| Titel: | Ueber ein neues Verfahren der Blutlaugensalzfabrication aus Ammoniaksalzen; von Dr. H. Fleck, Lehrer der Chemie an der kgl. polytechnischen Schule in Dresden. | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LIII., S. 210 | 
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                        LIII.
                        Ueber ein neues Verfahren der
                           Blutlaugensalzfabrication aus Ammoniaksalzen; von Dr. H. Fleck, Lehrer der Chemie an der kgl. polytechnischen Schule in
                           Dresden.
                        Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1863 S.
                              717.
                        Mit Abbildungen.
                        Fleck, über ein neues Verfahren der Blutlaugensalzfabrication aus
                           Ammoniaksalzen.
                        
                     
                        
                           In wie geringem Grade die bis jetzt übliche Methode der Blutlaugensalzfabrication den
                              Namen einer rationellen verdient, ist aus den Abhandlungen, wie sie im Verlauf der
                              letzten sechs Jahre von Brunnquell, Karmrodt, Gentele und
                              dem Schreiber dieses über den Gegenstand veröffentlicht worden sind, zur Genüge
                              bekannt geworden. Vorschläge zu Verbesserungen auf dem einmal betretenen Wege sind
                              vielfach gethan worden, aber zum Theil an der Schwierigkeit ihrer praktischen
                              Durchführung, zum Theil an der noch mangelnden Vertrautheit mit dem chemischen
                              Vorgange des Schmelzverfahrens, unter Anwendung thierischer Abfälle bei letzterem,
                              gescheitert.
                           Schreiber dieses hatte während seines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in England im
                              Sommer 1862 Gelegenheit, mehrere Blutlaugensalzfabriken zu besuchen, fand in
                              denselben indeß das alte Verfahren mit sehr wenigen Verbesserungen, welche sich mehr
                              auf Ausnutzung mechanischer Vortheile beschränkten, gehandhabt. Erst in London bot
                              die Industrieausstellung Gelegenheit, ein von den bisherigen völlig abweichendes
                              Verfahren vorschlagsweise kennen zu lernen, welches ihn zu neuen Untersuchungen auf diesem
                              Gebiete anregte.
                           In der französischen Abtheilung chemischer Producte bemerkte ich ein Schränkchen,
                              dessen unteres Fach eine Zeichnung unter Glas und Rahmen barg, welche die größte
                              Aehnlichkeit mit einem Destillationsapparate besaß und „procédé de préparation du prussiate
                                    de potasse par le sulfure de carbone“ bezeichnet war. Als
                              Commentar hierzu befand sich an der Seitenwand des Schrankes eine gedruckte
                              Beschreibung dieses Verfahrens, welches sich kurz durch folgende vier Formeln in
                              seinem Verlauf ausdrücken läßt:
                           
                              
                                 CS² + (NH⁴) S = ((NH⁴) S,
                                    CS²)
                                         (1)
                                 
                              
                                 2 (NH⁴S, CS²) + KS = (KS, C²NS) +
                                    (NH⁴S, HS) + 3 HS
                                         (2)
                                 
                              
                                 3 (KS, C²NS) + 6 Fe = 3 (KC²N) + 6
                                    (FeS)
                                         (3)
                                 
                              
                                 3 (KC²N) + FeS = KS + (2 (KC²N) +
                                    (FeC²N))
                                         (4)
                                 
                              
                           Diesen Formeln zufolge schlägt Hr. A. Gelis in Paris vor,
                              ein vorher bereitetes Gemisch von Schwefelammonium und Schwefelkohlenstoff (Formel
                              1) in einer Destillirblase mit Schwefelkalium auf 200° C. zu erhitzen, das
                              entweichende Schwefelammonium (Formel 6) zu verdichten und das rückständige, hierbei
                              gebildete Schwefelcyankalium in einer gußeisernen Schale mit Eisengranalien zusammen
                              zu schmelzen (Formel 3), um zunächst Schwefeleisen und Cyankalium zu erhalten,
                              welches nach Formel 4, bei Auflösung der Schmelzmasse in Wasser von + 60° C.,
                              in Blutlaugensalz und Schwefelkalium umgewandelt wird.
                           Inwieweit dieser Vorschlag von Seiten der Praktiker Berücksichtigung verdient, hängt
                              von der Möglichkeit einer leichten und billigen Darstellungsweise des
                              Schwefelkohlenstoffs, wie des Schwefelammoniums ab, und möchte wohl der hohe Preis
                              des ersteren der Einführung dieser Methode einige Schwierigkeiten
                              entgegensetzen.Wir verweisen auf Payen's ausführliche
                                    Beschreibung des Verfahrens von Gélis im
                                    polytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 219.A. d. Red.
                              
