indeß auf diesem allerdings etwas weitläufigen Wege in einem solchen
                              Grade von Reinheit erhalten, daß sie aus den gewöhnlichen Lösungsmitteln beim
                              Verdunsten ihrer sehr ausgesprochenen Neigung zur Krystallisation Folge leisten
                              kann.
                           Nimmt man die an der Luft bereits wieder gelb gewordene Substanz mit Aether wieder
                              auf und läßt spontan verdunsten, so schießen große Nadeln des reinen Bitterstoffes,
                              umgeben von nur wenig gelblicher, amorpher, glasartiger Substanz an. In größeren
                              Mengen auf solche Weise eingedunstet, erhielt ich 3/4'' lange, sehr glänzende, etwa
                              1/8'' starke Prismen derselben, unter einer Decke des amorph gewordenen Körpers,
                              welche dieselben nun vor weiterer Umsetzung schützte.
                           Statt dieses Reinigungsverfahrens mit Nitrobenzol kann auch noch ein anderes dienen,
                              das indeß eine noch größere Einbuße an Substanz zur Folge hat. Nachdem man die
                              alkalische ätherische Schicht von der wiederholten Behandlung mit Kalilauge, mit
                              reinem Wasser geschüttelt hat, zerlegt man das vom Wasser aufgenommene, rohe Salz
                              unseres Körpers mit Schwefelsäure und nimmt mit Aether die mit den noch vorhandenen
                              Verunreinigungen zugleich ausgeschiedene feine Substanz auf. Wird diese ätherische
                              Lösung nun wieder mit CuO SO³ behandelt, so nehmen die Begleiter unseres
                              Bitterstoffs von demselben mit großer Begierde CuO auf, so daß die untere
                              Flüssigkeit stark sauer wird von in Freiheit gesetzter Schwefelsäure. Die ätherische Lösung
                              nimmt dadurch eine sehr tiefe und außerordentlich schöne rein grüne Färbung an. Läßt
                              man dieselbe jetzt wieder spontan verdunsten, so scheiden sich, wenn sie
                              dickflüssige Consistenz angenommen hat, zahlreich darin die Krystalle des reinen,
                              freien Hopfenbitterstoffes aus, eingebettet in das zähflüssige Stratum der
                              gefärbten, harzartigen Kupferverbindung. Die ganze Masse erhält dadurch sehr
                              täuschend das Ansehen des bekannten grünen Aventuringlases. In der eigenthümlichen
                              Consistenz des grünen Kupfersalzes liegt wohl hauptsächlich der Grund, daß in diesem
                              Falle die Molecüle unseres Körpers so frei ihrer Neigung zur Krystallbildung Folge
                              leisten können.
                           Die ausgeschiedenen Krystalle hat man nun durch Pressen von der grünen Mutterlauge zu
                              befreien. Sie bleiben alsdann weiß zurück, indeß mit einem Stich ins Grüne,
                              herrührend von immer noch eingemengten Spuren der grünen, harzartigen Mutterlauge,
                              aus welcher sie krystallisirten. Von dieser sind sie nur durch ein weiteres
                              Umkrystallisiren aus Aether und Abgießen zu befreien. Man erleidet hierbei jedoch
                              immer einen sehr namhaften Verlust an Substanz wegen der außerordentlichen
                              Leichtlöslichkeit der Krystalle in Aether. Diese zeigen auch hier, selbst wenn sie
                              völlig frei von der kupferhaltigen Mutterlauge sind, das zuvor erwähnte Gelb-
                              und Amorphwerden, und ein alsdann noch fortgesetztes Umkrystallisiren hat nur noch
                              Einbuße an Substanz zur Folge, ohne an einem Punkt abzuschließen, wo als
                              Verdunstungsrückstand nur rein weiße Krystalle des bitteren Körpers erhalten würden;
                              ein Beweis, daß eine Umbildung dieser Krystalle in die gelbe, amorphe Materie
                              stattfindet.
                           Der auf solche Weise isolirte reine Körper stellt äußerst spröde, bei leiser Pression
                              zerfallende, stark glasglänzende Krystalle – rhombische Prismen – dar.
                              Dieselben sind in Wasser derartig unlöslich, daß sie, auf die Zunge gebracht, auch
                              beim Zerdrücken keinen bitteren Geschmack zeigen. Im ausgezeichnetsten Grade tritt
                              dieser dagegen hervor, wenn man die Krystalle zuvor in Weingeist löst und mit Wasser
                              verdünnt. Der Körper hat alsdann einen ganz reinen und angenehm den Appetit
                              reizenden bitteren Geschmack, welcher nicht im ersten Augenblicke nach der
                              Application auf die Zunge hervortritt, sondern erst nach einigen Momenten voll
                              empfunden wird, dann aber anhaltend ist. Man erkennt dabei die unzweifelhafte
                              Identität dieser Bitterkeit mit derjenigen des Bieres. Es ist mir auch gelungen,
                              durch analoge Behandlung des Bieres den Bitterstoff daraus darzustellen; dem hohen
                              Grade seiner Bitterkeit und seiner Unlöslichkeit im Wasser gemäß, ist dessen Menge
                              im Biere indeß außerordentlich gering.
                           In Alkohol, Aether, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Benzol, Terpenthinöl und
                              ähnlichen Lösungsmitteln ist der krystallisirte Hopfenbitterstoff äußerst leicht löslich. Hält man
                              nur den Hals einer geöffneten Aetherflasche in der Weise über eine Probe desselben,
                              daß der schwere Aetherdunst darauf fällt, so sieht man, wie derselbe rasch von den
                              Krystallen absorbirt wird und diese dadurch zerfließen.
                           Die ätherischen oder alkoholischen Auflösungen zeigen eine sehr deutlich saure
                              Reaction auf Lackmuspapier. Unser Körper charakterisirt sich also hierdurch, wie
                              aber noch mehr durch seine Verbindung mit Kupferoxyd, als eine Säure. Es wäre daher
                              für denselben der Name „Hopfenbittersäure“ wohl die
                              angemessenste Bezeichnung.
                           Ich komme nun zur Ermittelung der Zusammensetzung der Hopfenbittersäure. Die
                              Eigenschaft derselben, mit CuO ein charakteristisches Salz zu bilden, mußte den
                              besten Angriffspunkt für die Analyse unserer Substanz und die Bestimmung ihres
                              Aequivalents und ihrer Formel abgeben. Das schöne blaue, gut krystallisirte
                              Kupfersalz lieferte in zwei Analysen, wobei dasselbe zunächst durch Glühen zerstört
                              und das rückständige CuO wiederholt bis zur Constanz mit NO⁵ behandelt wurde,
                              folgende Werthe:
                           
