| Titel: | Ueber Gewinnung der Schwefelsäure aus Gyps; von Dr. Otto Siemens. | 
| Autor: | Otto Siemens | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LII., S. 207 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LII.
                        Ueber Gewinnung der Schwefelsäure aus Gyps; von
                           Dr. Otto Siemens.
                        Siemens, über Gewinnung der Schwefelsäure aus Gyps.
                        
                     
                        
                           Die folgenden Mittheilungen beziehen sich auf einige Versuche, Schwefelsäure auf eine
                              einfache Weise aus Gyps zu gewinnen. Wenn auch die Resultate nicht mit quantitativer
                              Genauigkeit festgestellt und die mannichfachen Reactionen keinem gründlichen Studium
                              unterworfen worden sind, so habe ich doch den eingeschlagenen Weg soweit
                              durchgeführt, daß für diejenigen, deren Interesse es erheischen sollte den oben
                              erwähnten Proceß einer weiteren Bearbeitung zu unterziehen und für den Betrieb im
                              Großen einzurichten, die eigentlichen Schwierigkeiten ziemlich beseitigt sind.
                           Leitet man durch ein geschmolzenes Gemisch von ungefähr 2 Thln. schwefelsaurem Kalk
                              und 1 Thl. Chlornatrium einen kräftigen Strom Wasserdampf, so erhält man neben
                              Salzsäure eine intensive Entwickelung von schwefliger Säure. Diese Entwickelung geht
                              bis zu einem bestimmten Zeitpunkte fort, wo sie dann plötzlich ganz aufhört. Den
                              Rückstand fand ich bestehend aus einem Gemenge von basischem Schwefelcalcium (2 Ca S
                              + Ca O), Aetznatron und unzersetztem Chlornatrium, nebst geringen Mengen von
                              Schwefelnatrium, unterschwefligsaurem und schwefligsaurem Natron. Verdampftes
                              Chlornatrium habe ich in der Vorlage niemals bemerkt. Neben der schwefligen Säure
                              wurden durch die Einwirkung des Wasserdampfes nicht unbeträchtliche Mengen von
                              Schwefelwasserstoff erzeugt, welches, wie bekannt, in Verbindung mit schwefliger
                              Säure letztere sowohl als sich selbst im Schwefel und Wasser zerlegt.
                           
                           Zur Vermeidung dieses Uebelstandes, und um die Bildung des basischen Schwefelcalciums
                              zu verhindern, war es nothwendig dem Wasserdampfe einen Strom von Kohlensäure
                              zuzuführen, wobei der Vortheil, der hierbei durch die Erzeugung von kohlensaurem
                              Natron erlangt wird, nicht außer Betracht gelassen werden darf.
                           Schwierigkeiten, deren Natur ich weiter unten näher beschreiben werde und welche sich
                              jedesmal wiederholten, verhinderten mich die Versuche zu Ende zu führen. Ich bin
                              also leider nicht im Stande die Bestandtheile des Rückstandes am Schluß des Processes anzugeben. So viel ist jedoch
                              bestimmt, daß in dem Zeitpunkte, in welchem ich die Einwirkung des Wasserdampfes und
                              der Kohlensäure unterbrechen mußte, sich kein Calciumoxysulfuret im Rückstande
                              befand. Der im Wasser unlösliche Rückstand bestand aus einer Mischung von
                              kohlensaurem und unzersetzt gebliebenem schwefelsaurem Kalk, während die wässerige
                              Lösung nur unzersetztes Chlornatrium und kohlensaures Natron nebst sehr geringen
                              Mengen von Schwefelnatrium enthielt.
                           Ich gehe jetzt zur Beschreibung des Versuches über:
                           Eine gewöhnliche eiserne Quecksilberflasche wurde seitlich mit einer Oeffnung
                              versehen, in welche ein eisernes Ableitungsrohr eingeschraubt wurde. Nachdem die
                              Flasche mit der Mischung von Gyps gefüllt worden, wurde sie in einen gewöhnlichen
                              Holzkohlenofen gefetzt, und das Ableitungsrohr mit einem Schwefelsäureballon
                              verbunden. Sobald die Mischung in der Quecksilberflasche geschmolzen war, wurde in
                              dieselbe ein vorher bis zur Rothgluth erhitztes knieförmig gebogenes eisernes Rohr
                              gesenkt und dieses mit dem Dampfzuführungsrohr verbunden. Der Dampf wurde in einem
                              gewöhnlichen Kessel und die Kohlensäure in einem der hierzu dienenden Apparate
                              entwickelt, doch so, daß beide Apparate sich unter demselben Druck (ungefähr 1 1/2
                              Atm.) befanden. Zur besseren Mischung der Gase leitete ich sie in eine geräumige
                              Bombenkugel und von hier aus durch das geschmolzene Gemisch von Gyps und Kochsalz.
                              Es entwickelte sich sofort ein starker Strom von schwefliger Säure und Salzsäure,
                              von welchen erstere im Schwefelsäureballon auf die gewöhnliche Weise in
                              Schwefelsäure übergeführt wurde und letztere sich mit dem übergehenden unzersetzten
                              Wasserdampfe condensirte.
                           Nachdem der Proceß ungefähr eine halbe Stunde angedauert hatte, trat bei jedem Versuche die oben erwähnte Schwierigkeit ein. Durch
                              das starke Aufwallen wurde die Masse im Inneren der Quecksilberflasche so stark
                              umhergeschleudert, daß sich das zur Fortführung der entwickelten Gase dienende
                              Ableitungsrohr verstopfte. Durch den Druck im Innern der Flasche wurde die flüssige
                              Masse nach den kälteren Theilen des Rohres geschoben, erstarrte dort und verhinderte auf diese Weise
                              den Austritt der Gase. Die Masse welche das Rohr verstopfte, war so fest und bot
                              einen solchen Widerstand dar, daß, wenn das Zuleitungsrohr nicht sogleich
                              verschlossen wurde, die an und für sich schon sehr ungleichen Wandungen der
                              Quecksilberflaschen an den dünnen Stellen zerrissen und in Folge dessen unangenehme
                              Explosionen verursachten.
                           Durch meine Uebersiedelung von St. Helens nach London verlor ich die Gelegenheit
                              diese Versuche fortzusetzen; ich übergebe sie daher der Oeffentlichkeit in diesem
                              Zustande, in der Hoffnung daß vielleicht Jemand dieselben wieder aufnehmen und zu
                              einem ersprießlichen Ende führen werde.
                           London, im Juli 1863.