                           Es ist indeß durch diesen Vorschlag die Einführung von
                                 Ammoniakverbindungen in den Blutlaugensalzfabricationsproceß angebahnt, und
                              wurde derselbe für mich Veranlassung zur Anstellung von Versuchen in dieser
                              Richtung, deren Resultate in Folgendem mitgetheilt werden sollen.
                           Krystallisirtes, schwefelsaures Ammoniak spaltet sich bei trockner Erhitzung in
                              freies Ammoniak und Schwefelsäurehydrat. Nimmt man dieselbe unter Zusatz von
                              Schwefelpulver vor, so bildet sich saures-schwefligsaures Ammoniak, nach der
                              Formel
                           
                           2 (HN⁴O, SO³) + S = NH⁴O, 2
                              (SO²);                      (5)
                           letzteres Salz spaltet sich bei höheren Temperaturen wieder in
                              Ammoniak, Wasser und schwefligsaures Gas.
                           Setzt man aber zu letzterem Gemisch noch entsprechende Mengen Kohlenpulver, so tritt
                              bei der Erhitzung des Ganzen neben schwefligsaurem Ammoniak auch
                              Schwefelcyanammonium auf, welches zum Theil in dem im Retortenhals befindlichen
                              weißen Sublimat enthalten, zum Theil in dem vorgeschlagenen Wasser des Recipienten
                              gelöst ist. Der Theorie nach gestaltet sich der Umsetzungsproceß des schwefelsauren
                              Ammoniaks unter Einfluß von Schwefel und Kohle in folgender Weise
                           2 (NH⁴O, SO³) + 2 S + 2
                              C = (NH⁴S, C²NS) + 4 (HO) + 2
                              (SO²)    (6)
                           Demnach bildet sich bei der Einwirkung gleicher Atome der
                              genannten drei Stoffe 1 Atom Schwefelcyanammonium, 4 Atome Wasser und 2 Atome
                              schweflige Säure. Das gleichzeitige Auftreten der letzteren bedingt indeß eine
                              theilweise Zersetzung des ersteren, wovon die Abscheidung eines gelbbraunen Körpers,
                              welcher die Eigenschaften des Polians nach Laurent und
                              Gerhardt besaß, sowie die Bildung von
                              Schwefelkohlenstoff Zeugniß gab, nach der Formel
                           6 (NH⁴, S, C²NS) + HO + 2 (SO²) =
                              (NH⁴O, 2 SO²) + 6 (CS²) + C⁶N⁶H⁶. (7)
                           Dieser Zersetzungsproceß tritt indeß in den Hintergrund,
                              sobald man das Gemisch von Schwefel, Kohle und schwefelsaurem Ammoniak mit
                              schmelzendem Schwefelkalium in Verbindung bringt. In diesem Falle findet zunächst
                              eine Wechselwirkung des sich bildenden Schwefelcyanammoniums und des Schwefelkaliums
                              in der durch Formel 2 angedeuteten Weise statt; schweflige Säure und Wasserdampf
                              entweichen unter dem Einfluß der Kohle und des schmelzenden Schwefelkaliums als
                              Schwefelwasserstoffgas.
                           Demnach entsteht durch Einwirkung eines Gemisches von
                                 schwefelsaurem Ammoniak, Schwefel und Kohle auf schmelzendes Schwefelkalium
                                 zunächst Schwefelcyankalium in der Schmelzmasse. Schwefelammonium und
                                 Schwefelwasserstoff entweichen gasförmig, so daß die Hälfte des in Form von
                                 schwefelsaurem Ammoniak angewendeten Stickstoffs als Cyan in der Schmelze
                                 verbleibt, der andere Theil durch geeignete Condensationsapparate wieder zu
                                 schwefelsaurem Ammoniak übergeführt werden kann. Das gebildete
                                 Schwefelcyankalium setzt sich nach Formel 3 unter dem
                                 Einfluß metallischen Eisens in Cyankalium und Schwefeleisen um, welches letztere
                                 wieder dazu dient um die Bildung von Blutlaugensalz in der Schmelzlösung zu bewirken (Formel 4).
                           Dieser dem neuen Blutlaugensalzbildungsproceß unterbreitete Ideengang setzt bei
                              seiner Realisirung den Fabrikanten in den Stand:
                           
