| Titel: | Ueber Anwendung des Copir- oder Uebertragungs-Principes bei der Anfertigung und bei dem Ziehen von Feuerwaffen; von John Anderson, Inspector des Arsenals zu Woolwich. | 
| Autor: | John Anderson | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XXI., S. 81 | 
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                        XXI.
                        Ueber Anwendung des Copir- oder
                           Uebertragungs-Principes bei der Anfertigung und bei dem Ziehen von Feuerwaffen;
                           von John Anderson, Inspector des Arsenals zu
                           Woolwich.
                        (Fortsetzung und Schluß von S. 13 des
                           vorhergehenden Heftes.)
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Anderson, über Anwendung des Copir-Principes bei der
                           Anfertigung und bei dem Ziehen von Feuerwaffen.
                        
                     
                        
                           Die Vorbereitung zu der, den bisherigen Arbeiten nunmehr folgenden vorletzten Ausbohrung der inneren Cylinderröhre, welche
                              die Seelenwand des zu bildenden Geschützrohres abgibt, besteht zunächst darin, die
                              ursprüngliche Bohrung derselben, insoweit sie durch das Aufziehen der äußeren
                              Cylinderröhren alterirt worden war, ganz in der früher angegebenen Weise wieder
                              herzustellen. Ist dieses geschehen, so werden dann die äußeren Flächen der beiden
                              Enden des zu bearbeitenden Rohres durchaus concentrisch abgedreht und mittelst genau
                              justirter Lager in den langen Sattel einer verticalen Bohrmaschine eingespannt. Die
                              hiernach zur Anwendung kommende Bohrstange rotirt in festen Lagern, welche an beiden
                              Enden des Rohres angebracht sind, und es ist dieselbe mit mehreren Garnituren von
                              Schneiden umgeben, hinter deren letzter eine Rolle folgt. Das Rohr bewegt sich
                              langsam aufwärts. Gewöhnlich sind bei dieser vorletzten Bohrung etwa 0,2 Zoll des
                              Bohrungsdurchmessers im Metalle wegzuschneiden und das Ziel derselben ist, dem
                              Normalkaliber des Rohres bis auf einen um 0,002 Zoll geringeren Seelendurchmesser
                              beizukommen. Es wird jedoch nur selten gelingen, diese Absicht ganz genau zu
                              erreichen, und man ist meistens schon zufrieden, wenn die bezeichnete
                              Durchmessergrenze wenigstens nicht überschritten wird. Da die Bohrstange und deren
                              Lager nur dann einen vollkommen kreisrunden Seelen-Querschnitt ergeben
                              können, wenn sie selbst vollkommen rund ab- und ausgedreht worden sind, so
                              werden diese Theile mit der äußersten Sorgfalt und genau nach denselben Bedingungen
                              bearbeitet, welche für die Whitworth'schen Lehren selbst
                              bestehen. Die während des Gebrauches nothwendig eintretenden Abnutzungen sind
                              hierdurch aber keineswegs ausgeschlossen, obwohl die Bohrstangen, gleich den Schablonen, von Stahl
                              gemacht werden, und so bleibt denn während dieser Arbeit auch eine fortwährende
                              Aufmerksamkeit auf Erhaltung der richtigen Werkzeug-Dimensionen durch-
                              aus nothwendig. Auf solche Weise wird eine Bohrung erhalten, welche zwar fast immer
                              geradlinig, aber niemals vollkommen cylindrisch ist, und gerade diese Eigenschaft
                              kann man mittelst der Whitworth'schen Lehren nur sehr
                              schwierig prüfen, während andere Meßarten für so delicate Untersuchungen noch
                              weniger geeignet sind.
                           Der Hauptzweck der hierauf folgenden letzten Bohrung ist
                              daher, Erlangung von Parallelität der Seiten des durch die Seelenachse gelegt
                              gedachten inneren Längendurchschnittes vom Geschützrohre. Das dazu angewendete
                              Werkzeug besteht aus einer langen Schlichtbohrerstange, welche mit sechs Schneiden
                              in zwei Abtheilungen, zu je dreien, versehen ist und zur Erhaltung ihrer
                              concentrischen Lage im Rohre mit spiralförmigen Tragflächen umgeben wird, welche,
                              aus Kanonenmetall bestehend, die bereits vorhandene Bohrung ausfüllen. Hiernach sind
                              die richtige Kreisform und die Geradlinigkeit der durch diese Glattbohrung zu
                              erlangenden Seelenwand lediglich von den entsprechenden Eigenschaften der bereits
                              vorhandenen Bohrung abhängig. Die Gestalt derselben wird vermittelst der sich an sie
                              anlehnenden Bronzeflächen ganz genau auf die neue Bohrung übertragen, denn der Werth
                              von drei Schneiden für die Stetigkeit des Schneidens, bei richtiger Beschaffenheit
                              der führenden Flächen, ist hinlänglich bekannt, während sie im umgekehrten Falle
                              freilich auch leicht polygonale Bohrungen hervorbringen. Beide
                              Messer-Garnituren schneiden mehr an der Seite als an der Stirn, und der
                              zweite Messersatz wird beim Einführen in das Rohr genau auf den Durchmesser des
                              ersteren gebracht, wodurch er also nur die wenigen Metalltheilchen wegzunehmen hat,
                              welche der erste Messersatz etwa an der Seelenwand des Rohres stehen gelassen haben
                              sollte. Der Betrag hiervon wird um so geringer seyn, als die durch diese
                              Schlichtbohrung überhaupt hervorgebrachte Seelenerweiterung nur selten mehr als
                              0,001 Zoll des Kaliber-Durchmessers ausmacht. Obgleich endlich für Ausführung
                              dieser Glattbohrung eine gewöhnliche Horizontal-Bohrbank am angemessensten
                              seyn würde, so neigt man die dazu bestimmte Bank doch meistens nicht unbedeutend
                              gegen den Horizont, weil dann die entstehenden Bohrspäne, welche sonst schwierig zu
                              entfernen sind, mittelst eines Stromes von Seifenwasser weggespült werden
                              können.
                           In dieser Weise erreicht man eine bis auf den tausendsten Theil eines Zolles genau
                              parallele Bohrung, was für den jetzigen Standpunkt unserer Fabricationsweise als
                              genügend betrachtet werden muß, denn obgleich zur Erlangung möglichster Genauigkeit alle
                              Werkzeug-Justirungen mit großer Pünktlichkeit von einer besonderen Abtheilung
                              des Etablissements ausgeführt werden, bleibt es doch immer noch außerordentlich
                              schwierig, eine Bohrung von genau richtigem Durchmesser, sowie von vollkommener
                              Kreisförmigkeit, Geradheit und Parallelität herzustellen. Ohne diese specielle
                              Meßabtheilung aber würde selbst dieser Grad von Qualität des Geschützes nicht
                              erreicht werden können und es wäre dasselbe dann zur Aufnahme glatt geschnittener
                              Züge nur sehr wenig geeignet, da bei der Operation des Ziehens, zu welcher nunmehr
                              geschritten wird, nachdem das glattgebohrte Rohr nochmals die Meßabtheilung passirt
                              hat, die richtige Führung der Ziehstange gänzlich von der Parallelität und überhaupt
                              von der festen Ausführung der Bohrung abhängig ist.
                           Bei Vorderladungs-Geschützen, deren Rohre von der Mündung aus geladen werden
                              sollen, kann wegen ihres geschlossenen Bodens die hier beschriebene Methode der
                              Seelenbohrung natürlich keine Anwendung finden. Bei ihnen muß die möglichst große
                              Annäherung an eine vollkommene Bohrung lediglich von der Mündungsseite des Rohres
                              her bewirkt werden, wozu man sich bei Herstellung des vordersten Theiles der Seele
                              wieder eines Gleitsupportes bedient, hinter den Bohrerschneiden aber dann geeignete
                              Lager anbringt, um vermittelst ihrer den bereits gebildeten, möglichst richtigen
                              Mündungstheil der Seele so genau als thunlich auf die übrige auszubohrende Länge des
                              Rohres übertragen zu können. Bis zu einem gewissen Grade läßt sich allerdings auch
                              auf diese Weise eine Annäherung an Vollkommenheit der Bohrung erreichen; es ist
                              dieselbe aber jedenfalls geringer als diejenige, welche bei den früher beschriebenen
                              Anordnungen für die an beiden Enden offenen Rohre der Kammer- oder
                              Hinterladungsgeschütze zu erlangen steht.
                           Was nun endlich die noch zu beschreibende Methode des Ziehens
                                 oder, was dasselbe ist, des Einschneidet der Züge in
                                 die Seelenwand des Rohres anbelangt, so hat sich dieselbe von Specialitäten
                              der Windung oder des Dralles der Züge, sowie von besonderen Formen ihres
                              Querschnittes jetzt in einer solchen Weise unabhängig gemacht, daß durch die in
                              Woolwich gebräuchlichen Vorrichtungen jede Art von Zug, selbst wenn er der
                              verworrensten Gestalt angehören sollte, ganz genau den gegebenen Vorschriften
                              entsprechend und mit derselben Leichtigkeit auf die Seelenwand des anzufertigenden
                              Geschützrohres übertragen werden kann, als handle es sich hierbei nur darum, gerade
                              Linien auf der Außenseite des Rohres verzeichnen zu sollen.
                           Als im Jahre 1845 plötzlich das Ziehen einiger Geschütze verlangt wurde, richtete man
                              eine gewöhnliche Hobelmaschine zur Ziehbank ein. Die verlangte Zugspirale wurde
                              in die Ziehstange selbst eingeschnitten und eine dieser Schraubenlinie entsprechende
                              MutterAnalog dem sogenannten Drallrohre der deutschen Gewehrfabriken.Anm. d. Uebers. an der Mündung des Geschützes befestigt, während der Ziehstange in ihrem
                              Lager eine freie Rotation um ihre Stangenachse gestattet war. Wurde die Ziehstange
                              dann vermittelst der Maschine durch jene Mutter hindurch bewegt, so mußte sie mit
                              dem an ihr befestigten Reißzahne auf der Seelenwand des Rohres den verlangten Zug
                              einschneiden, und eine gewöhnliche Theilscheibe führte endlich zur verlangten Anzahl
                              der Züge. Diese Maschine war vollkommen genügend, so lange es sich nur um das
                              Einschneiden solcher Züge handelte, welche nach einer regelmäßigen Spirale im Rohre
                              aufstiegen und deren Kanten, sowie auch deren Boden, mit der Mittellinie der
                              führenden Spirale parallel liefen; den neueren Anforderungen aber, auch Züge mit
                              sich stetig änderndem Dralle oder plötzlichen Aenderungen desselben, ferner Züge mit
                              wechselnder Weite, mit Formwechsel der Zugkanten etc. hervorbringen zu können, ist
                              eine derartige Einrichtung nicht mehr gewachsen. Zu diesem Ende müssen noch andere
                              Kombinationen in Anspruch genommen werden, und da während der letzten Jahre dem
                              gezogenen Geschütze bekanntlich ein vorzüglicher Grad der Beachtung zu Theil wurde,
                              die meisten dahingehörigen neueren Erfindungen aber in der königl.
                              Geschütz-Factorei zur Ausführung kamen, so stellte sich gerade dort sehr bald
                              das unabweisliche Bedürfniß heraus, jede beliebige Vorschrift für Züge ausführen zu
                              können, ohne daß der verlangte Zug deßhalb in dem unmittelbar an der Seelenwand
                              arbeitenden Instrumente schon vorher ausgearbeitet wurde, was nicht nur sehr
                              kostspielig gewesen wäre, sondern auch das Fertigbringen des Geschützes zum Versuche
                              unter Umständen bedeutend hätte verzögern können. Eine zur spiralförmig gewundenen
                              Form geschnittene vierkantige Stange gibt aber in allen Fällen, wo sie Anwendung
                              finden kann, ein sehr vollkommenes Ziehinstrument ab, dessen Gebrauch sogar von
                              allen den Irrthümern frei ist, welche leicht entstehen können, wenn die arbeitende
                              Maschine für jeden hervorzubringenden besonderen Zug auch besonders gestellt werden
                              muß. In neuerer Zeit hat man ferner gefunden, daß für permanente Ziehbänke auch
                              runde Ziehstangen mit spiralförmig eingeschnittenen Zügen recht gute und fast
                              dieselben Dienste thun, als dem entsprechend eingerichtete vierkantige Stangen.
                              Diese beiden Arten von Ziehstangen werden aber in einer gewöhnlichen
                              Schraubenschneidbank ausgeschnitten, sie können daher auch nur zu spiralen Zügen verwendet werden
                              und bleiben deßhalb bei der Darstellung von Zügen mit wachsendem, abnehmendem oder
                              überhaupt im Gesetze der führenden Curve wechselndem Dralle, welche folglich keine
                              richtige Schraubenlinie bilden, unanwendbar.
                           Zur Hervorbringung solcher, von der gewöhnlichen Regelmäßigkeit abweichenden Züge muß
                              die Ziehmaschine aber nicht nur jeden beliebigen Drall des Zuges hervorbringen,
                              sondern auch dessen Seitenkanten und dessen Boden jede gewünschte Form geben können.
                              Ferner steht zu verlangen, daß dieses Alles mit einem Male ausgeführt werde, und
                              allen diesen Bedingungen entspricht die neuerdings in der Geschütz-Factorei
                              zu Woolwich zur Anwendung gekommene
                           
