| Titel: | Ueber Wasser in Metallröhren. – Zur Beurtheilung der Frage, ob in Riga die Anwendung von Bleiröhren für die Wasserleitung im Innern der Wohnhäuser der Gesundheit gefährlich seyn würde; von Dr. R. Kersting in Riga. | 
| Autor: | R. Kersting | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XLVIII., S. 183 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber Wasser in Metallröhren. – Zur
                           Beurtheilung der Frage, ob in Riga die Anwendung von Bleiröhren für die Wasserleitung im
                           Innern der Wohnhäuser der Gesundheit gefährlich seyn würde; von Dr. R. Kersting in Riga.
                        Kersting, über Anwendung von Bleiröhren für Wasserleitungen im
                           Innern der Wohnhäuser.
                        
                     
                        
                           A. Größe des
                                 Bleigehaltes im Röhrenwasser der neuen Wasserwerke in Riga.
                           Im Auftrage der Direction der neuen Wasserwerke in Riga habe ich eine Reihe von
                              Versuchen angestellt, welche die lautgewordenen Befürchtungen wegen der
                              Schädlichkeit von bleiernen Röhren auf ihr richtiges Maaß zurückführen sollen.
                           Zur Erlangung einer hinreichend breiten Basis für Beurtheilung des Gegenstandes
                              mußten die Versuche auf mehrere Wassersorten und auf mehrere Metalle ausgedehnt
                              werden. Diese Beobachtungen dürften auch für andere Zwecke nützliche Fingerzeige
                              geben. Was zunächst die Frage für Riga anlangt, so hat dieselbe zwei Seiten, eine
                              chemisch-analytische und eine medicinische. Es ist zu ermitteln: 1) die Größe
                              des Bleigehaltes im Röhrenwasser, 2) die Wirkung des gefundenen Bleigehaltes auf die
                              Gesundheit.
                           Für die erste Frage habe ich vorauszuschicken, daß viele Beobachtungen aus anderen
                              Städten bereits vorliegen, günstige und ungünstige, daß diese aber für uns nur
                              beschränkte Anwendung finden können, theils weil sie zeigen, daß die Löslichkeit des
                              Bleies eine sehr verschiedene ist, je nach den Nebenbestandtheilen des Metalls und
                              des Wassers, theils weil sie sich unter einander widersprechen. Ihre Hauptresultate
                              sind im Allgemeinen folgende:
                           
                              1) Zinnhaltiges Blei, auch verzinntes, wird von Wasser stärker
                                 angegriffen als ganz reines Blei.
                              2) Am stärksten wird Blei gelöst von weichem Wasser (zu weichem
                                 Wasser rechnet man destillirtes Wasser, Fluß- und Regenwasser), welches
                                 arm an Erdsalzen ist. Auch salpetersaure Salze, salpetrigsaures Ammoniak,
                                 salzsaure Salze, kohlensaure Alkalien und organische Stoffe, wenn sie dem Wasser
                                 beigemischt sind, fördern die Lösung des Bleies.
                              3) Am wenigsten wird Blei gelöst von hartem Wasser (Quellwasser);
                                 dieses ist meist reich an Erdsalzen, besonders an kohlensaurem Kalk mit freier
                                 Kohlensäure.
                              
                           
                           Im Widerspruche mit obigen Angaben fand eine Untersuchungscommission in London, daß
                              das weiche Wasser von Surrey-Hill keine bemerkbare Einwirkung auf Blei
                              ausübte. Ebenso verhielt sich künstlich weich gemachtes Wasser und ganz reines (über
                              Kali destillirtes) Wasser (polytechn. Journal, Jahrgang 1857, Bd. CXLIV S. 284).
                              Auch meine directen Versuche stehen vielfach im Widerspruch mit obigen Angaben.
                              Einfach destillirtes Wasser griff Blei wenig an; salpetersaure Salze begünstigten
                              nicht die Auflösung des Bleies (siehe E). Nach Dr. Medlock's Mittheilung (a.
                              a. O. S. 285) enthalten die meisten natürlichen Wasser, und auch das aus ihnen
                              direct gewonnene destillirte Wasser, salpetrigsaures Ammoniak, und dieses veranlaßt
                              die Auflösung des Bleies.
                           Um für Riga eine endgültige Entscheidung fällen zu können, mußten die hiesigen
                              Materialien geprüft werden. Ich verschaffte mir aus dem Wasserwerke Röhren von Blei,
                              Kupfer, Schmiedeeisen und Gußeisen. Ferner schöpfte ich Wasserproben aus
                              verschiedenen Quellen, namentlich aus der Düna, oberhalb der Stadt von dem Punkte,
                              welcher das neue Wasserwerk speisen soll, ebenso von dem für dasselbe neu gegrabenen
                              Canale. Alle Wassersorten unterwarf ich einer vorläufigen Prüfung (C) und brachte sie darauf in die Röhren. Nachdem sie
                              eine bestimmte Anzahl Stunden in den Röhren gestanden hatten, bestimmte ich die
                              Menge des aufgelösten Metalls (D). Fürs Erste
                              interessiren uns nur das Canal- und Dünawasser in Bleiröhren. Beide Wasser,
                              nachdem sie in den Röhren gestanden hatten, zeigten sich klar und frei von
                              Metallgeschmack, wie vorher, dennoch konnte durch Schwefelwasserstoff eine geringe
                              Menge Blei nachgewiesen werden. Sie war größer oder kleiner je nach der
                              Berührungsdauer und nach der Wassersorte (E).
                           
                              
                                 
                                 
                                 Bleigehalt in 10 Pfund = 76800 Gran.
                                 
                              
                                 Versuch.
                                 Berührungsdauer.
                                 Dünawasser.
                                 Canalwasser.
                                 