                              1) Ammoniaksalze in den Betrieb einzuführen,
                              2) den Stickstoff der thierischen Rohstoffe in ersterer Form
                                 vollständig zu verwerthen,
                              3) den Schmelzproceß auf Grund chemischer Umsetzungsformeln genau
                                 verfolgen und in seinem Verlauf beurtheilen zu können.
                              
                           Inwieweit diese Aussprüche gerechtfertigt und die aus denselben entspringenden
                              Consequenzen einer Berücksichtigung der Praktiker werth sind, habe ich versucht
                              durch Anstellung einer Anzahl Schmelzversuche zu beantworten:
                           In einem hessischen Schmelztiegel wurden 250 Grm. illirische Potasche, mit 50 Grm.
                              Schwefel- und 50 Grm. Kohlenpulver gemischt, eingetragen und geschmolzen, bis
                              die anfangs stark schäumende Masse ruhig floß; während dieser Operation wurden in
                              einem Mörser 40 Grm. schwefelsaures Ammoniak mit 9 Grm. Schwefel und 10 Grm. Kohle
                              gemengt und mit Braunkohlentheer zu einem leicht formbaren Teig umgewandelt, welcher
                              in fünf gleiche Theile gebracht, nach und nach und unter fortwährendem Umrühren der
                              Schmelzmasse in diese eingetragen wurde. Nach jedesmaligem Zusatz eines Theils des
                              Theergemisches erfolgte ein Dickwerden der Schmelzmasse, weßhalb das Feuer verstärkt
                              werden mußte bis das, durch die Einwirkung des schmelzenden Schwefelkaliums auf das
                              Salzgemisch bedingte Aufschäumen aufgehört hatte. Nachdem die ganze Menge des
                              letzteren eingetragen, wurde der Tiegel gut bedeckt, noch längere Zeit stark erhitzt
                              und nun in einzelnen Portionen 68 Grm. Eisenfeilspäne zugefügt. Hierbei fand
                              heftiges Explodiren eines entweichenden Gases und starkes Aufschäumen durch die
                              Bildung von Schwefeleisen statt, nach dessen völliger Beendigung der Inhalt des
                              Tiegels in eine zu bedeckende Eisenschale entleert wurde.
                           Die Schmelze hatte nach dem Erstarren ein dunkelgrünes Aussehen, löste sich leicht in
                              Wasser von + 70° C.; die Lösung wurde nach längerer Digestion bei dieser
                              Temperatur filtrirt, der Rückstand, zum größten Theil Schwefeleisen enthaltend, mit
                              kaltem Wasser gut ausgewaschen und die gesammelte Flüssigkeit auf 3 Liter Volumen
                              gebracht. Von dieser Lösung wurden je 100 Kub. Cent. auf ihren Gehalt an
                              Blutlaugensalz durch vorsichtiges Eindampfen und Glühen des Verdampfungsrückstandes
                              mit Salpeter und Wiegung des dadurch gebildeten Eisenoxydes geprüft.
                           Das die Lösung der Schmelze anfangs grün färbende Schwefeleisen war durch längere Erwärmung
                              derselben und wiederholte Filtration entfernt worden.
                           Nach den oben angegebenen Formeln liefern 40 Grm. schwefelsaures Ammoniak 21,35 Grm.
                              krystallisirtes Blutlaugensalz und 10,30 Grm. gasförmiges Schwefelammonium. Die
                              Analyse obiger Schmelze ergab 20,16 Grm. Blutlaugensalz, also 94,42 Proc. des
                              theoretischen Effectes.
                           Die zur Schmelzung verwendeten Quantitäten Potasche, Schwefel und Kohle, waren so
                              berechnet, daß sich Schwefelkalium bilden sollte, sowie die Mischung des
                              Ammoniaksalzes die zur Cyan- und Schwefelammoniumbildung erforderliche
                              Schwefel- und Kohlenmenge enthielt (Formel 6). In der That war in der
                              Schmelze neben Blutlaugensalz nur Schwefelkalium und nicht die geringste Menge
                              Schwefelcyankalium nachzuweisen. Auffällig aber war es, daß, nach vollkommener
                              Auslaugung des Schmelzrückstandes, die in der Lösung gefundene Kalimenge überhaupt
                              der zur Schmelzung verwendeten nicht mehr entsprach. Auf die Quelle dieses Verlustes
                              werde ich in der Folge zu sprechen kommen. Es kam zunächst darauf an, die
                              Bedingungen festzustellen, unter denen ein Resultat wie das zuerst erhaltene erzielt
                              werden konnte.
                           Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe von Schmelzoperationen unter Anwendung der oben
                              genannten Gewichtsmengen ausgeführt, jedoch so, daß die im Vorhergehenden genannten
                              Endpunkte der einzelnen Reactionen im Verlauf der Schmelzung nicht völlig
                              abgewartet, sondern absichtlich fehlerhaft gearbeitet wurde.
                           Zunächst trug ich das Ammonialsalzgemisch in die Schmelzmasse ein, während diese noch
                              im Reductionsproceß begriffen war, hielt aber dann die weiteren Bedingungen ein; das
                              hierdurch erzielte Resultat ergab nur 41 Proc. des theoretischen Effectes; die
                              Lösung der Schmelze enthielt noch bedeutende Mengen kohlensaures Kali und diese
                              mochten eine beschleunigte Ammoniakentwickelung in der Schmelzmasse und mit dieser
                              einen Verlust für die Bildung des Schwefelcyankaliums bedingt haben; letzteres war,
                              da das Eisen vollständig eingewirkt hatte, in der Lösung nicht enthalten. Ein
                              zweiter Versuch wurde in der Weise ausgeführt, daß das Eisen zu der Schmelze gesetzt
                              wurde, ehe die Ammoniaksalzmischung genügend zersetzt war; das Resultat war eine
                              Lösung, welche 54,8 Proc. des theoretischen Effectes an Blutlaugensalz und außer
                              diesem durch Alkohol leicht extrahirbare Mengen von Schwefelcyankalium enthielt.
                           Eine andere Schmelzung, unter Einhaltung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln
                              ausgeführt, ergab wieder 91,3 Procent des berechneten Werthes an Blutlaugenfalz, und
                              verlief unter ganz denselben Erscheinungen, wie sie oben hervorgehoben wurden.
                           