                        
                           Ziehmaschine.
                           Die Ziehstange derselben ist kreisförmig cylindrisch. Das eine ihrer Enden wird in
                              dem Lager eines beweglichen Sattels vermittelst einer Anzahl von Halsringen oder
                              Halsbändern festgehalten, welche den Anzug der Schneidmesser zu übernehmen haben;
                              das andere Ende der Ziehstange liegt in einem zunächst der Mündung des
                              Geschützrohres befindlichen festen Dockenlager, welches der Ziehstange Freiheit der
                              Rotations- und der Längenbewegung gibt.Wie aus dem Ganzen des Textes hervorgeht, liegt
                                    das mit Zügen zu versehende Hinterladungs-Geschützrohr (welches an
                                    beiden Enden offen ist, so daß die Ziehstange durch dasselbe hindurch gehen
                                    kann), hierbei zwischen dem feststehenden und dem
                                    beweglichen Ziehstangenlager, die Mündung nach ersterem hin gerichtet, auf
                                    dem Bette der einer Hobelmaschine ähnelnden Ziehmaschine. Der mit dem
                                    Schneidstahl zum Ausheben des Zuges armirte Theil der Ziehstange, der
                                    sogenannte Ziehkopf, steht vor dem Beginne der Ziehstangenbewegung zwischen
                                    der festen Docke der Maschine und der Rohrmündung, die Schneidkante seines
                                    Messers, Reißhakens oder Schabmeißels nach letzterer hingekehrt. Es werden
                                    die Züge bei dieser Art von Rohren also auch wirklich ausgezogen und nicht ausgestoßen, wie
                                    letzteres bisher bei den meisten deutschen Gewehrfabriken noch immer üblich
                                    war und bei Vorderladungs-Geschützen mit geschlossenem Bodenstücke
                                    ebenwohl geschehen muß.Anm. d. Uebers. Zum Hervorbringen der Ziehstangen-Bewegung ihrer Längenrichtung nach,
                              kann man sich jedes Mittels bedienen, welches beim Thätigmachen der Hobelmaschinen
                              von Nutzen ist; es erhält in diesem Falle jedoch zur Vor- und Zurückbewegung
                              des die Ziehstange festhaltenden Supportes meistens die Schraube den Vorzug, weil
                              sie die Bewegung am zartesten vermittelt. Zur Hervorbringung einer gleichzeitigen
                              Rotation der Ziehstange um ihre Längenachse erhält dieselbe ferner an ihrem hinteren
                              Ende ein Stirnrad, in welches eine an dem beweglichen Sattel, senkrecht zur
                              Ziehstange verschiebbare Zahnstange eingreift, deren Führung wieder von einer
                              sogenannten TangentenstangeDie Tangentenstange hat man sich als ein zur Seite der Bank angebrachtes
                                    scharfkantiges Lineal zu denken, an welchem die Zahnstange hingeführt
                                    wird.Anm. d. Uebers. übernommen wird, welche letztere mittelst Justirschrauben und Gradbogen unter
                              irgend einem Winkel zur Ziehstange gestellt werden kann. Durch diese Combination von
                              Längen- und Rotationsbewegung wird es nun möglich, der Ziehstange bei ihrer
                              Vorwärtsbewegung zugleich immer diejenige Rotation zu geben, welche einem beliebigen
                              Dralle der Züge entspricht, da der zur Führung der Zahnstange dienenden
                              Tangentenstange jede beliebige Form und jeder beliebige Neigungswinkel gegen die
                              Längenachse der Ziehstange gegeben werden kann. Als Beschränkung treten hierbei nur
                              die Grenzen auf, innerhalb deren es der Maschine überhaupt noch möglich ist, dem
                              Gange der Züge zu folgen. Bei sehr complicirten Zügen muß man unter Umständen auch
                              wohl mehrere Tangentenstangen mit ihren Enden voreinander stoßen, welche dann die
                              Führung der in das Getriebe der Ziehstange eingreifenden Zahnstange nacheinander zu
                              übernehmen haben, um dadurch jeden wie immer verworrenen Zug eben so leicht als eine
                              reguläre Spirale herstellen zu können. Bei den meisten Arten von Zügen ist deren
                              Tiefe eine gleichförmige, zuweilen soll dieselbe aber auch an verschiedenen Stellen
                              der Bohrung wechseln. Im letzteren Falle sind Vorrichtungen erforderlich, um die den
                              Zug aushebenden Schneiden nach Erforderniß mehr oder weniger von der Seelenachse des
                              Geschützrohres entfernt halten zu können. Ferner ist es zur guten Ausführung jeder
                              Arbeit dieser Art durchaus nothwendig, daß der den Zug ausschneidende Stahl bei der
                              Rückwärtsbewegung der Ziehstange ganz aus dem Schnitte heraustritt und nicht etwa
                              durch Reibung an den Rohrwänden die Feinheit seiner Schneiden gefährdet, welche
                              letztere zur Zartheit des Zugschnittes durchaus nothwendig ist. Zu beiden Zwecken
                              dient eine im Inneren der ausgehöhlten Ziehstange befindliche Gleitstange, welche
                              vermittelst einer an ihr angebrachten schiefen Ebene in der Weise auf einen kleinen,
                              das Schneidinstrument im Ziehkopfe festhaltenden Support oder Stahlhalter einwirkt,
                              daß die Schneidkante des Stahles sich, radialradical zum Ziehkopfe, senkt oder hebt, sobald und je nachdem die innere
                              Gleitstange in der hohlen Ziehstange vor oder zurück geschoben wird. Diese innere
                              Gleitstange steht am anderenHiermit soll offenbar das nicht im beweglichen Sattel festgehaltene Ende der hohlen Ziehstange
                                    bezeichnet werden.Anm. d. Uebers. Ende der hohlen Ziehstange etwas hervor, und es wird ihre Vor- und
                              Zurückbewegung in letzterer durch eine, den Bewegungen der Ziehstange nachfolgende
                              Gleitrolle geregelt, welche dabei an der sogenannten Copirstange hinläuft und
                              hierdurch die Form derselben in einer solchen Weise auf die innere Gleitstange
                              überträgt, daß auf dem Boden der Züge die Führungskanten-Linie der
                              Copirstange, mag sie wie immer gestaltet seyn, reproducirt wird. Damit ferner die Schneidkante des im
                              Ziehkopfe befindlichen Messers auch beim Zurückgehen der Ziehstange ganz aus dem
                              Schnitte heraustrete, erfolgt die Zurückbewegung der den Bewegungen der Ziehstange
                              nachfolgenden Gleitrolle nicht wie deren Vorwärtsbewegung auf der Führungskante der
                              Copirstange selbst, sondern auf einem, über derselben angebrachten sogenannten
                              Oberriegel, welcher wieder an seinen beiden Enden Fallriegel hat, um durch dieselben
                              die Uebergänge der Gleitrolle von der Copirstange zum Oberriegel und umgekehrt vom
                              Oberriegel zur Copirstange vermitteln zu können. Das Bewegungsspiel der Gleitrolle
                              gestaltet sich dann in folgender Weise: Während des Vorgehens der Ziehstange folgt
                              die Gleitrolle derselben auf der Copirstange nach und vermittelt so die Uebertragung
                              von deren Führungskanten-Form auf den Boden des im Geschützrohre
                              einzuschneidenden Zuges; am Ende der Copirstange angekommen, hebt sie den vom
                              entsprechenden Ende des Oberriegels schräg auf die Copirstange niederhängenden
                              Fallriegel empor und passirt unter demselben hindurch; der Fallriegel legt sich
                              hierauf, hinter der Gleitrolle, wieder auf die Copirstange nieder, und bildet
                              dadurch eine schiefe Ebene, auf welcher die Gleitrolle beim Rückwärtsbewegen der
                              Ziehstange bis zur oberen Kante des über der Copirstange befindlichen Oberriegels
                              aufsteigen muß. Hierbei wird die innere Gleitstange vermittelst der an der
                              Gleitrolle befestigten Kurbel in die Ziehstange hineingestoßen, wodurch der
