| Titel: | Ueber das Verhalten des Rübenbreies zu Kalk und Weingeist; von Dr. C. Stammer. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XXXVI., S. 148 | 
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                        XXXVI.
                        Ueber das Verhalten des Rübenbreies zu Kalk und
                           Weingeist; von Dr. C. Stammer.
                        Stammer, über das Verhalten des Rübenbreies zu Kalk und
                           Weingeist.
                        
                     
                        
                           Bei Gelegenheit einer Untersuchung über das Verhalten von Melasse zu Kalk und
                              Spiritus (s. dieses Journal Bd. CLXVII S. 136 und 207), bei welcher es sich
                              herausgestellt hatte, daß die gekalkte Masse sich unter gewissen Umständen durch
                              Alkohol in eine verhältnißmäßig sehr zuckerreiche und eine sehr zuckerarme spalten
                              lasse, kam ich, wie leicht erklärlich, auf die Vermuthung, daß Aehnliches vielleicht
                              auch mit dem unveränderten Rohmaterial, dem Rübensaft selbst, vorgehen könne. Wenn
                              dem wirklich so wäre, so würde man ohne große Schwierigkeit von vornherein eine
                              solche Reinigung mit dem Safte vornehmen können, daß die weitere Verarbeitung eine
                              ganz außerordentlich einfache werden mußte, und sich also von einem solchen
                              Verhalten die mannichfachsten Vortheile erwarten ließen.
                           Im Folgenden erlaube ich mir die Ergebnisse derjenigen Versuche mitzutheilen, welche
                              ich in diesem Sinne angestellt habe. Der Gang derselben entsprach im Allgemeinen
                              demjenigen, welcher bei den entsprechenden Versuchen mit Melasse befolgt wurde. Es
                              bedarf daher hier keiner näheren Beschreibung. Da das Verhältniß, welches bei der
                              Melasse ein gutes Resultat geliefert hatte, sich hier nicht anwendbar erwies, so
                              sind verschiedene Verhältnisse von Kalk angewandt worden; auf die Menge des
                              Weingeistes wurde keine Rücksicht genommen, da es sich ja um eine technische
                              Anwendung vorläufig nicht handelt; wohl aber kam Weingeist von verschiedener Stärke
                              in Anwendung, weil die Menge des vorhandenen Wassers sich immer von Einfluß gezeigt
                              hatte.
                           Es lag nahe, das Verhalten des Rübenbreies sowohl im frischen, wie im getrockneten
                              Zustande zu prüfen, wobei jedoch nur von mit Kalk
                                 getrocknetem Brei die Rede seyn konnte, dessen eigenthümliches Verhalten
                              schon früher der Gegenstand einer Mittheilung gewesen ist, worauf hier verwiesen
                              seyn möge (s. dieses Journal Bd. CLVIII S. 133).
                           Alle Versuche stimmen darin überein, daß sie auf Ermittelung des Verhältnisses
                              zwischen Zucker und Nichtzucker – des Zuckerquotienten – gerichtet
                              waren, welches sowohl für das in Weingeist Gelöste, die
                              „Lösung,“ wie für das Ungelöste „den
                                 Preßling“ bestimmt wurde.
                           A.Frischer Rübenbrei.
                           1) Polarisation des ausgepreßten Saftes: 13,9 Proc., bei einem specif. Gewicht von
                              16,2 Proc. Ball.; mithin Quotient: 85,8.
                           Von diesem Rübenbrei wurden 2 Pfd. mit 5 Loth Kalkhydrat gemischt und dann mit ihrem
                              gleichen Volumen Weingeist von 86 Proc. versetzt (wobei sich das Gemisch merkwürdig
                              trocken zeigte), und alsbald ausgepreßt.
                           