                              
                                 Nr.  I. Substanz
                                   0,200
                                 
                              
                                 CuO
                                   0,025
                                 
                              
                                 d.h. CuO in 100 Thln.
                                 12,5
                                 
                              
                                 Nr. II Substanz
                                   0,403
                                 
                              
                                 CuO
                                   0,052
                                 
                              
                                 d.h. CuO in 100 Thln.
                                 12,9
                                 
                              
                           Die Verbrennung des Kupfersalzes mit CuO und dabei zum Schlusse Sauerstoffstrom
                              angewendet, ergab:
                           
                              
                                 Nr. I. Substanz
                                   0,302
                                 
                              
                                 CO²
                                   0,675
                                 
                              
                                 HO
                                   0,193
                                 
                              
                                 d.h. C in 100 Thln.
                                 60,96
                                 
                              
                                     und H in
                                    100 Thln.
                                   7,10
                                 
                              
                                 Nr. II. Substanz
                                   0,242
                                 
                              
                                 CO²
                                   0,545
                                 
                              
                                 HO
                                   0,163
                                 
                              
                                 d.h. C in 100 Thln.
                                 61,42
                                 
                              
                                 und H in 100 Thln.
                                   7,48
                                 
                              
                           Aus diesen analytischen Belegen entwickelt sich nun die Formel unseres Kupfersalzes
                              wie:
                           CuO, C³²H²⁵O⁷
                           und die daraus abgeleitete procentische Zusammensetzung
                              gestaltet sich demnach, verglichen mit der im Versuche gefundenen, wie folgt:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                    verlangt
                                    
                                 
                                 
                                    gefunden
                                    
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Nr. I
                                 Nr. II
                                 
