| Titel: | Ueber den schädlichen Einfluß der Ausdünstungen (Gase und Dämpfe), welche sich bei Zink- und Bleihütten entwickeln; von Dr. H. Vohl in Bonn. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LI., S. 205 | 
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                        LI.
                        Ueber den schädlichen Einfluß der Ausdünstungen
                           (Gase und Dämpfe), welche sich bei Zink- und Bleihütten entwickeln; von Dr. H.
                              Vohl in Bonn.
                        Vohlm über den schädlichen Einfluß der Ausdünstungen, welche sich
                           bei Zink- und Bleihütten entwickeln.
                        
                     
                        
                           Bei dem Verhütten der zinkhaltigen und bleihaltigen Mineralien werden enorme
                              Quantitäten von schwefliger Säure, sowie zink- und bleihaltiger Dämpfe in die
                              Atmosphäre ausgestoßen, und es ist in sanitätspolizeilicher Hinsicht wohl ein
                              größeres Gewicht als bisher auf die Beseitigung dieser schädlichen Ausdünstungen zu
                              legen, um die Bewohner der Umgegend einer solchen Hütte vor Vergiftung zu
                              schützen.
                           Bezüglich der Vergiftungen durch die Ausdünstungen von Blei- und Zinkhütten
                              theile ich Nachfolgendes mit, welches mir von Hrn. Hermann Peltzer, Prakticant in meinem Laboratorium, zur Veröffentlichung übergeben
                              wurde.
                           
                              „Ein Verwandter schickte mir im Juli des vorigen Jahres von Stolberg aus
                                 einen Haufen verwelkter Blätter, Blumen und Baumrinde mit dem Ersuchen einen
                                 etwaigen Gehalt an Blei und Zink in denselben zu bestimmen. Die Blätter rührten
                                 größtentheils von Monatsrosen, Blumen und Kräutern her; die Rinde war von kürzlich
                                 abgestorbenen jungen Bäumen abgeschält worden. Die Analyse ergab:
                              
                           
                              a) in 100 Grammen der nicht
                                    völlig trockenen Blätter:
                              
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                    Glührückstand
                                    = 8,4 Grm.
                                    
                                 
                                    darin
                                    
                                       
                                       
                                    BleioxdZinkoxyd
                                    = 0,0314 Grm.=
                                       0,2440    „
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    –––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    Summa
                                       0,2754 Grm.
                                    
                                 
                              
                           
                              also mehr als 1/4 Proc. vom Gewichte der Blätter;
                              
                           
                              b) in 100 Grammen der
                                    Baumrinde:
                              
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                    Glührückstand
                                    = 7,6 Grm.
                                    
                                 
                                    darin
                                    
                                       
                                       
                                    BleioxydZinkoxyd
                                    = 1,3730 Grm= 0,1620   „
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    –––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    Summa
                                       0,535 Grm.
                                    
                                 
                              
                           
                              also mehr als 1/2 Proc. vom Gewichte der Rinde.
                              
                           
                              Die Blei- und Zinkverbindungen hafteten theilweise lose an den
                                 Pflanzentheilen, theilweise hatten sie sich fest auf dieselben niedergeschlagen,
                                 insofern nur ein Bruchtheil der Oxyde durch Waschen mit Wasser entfernt werden
                                 konnte.
                              
                           
                              Mein Verwandter schrieb mir, daß seine Gebäulichkeiten und Grundstücke durch die
                                 Exhalationen einer Blei- und Zinkhütte, welche seinem Eigenthum gegenüber
                                 auf der Höhe liegt, gerade bei dem im vorigen Frühjahre und Sommer
                                 vorherrschenden Westwinde und Regen außerordentlich litten. Im Monat Juli war es
                                 im Garten schon ganz herbstlich; die Bäume wurden entlaubt, Blumen und Gemüse
                                 verwelkt. An den Gebäuden etc. fiel die (erst ein Jahr alte) weiße Farbe
                                 gänzlich ab; die grüne Farbe der Holztheile wurde grau, und fiel auch allmählich
                                 ab; die Nägel der Schiefer auf dem Dache wurden außerordentlich rasch zerfressen
                                 etc. etc.
                              
                           
                              Daß hier eine directe Vergiftung zum wenigsten der Pflanzen durch
                                 Metallverbindungen vorliegt, scheint evident zu seyn. Welche Menge Metallstaub
                                 muß herabfallen, wenn man bedenkt, daß nur ein Theil an den Pflanzen haften
                                 bleibt, daß dagegen vielleicht der größere Theil durch Regen, Wind und andere
                                 Einflüsse entfernt wird. In der Zeit von zwei Monaten der Vegetationsdauer jener
                                 Blätter sind 0,27 Grm. Metallasche auf 100 Grm. Blätter gefallen – und in
                                 wie geringen Raumgrenzen ist diese Menge eingeschlossen?
                              