                              Schneidstahl zurückgezogen wird und also aus dem Schnitte heraustritt. Die
                              Gleitrolle setzt dann ihre weitere Rückwärtsbewegung auf der oberen Kante dieses
                              Oberriegels fort, bis sie den zweiten Fallriegel erreicht, welcher an dem anderen
                              Ende des Oberriegels angebracht ist und durch ein Balancir-Gewicht über dem
                              Niveau der oberen Kante des Oberriegels empor gehalten wird. Hier angekommen, drückt
                              die Gleitrolle diesen zweiten Fallriegel im weiteren Zurückgehen durch ihr Gewicht
                              nieder und passirt ihn dann gewissermaßen als eine Brücke, welche durch ihr
                              Balancir-Gewicht sofort wieder emporgeschnellt wird, wenn die Rolle sie
                              überschritten hat. Dadurch öffnet sich endlich für die Gleitrolle wieder der Zugang
                              zu einer zweiten schiefgeneigten Fläche, auf welcher sie zum Anfangspunkte der
                              Copirstange hinuntergeleitet, sobald die Maschinenbewegung also von neuem zu
                              beginnen hat. Die Form der zuletzt erwähnten schiefgeneigten Fläche ist von
                              Wichtigkeit, weil nach Maaßgabe des Herabsinkens der Gleitrolle auf derselben die
                              innere Gleitstange wieder aus der hohlen Ziehstange hervorgezogen und somit auch der
                              den Zug ausschneidende Stahl radial aus dem Ziehkopfe herausgetrieben wird, wodurch
                              diese schiefe Fläche also das Muster für die Eingangsform des Zuges ab gibt, so daß ihre Gestalt
                              deßhalb auch meistens genau vorgeschrieben ist. Auf solche Weise wird also die
                              innere Gleitstange gezwungen, dem Schneidstahl immer genau diejenige Stellung im
                              Ziehkopfe zu geben, welche der für jeden Punkt des Rohres vorgeschriebenen Zugtiefe,
                              mag sie wie immer wechselnd seyn, entspricht und es liegt hiernach in der
                              combinirten Anwendung von Copir- und Tangentenstange offenbar die Lösung des
                              Problemes, jede Art von Zug ohne Schwierigkeit herstellen zu können.
                           Um ferner den Schneidstahl nach jedem Durchgange durch das Rohr in einer solchen
                              Weise aus dem Ziehkopfe heraustreiben zu können, daß dadurch jeder folgende Schnitt
                              etwas stärker als der vorhergehende in das Metall eingreift und solchergestalt der
                              Zug allmählich der für ihn angeordneten Tiefe entgegengeht, ist an dem, über die
                              hohle Ziehstange vorspringenden Theile der inneren Gleitstange eine Schraube mit
                              Handrad angebracht, durch deren Umdrehung das entsprechende Emporheben des
                              Schneidstahles bewirkt werden kann. Diese Schraube mit Handrad bietet zugleich das
                              Mittel dar, die allmählich eintretende Abnutzung des Schneidstahles wieder
                              ausgleichen und so dahin wirken zu können, daß schließlich allen Zügen ganz genau
                              dieselbe Tiefe zukommt. – Nachdem ein Zug vollständig vollendet worden ist,
                              wird das zu ziehende Geschützrohr vermittelst eines Sperrrades um den der Anzahl
                              seiner Züge entsprechenden Kreisbogen gedreht. Das Sperrrad vertritt hierbei die
                              Theilscheibe und hat eben so viele Zähne als dem Rohre Züge gegeben werden
                              sollen.Inwieweit es gelungen seyn mag, den Sinn des englischen Textes, welchem wohl
                                    eine Belehrung durch Augenschein zur Seite gestanden haben dürfte, hier
                                    verständlich niederlegen und beziehungsweise interpretiren zu können, steht
                                    von hier aus nicht zu beurtheilen; Thatsache ist aber, daß eine eigene klare
                                    Anschauung von den höchst sinnreichen Einrichtungen der Tangenten-
                                    und der Copirstange nur durch mehrfache Besprechungen mit den Herren
                                    Civilingenieuren Rothe und CämmererCammerer Hierselbst möglich wurde, welche in Verbindung mit den Herren
                                    Civilingenieuren und Lehrern an der hiesigen polytechnischen Schule, Spangenberg und Schmidt, immer auf das freundlichste zu Aufschlußertheilungen
                                    bereit waren. Hr. CämmererCammerer hat auch gütigst die auf Tab. II beigegebenen Zeichnungen
                                    geliefert, welche Grundriß, Seiten- und hintere Ansicht der
                                    Ziehmaschine in beziehungsweise Figur 3, 1 und
                                    2
                                    darstellend, zwar keineswegs einen Anspruch auf Authenticität machen, aber
                                    doch darthun sollen, inwieweit es möglich geworden ist, der deutschen
                                    Industrie diese wichtigen technischen Erfindungen durch aufmerksames Studium
                                    der Anderson'schen Mittheilungen in Verbindung
                                    mit Reminiscenzen von der Londoner Industrie-Ausstellung, welche Hr. CämmererCammerer im J. 1862 im Interesse der hiesigen Henschel'schen Maschinenfabrik besucht hat, zugänglich zu machen.
                                    Die in dieser Zeichnung zur einen Seite des Maschinenbankbettes A aufgestellte Tangentenstange J mit ihrem Drehungspunkte K und dem Gradbogen mit StellvorrichtungFallvorrichtung
                                    L, sowie die dazu gehörige, in der beweglichen
                                    Docke C verschiebbare Zahnstange G mit dem Backen H,
                                    welcher letztere sie mit der Tangentenstange verbindet, und endlich das Zahnrad
                                    F, welches an der hohlen Ziehstange D mit ihren sie in den Lagern C' und C'' der
                                    beweglichen Docke C festhaltenden Halsringen r, r, r, r befindlich ist, werden keiner
                                    weiteren Erklärung bedürfen. Ebenso wird nach dieser Zeichnung auch wohl die
                                    Einrichtung der Copirstange M mit ihrem
                                    Oberriegel N, dem hinteren Fallriegel O¹, dem vorderen Fallriegel O'' nebst seinem Balancirgewicht P und endlich mit der schiefen Ebene R deutlich seyn. Die Verbindung der Gleitrolle
                                    i mit der inneren Gleitstange a aber, welche nach dem englischen Texte durch
                                    eine bloße Kurbel hergestellt seyn soll, ist in der Zeichnung durch einen
                                    Winkelhebel bewirkt worden, dessen beide Stützpunkte f, f in der beweglichen Docke C
                                    liegen, während sein längerer Hebelarm h die
                                    Gleitrolle i mit der in den
                                    Stützpunkt-Lagern f, f rotirenden Welle
                                    R des Winkelhebels h,
                                    fg verbindet und sein kürzerer Hebelarm
                                    g gabelförmig um das Backenstück d der inneren Gleitstange a eingreift, deren Schraube mit Handrad in e und deren Ziehkopf mit seiner schiefen Ebene a' und dem Messer m
                                    in E verzeichnet ist. – Der Ziehkopf
                                    wurde in der Zeichnung vor die Mündung des
                                    Geschützrohres B gestellt, während er nach der
                                    Gleitrollenstellung eigentlich schon in dieselbe eingetreten seyn müßte, um
                                    so seine Einrichtung deutlicher darstellen zu können. Der hintere Kopf b der inneren Gleitstange hat zur
                                    coulissenartigen Führung des mit dem Winkelhebel h,
                                       f, g verbundenen Backenstückes d den
                                    Schlitz c. Die innere Gleitstange a ist also mittelst der Schraube mit Handrad e relativ zum Backenstücke d verstellbar und letzteres findet hierbei dann
                                    seinen Stützpunkt im kurzen Hebelarme g des oben
                                    bezeichneten Winkelhebels h, f, g.Anm. d. Uebers.
                              