                           Es ist durch diese Thatsachen zunächst die Möglichkeit der Blutlaugensalzbildung
                              unter Einführung von Ammoniaksalzen in den Schmelzproceß festgestellt; es ist ferner
                              der in einer früheren Abhandlung von mir hervorgehobene Werth des Schwefelkaliums
                              für den Schmelzproceß constatirt, und dadurch ein wissenschaftlich begründetes
                              Verfahren an die Stelle einer rein empirischen Fabricationsmethode gesetzt.
                           Ob und in wie weit dasselbe Ansprüche auf Anerkennung in der Praxis machen kann,
                              hängt nicht nur von dem Schmelzeffect, sondern auch von der Verwerthungsfähigkeit
                              der während und nach der Schmelzung auftretenden gasförmigen und festen
                              Nebenproducte ab.
                           So lange noch thierische Rohstoffe als solche in der Blutlaugensalzfabrication
                              verwerthet sind, ist eine Verdichtung der im Verlauf des Schmelzprocesses
                              auftretenden, ammoniakalischen Zersetzungsgase nutzlos, ja vielleicht von störendem
                              Einfluß auf das Schmelzresultat.
                           Sobald aber Ammoniaksalze als solche statt der thierischen Abfälle Anwendung erfahren
                              können, ist die Condensation der Ammoniakgase im Verlauf der Schmelzung unbedingtes
                              Erforderniß, und muß in einer Weise ausgeführt werden, welche mit möglichst geringem
                              Zeit- und Kraftaufwand, sowie mit keinerlei Nachtheil für den günstigen
                              Verlauf der Schmelzoperation selbst verbunden ist. Während letzterer entweicht unter
                              Einhaltung der oben angegebenen Mengenverhältnisse das Ammoniak als Schwefelammonium
                              ((Formel 2) und erfordert als Absorptions- sowie als Umsetzungsmittel in
                              schwefelsaures Ammoniak ein schwefelsaures Metallsalz, welches in Form von
                              Eisenvitriol als Oxydationsproduct des in den Schmelzrückständen enthaltenen
                              Schwefeleisens geboten ist, so daß mit diesem Proceß eine zweckmäßige Verwendung des
                              Schwefeleisens gleichzeitig eintritt.
                           Dieser Umstand führt zu einer näheren Betrachtung des Schmelzrückstandes selbst, der
                              bisher als eine Mischung von Schwefeleisen und Kohle betrachtet, von Seiten der
                              Fabrikanten als Düngmittel zu sehr billigen Preisen verwerthet wurde, indem man
                              nicht ahnte, daß mit demselben der Fabrik alles Kali entführt wurde, welches, als
                              unvermeidlicher, bis jetzt noch nicht genügend erkannter Verlust, stillschweigend
                              auf Rechnung der Flüchtigkeit der Kalisalze während der Schmelzarbeit geschrieben
                              wurde.
                           Während der Extraction der bei obigen Versuchen erhaltenen Schmelzposten beobachtete
                              ich, daß, nachdem der schwarze Schmelzrückstand mit kaltem Wasser vollständig
                              erschöpft war, durch nachherige Behandlung mit kochendem Wasser wiederum eine
                              chromgrün gefärbte Flüssigkeit ablief, in welcher neben Eisen und Schwefel auch
                              Kalium deutlich nachweisbar erschien, und es bedurfte einer langen und oft
                              wiederholten Behandlung mit kochendem Wasser, ehe diese in letzterem lösliche
                              Verbindung von Schwefeleisen mit Schwefelkalium vollständig aus dem Rückstand
                              entfernt war, und selbst nachdem dieß erfolgt, gelang es mir, in dem nicht weiter
                              löslichen Schmelzrückstande durch Zersetzung mit Chlorwasserstoffsäure Kali
                              nachzuweisen. War nun durch diese Umstände der schon oben angezogene Verlust an Kali
                              in der Lösung der Schmelze angedeutet, so erschien es von Wichtigkeit, denselben
                              auch quantitativ zu bestimmen.
                           Es wurde zu diesem Zweck ein Theil des aus der ersten Schmelzoperation resultirenden,
                              in kaltem Wasser unlöslichen Rückstandes im Kohlensäurestrom bei + 110° C.
                              getrocknet, ein Theil davon in Salzsäure gelöst, der unlösliche Rückstand untersucht
                              und bestimmt, die Lösung mit Salpetersäure oxydirt und auf Alkalien geprüft. Ein
                              anderer Theil des getrockneten Rückstandes wurde mit Soda und Salpeter geschmolzen,
                              die Schmelzmasse mit Wasser behandelt, im Rückstande Kalk, Eisenoxyd und Thonerde,
                              und in der Lösung der Schwefel als Schwefelsäure bestimmt.
                           Aus zwei dieser Untersuchungen resultirte folgende mittlere Zusammensetzung des
                              getrockneten Schmelzrückstandes:
                           