                              
                                 VI
                                 1/2 Stunden
                                    0,03 Gran
                                    0,02 Gran
                                 
                              
                                 IV
                                       
                                    12       „
                                 0,22Die
                                          Zahl 0,22 ist wahrscheinlich etwas zu hoch, der Versuch IV bedarf
                                          der
                                          Bestätigung.    „
                                 0,08    „
                                 
                              
                                 I u. II
                                       
                                    24       „
                                 0,19    „
                                 0,15    „
                                 
                              
                                 III
                                     7 ×
                                    24    „
                                 0,38    „
                                 0,08    „
                                 
                              
                           Hiernach wird das Dünawasser etwas stärker bleihaltig als das Canalwasser. Durch
                              längeres Verweilen im Rohr nimmt der Bleigehalt des Dünawassers zu, der des
                              Canalwassers nimmt nach 24 Stunden wieder ab. In welcher Verbindung das gelöste Blei
                              sich befindet, wurde nicht besonders bestimmt. Es dürfte je nach den Beimengungen
                              des Wassers an
                              Salpetersäure, Salzsäure, Kohlensäure, ja auch Schwefelsäure gebunden seyn, denn
                              auch die letzgenannte Verbindung zeigte sich bei so geringen Mengen in Wasser
                              vollständig löslich.
                           Nachdem das Rohr 25 Tage lang mit verschiedenen Wassersorten geprüft worden war,
                              wiederholte ich den Versuch mit Dünawasser, und fand bei 24stündigem Stehen 0,08
                              Gran Blei in 10 Pfd. (Versuch XIX), also weniger als bei früheren Versuchen. Diese
                              Probe zeigt, daß nach längerem Gebrauch die Bleiröhren mindestens nicht stärker
                              angegriffen wurden.
                           Wie viel Blei wird nach obigen Resultaten eine Person täglich verschlucken
                              müssen?
                           Das neue Wasserwerk in Riga wird das Wasser in weiten gußeisernen Röhren bis an die
                              Häuser führen, und nur die Vertheilung innerhalb derselben soll mit Bleiröhren
                              bewerkstelligt werden. Bei einer Länge von 60 bis 100 Fuß faßt ein solches Rohr 10
                              bis 15 Pfd. Wasser. diese Menge nimmt über Nacht höchstens 0,2 Gran Blei auf. Wenn
                              man des Morgens die ersten 10 bis 15 Pfd. Wasser für andere häusliche Zwecke abläßt,
                              und nur solches zum Essen und Trinken verwendet, welches wenige Minuten oder Stunden
                              im Rohr verweilt hat, so enthält dasselbe höchstens 0,03 Gran Blei auf 10 Pfd. Nimmt
                              man an, daß eine Person täglich 5 Pfd. solchen Wassers als Speise und Trank genießt,
                              so bekommt sie
                           
                              
                                 täglich
                                 1/60
                                 Gran Blei,
                                 oder
                                 1/33
                                 Gran
                                 Bleizucker,
                                 
                              
                                 monatlich
                                 1/2
                                 „
                                 „
                                   1
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 jährlich
                                 6
                                 „
                                 „
                                 11
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           
                        
                           B. Ist der
                                 Genuß eines Wassers von solchem Bleigehalte schädlich?
                           Die letzte Entscheidung dieser Frage ist wie billig den ärztlichen Autoritäten
                              überlassen, und ich lasse unten das Gutachten folgen, welches die hochw. livl.
                              Gouvernements-Medicinal-Verwaltung auf Ersuchen der Direction des
                              Wasserwerkes ertheilt hat. Zuvor jedoch sey es gestattet, folgende diesen Gegenstand
                              betreffende Notizen anzuführen.
                           