                           
                           In letzter Zeit sind auch Versuche mit einer neuen Art von Schneidinstrumenten
                              gemacht worden, durch welche sämmtliche Züge des Geschützrohres mit einem Male
                              ausgeschnitten werden. Die bei denselben in Anwendung kommenden kreisrunden
                              Ziehköpfe sind mit ebensovielen Messern besetzt, als das zu ziehende Rohr Züge
                              erhalten soll, und es folgen sich auf derselben Ziehstange eine ganze Reihe dieser
                              Ziehköpfe hintereinander, welche in der Weise zur Wirkung kommen, daß jeder
                              nachfolgende den Zug immer etwas tiefer ausschneidet, als dieses vom
                              nächstvorhergehenden Ziehkopf geschehen war. Zehn oder zwölf dieser Ziehköpfe, durch
                              das zu ziehende Rohr Hindurchgetrieben, genügen um dessen Züge zu vollenden. Diese
                              Art von Ziehinstrumenten ist nur bei Hinter- oder Kammerladungsgeschützen zu
                              verwenden, in Bezug auf ökonomische Interessen aber sehr zu empfehlen. In einigen
                              nach der vorherbeschriebenen Methode construirten Instrumenten mit Schneiden, welche
                              sich beim Rückgange zurückziehen, hat man acht Schneiden zur Anwendung gebracht; es
                              ist aber zweifelhaft, ob hierdurch mehr Vortheil erzielt wird, als durch eine
                              geringere Anzahl von Schneidkanten, da zum vollkommen genauen Justiren so vieler
                              Schneiden, deren Wirkung sich nur auf den tausendsten Theil eines Zolles erstrecken
                              soll, viele Zeit erforderlich ist. Wenn keine Aenderung der Zugtiefe vorgeschrieben
                              ist, kann man sich auch
                              eines Ziehkopfes mit feststehenden Schneidstählen bedienen, welche so in ersterem
                              befestigt sind, daß sie, ähnlich wie bei Hobelmaschinen, beim Rückgange der Maschine
                              aus dem Schnitte heraustreten und deren richtige Stellung nach jedem Hin- und
                              Hergange durch das Rohr vermittelst einer Justirschraube bewirkt werden kann, welche
                              dergestalt im Ziehkopfe angebracht ist, daß sie die Unterlage, worauf die Schneiden
                              befestigt sind, bei ihrem Angezogenwerden nach außen treibt. Derartige Ziehköpfe
                              finden ihre Anwendung insbesondere auch beim Ziehen von
                              Vorderladungs-Geschützen, und es sind die Schneidkanten ihrer Messer dann im
                              Gegensatz zur früher angegebenen Methode so gestellt, daß sie schneiden während der
                              Ziehkopf in das Rohr, von der Mündung desselben nach dem Bodenstücke hin,
                              hineingestoßen wird.
                           Das Copir-Princip findet auch bei Ausbohrung der verschiedenen Vertiefungen
                              Anwendung, welche zur Aufnahme des Visirs, des Korns und anderer Außentheile des
                              Geschützrohres bestimmt sind. Bei einem Geschütze welches auf 2–3000 Yards
                              noch mit Sicherheit zum Scheibenschießen soll gebraucht werden können, macht die
                              Stärke von einer Linie pro halbe Länge des Rohres schon
                              etwas aus, und da ferner alle Armstrong-Geschütze von der Beschaffenheit seyn
                              sollen, daß ihre verschiedenen Bestandtheile wechselseitig auszutauschen sind, so
                              ist Genauigkeit in der Stellung dieser Aushöhlungen von großer Wichtigkeit. Die
                              meisten dieser Vertiefungen müssen an der SeiteArmstrong's Feldgeschütz-Rohre haben an
                                    der rechten Seite, die Rohre aller übrigen Geschütze, aber an jeder Seite
                                    eine Visirlinie. Die zugehörigen Korne, nach Whitworth's Manier aus drei Spitzen bestehend, von denen die
                                    mittlere, etwas niedrigere, zum Richten benutzt wird, sind auf den
                                    zugehörigen Schildzapfenscheiben eingeschraubt. Für Richten auf kleine
                                    Entfernungen oder wenn die Dunkelheit störend einwirkt, befindet sich auf
                                    dem höchsten Metalle des Rohres noch ein kleiner Aufsatz ohne
                                    Seitenverschiebung, dessen Korn auf der vorderen Kante des
                                    Schildzapfenringes eingeschraubt wird.Anm. d. Uebers. des Geschützes ausgebohrt werden und ist hierbei die Oberfläche des Metalles
                              zur Mittellinie der auszubohrenden Vertiefung schief geneigt, so erscheinen die,
                              einem genau richtigen Einbohren entgegenstehenden Schwierigkeiten noch vermehrt und
                              es sind dann zur festen Führung des Bohrers besonders geeignete Werkzeuge ganz
                              unentbehrlich. Es wird deßhalb ein in zwei Hälften durchschnittener gußeiserner
                              Sattel angefertigt, welcher das Rohr und die Schildzapfen in der Weise umgibt, daß
                              in demselben die Richtungen aller in das Rohr einzubohrenden Vertiefungen durch
                              eingesetzte Stahlfutter vorgezeichnet sind. Diese Stahlfutter sind auch genau nach
                              den richtigen Dimensionen der zu bildenden Rohrvertiefungen angefertigt; wendet man
                              weiter also auch noch
                              vollkommen cylindrische und genau in diese Musteröffnungen eingepaßte Bohrer an, so
                              muß dadurch die richtige Stellung von Visir und Korn ohne alle weitere Anstrengung
                              auf das genaueste gesichert seyn.
                           ––––––––––
                           Hr. Anderson stellte nach diesem Vortrage das Modell eines
                              Vernier-Meßinstrumentes in 34facher Vergrößerung vor, um die Art seines
                              Gebrauches anschaulich zu machen und verband hiermit folgende Erklärung:
                           In der Scala des Instrumentes selbst ist jeder Zoll in zwanzig Theile getheilt,
                              wodurch Unterabtheilungen erhalten werden, welche noch ganz wohl mit unbewaffnetem
                              Auge beobachtet werden können. Auf der Gleitscala des Verniers sind 49 dieser
                              Zwanzigstel-Zoll in 50 gleiche Theile getheilt, so daß also jede
                              Unterabtheilung des Verniers um den fünfzigsten Theil von einem
                              Zwanzigstel-Zoll oder um 0,001 Zoll kleiner ist, als eine Unterabtheilung der
                              Hauptscala, wodurch mittelst des Verniers Tausendtheile von einem Zolle gemessen
                              werden können, obgleich die zu beobachtenden Abtheilungen eine Größe von 1/20 Zoll
                              haben. Zum Ablesen der Maaße wird beobachtet, welche der Unterabtheilungen des
                              Verniers am genauesten mit irgend einer der Hauptscala-Unterabtheilungen
                              übereinstimmt und es wird die, der betreffenden Vernierabtheilung entsprechende Zahl
                              dann zu dem bereits abgelesenen Maaße der Haupt-Scala hinzuaddirt.
                              Vorausgesetzt also, die Hauptscala des Meßinstrumentes gäbe 0,3 Zoll und etwas mehr
                              an, so lassen sich die 0,3 Zoll offenbar leicht mit unbewaffnetem Auge ablesen,
                              indem man hierzu nur die Beobachtung zu machen hat, daß der Nullpunkt der
                              Vernier-Scala zwischen der dritten und der darauf folgenden Unterabtheilung
                              der Haupt-Scala liegt. Die der Maaßzahl noch weiter beizufügenden Dezimalen
                              aber lassen sich in oben angegebenerangegebenen Weise ebensowohl ganz leicht durch das Auge finden, denn angenommen der
                              43ste Theilstrich des Verniers sey der erste, welcher mit einem Theilstriche der
                              Haupt-Scala übereinstimmt, so hat man zu obigen 0,3 Zoll noch 0,042 Zoll
                              hinzu zu addiren und es beträgt also die anzugebende Maaßzahl, nach Bruchtheilen von
                              einem Tausendstel-Zoll gemessen, 0,342 Zoll.
                           Der Vernier des Meßinstrumentes, welches bei Anfertigung der
                              Whitworth-Schablonen-Maaße zur Anwendung kommt, wird mit Loupe und
                              Mikrometerschraube versehen, um das Instrument, welches nach vorläufiger Messung mit
                              dem bloßen Auge durch eine Druckschraube festgestellt wurde, dann noch genauer
                              einstellen zu können.
                           