                              
                                 CuO
                                   39,7
                                 12,70   
                                 12,5  
                                 12,9  
                                 
                              
                                 C³²
                                 192,0
                                 61,40   
                                   61,42
                                   60,96
                                 
                              
                                 H²⁵
                                   25,0
                                 7,99   
                                     7,48
                                     7,10
                                 
                              
                                 O⁷
                                   56,0
                                 17,91   
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 312,7
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 
                              
                           Wenn der Wasserstoffgehalt in den analytischen Ermittelungen gegen den verlangten
                              Werth umgekehrt wie bei den Verbrennungen nach gewöhnlicher Art ein wenig zu gering
                              ausfiel, so hat dieses seinen Grund in einer geringen Entführung von Wasserdunst aus
                              dem Chlorcalcium-Rohre (dasselbe hatte 15 Centimeter Länge) durch den heißen
                              Sauerstoffstrom, ein Umstand, welchem in der Deduction derartiger Bestimmungen nicht
                              immer gehörig Rechnung getragen wird.
                           Es ist aus der Formel unverkennbar, daß die Hopfenbittersäure in einer engen
                              Beziehung zu manchen anderen Bitterstoffen steht. So hat z.B. das Absynthiin aus dem
                              Wermuth nach Luck's jüngster Untersuchung die Formel
                           C¹⁶ H¹º O⁴ HO
                           oder verdoppelt: C³² H²²
                              O¹º.
                           Beide enthalten alsdann dieselbe Anzahl von Kohlenstoffäquivalenten. Die durch W. Mayer's interessante Untersuchung aufgedeckte Formel der
                              Jalappinolsäure ist:
                           C³² H³º O⁶
                           und diejenige des Jalapinol ist:
                           C³² H³¹ O⁷.
                           Dasselbe unterscheidet sich von unserem Hopfenbitter also nur durch einen größeren
                              Wasserstoffgehalt, während der Kohlenstoff und Sauerstoff bereits in dem gleichen
                              Verhältnisse darin vorhanden sind.
                           Ich hätte es sehr gewünscht, die hier aufgestellte Formel weiters durch die Analyse
                              der reinen Säure bestätigen zu können. Mehrfach dahin abzielende Verbrennungen der
                              möglichst ohne Veränderung isolirten Substanz lieferten mir auch Resultate, welche
                              sich derselben ziemlich anschmiegen. Sie scheiterten indeß immer in Etwas an der
                              Unmöglichkeit, die reine Substanz völlig vor Veränderung an der Luft, der sie so
                              äußerst leicht unterliegt, zu schützen. Das Kupfersalz hat dagegen sehr ausgeprägte
                              Eigenschaften und die aus demselben abgeleitete procentische Zusammensetzung, wie
                              das darnach berechnete Aequivalent der reinen Substanz, stimmen so gut als praktisch
                              erreichbar, mit der Formel überein, weßhalb ich keinen Anstand nehme dieselben zu
                              veröffentlichen; aus dem angegebenen Grunde halte ich dagegen die Analysen des isolirten Körpers in der
                              Hoffnung zurück: complicirtere Verfahren werden es mir bald ermöglichen, über die
                              Konstitution desselben endgültig zu entscheiden. Ein eingehendes Studium anderer
                              Salze wird alsdann für die völlige Aufdeckung der chemischen Eigenschaften des neuen
                              Körpers ein um Vieles leichterer Schritt seyn. Die Analogien mit den genannten
                              Bitterstoffen mußten namentlich auch für die Annahme obiger Formel bestimmen.
                           Ich habe mich mit Absicht vor der Hand auf die Untersuchung dieses einzelnen Gliedes
                              der im Hopfen vorkommenden Gebilde beschränkt und keine erschöpfende analytische
                              Untersuchung des Lupulins angestrebt, wie es mehrfach, indeß mit nur sehr geringen