                              1) Nach Graham, Miller, Hofmann,
                                    Nevius und Noad ist von bleiernen Röhren für
                                 städtische Wasserleitungen kein Nachtheil zu befürchten, wohl aber bei
                                 Wasserleitungen für einzelne Häuser, wo nämlich geringe Mengen Wasser längere
                                 Zeit in bleiernen Röhren und Gefäßen stehen bleiben (Graham-Otto, Lehrbuch der Chemie, 1855, Bd. II, Abth. 3, S.
                                 279).
                              2)Bolley behauptet, daß Wasser mit äußerst geringen
                                 Mengen Blei die
                                 schädlichsten Folgen für die Gesundheit haben kann, bemerkt aber, daß in vielen
                                 Städten bleierne Wasserleitungsröhren eingeführt sind, ohne daß man von ihnen
                                 nachtheilige Wirkungen entdecken konnte; als solche Städte führt er an: London,
                                 Paris, Manchester, Lüttich, Genua, Rom, Boston, New-York u.s.w. (Bolley's Handbuch der chemischen Technologie, 1862,
                                 Bd. I S. 95.) Aus den genannten Städten liegen jedoch Berichte vor, nach welchen
                                 sich das Röhrenwasser mehr oder weniger bleihaltig zeigte.
                              3)Calvert hat gefunden (polytechn. Journal, Jahrgang
                                 1861, Bd. CLXII S. 220), daß das Röhrenwasser in Manchester der Gesundheit
                                 nachtheilig war, wenn es in 10 Pfd. 1/10 bis 3/10 Gran Blei enthielt (das
                                 Röhrenwasser in Riga würde nach A nur den zehnten
                                 Theil dieser Menge enthalten, nämlich 3/100 Gran).
                              4) A. Smith in Manchester hält Wasser
                                 vielen Personen für schädlich, welches in 10 Pfd. 1/40 Gran Blei enthält,
                                 während anderen Personen ein Wasser mit 1/10 Gran noch nicht schadete
                                 (polytechn. Journal Bd. CLXII S. 222).
                              5) J. Smith erklärt ein Wasser für unschädlich, welches in 10
                                 Pfd. weniger als 1/20 Gran Blei enthält. (Dr. H. Ludwig, die natürlichen Wasser, 1862, S. 250.) Leider
                                 ist aus obigen Berichten nicht zu ersehen, ob die erwähnte Schädlichkeit durch
                                 beobachtete Symptome mit hinreichender Beweiskraft ermittelt wurde, oder ob sie,
                                 wie es oft geschieht, auf vage Vermuthungen hin behauptet wird.
                              6) Die Berliner Medicinal-Polizei hat erklärt, daß das
                                 Wasser der seit 1855 benutzten Bleiröhren vollständig frei ist sowohl von
                                 aufgelösten Bleisalzen, als auch von suspendirtem Blei, und daß daher gegen
                                 Verwendung von Bleiröhren zu Wasserleitungen weder sanitätspolizeiliche, noch
                                 sonstige Bedenken vorliegen. („Die Wasserversorgung
                                    Berlins“, 1857, S. 81.) Gegen das „vollständig
                                    frei von Blei“ erlaube ich mir einige Zweifel zu hegen, da die
                                 Methode der Bleibestimmung nicht angegeben ist.
                              7)Kupferne Röhren der alten Wasserleitung in Riga.
                                 Seit zwei Jahrhunderten trinkt man hier Dünawasser, welches innerhalb der Häuser
                                 durch kupferne Röhren geleitet wird, und nie sind Klagen über die Schädlichkeit
                                 solchen Wassers laut geworden. Meine vergleichenden Versuche zeigen, daß Kupfer
                                 von Wasser eben so stark angegriffen wird als Blei. Dünawasser enthielt nämlich,
                                 nachdem es im neuen Kupferrohr 12 Stunden gestanden hatte, 0,2 Gran Kupfer in 10
                                 Pfd. (Versuch IV); ebensoviel Kupfer enthielt das Brunnenwasser einer zwei
                                 Jahre alten Kupferrohrleitung (Versuch VIIIb).
                                 In einem Hause der inneren Stadt war das Röhrenwasser ganz arm an Kupfer, kaum
                                 1/100 Gran auf 10 Pfd., dagegen enthielt es 1/6 Gran Eisen (Versuch XVIII).
                                 Wenn, wie der letztere Versuch zeigt, die kupfernen Röhren durch Berührung mit
                                 metallischem Eisen oder durch einen Absatz aus dem Wasser geschützt worden
                                 waren, so ist dieß ein Vortheil, welcher auch den bleiernen Röhren zu gute
                                 kommen kann.
                              8)Bleierne Theile der alten Wasserleitung in Riga.
                                 In jüngster Zeit ist mir bekannt geworden, daß die alte Riga'sche Wasserleitung
                                 außer der kupfernen, auch eine beträchtliche Menge bleierner Theile enthält. Das
                                 Reservoir, welches täglich gefüllt wird und 56000 Kubikfuß enthält, war bis
                                 wenige Jahre zurück mit Blei ausgefüttert, die Hauptleitungsröhren enthalten
                                 noch heute über 1400 Fuß Bleirohr. Nach Angaben des Hrn. Civilingenieur Hecker und des Hrn. Pumpenmeisters Liß, bestehen die Hauptröhren aus gegen 1200
                                 hölzernen Stücken von je 25 bis 35 Fuß Länge, zusammen 35000 Fuß; diese
                                 Holzröhren sind durch bleierne Zwischenstücke von 1 1/6 Fuß Länge mit einander
                                 verbunden, d. i. 1200 Stück von 1400 Fuß Länge. Dieses Wasserwerk versorgt gegen
                                 550 Häuser oder 14000 Einwohner. Es liefert täglich im Maximum 3900000 Pfd.
                                 russisch (56160 Kubikfuß), oder für 1 Person 280 Pfd. Wasser. Es ist wohl
                                 anzunehmen, daß von diesem Maximum kaum die Hälfte wirklich verbraucht wurde,
                                 und daß hiervon 5 Pfd. (d. i. 1/28) täglich einer Person zur Nahrung
                                 diente.
                              
                           Durch Hrn. Liß erhielt ich eine der erwähnten bleiernen
                              Röhren; dieselbe war nach seiner Versicherung mindestens 30 Jahre in Gebrauch
                              gewesen. Sie hat an jedem Ende eine Scheibe zur Befestigung an die Holzröhren. Ihr
                              Gesammtgewicht beträgt 46 Pfd. russisch (das Rohr ohne die Scheiben wiegt 30
                              Pfd.).
                           Die Länge ist 14 Zoll (35,6 Centimeter), die Weite 3 1/2 Zoll (8,2 Centimet.), die
                              Metalldicke 1/4 bis 5/16 Zoll (0,63 Centimet.), die innere Wandfläche 141
                              Quadratzoll (923 Quadratcentimeter). Die innere Wandfläche dieser Röhre zeigte sich
                              angefressen, in Form von ringförmigen Querfurchen, gleich einer Gänsegurgel, mit
                              einem rostfarbenen, erdigen Niederschlag überzogen. Nach dem Aufschneiden und
                              Flachbiegen der Röhrenwand erschienen die Furchen gleich den Sandwellen, welche sich
                              auf seichtem sandigen Ufer bei sanftem Wellenschlage bilden. Die Furchen waren 2 bis
                              10, meistens 6 Millimeter breit. Auf der muthmaßlich vorderen Seite waren sie
                              flacher und doppelt so breit als auf der hinteren, genau als wenn sie von
                              Wasserwellen ins Blei gewühlt worden wären. Augenscheinlich ist diese Formbildung
                              auch durch den inneren, ringförmigen Wellenschlag entstanden, zu welchem das Wasser
                              disponirt wurde, indem es beim Eintritt an die scharfe Röhrenkante anstieß. Die
                              stärkste Reibung entstand an den Stellen der Wellenberge; hier wurde dadurch die
                              Oxydschicht abgewaschen, das bloßgelegte Metall oxydirte sich von Neuem, wurde
                              wieder bloßgelegt, wieder oxydirt, und so fort, bis die Furchen mit wachsender
                              Geschwindigkeit sich vertieften, während die Stellen der Wellenthäler viel langsamer
                              angegriffen wurden. Um die Gesammtmenge des abgelösten Bleies zu ermitteln, wurde
                              zuerst die ursprüngliche Dicke der Platte bestimmt. Es gelang dieß an einigen
                              Stellen des Rohrendes, wo die Platte doppelt über einander gelöthet war. Die
                              weiteren Messungen ergaben folgende Zahlen:
                           
                              
                                 ursprüngliche Wanddicke
                                 8,1 bis   8,5 d. i.
                                 Mittel
                                 8,3
                                 Millimeter,
                                 
                              
                                 spätere Wanddicke
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                     am höchsten
                                    Bleiwellenberge
                                 7,0 bis   7,1
                                 „
                                 7,05
                                 „
                                 
                              
                                     am tiefsten Thale
                                 6,1 bis   6,9
                                 „
                                 6,5
                                 „
                                 