                           Hr. E. A. Cowper stellte noch die Frage, ob eine Anordnung
                              getroffen worden sey, um die Abnutzung auszugleichen, welche die zur Führung des
                              Glattbohrers dienenden Bronzestreifen bei der letzten Bohrung des Rohres erleiden
                              müßten.
                           Hr. Anderson erwiederte hierauf, daß es, da einer
                              Abnutzung jener Spiralflächen nicht vorgebeugt werden könne, in dieser Beziehung
                              kein anderes Mittel gäbe, als erneuertes Justiren der Bronzeflächen nach
                              jedesmaligem Gebrauche. Angestellte Versuche mit geradlinigen Führungsflächen seyen
                              ungünstig ausgefallen, indem die Bohrung dabei selten rund, sondern trotz der
                              größten Vorsicht und aller möglichen Verlangsamung des Ausbohrens immer mehr oder
                              weniger polygonal ausgefallen sey; durch Anwendung der den Glattbohrer spiralförmig
                              umgebenden Bronzeflächen seyen die einer guten Bohrung entgegenstehenden
                              Schwierigkeiten aber sehr vermindert worden.
                           
                        
                           Artilleristischer Nachtrag,verfaßt
                                 vom Uebersetzer und beziehungsweise Bearbeiter des vorstehenden
                                 Artikels.
                           Einem mehrfach vernommenen Wunsche entsprechend, lasse ich hier für diejenigen Leser,
                              denen die artilleristische Bedeutung des nach Anderson's
                              Abhandlung in Bezug auf Geschützfabrication jetzt technisch Erreichten nicht
                              genügend klar und gegenständlich seyn sollte, einige Bemerkungen folgen, welche den
                              Zweck haben, die Wichtigkeit künstlicher Metall-Constructionen für Lösung
                              artilleristischer Probleme und den Werth eines richtig construirten Zuges für gute
                              Schuhwirkung einer näheren Beleuchtung zu unterwerfen.
                           Die Anwendung künstlicher Metall-Constructionen zur Herstellung von
                              Geschützrohren ist auf das Innigste mit der Doppel-Aufgabe der Artillerie
                              verbunden: einmal möglichst leichte und manövrirfähige Feldgeschütze zu besitzen,
                              welche noch auf weite Distanzen hin ihr Ziel treffen, und dann auch wieder Geschütze
                              zu haben, deren Projectile unter Umständen mit einer auf das höchste gesteigerten
                              Percussionskraft gegen nahe Ziele abgegeben werden können.
                           Die ältere Artillerie huldigte hauptsächlich letzterem Zwecke, denn die hierzu
                              dienenden Karthaunen oder Mauerbrecher thaten ihre Schuldigkeit, so daß z.B. die auf
                              54 Pfd. Eisen ausgebohrte und 48 Pfd. Eisen schießende ganze Karthaune ihren Kugeln
                              mit 1/2 kugelschwerer Ladung etwa 20 Fuß Eindringungstiefe in Erdreich verlieh, während die
                              längeren Rohre der Feldschlangen damaliger Feldartillerie ihre Geschosse zwar weiter
                              trugen als die kürzeren Karthaunen, dagegen aber auch sehr schwer waren. Mächtige
                              Wirkungen und die dazu gehörigen starken Pulverladungen, welche früher manchmal bis
                              zu 1/1 des Kugelgewichtes stiegen, erfordern aber auch starke Geschütze und es griff
                              deßhalb die Artillerie schon in ihren Entstehungszeiten zu künstlichen
                              Metall-Constructionen, indem sie ihre Stücke aus eisernen Stäben verfertigen
                              ließ, welche mit eisernen Reifen umgeben waren. Im Laufe der Zeiten wurde dann dem
                              Verlangen nach einer erleichterten, beweglicheren Artillerie immer mehr durch
                              Kaliber- und Ladungsverminderung nachgegeben, so daß dann auch einfach
                              gegossene Rohre von Eisen und Bronze (Kanonenmetall) ausreichten und es culminirte
                              dieses Streben nach einem Minimum der Geschützschwere in Verbindung mit einem
                              Maximum treffsicherer Fernwirkung der Geschosse endlich in der Anwendung gezogener
                              Geschütze mit 1/12 bis 1/8 kugelschwerer Ladung, deren Rohren man, wie die Extreme
                              sich fast immer berühren, theilweise ebenwohl wieder künstliche
                              Metall-Constructionen gab, um dadurch ihre Leichtigkeit auf das höchste
                              steigern zu können. Daß hierdurch die Geschosse aber an Percussionskraft ihrer
                              Nahewirkung einbüßen mußten, liegt auf der Hand, und so läßt sich denn auch der
                              Unwille leicht erklären, mit welchem die öffentliche Meinung Englands noch im
                              vorigen Jahre gegen Armstrong gerichtet war, als seine
                              Geschütze gegen Panzerplatten Fiasco machten. Diese Vorwürfe waren an sich
                              ungerecht, da Armstrong in Herstellung seiner Geschütze
                              nur dem Streben der neueren Zeit entsprochen, und dieselben keinesweges gegen
                              Panzerplatten bestimmt hatte. Letztere aber, gegen welche Armstrong jetzt ebenwohl mit großem Erfolg vorschreitet, liefern eben nur
                              wieder den Beweis, daß die Zeit ihre Heilmittel für Abirrungen vom richtigen Wege
                              stets in sich selbst trägt, und daß die Artillerie ihren Geschossen nicht nur
                              treffsichere Fernwirkung sondern auch überwältigende Nahewirkung verleihen können
                              muß. Diese Nahewirkungen aber lassen sich durch Vergrößerung der anfänglichen
                              lebendigen Kraft des Geschosses beliebig steigern; diese lebendige Kraft des
                              Projectiles ist wieder eine Function von Masse und von Quadrat der
                              Anfangsgeschwindigkeit desselben, und so wird man also, durch zollweisen Zusatz zum
                              Kaliberdurchmesser, zweckentsprechende Geschosse und gehörig gesteigerte Ladungen,
                              nach dieser Richtung hin das bisher Unerhörte leisten können, wenn man Rohre zu
                              stellen vermag, welche, ohne allzuschwer und unbehülflich zu seyn, derartigen
                              potenzirten Wirkungen zu entsprechen vermögen. Dadurch sieht man sich dann aber auch
                              wieder zu den primitiven Mitteln der Artillerie zurückgeführt, welche nur nach dem
                              jetzigen Standpunkte der
                              Technik zu steigern sind, nämlich: große Kaliber, starke Ladungen und künstliche
                              Metall-Construction der Rohrwände. Von dem Alterthum der letzteren gibt z.B.
                              die noch jetzt in Gent auf offener Straße liegende sogen. Dulle Grete (Marguerite l'Enragée) Zeugniß ab, welche im Jahre
                              1382 auf die oben angeführte Weise angefertigt wurde, und es haben ferner die am 17.
                              März dieses Jahres zu Shoeburyneß in England abgeführten Schießversuche gegen
                              Panzerplatten wiederholt den Beweis geliefert, daß hinsichtlich starker
                              Nahewirkungen der Artillerie – die dortigen Versuche wurden mit 200 Yards =
                              242 Schritt Zielabstand angestellt – weder zwischen den besten und
                              schlechtesten Constructionen gezogener Geschütze, noch auch zwischen den besten
                              dieser Kategorie und den ältesten glatten Geschützen ein erheblicher Unterschied
                              besteht, sondern daß es hierbei lediglich auf große Kaliber und möglichst starke
                              Ladungen ankommt. Das gezogene Geschütz kann sein Uebergewicht nur auf weitere
                              Entfernungen geltend machen, wie denn z.B. bei Fluglängen von circa 1200 Schritt die Kraft der Projectile aus glatten Geschützen schon
                              auf die Hälfte reducirt ist, während die Geschosse aus gezogenen Geschützen nach
                              solchen Flugweiten noch ihre volle Percussionskraft haben.
                           In Bezug auf die Nothwendigkeit aber, Geschütze welche für sehr starke Ladungen
                              bestimmt sind, mit Rohren einer künstlichen Metall-Construction zu versehen,
                              hat die Erfahrung ergeben, daß bei gewöhnlich zusammengeschweißten oder auch nach
                              bisheriger Methode aus einem Stücke gegossenen Geschützrohren, die Haltbarkeit
                              derselben keinesweges proportional der Rohrwandstärke wächst, sondern daß auch bei
                              verhältnißmäßig sehr starken Rohren dieser Art, die Zerstörung derselben meistens
                              durch ein Zerreißen der inneren Metallschichten angebahnt wird, welches letztere den
                              Beweis liefert, daß die äußeren Metalltheile solcher Rohre nicht Spannung genüg
                              besitzen um die inneren mit ihrer vollen Coercitivkraft unterstützen zu können. Bei
                              derartigen Geschützrohren, deren Metallstärke am Bodenstücke gleich 1/2
                              Kaliberdurchmesser ist, bei dender sogenannten halbgütigen Rohren also, stimmen Theorie und Praxis gewöhnlich
                              in der Art mit einander überein, daß das Rohr pro
                              Quadratzoll seiner Seelenwand denselben Gasdruck auszuhalten vermag, welcher der
                              absoluten Festigkeit des Rohrmaterials pro Quadratzoll
                              Querschnitt entspricht; durch Anwendung vollgütiger und übergütiger Geschützrohre,
                              welche am Bodenstücke drei und mehr als drei Kaliber stark sind, kann man aber
                              erfahrungsgemäß nur so wenig Garantie gegen ein Zerspringen des Geschützes bei
                              verhältnißmäßig stärkeren Spannungen des Pulvergases darbieten, daß man sich nach
                              Mitteln umsehen mußte, die Geschütze aus einem Zustande herauszubringen, in welchem sie,
                              wie jener amerikanische Schiffscapitän von seinen gußeisernen Kanonen sagte, der
                              eigenen Bedienungsmannschaft gefährlicher waren, als dem ihnen gegenüberstehenden
                              Feinde. Zu diesem Zwecke wurden unter anderem angewendet:
                           1) Einführung eines Stromes eiskalten Wassers in den die Seele des Rohres bildenden
                              Theil der Gußform während des Gusses und bis zum gänzlichen Erkalten desselben,