                              Erfolgen, bereits von anderen Seiten geschehen ist. Ich that dieß in der
                              Ueberzeugung, daß es vor Allem erforderlich sey, zunächst die chemischen Glieder
                              eines derartigen Untersuchungsobjectes qualitativ und ihren wesentlichen Charakteren
                              nach zu kennen, bevor man an eine Trennung derselben denken kann. Die Menge des im
                              Vorliegenden charakterisirten, reinen, krystallisirbaren Bitterstoffes ist, wie ich
                              im Laufe der Untersuchung bereits übersehen konnte, eine sehr beträchtliche. Wenn
                              dessen Ausbeute auf dem beschriebenen Wege nur gering erscheinen könnte, so liegt
                              dieß lediglich in dem Umstande, daß ich, um ihn in reinem Zustande und als
                              Krystallindividuum abzuscheiden, mit der Beseitigung der harzartigen Begleiter
                              desselben einen großen, wohl den größten Theil seiner selbst aufopfern mußte. Mit
                              der einmaligen Abscheidung, selbst auf diesen Umwegen, ist indeß seine Existenz
                              bewiesen und das so gewinnbare Material wird uns durch Erforschung seiner
                              Eigenschaften auch die Mittel an die Hand geben, welche eine leichtere und
                              reichlichere Ausbeute davon ermöglichen.
                           Ich resumire meine gegenwärtige Abhandlung in der kurzen These:
                           Das Hopfenbitter ist ein mit ausgezeichneter Krystallisationsfähigkeit
                              ausgestattetes, chemisch selbstständiges Einzelglied, farblose, stark glasglänzende,
                              spröde Krystalle darstellend, in Aether und ähnlichen Flüssigkeiten leicht löslich,
                              unlöslich in reinem Wasser, in alkoholisch-wässeriger Lösung von intensiv
                              aber rein bitterem Geschmacke.
                           Bei den Versuchen über die Abscheidung der Hopfenbittersäure aus dem rohen
                              ätherischen Auszuge des Hopfens habe ich natürlich Gelegenheit gehabt, noch manche
                              Beobachtungen über die Begleiter derselben zu machen. Wenn mein ganzes Augenmerk
                              zunächst auch nur auf die Isolirung des eigentlichen bitteren Princips gerichtet
                              war, so gaben die gelegentlichen Beobachtungen doch immerhin manche Winke, wohin man
                              ungefähr bei einer detaillirteren Untersuchung des Hopfens zu steuern habe. Ich will deßhalb noch ein
                              paar Bemerkungen über einige selbstständige Glieder unter den Hopfenbestandtheilen
                              anfügen.
                           Bei der Mittheilung des Darstellungsverfahrens für unseren neuen Körper habe ich
                              bereits das Vorkommen des Myricins im Hopfen erwähnt. Man erhält dasselbe leicht
                              rein als Nebenproduct bei der Abscheidung der Hopfenbittersäure. Ein leichter Stich
                              ins Grüne oder Gelbe haftet demselben indeß durch, von dem Aether zugleich mit
                              aufgenommenes Chlorophyll hartnäckig an. Sein Schmelzpunkt wie die Elementaranalyse
                              charakterisiren es leicht vollständig.
                           Einen zweiten, durch Krystallisation gleichfalls ausgezeichneten Körper nimmt die
                              Kalilauge auf, mit welcher in unserer Trennungsmethode für die Hopfenbittersäure der
                              vom Myricin befreite Aetherauszug behandelt wird. Die braungelb gefärbte Kalilauge
                              wird durch Uebersättigen mit Schwefelsäure schwefelgelb gefällt. Aus der
                              emulsionartigen Flüssigkeit nimmt alsdann Aether einen Harzantheil auf. Nach der
                              spontanen Verdunstung, wenn man den schmierigen Rückstand längere Zeit sich selbst
                              überläßt, scheiden sich hier eine Menge feiner Nadeln aus, welche durch Ausbreiten
                              auf Sauggyps leicht von der Mutterlauge zu befreien sind. Sie bleiben dabei
                              grünlichgelb gefärbt zurück, werden indeß nach dem abermaligen Umkrystallisiren aus
                              Aether vollkommen weiß und stellen alsdann eine spröde, atlasglänzende Decke von
                              feinen, verfilzten Nadeln dar. Der Schmelzpunkt derselben liegt über 110° C.