                              
                                 demnach Verlust durch Ablösung
                                 1,25 bis 1,8
                                 „
                                 1,5
                                 „
                                 
                              
                           Der Verlust entspricht einer Bleiplatte von 1,5 Millimeter Dicke und 92,3
                              Quadratcentimeter Fläche oder 3 4/5 Pfund russisch Blei (923 × 1,5/10
                              × 11,3 = 1,559 Kilogr. à 2,44 = 3 4/5
                              Pfund) . 1200 solcher Platten wiegen 4560 Pfund. Somit haben die Einwohner dieses
                              Stadttheils in 30 Jahren 4560 Pfd. Blei allein aus der Röhrenleitung verbraucht, und
                              jeder Einzelne hat täglich 1/100 Gran Blei in den Magen bekommen, das ist 2/3 von
                              der Menge, welche die neue Wasserleitung bieten dürfte ((4560 ×7680)/(30
                              × 365 × 14000) × 1/28 = 0,0082 oder 1/100).
                           Hierzu kommt noch bei der alten Leitung das Kupfer aus den kupfernen Röhren, und in
                              früheren Jahren das Blei aus dem verbleiten Reservoir. So wenig genau auch diese
                              Berechnung seyn mag, so rechtfertigt sie doch fürs Erste die Vermuthung, daß das
                              Wasser der alten Leitung bisher eben so viel Metall enthielt als man von der neuen
                              zu erwarten hat, und daß, wenn die alte unschädlich war, die neue auch unschädlich
                              seyn wird.
                           
                              Auszug aus dem Gutachten der
                                    livländischen Gouvernements-Medicinalverwaltung in Riga.
                              1. Nach der Untersuchung des Hrn. Dr. Kersting kommt zur Zeit nur ein kleiner Bruchtheil
                                 eines Granes (1/300) zur Wirkung, täglich 1/60 Gran. Das in den Magen
                                 aufgenommene Blei wird nach Buchheim
                                 (Arzneimittellehre, 1853–1856, S. 229) als Schwefelblei, innig gemischt mit
                                 eiweißartigen Substanzen, durch die Fäcalmassen wieder abgeführt.
                              2. Nach klinischen Beobachtungen wird Blei wochenlang in Dosen gegeben, welche
                                 mehr als hundertmal größer sind, ohne daß sich, selbst nach Jahren,
                                 Gesundheitsstörungen einstellen, welche dem Bleigebrauche zuzuschreiben sind:
                                 nämlich bei Lungenentzündung bis 6 Gran täglich, 1/3 Monat lang; bei
                                 Lungenschwindsucht bis 4 Gran täglich, 1 1/2 Monat lang; bei aneurysmatischen
                                 Gefäßerweiterungen noch weit mehr.
                              3. Nach den mehrjährigen Erfahrungen vieler anderer Städte (London, Manchester,
                                 Lüttich etc.) hat der Gebrauch bleierner Wasserleitungsröhren keinerlei
                                 Gesundheitsstörungen veranlaßt, mit Ausnahme nur einzelner Fälle, wie z.B. in
                                 Manchester, wo ganz besondere Ursachen mitgewirkt haben mögen. In solchen Fällen
                                 würden sich die von Dr. Kersting vorgeschlagenen Kohlenfilter bewähren.
                              Ferner liegt uns in unserer städtischen Wasserleitung eine Erfahrung von zwei
                                 Jahrhunderten vor. Weder früher, noch jetzt wurden in Riga Gesundheitsstörungen
                                 beobachtet, welche dem Bleigehalte unseres Pumpenwassers zuzuschreiben wären,
                                 und doch enthält unsere Leitung gegen 1400 Fuß bleierne Röhren (siehe oben).
                              Die Symptome der Bleikrankheit kommen überhaupt sehr selten vor, sie haben sich
                                 nie bei anderen Individuen kund gegeben, als bei Farbenreibern, Malern,
                                 Anfertigern von Glasur zu Töpferwaaren u.s.w., also nur bei solchen Leuten, die
                                 der massenhaften Einwirkung des Bleies ausgesetzt sind.
                              Auf Grund aller dieser Beobachtungen muß vom Standpunkte des praktischen Arztes
                                 aus „jede Furcht vor der Möglichkeit einer gesundheitsschädlichen
                                    Einwirkung des Genusses des durch das neue Wasserwerk in Riga uns
                                    zuzuführenden Wassers entschieden als durchaus unbegründet zurückgewiesen
                                    werden.“
                                 
                              
                           
                        
                           Analytische Belege und Erweiterungen zu
                                 A.C. Beschreibung der Wassersorten,
                                 welche in den Röhren geprüft wurden.
                           
                              1. Wasser des Dünastromes, oberhalb der Stadt Riga, geschöpft den
                                 25. Juni 1862.
                              2. Wasser des Canals für das neue Wasserwerk, geschöpft den 25.
                                 Juni 1862.
                              3. Wasser der großen Pumpe auf der Alexanderstraße, geschöpft im
                                 Juli 1862.
                              4. Wasser der Hofpumpe des Wöhrmann'schen Parks, geschöpft im
                                 Juli 1862.
                              5. Destillirtes Wasser (Spur Salpetersäurereaction mit Brucin,
                                 wie fast alles einfach destillirte Wasser).
                              6. Destillirtes Wasser mit 1/100 salpetersaurem Kali.
                              7.        „            
                                 „    mit 1/100 salpetersaurem
                                 Ammoniak.
                              8.        „            
                                 „    mit 1/100 kohlensaurem Natron.
                              