                              unter gleichzeitiger Umgebung der äußeren Formtheile mit schlechten Wärmeleitern, so
                              daß hierdurch die Abkühlung des Rohres von innen nach außen stattfinden muß. Diese
                              von Professor Treadwell in den Vereinigten Staaten von
                              Amerika vorgeschlagene und an sich ganz rationelle Methode, die Spannung der
                              Metall-Partikeln des Rohres richtig zu vertheilen, scheitert jedoch bei ihrer
                              Ausführung an dem Umstande, daß sich bei einem derartigen Gusse zwischen dem ersten
                              und zweiten Drittel der Rohrstärke, von innen nach außen hin gerechnet, gewöhnlich
                              Hohlstellen bilden, welche die Haltbarkeit des Rohres dann natürlich sehr
                              gefährden.
                           2) Umwickeln des geschmiedeten oder gegossenen Rohres mit Eisen- oder
                              Stahldraht. Dieses System der Rohrbearbeitung wurde James Longridge in England zuerst zur Verstärkung hydraulischer Preßcylinder
                              patentirt und dann in Frankreich von Oberst Trenille de
                                 Beaulieu auf Geschütze angewendet. Es leidet dasselbe an dem Mangel, daß
                              die Drahtumwickelung sich gänzlich auflöst, sobald der Draht an irgend einer Stelle
                              zerrissen wird, was bei im Gefechte befindlichen Geschützrohren natürlich durch das
                              Anschlagen feindlicher Projectile etc. leicht geschehen kann.
                           3) Umgeben der an sich zu schwach befundenen Rohre mit schmiedeeisernen Reifen (cerclage), welche Methode wieder seit 1830 durch den
                              jetzigen General Frederix in Belgien cultivirt worden
                              ist, dann im Jahre 1834 auch von Thierry in Frankreich
                              angewendet und 1855 dem Capitän Blakely in England in der
                              Weise patentirt wurde, daß seine Rohre aus einzelnen übereinander geschobenen hohlen
                              Cylindern bestehen, von denen jede folgende Lage die nächst innere in einem durch
                              Rechnung und Versuche zu bestimmenden Grade zusammenpreßt, damit auf diese Art alle
                              Metalltheilchen der Rohrwand sich gleichmäßig an dem Widerstande gegen den auf sie
                              einwirkenden Druck des Pulvergases betheiligen. Professor Treadwell in Nordamerika wendet zu demselben Zwecke seit 1856 doppeltes
                              Bereifen mit warm aufgeschraubten Ringen an, und Oberst Trenille de Beaulieu sucht dieses Ziel in Frankreich seit 1859 durch um
                              das Rohr gelegte Stahlreifen zu erreichen.
                           Blately's Methode ist von Armstrong in folgender Weise angenommen worden: Schmiedeeiserne Stäbe
                              von 20 bis 100 Fuß Länge und einem Trapez-Querschnitt von 2 1/2 bis 3 1/2
                              Zoll Höhe, 2 bis 3 1/2 Zoll langer und 1 1/2 bis 3 Zoll kurzer
                              Parallel-Seite, werden in der für Damastrohre des kleinen Feuergewehrs
                              althergebrachten Weise auf eine cylindrische Stange aufgewickelt, und hierauf zu
                              hohlen Cylinder-Ringen, den sogenannten Coils,
                              zusammengeschweißt, an deren äußerer Mantelfläche die lange Parallel-Seite
                              des Querschnittes der aufgewickelten Stange liegt. Diese Coils werden dann zu Röhren (Tubes)
                              zusammengesetzt, indem man zunächst immer je zwei derselben so an ihren Hirnenden
                              aus- und abdreht, daß der eine von beiden Coils
                              etwa 3/4 Zoll tief möglichst genau in den anderen hineingreift. Hierauf setzt man
                              die Fuge zweier so ineinander geschobenen Coils, welche
                              zur Cylinderröhre zusammengesetzt werden sollen, in einem schmalen mit zwei
                              Einsatzthüren versehenen Schweißofen einer kräftigen Schweißhitze aus, wobei die
                              äußeren Enden der Coils aus den Thüren des Ofens
                              hervorstehen und mittelst eines Schraubenbolzens, welcher durch die Coils hindurchgeschoben ist, von der Mutter desselben
                              fest gegeneinander gepreßt werden. Die auf solche Weise gebildeten hohlen Röhren
                              erhalten dann unter dem Dampfhammer ihre beim Zusammenschweißen der Coils mehr oder weniger verloren gegangene cylindrische
                              Form wieder, und es werden diese Cylinderröhren hierauf endlich genau so weiter
                              behandelt, wie es in obigem Berichte von Anderson
                              angegeben wurde. Zu erwähnen ist hierbei nur noch, daß die für das Bodenstück des
                              Rohres bestimmten Coils theilweise nicht
                              damastrohrartig, sondern aus der Länge nach parallel nebeneinander gelegten Stäben
                              zusammengeschweißt werden, damit hierdurch eine solche Combination der Faserlage des
                              Schmiedeeisens eintritt, daß diese Rohrtheile nicht nur dem Sprengen, sondern auch
                              dem Zerreißen des Rohres einen größtmöglichen Widerstand leisten. Aus ähnlichen
                              Gründen wird auch diejenige Cylinderröhre, welche die Schildzapfen enthält, nicht
                              gewickelt, sondern aus Bündeleisen geschmiedet. Der nach dem Gewichte seines
                              conischen Geschosses sogenannte 300pfünder, mit welchem Armstrong bei den Schießversuchen zu Shoeburyneß am 17. März l. J.,
                              – seiner, bei den vorletzten Versuchen dortselbst, im vorigen Jahre gegebenen
                              Zusage entsprechend – den Sieg davon trug, war ein nach dem Coil-Principe angefertigtes
                              Vorderladungs-Geschütz, ausgebohrt auf das Kaliber einer 144pfündigen
                              eisernen Rundkugel und mit ausgestoßenen (rifled shunt
                                 guns) Zügen versehen. Die hierzu verwendeten Coils sind nach den neuesten Mittheilungen aus tauförmig aufgewickeltem
                              Drahte geschmiedet worden. Bei dem Schießen trieb die 45 Pfund schwere Pulverladung
                              ein 296 Pfd. schweres conisches Stahlgeschoß mit 1298 Fuß Geschwindigkeit und eine
                              144 Pfd. schwere
                              gußeiserne Rundkugel mit 1636 Fuß Geschwindigkeit gegen 242 Schritt weit abstehende
                              7 1/2zöllige Panzerplatten an, welche im ersteren Falle mit zehnzölligem Teakholz
                              gefüttert und im zweiten Falle auf eisernen Rippen befestigt waren. Der erste Schuß
                              bewirkte eine 10 Zoll Durchmesser haltende Einbiegung der Platte von 1 1/2 Zoll
                              Tiefe und ein Herausbiegen der Plattenränder um etwa 1 Zoll. Der zweite Schuß
                              brachte nicht nur einen noch tieferen und umfassenderen Einbug in der Platte,
                              sondern auch einen kreuzförmigen Riß von beinahe 2 Zoll Oeffnungsweite in derselben
                              hervor, woraus sich der große Vortheil starker Teakholz-Fütterungen für
                              Panzerplatten erkennen läßt, da die lebendigen Kräfte beider Kugeln sich
                              beziehungsweise wie 296 . 1298² : 144 . 1636², also etwa wie 22 : 17
                              verhielten, und dennoch die gefutterte Platte mehr Widerstand leistete als die hohl
                              liegende. – Solchen Geschützen können also jetzt schon die stärksten
                              englischen Panzerschiffe keinen genügenden Widerstand mehr leisten, ihnen gegenüber
                              werden vielmehr etwa 12zöllige Panzerplatten zur Anwendung kommen müssen, welche für
                              Seeschiffe zu schwer sind, dagegen aber zur Bekleidung von für den Hafendienst
                              bestimmten Dampfbatterien etc. noch gute Dienste leisten könnten. Man sieht daher,
                              daß jetzt schon ein bedeutender Rückschlag in dieser Beziehung eingetreten ist, und
                              es läßt sich bei der Leichtigkeit mit welcher die neueren technischen Erfindungen
                              die Anfertigung von Geschützen jeder Form und Größe gestatten, nun weiter noch mit
                              Sicherheit erwarten, daß auf dem mit solchem Erfolge betretenen Wege der
                              Kalibervergrößerung und Ladungsteigerung fortgeschritten werden wird, bis man den
                              Werth der Panzerung auf sein richtiges Maaß zurückgeführt hat. Armstrong soll schon im Sommer dieses Jahres einen 600pfünder zum Versuche
                              bringen wollen, und ehe noch ein Jahr verstreicht, wird man auch wohl von
                              1000pfündern reden hören, wobei allerdings nochmals darauf hingedeutet werden muß,
                              daß die Engländer ihre Geschütze nach dem wirklichen Gewichte der von ihnen
                              angewendeten beliebig geformten und beliebig zusammengesetzten Projectile benennen,
                              während die deutsche Artillerie das Gewicht einer zum Kaliber des Rohres passenden
                              gußeisernen Rundkugel zum festen Maßstabe nimmt. Ein gezogener 6pfünder mit
                              Bleimantel-Lang-Geschoß von 13 3/4 Pfd. Schwere würde nach englischer
                              Nomenclatur z.B. ein 13 3/4pfünder heißen, und so fort.
                           Die Wichtigkeit guter Metall-Constructionen für artilleristische Zwecke wird
                              hiernach wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, und es dürfte nunmehr also auch der
                              Einfluß der Zug-Gestaltung gezogener Rohre auf ihre Schußwirkung noch näher
                              zu betrachten seyn. In dieser Beziehung wird zunächst einleuchten, daß je mehr die
                              Richtung des Zuges von der Längenrichtung des Rohres abweicht, je stärker also die Windung oder der
                              Drall des Zuges ist, desto größer auch der Widerstand seyn wird, welchen die
                              Wandungen des Rohres dem nach vorwärts strebenden Geschoß entgegenzustellen haben,
                              um es zur Einhaltung der Zugrichtung zu zwingen. Von diesem größeren oder geringeren
                              Widerstande gegen das vom Pulvergase erzeugte Streben des Geschosses, sich in der
                              Achsenrichtung des Rohres fortzubewegen, ist dann aber selbstverständlich auch
                              wieder das Verhältniß abhängig, in welchem für irgend eine gegebene Relation von