                              und trennt diesen Körper, wie seine übrigen Eigenschaften, scharf von den Gebilden,
                              mit denen er vergesellschaftet im Hopfen vorkommt. Schneller als durch einfache
                              Krystallisation aus Aether und in reichlicherer Ausbeute kann man denselben durch
                              eine analoge Behandlungsweise, wie wir sie für die Darstellung der Bittersäure
                              benutzten, gewinnen, indem man ihn nämlich auch zunächst an Kupferoxyd bindet. Für
                              diesen Zweck wäscht man alsdann die gelbe, alkalische Flüssigkeit vor der Behandlung
                              des Aetherauszuges mit so viel Schwefelsäure, daß die Flüssigkeit eben sich zu
                              trüben beginnt. Sie enthält alsdann das Minimum von Kali, welches zur Lösung der
                              ganzen Harzmasse erforderlich ist. Man fügt nun Kupfersulfatlösung zu, wodurch ein
                              schmutzig gelber Niederschlag entsteht. Dieser wird durch Schwefelsäure oder
                              Schwefelwasserstoff zersetzt, und die abgeschiedenen Harze werden mit Aether
                              aufgenommen und spontan verdunsten gelassen. Die reichliche Ausscheidung des in Rede
                              stehenden Körpers ist leicht von der nicht krystallinischen Harzmasse durch
                              Abwaschen mit Aether, in welchem er viel schwieriger löslich ist, zu trennen. Nach
                              dem abermaligen Umkrystallisiren aus Aether ist die Reinigung vollendet.
                           Ein anderes Gebilde bleibt in dem ätherischen Hopfenauszug, wenn derselbe hinter einander mit
                              Kalilauge und nach Ablassung derselben mit Wasser (zur Aufnahme des Kalisalzes der
                              Bittersäure) behandelt wurde. Wird derselbe spontan verdunsten gelassen, so findet
                              man eine grummöse Ausscheidung darin. Durch Ausbreiten auf Gypsplatten,
                              nöthigenfalls unter Befeuchtung mit Aether, bleibt nun auf der Gypsoberfläche eine
                              weiche, grauliche, fast glutinös erscheinende Masse zurück. Auch diese gibt nach dem
                              Auflösen in Aether und Verdunsten des letzteren vollkommen weiße, schilfartige
                              mikroskopische Krystalle. Diese sind abermals von den bereits beschriebenen
                              Begleitern verschieden. Sie schmelzen nicht eigentlich, sondern blähen sich erst bei
                              einer höheren Temperatur, bei welcher sie bereits in Schwingungen versetzt werden,
                              zu einer schaumigen Masse auf, unter Entwickelung entfernt hornartig riechender
                              Dämpfe.
                           Dieses Glied würde sich also durch einen Stickstoffgehalt besonders von den anderen
                              Hopfenbestandtheilen auszeichnen. Beim stärkeren Erhitzen gibt dieser Körper unter
                              theilweiser Zersetzung ein in Nadeln krystallisirendes Sublimat. Seine Menge ist
                              indeß nur sehr unbedeutend, so daß es mir noch nicht möglich war, seine Natur als
                              Alkaloid, worauf seine Gewinnung und sein Stickstoffgehalt entschieden hindeuten,
                              festzustellen.
                           In derselben ätherischen Lösung, aus welcher dieser letzte Körper erhalten wird,
                              findet sich noch ein Bestandtheil, der nicht ohne Interesse seyn würde, indem er
                              schon in der Kälte Kupferoxyd zu Oxydul reducirt. Mischt man nämlich diese noch
                              immer stark alkalische, ätherische Lösung mit neutralem schwefelsauren Kupferoxyd,
                              so erhält man eine reichliche Ausscheidung von ziegelrothem Kupferoxydul oder gelbem
                              Oxydulhydrat. Dm Träger dieser sehr bestimmenden Eigenschaften vermochte ich nach
                              meinen bisherigen, indeß nur beiläufig angestellten Versuchen, noch nicht
                              abzuscheiden.
                           ––––––––––
                           Man überblickt in diesen wenigen Andeutungen, daß mit dem Hopfen, der eine so
                              technisch wichtige Bedeutung hat, ein ganz ähnlicher Fall vorliegt, wie mit den
                              meisten, gut untersuchten pflanzlichen Producten, welche, wie Opium und Chinarinde,
                              eine ganze Collection interessanter Einzelglieder darstellen.