                           Die vorläufige chemische Prüfung der vier erstgenannten Wassersorten zeigte folgende
                              Beimengungen an:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                    Wöhrmann'sPark
                                    
                                 
                                    Alexander-straße
                                    
                                 
                                    Canal
                                    
                                 
                                    Düna
                                    
                                 
                              
                                 Farbe:
                                 gelb, klar
                                 weiß, klar
                                 weiß, klar
                                 gelb, klar
                                 
                              
                                 Trockenrest bei 160° C.
                                 (25,5) IVIV bedeutet die stärkste Reaction, I die schwächste.
                                 (7,8) III
                                 (1,1) I
                                 (1,2) II
                                 
                              
                                 Glührest
                                 (17,5) IV
                                 (6,0) III
                                 (1,0) II
                                 (0,7) I
                                 
                              
                                 Glühverlust auf 10000 Th.
                                   (8,0) IV
                                 (1,8) III
                                 (0,1) II
                                 (0,5) I
                                 
                              
                                 Erdsalze
                                          IV
                                       
                                    III
                                       
                                    II
                                       
                                    I
                                 
                              
                                 salpetersaure Salze
                                          IV
                                       
                                    III
                                       
                                    II
                                       
                                    I
                                 
                              
                                 salzsaure Salze
                                          IV
                                       
                                    III
                                       
                                    II
                                       
                                    I
                                 
                              
                                 kohlensaures Alkali
                                          IV
                                          I
                                       III
                                       II
                                 
                              
                                 schwefelsaure Salze
                                          III
                                       
                                    IV
                                       II
                                       
                                    I
                                 
                              
                                 organische Stoffe
                                          III
                                       
                                    II
                                       
                                    I
                                      IV
                                 
                              
                           Das Wasser des Wöhrmann'schen Parks zeigte sich am reichsten an
                              fast allen den angeführten Stoffen.
                           Das Wasser der Alexanderstraße ist am reichsten an
                              schwefelsaurem Salz (Kalk); es ist, ebenso wie das Wasser des Parks, ein hartes
                              Wasser zu nennen.
                           Die Wasser des Canals und der Düna sind von seltener Reinheit
                              und Weichheit. Wenn man bedenkt, daß das anerkannt vortreffliche Wasser der
                              Alexanderstraße siebenmal mehr Beimengungen enthält, als die letzteren, so muß man
                              der Stadt Glück wünschen zu ihrem neuen Wasserwerke. Selbst die organischen
                              Beimengungen des Dünawassers betragen weniger als 0,5 auf 10000 Theile, denn ein
                              Theil des Glühverlustes ist Kohlensäure.
                           
                        
                           D. Beschreibung der Untersuchungsmethoden.
                           
                              Darstellung des
                                    Röhrenwassers.
                              Von jeder der zur Untersuchung gezogenen vier Metallsorten wurden zwei gleich
                                 große Rohrstücke angewandt; sie hatten folgende Maaße:
                              
                                 
                                    
                                    Blei.
                                    Kupfer.
                                    
                                       Schmiedeeisen
                                       
                                    Gußeisen.
                                    
                                 
                                    Innerer Durchmesser
                                          1,95
                                          2,6
                                          2,0
                                          3,0 Centimeter
                                    
                                 
                                    Länge
                                        188,0
                                        188,0
                                       188,0
                                      130,0        „
                                    
                                 
                                    Wandfläche
                                    1150,0
                                    1534,0
                                    1181,0
                                    1224,0 Qdrtcentim.
                                    
                                 
                                    deßgl. auf 1 Kubikctm. Inhalt
                                          2,0
                                          1,6
                                          2,0
                                          1,3        „
                                    
                                 
                                    Inhalt
                                      564,0
                                      996,0
                                      590,0
                                      915,0 Kubikcentim.
                                    
                                 
                                    deßgl. auf 1 Qdrtcent. Fläche
                                          0,49
                                          0,65
                                          0,46
                                          0,75      „
                                    
                                 
                              Die Röhren wurden zuerst mit Sand rein ausgewaschen und dann mit Wasser gefüllt.
                                 Jeder neue Versuch wurde unmittelbar nach Abfüllung der vorhergehenden
                                 Wassersorte durch Einfüllung der neuen begonnen.
                              
                              Das Wasser blieb in der an beiden Enden verkorkten Röhre eine bestimmte Anzahl
                                 Stunden ruhig stehen; dann wurde es zur weiteren Prüfung in reine Glasflaschen
                                 gefüllt und bei Seite gestellt. Die eisernen Röhren wurden vor dem Abfüllen ein
                                 paarmal umgestürzt, um den Absatz von Oxyd mit herauszuspülen.
                              Trotz der oben ersichtlichen Verschiedenheit der Querschnitte wurden keine
                                 Umrechnungen vorgenommen, da es sich nach E ergab,
                                 daß der Metallgehalt nach 24 Stunden im Allgemeinen nicht mehr zunahm, daß das
                                 Wasser also in dieser Zeit mit Metall gesättigt war, unabhängig von dem
                                 Verhältniß der Wassermenge zur Berührungsfläche.
                              
                           
                              Metallbestimmung.
                              Die gewöhnliche Methode (Eindampfen, Fällen, Abfiltriren, Auswaschen, Glühen,
                                 Wägen) erschien für den vorliegenden Zweck zu ungenau, oder bei Anwendung
                                 größerer Mengen zu zeitraubend. Es kam darauf an, viele Bestimmungen zu machen,
                                 und sehr kleine Mengen mit Sicherheit zu erkennen. Ein Pfund Röhrenwasser
                                 enthielt z.B. 1/500 Gran Blei; diese Menge Blei kann man weder sammeln noch
                                 wägen. Nach vielen Versuchen erkannte ich als das beste Mittel zur quantitativen
                                 Bestimmung die Farbe, welche Schwefelwasserstoff in den schwachen Metalllösungen
                                 hervorbringt; sie gibt noch den zehnten Theil und weniger der obigen Menge
                                 schnell und deutlich an.
                              Dieselbe Methode ist mit gleicher Genauigkeit auf Blei, Kupfer und Eisen
                                 anwendbar.
                              
                                 a) Bleibestimmung.
                                 In zwei Fläschchen von weißem Glase, circa 70
                                    Kub. Centim. Inhalt, wurden je 50 Kub. Cent. des zu prüfenden Wassers
                                    gegossen, und dem einen derselben 2 Kub. Centim. Schwefelwasserstoffwasser
                                    zugesetzt. Die Vergleichung beider Flüssigleiten gab sogleich die geringste
                                    Bräunung zu erkennen. Der Grad dieser Bräunung wurde erkannt durch
                                    Vergleichung mit den weiter unten beschriebenen Probelösungen. Diese zeigten
                                    Färbungsgrade, welche von einander deutlich unterschieden werden
                                    konnten.
                                 