                              a) Abgepreßte Lösung. Dieselbe war trübe und wurde daher filtrirt, worauf sie auf
                                 weitern Zusatz von Weingeist keinen Niederschlag mehr ergab. Die klare Lösung
                                 zeigte nach der Saturation und Entfernung des Weingeistes ein Gewicht von 7,4
                                 Proc. Ball. und eine Polarisation von 5,3 Proc., mithin einen Quotienten von
                                 70,3 Proc.
                              b) Der Preßling wurde auf zweierlei Weise behandelt: Ein Theil wurde mit
                                 Wasser gemischt, dann saturirt, und die entstandene Lösung durch Auspressen von
                                 dem Rückstand getrennt, dann gekocht u.s.w. Sie war eine hellgelbe und
                                 polarisirte bei 13 Proc. Ball. 12,1 Proc.; ihr Quotient betrug also 93,1 Proc.
                                 – Ein anderer Theil wurde bei gelinder Wärme des Alkoholgehaltes beraubt,
                                 dann mit Wasser gemischt, ausgepreßt, saturirt u.s.w. Es entstand eine Lösung
                                 von 7,2 Proc. Ball. und eine Polar. von 6,2 Proc., mithin von einem Quotienten
                                 von 86,1 Proc.
                              
                           Man sieht, es war zwar in diesem Falle eine Erhöhung des relativen Zuckergehaltes in
                              dem in Weingeist ungelöst gebliebenen Preßling bewirkt worden, doch blieb derjenige
                              der abgepreßten Lösung noch viel zu hoch. In den folgenden Versuchen kamen daher
                              andere Verhältnisse zur Anwendung.
                           2) Saft des verwendeten Rübenbreies: 16,4 Proc. Ball. bei 14,8 Proc. Polar., also
                              Quotient 90 Proc.
                           2 Pfd. Brei mit 6 Loth Kalkhydrat, in Form von Kalkmilch,
                              und Spiritus von 65 Proc.
                           
                              a)Lösung.Diese und die folgenden Zahlen gelten natürlich für die ihres
                                       Kalkgehaltes und ihres Weingeistes beraubten Substanzen, weßhalb das in
                                       der Folge nicht mehr bemerkt worden ist. 10,1 Proc. Ball.; 8,10 Proc. Pol.; Quotient 80 Proc.
                              b)Preßling, getrocknet, dann mit Wasser behandelt
                                 u.s.w.: 12,8 Proc. Ball.; 8,9 Proc. Pol.; Quotient also 70 Proc.
                              
                           3) Derselbe Rübenbrei mit der gleichen Kalkmenge; Spiritus von 86 Proc.
                           a) Lösung: 4,4 Proc. Ball.;
                              3,4 Pol.; Quotient also 79,5 Proc.
                           b) Preßling nicht weiter
                              untersucht.
                           4) Derselbe Rübenbrei mit 10 Loth Kalkhydrat als Kalkbrei auf 2 Pfd. Brei. Spiritus
                              von 65 Proc.
                           
                              a)Lösung: 6,5 Proc. Ball.; 3,1 Proc. Pol.; Quotient
                                 also 47,7 Proc.
                              
                           Der Preßling wurde hierauf nochmals mit einer etwas größeren Menge Weingeist digerirt
                              und abgepreßt. Diese zweite Lösung ergab bei 6,0 Proc.
                              Ball. eine Pol. von 3,5 Proc., mithin einen Quotienten von 58 Proc.
                           
                              b)Preßling, nach dieser zweimaligen Entfernung des
                                 Saftes: 10 Proc. Ball.; 7,1 Proc. Pol.; mithin Quotient 71 Proc.
                              
                           Es zeigte sich also sowohl die Lösung wie der Preßling von geringerem relativen
                              Zuckergehalt als der ursprüngliche Saft!
                           
                           5) Ebenso wie 4), jedoch Spiritus von 86 Proc. Längere Zeit (kalt) digerirt.
                           
                              a)Lösung. Quotient 82 Proc.
                              b)Preßling. Derselbe wurde zur staubigen Trockne
                                 gebracht, dann mit heißem Wasser gemischt und saturirt, wobei sich noch etwas
                                 Weingeist entwickelte. Nachdem nun längere Zeit mit Wasser gekocht wurde, ohne
                                 daß Weingeist zu riechen gewesen wäre, wurde weiter saturirt und nun abermals
                                 Weingeist bemerkt. Es scheint demnach fast, als ob der Alkohol hierbei in einer
                                 chemischen Verbindung vorhanden gewesen wäre, die durch Kohlensäure zersetzt
                                 würde.
                              