                           
                              Angenommen, 100 Grm. jener Blätter sind auf einem Quadratfuß gewachsen, so fallen
                                 in einem Jahre auf einen Morgen 43 Kilogramme Metallasche, bei dem Obwalten
                                 derselben Verhältnisse. Diese Menge wird sich natürlich gleichmäßiger auf einen
                                 größeren Raum vertheilen, wenn z.B. in einem Jahre nicht eine Windströmung und
                                 Regenwetter vorherrschend sind, sie dürfte aber wahrlich nicht als ein Factor,
                                 der vernachlässigt werden könnte, betrachtet werden, um so weniger weil obige
                                 Zahlen vielleicht zehnmal zu klein angenommen sind.
                              
                           
                              Eine andere Quelle schädlicher Einwirkung der Blei- und Zinkhütten finden
                                 wir in der enormen Menge schwefliger Säure, welche durch das Rösten der Blenden
                                 in die Luft gelassen wird und mit den atmosphärischen Niederschlägen wohl
                                 größtentheils als Schwefelsäure niederfällt. Ihre Wirkung zeigt sich
                                 augenscheinlich an den eisernen Nägeln der Dachschiefer, der weißen
                                 Anstrichfarbe der Gebäude etc. Ob und wiefern die Säure auch der Vegetation
                                 schadet, lasse ich als offene Frage ohne Erörterung. Der Untersuchung ist von
                                 mir keine weitere Ausdehnung gegeben worden, weil dieß in Folge eines Processes
                                 von Seiten der Sachverständigen geschehen seyn soll; ich bemerke nur noch, daß
                                 sich z.B. auch in dem Schlamme, welcher sich in einem Fasse, worin das
                                 Regenwasser aufgefangen wird, abgesetzt hatte, Blei in verhältnißmäßig
                                 bedeutender Quantität nachweisen ließ.
                              
                           
                              H. Peltzer.“
                              
                           
                        
                           Nachschrift.
                           Vor 7–8 Jahren hielt ich mich längere Zeit behufs Einrichtung einer Fabrik zur
                              Erzeugung der Destillationsproducte des Harzes in Berge-Borbeck in Westphalen
                              an der Cöln-Mindener Eisenbahn auf und hatte dort Gelegenheit, den
                              verderblichen Einfluß der Exhalationen der dortigen Zinkhütte zu beobachten. Das
                              Heu, welches in der dortigen Gegend, wenn auch in geringer Menge, gewonnen wird,
                              zeigt nach dem Einäschern in den Aschenbestandtheilen einen nicht unerheblichen
                              Zink- und Bleigehalt. Die Brassica-Arten, welche als Nahrung dort
                              gebaut werden, zeigten manchmal eigenthümliche brandige Flecken, die der
                              Untersuchung unterworfen, ebenfalls einen erheblichen Zinkgehalt ergaben. Da sich in
                              der dortigen Gegend häufig Nebel einstellen, so werden trotz der Höhe des dortigen
                              Abzugskamines die Dämpfe der mit Zink und Blei geschwängerten schwefligen Säure
                              nicht in die höheren Luftregionen abgeführt, sondern durch die Feuchtigkeit der
                              Atmosphäre absorbirt und verdichtet zuletzt auf die Vegetabilien niedergeschlagen.
                              Die Asche der Cerealien, welche dort gewachsen sind, enthält Zink und Blei, und
                              besonders ist die Asche des Strohes und der Kleie reich daran.
                           Auch die in dortiger Gegend in Betrieb stehenden Kohksöfen wirken verderblich auf die
                              Vegetation, indem sie enorme Quantitäten schwefliger Säure in die Atmosphäre
                              ausstoßen. Aus dem Vorhergehenden geht klar hervor, daß in sanitätspolizeilicher
                              Hinsicht die größte Aufmerksamkeit auf die Einrichtungen dieser Etablissements zu richten
                              ist. Die Vorsichtsmaßregeln, welche zu treffen sind, verursachen keine so
                              erheblichen Kosten, daß man Anstand nehmen könnte dieselben durchzuführen, und
                              würden die Kosten bald durch die Ansammlung des sonst verflüchtigten Metalles
                              gedeckt werden. Man hat in England und auch hier zu Lande mit Recht die sogenannten
                              Rauchverzehrer bei der Anlage von Dampfkesseln verordnet, um die in der
                              Nachbarschaft Wohnenden vor dem unangenehmen Einflüsse des Kienrußes zu schützen, um
                              wie viel mehr muß man das Publicum vor dem Einflusse der giftigen Dämpfe von
                              Blei- und Zinkhütten zu sichern suchen.
                           Dr. Vohl.