                              
                                 Bereitung der
                                       Probelösungen.
                                 Bleizucker 1,829 Gramme, d. i. 1 Grm. Blei, wurde in reinem destillirtem
                                    Wasser unter Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure gelöst und zu 1000 Kub.
                                    C. verdünnt. Hiervon wurden 20 Kub. Centim. weiter verdünnt zu 200 Kub.
                                    Centim., d. i. eine Lösung von 1/10000 Bleigehalt. In 12 signirte
                                    Probefläschchen von gleicher Größe und Weiße wie die oben genannten wurde
                                    nun so viel von der Bleilösung und so viel Wasser gegossen, daß je 50 Kub. Centim. von
                                    folgenden Gehalten entstanden: Nr. 1 bis 6 enthielt 1/100000 bis 1/600000
                                    Blei (auf 10 Pfd. = 76800 Gran = 0,768 bis 0,128 Gran Blei); Nr. 7 =
                                    1/800000; Nr. 8 = 1/1000000; Nr. 9 = 1/2000000; Nr. 10 = 1/4000000; Nr. 11 =
                                    1/5000000; Nr. 12 = 1/8000000 Blei. – Die Pipette zum Abmessen der
                                    Hundertel Kubikcentimeter Bleilösung war so eng, daß 1 1/2 Millimeter Länge
                                    auf jeden derselben kam. Jedem Fläschchen wurden 2 Kub. Centim.
                                    Schwefelwasserstoffwasser zugesetzt, wodurch es den seinem Gehalt
                                    entsprechenden Bräunungsgrad annahm. – Nr. 12 gab eine kaum
                                    bemerkbare Bräunung, Nr. 11 war deutlicher, Nr. 10 bis 1 konnte der geübte
                                    Blick sicher unterscheiden. Wenn ein ganz Ungeübter auch die zwei
                                    nebeneinander liegenden Grade noch verwechseln konnte, so war dieß doch bei
                                    dem zweitnächsten nicht möglich. Somit war durch die Probe Nr. 10 1/80
                                    Milligramm Blei in 50 Kub. Cent. Flüssigkeit deutlich zu taxiren.
                                 Nicht zu übersehen ist, daß zu jeder zu prüfenden Wassersorten eine eigene
                                    Reihe der Probelösungen bereitet werden mußte, um die natürliche gelbliche
                                    Färbung unschädlich zu machen. Dünawasser z.B. war an sich so braun wie die
                                    Probeflüssigkeit mit 1/500000 Bleigehalt. Die mit solchem Wasser bereiteten
                                    Probelösungen waren alle dunkler gefärbt, als die mit destillirtem Wasser
                                    bereiteten, dennoch waren sie nicht minder gut zu unterscheiden als die
                                    letzteren.
                                 
                              
                                 b) Kupferbestimmung.
                                 Das Verfahren ist hier ganz dasselbe, wie beim Blei, nur wurde statt des
                                    Bleies zur Bereitung der Probelösungen die 1 Grm. Kupfer entsprechende Menge
                                    Kupfervitriol genommen. Der Grad der Bräunung kommt dem des Bleies sehr
                                    nahe.
                                 
                              
                                 c) Eisenbestimmung.
                                 Das Wasser, welches in eisernen Röhren gestanden hatte, war beim Ausfüllen
                                    meist gelb und trübe. Zur Untersuchung wurde es umgeschüttelt, 50 Kub.
                                    Centim. abgegossen und diese mit 1/10 Kub. Centim. concentrirter
                                    Schwefelsäure gemischt, wodurch sich alles Oxyd löste. Der Eisengehalt war
                                    meist zu groß für die directe Behandlung, denn Schwefelammoniumlösung
                                    (welche hier statt des Schwefelwasserstoffwassers genommen wurde) gab eine
                                    schwarze Fällung, statt einer Färbung von meßbarem Grade. Die Flüssigkeit
                                    wurde daher zum zehnfachen Volum verdünnt, und das Resultat der Bestimmung
                                    nachher mit 10 multiplicirt. Auch hier wurde die Verdünnung mit derselben
                                    Wassersorte bewerkstelligt, um die Farbe nicht zu stören. Zur Bereitung der
                                    Probelösungen wurden 4,9643 Grm. Eisenvitriol d. i. 1 Grm. Eisen, zunächst
                                    in etwa 100 Kub.
                                    Centim. Wasser gelöst, 10 Kub. Centim. starke Salpetersäure zugesetzt,
                                    aufgekocht bis zur Austreibung des Stickstoffoxydes, und dann mit
                                    destillirtem Wasser zu 1000 Kub. Centim. verdünnt. Im Uebrigen wurde
                                    verfahren wie beim Blei, nur daß statt des Schwefelwasserstoffwassers,
                                    Schwefelammoniumlösung genommen wurde. Die Färbung bei gleichem Metallgehalt
                                    ist beim Eisen dunkler als beim Blei, daher auch 1/200000 und 1/300000
                                    Eisengehalt noch mit einander zu verwechseln waren, 1/200000 von 1/400000
                                    konnte man jedoch gut unterscheiden. Ich habe mich für die Eisenbestimmung
                                    mit geringerer Genauigkeit begnügt, weil sie für die Gesundheitsfrage
                                    weniger wichtig ist, und weil es unmöglich war, den ausgeschiedenen
                                    Eisenocker vollständig von den Röhrenwandungen abzulösen, ohne neue
                                    Oxydation zu verhindern.
                                 Eisenoxydul. Die Bestimmung des Oxyduls neben dem
                                    Oxyd wurde des geringeren Interesses wegen nur bei einigen Proben
                                    ausgeführt, und zwar auf folgende Weise: Zur qualitativen Untersuchung
                                    wurden 100 Kub. Centim. des frischen Röhrenwassers mit einigen Tropfen Essig
                                    angesäuert und mit einigen Tropfen aufgelöstem Ferridcyankalium versetzt.
                                    Bläuung zeigte Eisenoxydul an. Die quantitative Bestimmung geschah ebenfalls
                                    mit 100 Kub. Centim. des frischen Röhrenwassers; dasselbe wurde mit
                                    concentrirter Schwefelsäure sauer gemacht und mit Chamäleonlösung gemischt
                                    bis zur Röthung; die Stärke der Chamäleonlösung war derart, daß 1 Kub.
                                    Centim. davon einer Menge von 0,0042 Grm. Eisen entsprach. Durch Gegenwart
                                    von organischer Substanz wurde diese Bestimmung natürlich etwas ungenau.
                                 