                           Die Saturation konnte selbst mit reiner Kohlensäure nicht bis zur Neutralität
                              fortgesetzt werden. Die alkalische, von dem festen Rückstande (Rübenfaser und
                              Kalkverbindungen) abgepreßte Lösung pol. nur 2,97 Proc. bei 5,0 Proc. Ball., hatte
                              also einen Quotienten von nur 59,4.
                           Darnach wurde der hier gewonnene zweite Preßling nochmals
                              getrocknet, dann mit Wasser vermischt und saturirt, was jetzt schon leicht und rasch
                              zu bewirken war. Beim Auspressen der Lösung wurde von dieser verhältnißmäßig viel
                              erhalten, doch polarisirte sie bei 6,5 Proc. Ball. nur 4,2 Proc., hatte also einen
                              Quotienten von 64,6 Proc.
                           Auch hier waren folglich aus dem Rübenbrei nur lauter geringere Producte erhalten worden.
                           6) 2 Pfund Rübenbrei (dessen Saft 14,5 Proc. bei 17 Proc. Ball. Pol., also einen
                              Quotienten von 85,3 Proc. besaß) mit 8 Loth Kalkhydrat in Form des trockenen
                              Hydrates; hierzu das doppelte Volumen Weingeist von 86 Proc.
                           
                              a)Lösung: 7,1 Proc. Ball. bei 4,9 Proc. Pol. Da auch
                                 hier der Quotient 69 Proc. ein viel zu hoher war, um irgend welchen Erfolg
                                 erwarten zu lassen, so wurde der
                              b)Preßling: nicht weiter untersucht.
                              
                           Aus allen diesen Versuchen mit frischem Rübenbrei dürfte wohl mit Recht zunächst
                              geschlossen werden, daß auf diesem Weg das Ziel nicht zu
                              erreichen war.
                           B. Mit Kalk getrockneter Rübenbrei
                                 („Rübengries“).
                           7) Rübengries von Versuchen früherer Jahre und unbestimmtem Gehalt. Derselbe wurde
                              mit etwas Kalkhydrat und viel Weingeist von 86 Proc. gemischt, einige Tage kalt
                              digerirt und dann abgepreßt.
                           a) Lösung: 9,3 Proc. Ball.;
                              5,5 Proc. Pol. Also Quotient 59,1 Proc.
                           b) Preßling: 12,7 Proc.
                              Ball., 9,4 Pol.; also Quotient 74 Proc.
                           8) Frisch dargestellter Gries aus 2 Pfd. Rübenbrei (von einer Pol. von 14,4 Proc. bei 16,2 Proc.
                              Ball.), der mit 5 Loth Kalkhydrat gemischt und bei gelinder Wärme getrocknet war.
                              Derselbe wurde mit Weingeist von 86 Proc. digerirt und ausgepreßt.
                           Lösung: 4,7 Proc. Ball.; 4,5 Proc. Pol. Der Quotient ist
                              also hier in der Lösung von 88,8 auf 96 Proc. gestiegen;
                              es tritt folglich gerade das Entgegengesetzte des erwarteten Verhaltens auf! Es
                              müßte daher angenommen werden, daß die Absorption der Kohlensäure während des
                              Trocknens die freie Wirkung des Kalkes und später des Weingeistes gestört habe, und
                              es wurde deßhalb nun, wie folgt, verfahren:
                           9) 2 Pfd. Rübenbrei (von einem Quotienten des Saftes von 85,3 Proc.) wurde zunächst
                              mit 8 Loth Kalkhydrat als Pulver gemischt und getrocknet; dann nochmals mit
                              Kalkmilch völlig befeuchtet und nun erst mit Weingeist von 75 Proc. behandelt.
                           