                              Ladung und Geschoß, die anfängliche Rotationsgeschwindigkeit des letzteren und seine
                              anfängliche Geschwindigkeit der fortschreitenden Bewegung zu einander stehen. Von
                              diesen Geschwindigkeiten ist bei übrigens fest bestimmtem Schußverhältnisse dann
                              aber auch wieder die Beziehung abhängig, in welcher die lebendigen Kräfte der
                              anfänglichen Rotation und der fortschreitenden Anfangsbewegung des Geschosses zu
                              einander stehen, und diese beiden Kräfte üben endlich auf die Treffsicherheit und
                              auf die Percussionskraft des Geschosses den bedeutendsten Einfluß aus.
                           Um den hier gegebenen Ideengang etwas detaillirter ausführen und dabei zugleich den
                              praktischen Nutzen der vorstehend von Anderson
                              angegebenen Ziehvorrichtungen in ein helleres Licht stellen zu können, dürfte
                              zunächst das Maaß für die Größe des Zugdralles wissenschaftlicher festzustellen
                              seyn, als dieses zuweilen im gewöhnlichen Leben geschieht, wenn man zu dem Ende von
                              1/2, 2/3 etc. Umgang des Zuges im Rohre irgend einer gezogenen Feuerwaffe spricht,
                              ohne dabei zugleich die Länge und den Durchmesser des Rohres genau anzugeben. Denkt
                              man sich zu diesem Zwecke nun ein auf beiden Seiten senkrecht zur Rohrachse
                              abgeschnittenes Rohrstück von einer solchen Länge, daß der Zug in demselben genau
                              einen ganzen Umgang macht, und nimmt man weiter an, dieses Rohrstück sey an
                              derjenigen Stelle, wo Anfang und Ende der Zugwindung übereinander stehen, parallel
                              zur Seelenachse des Rohres der Länge nach aufgeschlitzt und hiernach zur ebenen
                              Fläche auseinandergeklappt worden, so wird durch dieses Verfahren das in Rede
                              stehende Rohrstück der Einbildungskraft sich schließlich als ein Rechteck
                              präsentiren müssen, dessen Diagonale der Zug ist. Die Höhe H dieses Rechteckes ist dann die sogenannte Drall-Länge des Rohres,
                              nämlich diejenige Länge desselben, auf welche eventuell ein voller Umgang seines
                              Zuges kommen würde. Die Grundlinie dieses Rechteckes ist ferner gleich der
                              Peripherie des senkrecht zur Rohrachse liegenden Seelendurchschnittes vom Rohre, für
                              den Rohrdurchmesser D also gleich Dπ. Der Winkel α, unter welchem die Diagonale dieses Rechteckes gegen dessen Höhe
                              aufsteigt, ist kein anderer als derjenige Winkel, unter welchem die Züge des Rohres
                              gegen dessen Längenrichtung geneigt sind, und er heißt deßhalb auch der Drallwinkel. Der
                              Quotient Dπ/H,
                              welcher die Größe des Verhältnisses von Grundlinie und Höhe des Rechteckes zu
                              einander ausdrückt, steht somit, der trigometrischen Ausdrucksweise entsprechend,
                              als Tangente des Drallwinkels da. Für einen gezogenen Sechspfünder von 3,5 Zoll
                              Kaliberdurchmesser, zwischen den Feldern der Züge gemessen, und 15 Fuß
                              Drall-Länge seiner Züge, ist also z.B. tang
                                 α = (3,5 . 3,1415)/(12 . 15) = 0,061, und mithin der Drallwinkel
                              desselben gleich 3 1/2 Grad. Von der Größe dieses Drallwinkels sind bei den
                              verschiedenen Systemen gezogenen Geschützes selbstverständlich immer alle die oben
                              bezeichneten Beziehungen abhängig, nämlich: das Angegriffenwerden der Rohre beim
                              Schießen; das Verhältniß der anfänglichen Geschwindigkeiten von Rotations-
                              und fortschreitender Bewegung des Projectils zueinander; die daraus resultirenden
                              lebendigen Kräfte des Geschosses, und somit endlich auch Wirkungssicherheit und
                              Wirkungsgröße des mit Zügen versehenen Geschützes. Es ist daher von großer
                              Wichtigkeit, diesen Winkel immer ganz genau und mit größter Sicherheit, der
                              gegebenen Vorschrift entsprechend, in das zu ziehende Rohr eintragen zu können, und
                              dazu dient eben in rationellster Weise die Tangentenstange, indem sie durch ihre
                              jedesmalige Neigung gegen die Mittellinie der Bank den Drallwinkel selbst angibt und
                              somit auch das demselben entsprechende Verhältniß zwischen rotirender und
                              fortschreitender Bewegung der Ziehstange normirt. Diese Stange entspricht daher
                              vollständig ihrem Namen, da mit ihrer Feststellung jedesmal auch das
                              Tangenten-Verhältniß des Dralles vom Zuge fest geregelt ist.
                           Das für Schußsicherheit und Schußwirkung so wichtige Verhältniß zwischen den
                              anfänglichen Geschwindigkeiten von Rotations- und fortschreitender Bewegung
                              des Geschosses kann für jeden besonderen Fall in folgender Weise zum Ausdruck
                              gebracht werden: Für die Drall-Länge H und den
                              Geschoßdurchmesser D legt jeder Punkt der
                              Geschoßoberfläche rotirend den Weg Dπ und fortschreitend den Weg H zurück; es verhält sich also die anfängliche
                              Geschwindigkeit V der fortschreitenden Bewegung des
                              Geschosses zur anfänglichen Rotationsgeschwindigkeit v
                              seiner Oberfläche wie H zu Dπ, woraus v = V . Dπ/H,
                              und die Winkelgeschwindigkeit des Geschosses, in der Entfernung = 1 von seiner
                              Rotationsachse, w = V . Dπ/(H . 1/2 D) = V . 2π/H folgt. Das Verhältniß beider
                              Geschwindigkeiten zu einander ist also immer gleich 1 : 2π/H und es geht dasselbe demnach z.B. bei der
                              häufig in Gewehrfabriken vorkommenden Drall-Länge von 2 Metern nahezu in das
                              Verhältniß der Gleichheit (für die Maaßeinheit, beziehungsweise den Radius gleich 1
                              Fuß) über.
                           Um weiter in möglichst einfacher Weise auch dasjenige Verhältniß zur Anschauung
                              bringen zu können, in welchem die lebendigen Kräfte des Geschosses zu einander
                              stehen, welche durch diese anfänglichen Geschwindigkeiten der Rotation und der
                              fortschreitenden Bewegung in demselben erzeugt werden, denke man sich das Projectil
                              als einen massiven Cylinder von der homogenen Masse M =
                              P/g, worin P deren
                              Gewicht und g die Beschleunigung der Schwere am
                              Beobachtungsorte bezeichnet. Es ist dann sein Trägheitsmoment gleich P . 1/2 (D/2)² = MgD²/8, und die lebendige Kraft der Rotation,
                              welche seiner anfänglichen Winkelgeschwindigkeit 2πV/H entspricht, mithin gleich MgD²/(2 . 8) (2 πV/H)² = MV²/2 . gD²π²/2H².
                           Die lebendige Kraft der fortschreitenden Bewegung des Geschosses, welche der
                              Anfangsgeschwindigkeit V desselben entspricht, ist aber
                              gleich MV²/ 2 und somit die Größe oder der
                              Quotient Q des Verhältnisses in welchem beide lebendige
                              Kräfte zu einander stehen, gleich 4,935 g D²/H². Bei Langgeschossen, welche hohl sind und
                              deren Eisenkerne auch wohl noch einen Bleimantel haben, ist dieser
                              Verhältnißquotient Q stets größer als bei vollen
                              Geschossen von homogener Masse.
                           Hieraus ist nun schon ersichtlich, daß ein im Voraus angefertigtes Drallrohr mit
                              zugehöriger spiralförmiger Ziehstange noch nicht einmal dazu dienlich ist, denselben
                              Zug welcher für irgend einen Geschoßdurchmesser D gut
                              und zweckmäßig befunden wurde, auf ein anderes Rohr, welchem z.B. der
                              Geschoßdurchmesser D₁ bestimmt worden ist,
                              übertragen zu können, daß selbst zu diesem Zwecke also schon die Einführung der
                              Tangentenstange von großem Werthe ist; denn wollte man für die wechselnden
                              Geschoßdurchmesser D und D₁ die Drall-Länge H des vorhandenen
                              Drall-Rohres constant lassen, so würde dadurch natürlich nicht nur das
                              Tangentenverhältniß für die Neigung der Züge: tang
                                 α = Dπ/H, sondern auch der oben entwickelte Verhältnißquotient der lebendigen
                              Kräfte von Rotations- und fortschreitender Bewegung des Geschosses: Q = 4,935 g D²/H² im Verhältnisse von D :
                                 D₁ und beziehungsweise von D² :
                              D₁² geändert werden. Das neue Schußverhältniß
                              kann denn also auch keineswegs dem früheren, als gut erkannten, gleich seyn. Der
                              Nutzen, welchen für die Artillerie-Wissenschaft der Umstand gewährt, mittelst
                              der Tangentenstange jeden beliebigen Drallwinkel sofort in ein Rohr von beliebigem
                              Kaliberdurchmesser eintragen zu können, wird aber noch deutlicher hervortreten, wenn
                              man den Streit verfolgt, welcher gerade jetzt in Bezug darauf im Gange ist, welches
                              wohl die zweckmäßigste Weise der Uebertragung eines für irgend ein Kaliber gut
                              befundenen Zuges auf irgend ein anderes Kaliber sey. Timmmerhans verlangt, daß in solchen Fällen die Drall-Längen H und H₁ den
                              Kaliberdurchmessern D und D₁ proportional seyen, also D/H = D₁/H₁ seyn soll; Gillion
                              will die Drall-Längen den Quadraten der Kaliber proportional, also D²/H = D₁²/H₁
                              haben, und Whitworth schlägt vor, die Drall-Längen
                              sich wie die Quadratwurzeln aus den Kaliberdurchmessern verhalten, also immer
                              √D/H =
                              √D₁/H₁ werden zu lassen. Legt man hiernach die Rechnung an, so verhalten
                              sich für die Kaliber D und D₁:
                           1) die Tangenten der Drall-Winkel tang α :
                              tang α₁
                           