                              
                           
                        
                           E. Zusammenstellung der analytischen Resultate.
                           Die Röhrenwasser aus Blei und Kupfer waren rein von Geschmack und klar. Nur das
                              Wasser mit 1 Proc. salpetersaurem Ammoniak hatte im Kupferrohr so viel Kupfer
                              aufgelöst, daß es darnach schmeckte und hellblau aussah. Die Wasser, welche in
                              eisernen Röhren gestanden hatten, zeigten sich mehr oder weniger trübe, gelb oder
                              schwarzgrün, und hatten oft tintenartigen Geschmack von aufgelöstem Oxydul;
                              letzteres oxydirte sich sehr bald an der Luft, dann zeigte sich im Wasser nur noch
                              ein gelber Absatz von Oxyd, und der Eisengeschmack war verschwunden. Das Oxydul
                              wurde in einigen Versuchen bestimmt. In der Colonne für Eisenoxydul bedeutet f = fast, n = nicht
                              bestimmt.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 194–195
                              Metallgehalt in 10 Pfd = 76800 Gran
                                 Wasser aus Röhren von; Versuchs-Nummer; Tag der Ausfüllung; Wassersorte;
                                 Stunden im Rohr; Blei; Kupfer; Schmiedeeisen; Im Ganzen; Oxydul; Gußeisen;
                                 Gran.; Juli; August; Canal; Düna; Alexanderstraße; Wöhrmann's Park; Destillirtes
                                 Wasser; do. mit 1/100 salpeters. Kali; (Kupferleitung in der Kalkstraße);
                                 Destillirtes Wasser mit 1/100 salpetersaurem Ammoniak; Destillirtes Wasser mit
                                 1/100 kohlensaurem Natron; (alte Kupferleitung im Wöhrmann'schen Park);
                                 Eisen
                              
                           
                           Vergleichende Tabelle.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 196
                              
                                 
                                 Bei diesem Versuche (VIIIa) hatten die
                                    Röhren ausnahmsweise vorher 24 Stunden leer und feucht gestanden, wodurch
                                    sich beim Eisen eine schützende, fester anhängende Oxydschicht gebildet
                                    haben mag. Die Zahl ist daher an diesem Orte nicht vergleichbar.
                                 
                              Metallgehalt in 10 Pfd. = 76800
                                 Gran Wasser (Mittelzahlen); Blei; Kupfer; Schmiedeeisen; Gußeisen; Stunden im
                                 Rohr; Destillirtes Wasser (Spur salpetersaures Salz); Dünawasser; Canalwasser;
                                 Alexanderstraße, Brunnen; Wöhrmann's Park, Brunnen; Destill. Wasser mit 1/100
                                 salpeters. Kali; do. mit 1/100 salpeters. Ammon; do. mit 1/100 kohlens. Natron;
                                 Gran
                              
                           
                           Nach den vorstehenden Tabellen ordnen sich die Zahlen (die höchste voran) nach den in
                              24 Stunden erlangten Metallgehalten folgendermaßen:
                           1. In Bezug auf die Wassersorten.
                           
                              
                                 
                                 
                                 In 10 Pfd.
                                 
                              
                                 Blei.
                                 Destill. Wasser mit 1/100 kohlens. Natron
                                 0,38 Gran.
                                 
                              
                                 
                                 Düna
                                 0,19    „
                                 
                              
                                 
                                 Canal
                                 0,15    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Ammoniak
                                 0,15    „
                                 
                              
                                 
                                 Wöhrmann's Park
                                 0,04    „
                                 
                              
                                 
                                 Alexanderstraße
                                 0,02    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser (mit Spur salpeters. Salz)
                                 0,02    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Kali
                                 0,01    „
                                 
                              
                           Hieraus ergibt sich, daß Blei am stärksten angegriffen wurde von kohlensaurem
                              Alkalifalz, ferner von den der freien Luft außerhalb der Stadt ausgesetzten Wassern
                              des Canals und der Düna.
                           Daß die Weichheit des Fluß- und Canalwassers den größeren Bleigehalt nicht
                              bedingt hatte, beweist der geringe Bleigehalt des noch weicheren destillirten
                              Wassers.
                           Salpetersaure Salze trugen wenig oder nichts zur größeren Lösung bei. In Gegenwart
                              von salpetersaurem Kali zeigte sich der Metallgehalt fast Null.
                           
                              
                                 
                                 
                                 In 10 Pfd.
                                 
                              
                                 Kupfer.
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Ammoniak
                                 6,40 Gran.
                                 
                              
                                 
                                           
                                       do.      mit 1/100
                                    kohlens. Natron
                                 0,38    „
                                 
                              
                                 
                                 Alexanderstraße
                                 0,31    „
                                 
                              
                                 
                                 Wöhrmann's Park
                                 0,19    „
                                 
                              
                                 
                                 Düna
                                 0,19    „
                                 
                              
                                 
                                 Canal
                                 0,15    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Kali
                                 0,15    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser (mit Spur salpeters. Salz)
                                 0,03    „
                                 
                              
                           Kupfer wurde am stärksten aufgelöst durch salpetersaures Ammon. Daß auch hier nicht
                              die Salpetersäure die Ursache ist, beweist die schwache Wirkung des salpetersauren
                              Kalis.
                           
                              
                                 Eisen.
                                 Schmiedeeisen.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 In 10 Pfd.
                                 
                              
                                 
                                 Canal
                                 2,80 Gran.
                                 
                              
                                 
                                 Düna
                                 2,56    „
                                 
                              
                                 
                                 Wöhrmann's Park
                                 2,56    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Ammoniak
                                 2,56    „
                                 
                              
                                 
                                 Alexanderstraße
                                 1,28    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Kali
                                 0,96    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser (mit Spur salpeters. Salz)
                                 0,38    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 kohlens. Natron
                                 0,04    „
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Eisen.
                                 Gußeisen.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 In 10 Pfd.
                                 