                              a)Lösung: 8,3 Proc. Ball.; 3,6 Proc. Pol.; also
                                 Quotient 42 Proc.
                              b)Preßling: 5,9 Proc. Ball.; 3,7 Proc. Polar.: also
                                 Quotient 62,7 Proc.
                              
                           Ein aus diesem Preßling durch Behandeln mit heißem Wasser, Saturiren und Auspressen
                              erhaltener zweiter Preßling ergab eine Auflösung von dem
                              Quotienten von 56 Proc.
                           Wir haben also hier abermals drei Producte von geringerem
                              relativem Zuckergehalt als der ursprüngliche Saft! Da es möglich war, daß vielleicht
                              die allzugroße Menge beim Trocknen verwendeten Kalkes hierauf Einfluß übte, so
                              wurden noch einige Versuche mit geringerem Kalkzusatz
                              ausgeführt.
                           10) 2 Pfd. Rübenbrei (Quotient des Saftes 83,7 Proc.) mit 2 Loth Kalkhydrat; nach dem
                              Trocknen wurde der Gries mit Weingeist von 86 Proc. behandelt:
                           a) Lösung: 4,4 Proc. Ball.;
                              Pol. 3,4 Proc.; also Quotient 77,3 Proc.
                           b) Preßling: 8 Proc. Ball.;
                              Pol. 4,1 Proc.; also Quotient 49 Proc.!
                           11) Derselbe Rübenbrei mit 4 Loth Kalkhydrat getrocknet. Der Gries wurde mit
                              Weingeist von 86 Proc. behandelt:
                           
                              a)Lösung: 12,5 Proc. Ball.; Pol. 11,61 Proc.; Quotient
                                 also 92,9 Proc.
                              b)Preßling: 12,6 Proc. Ball.; Pol. 8,7 Proc.; also
                                 Quotient 69 Proc. Endlich
                              
                           12) Gries wie bei 11); Weingeist von 60 Proc.
                           
                              a)Lösung: 9,0 Proc. Ball.; Pol. 7,0 Proc.; also
                                 Quotient 77,8 Proc.
                              b)Preßling: 5,3, Proc. Ball.; Pol. 2,84 Proc.; also
                                 Quotient 53,6 Proc.
                              
                           Hier glaubte ich diese Versuche abschließen zu können. In technischer Beziehung war daraus das Eine zu
                              entnehmen, daß auch durch Behandlung von getrocknetem gekalktem Rübenbrei (Gries)
                              mit Weingeist ein praktischer Erfolg nicht zu erwarten
                              sey.
                           Weiterhin aber ist es auffallend, daß wenn der relative Zuckergehalt überhaupt in dem
                              einen Producte steigt, dieß nur wenig beträgt, daß also solche Unterschiede wie bei
                              der Melasse hier nicht gefunden werden; noch viel auffallender aber erscheint der
                              mehrfach beobachtete Umstand, daß alle Producte einen
                              geringeren Quotienten ergaben, als der des Saftes
                              gewesen war.
                           Es liegt darin wieder ein Fingerzeig auf das noch wenig bekannte Verhalten des
                              Zuckers zum Kalke: man ist geneigt, aus diesen Resultaten zu schließen, daß unter
                              Umständen zwischen Kalk und Zucker Wechselwirkungen vorgehen, welche das
                              Unlöslichwerden oder Verschwinden von Zucker zur Folge haben. Schon früher habe ich
                              auf eine solche Möglichkeit hingewiesen, und wenn es auch noch keineswegs sicher
                              ist, daß sich reiner Zucker ähnlich verhält wie der im
                              Rübensafte mit so manchen fremden Bestandtheilen gemischte, so glaube ich doch, aus
                              dem Mitgetheilten Veranlassung nehmen zu müssen, zunächst das Verhalten von Zucker
                              und Kalk, wenn sie längere Zeit vermischt bleiben, näher zu untersuchen. Sobald
                              diese Versuche ein bestimmtes Resultat ergeben haben, werde ich dasselbe weiterhin
                              besprechen.