                              
                                 nach
                                 
                                    Timmerhans
                                    
                                 wie
                                 1
                                 :
                                 1
                                 
                              
                                 „
                                 
                                    Gillion
                                    
                                 „
                                 D₁
                                 :
                                 
                                    D
                                    
                                 
                              
                                 „
                                 
                                    Whitworth
                                    
                                 „
                                 √D
                                 :
                                 √D₁, und
                                 
                              
                           2) die Verhältnißquotienten der lebendigen Kräfte von anfänglicher Rotation und
                              anfänglicher fortschreitender Bewegung, also Q : Q₁,
                           
                              
                                 nach
                                 
                                    Timmerhans
                                    
                                 wie
                                 1
                                 :
                                 1
                                 
                              
                                 „
                                 
                                    Gillion
                                    
                                 „
                                 D₁²
                                 :
                                 D²
                                 
                              
                                 „
                                 
                                    Whitworth
                                    
                                 „
                                 
                                    D
                                    
                                 :
                                 D₁.
                                 
                              
                           Gillion will also die Rohre stärkerer Kaliber auf
                              Unkosten des Verhältnißquotienten Q schonen; Whitworth steigert in solchen Fällen Q, indem er den Zügen stärkerer Kaliber mehr Widerstand
                              gegen das Geschoß zumuthet, als denen kleinerer Kaliber; Timmerhans läßt nach seiner einfachen Formel H
                              = nD die Verhältnißquotienten tang α und Q für alle
                              Kaliber constant und für die Wissenschaft ist es sicher von Interesse, an diese
                              verschiedenen Systeme den Maaßstab des Versuches mit einer solchen Leichtigkeit
                              anlegen zu können, wie dieses der in Rede stehende Fortschritt gestattet.
                           Die neuere Artillerie-Wissenschaft stellt aber nicht nur solche Aufgaben an
                              die Technik; sie verlangt zu ihren Untersuchungen zuweilen auch die Herstellung
                              solcher Züge, welche den mit Mänteln von weicher Metall-Composition etc.
                              umgebenen Geschossen den Eintritt in die Züge mit Leichtigkeit gestatten, ihre dadurch gebildeten
                              Führungsleisten dann aber immer fester umschließen, den Spielraum also continuirlich
                              verringern und hierbei zugleich wohl noch eine allmähliche Beschleunigung der
                              Winkelgeschwindigkeit des Geschosses anstreben, Züge also, welche bei zuweilen
                              allmählich steigendem Dralle fortwährend, oder bis zu einem bestimmten Punkte des
                              Rohres hin, an Breite und Tiefe abnehmen u.s.w. – – Hierzu muß dann
                              auch die Copirstange in Thätigkeit treten, und es sind also
                              Maschinen-Einrichtungen dieser Art nicht nur für die Wissenschaft, sondern
                              auch für alle diejenigen Etablissements von der größten Wichtigkeit, welche den
                              dahin einschlagenden Waffenbestellungen ihre Kräfte leihen wollen.
                           Cassel, am 9. Juni 1863.
                           Dy.,           Artillerie-Hauptmann.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