                              
                                 
                                 Canal
                                 2,90 Gran.
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Ammoniak
                                 2,56    „
                                 
                              
                                 
                                 Wöhrmann's Park
                                 1,92    „
                                 
                              
                                 
                                 Düna
                                 1,60    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 salpeters. Kali
                                 0,96    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser (mit Spur salpeters. Salz)
                                 0,39    „
                                 
                              
                                 
                                 Alexanderstraße
                                 0,38    „
                                 
                              
                                 
                                 Destill. Wasser mit 1/100 kohlens. Natron
                                 0,04    „
                                 
                              
                           Am stärksten wurde Eisen gelöst (sowohl Schmiedeeisen als Gußeisen) von den 4
                              natürlichen Wassern und Wasser mit salpetersauremsalptersaurem Ammoniak. Auch bei Eisen war nicht die Salpetersäure der Lösung der
                              befördernde Theil, denn, wenn sie an Kali gebunden war, zeigte sich schwacher
                              Eisengehalt im Wasser. Fast gar nicht wurde Eisen angegriffen durch Wasser mit
                              kohlensaurem Natron.
                           Sowohl beim Blei als beim Eisen zeigte das Canal- und Flußwasser eine stärkere
                              Lösungsfähigkeit, als das städtische Brunnenwasser, was ihre Bestandtheile nicht
                              erklären. Vielleicht hat die Lage Einfluß; die beiden ersten Wassersorten bilden
                              offene Wasserspiegel, welche außerhalb der Stadt der freien Luft ausgesetzt sind,
                              wodurch vielleicht ein größerer Ozongehalt veranlaßt wird. Bei Kupfer mag in den
                              städtischen Brunnenwassern der größere Ammoniakgehalt die Lösungsfähigkeit
                              vergrößert haben.
                           Ich behalte mir vor diese Versuche noch fortzusetzen, um vollständig zu ermitteln,
                              welche Nebenbestandtheile die Lösung des Metalls fördern. Namentlich gedenke ich mit
                              folgenden Flüssigkeiten zu operiren: 1) Wasser über Kali destillirt; 2) Wasser mit
                              1/1000 und 1/100 salpetrigsaurem Salz (Kali und Ammon.); 3) Wasser mit 1/1000 und
                              1/100 salzsaurem Salz (Natron und Ammon.); 4) Wasser mit 1/1000 und 1/100
                              kohlensaurem Ammon, und mit 1/1000 kohlensaurem Kalk; 5) Wasser mit 1 Vol. freier
                              Kohlensäure; 6) Wasser mit 1/10 und 1/100 Urin; 7) Wasser mit humussaurem Salz
                              etc.
                           2. In Bezug auf die Metalle.
                           Eisen. Aus den Tabellen geht hervor, daß im Allgemeinen
                              Eisen am stärksten angegriffen wurde, Gußeisen ebenso wie Schmiedeeisen. Der
                              Eisengehalt des Röhrenwassers, mit Einschluß des suspendirten Oxydes, war gegen 10
                              mal größer als der Blei- und Kupfergehalt.
                           Blei und Kupfer. Blei löst sich fast immer am wenigsten,
                              oder doch nicht mehr als Kupfer. Nur von kohlensaurem Natron wurde Blei stärker
                              angegriffen, wenn auch nicht stärker als Kupfer. Letzteres wurde sehr stark gelöst
                              durch Wasser mit salpetersaurem Ammoniak.
                           
                           3. In Bezug auf die Zeit.
                           In dieser Hinsicht ist zu bemerken, daß die Röhrenwasser in 1/2
                              Stunde sehr viel weniger aufnahmen, als in 12 und 24 Stunden, daß aber nach dieser
                              Berührungszeit der Metallgehalt im Allgemeinen nicht mehr zunahm. Nur Kupfer
                              vermehrte sich noch. Die anderen drei Metallsorten schienen sich nach der genannten
                              Zeit an der Röhrenwand wieder auszuscheiden.
                           
                        
                           F. Vorschläge zur gänzlichen Vermeidung des Bleigehaltes in Wassern welche durch
                                 Bleiröhren fließen.
                           Ich erwähne zum Schluß eine Frage, deren Lösung bis jetzt noch nicht praktisch in
                              Anwendung gekommen zu seyn scheint, die jedoch für mögliche Fälle wichtig genug seyn
                              kann, um einige Andeutungen an dieser Stelle zu rechtfertigen.
                           Die sonstigen Vorzüge der bleiernen Röhren sind so groß, daß ihre Anwendung immer
                              sehr wünschenswerth seyn wird, es sey denn, daß man die höheren Kosten der
                              vortrefflichen mit Blei überdrückten Zinnröhren nicht scheut.
                           
                              1)Incrustation. Hierüber findet sich eine Notiz im
                                 Breslauer Gewerbeblatt, 1862, Nr. 9 (daraus im polytechn. Journal Bd. CLXIV S.
                                    315). Dr. Heinrich Schwarz in Breslau hat ein Patent genommen auf den Schutz von
                                 Bleiröhren gegen den Angriff von Wasser.
                              2)Metallisches Eisen. Im polytechn. Journal, Jahrgang
                                 1857, Bd. CXLIV S. 286 ist mitgetheilt, daß Dr. Medlock ein Patent auf Reinigung von Bleiröhrenwasser
                                 mittelst Eisen genommen hat; Näheres ist dort nicht gesagt.
                              3)Filtration durch Kohle. Nach meinen Versuchen wurden
                                 10 Pfd. bleihaltiges Röhrenwasser durch wenige (6–8) Gran gestoßener
                                 Holzkohle augenblicklich so vollständig vom Metallgehalt befreit, daß das
                                 Filtrat mit Schwefelwasserstoff nicht die geringste Färbung mehr zeigte. Ebenso
                                 gelang es mit kupferhaltigem Wasser. Für häusliche Zwecke dürfte ein Kohlengefäß
                                 von wenigen Pfunden Inhalt, wenn es vor dem Ablaßhahn in die Röhrenleitung
                                 eingeschaltet wird, vollkommen genügen, um das durchgehende Wasser zu reinigen;
                                 einmalige Füllung würde für Monate ausreichen.
                              
                           Riga, im Januar 1863.