                              
                                 7,105
                                 Kohle,
                                 
                              
                                 2,202
                                 Kieselerde,
                                 
                              
                                 1,446
                                 kohlensaurer Kalk,
                                 
                              
                                 3,718
                                 Thonerde,
                                 
                              
                                 42,927
                                 Eisen,
                                 
                              
                                 12,114
                                 Kalium,
                                 
                              
                                 29,618
                                 Schwefel.
                                 
                              
                                 ––––––
                                 
                                 
                              
                                 99,130.
                                 
                                 
                              
                           Das hier auftretende Verhältniß zwischen Eisen, Schwefel und
                              Kalium ist in Procenten ausgedrückt:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Berechnet.
                                 
                              
                                 Gefunden:
                                 
                                    
                                    
                                    
                                 50,696 Eisen14,306 Kalium34,978 Schwefel
                                 50,871814,244134,8835
                                 
                              
                           und kommt der stöchiometrischen Zusammensetzung
                              (Fe⁵KS⁶) so nahe, daß man sich veranlaßt sehen kann, hier die Existenz
                              einer unlöslichen Doppelverbindung von Kaliumschwefeleisen anzunehmen, und es
                              genügen diese Werthe, um die Aufmerksamkeit des Fabrikanten auf diese
                              Schmelzrückstände hinzulenken. Der Theorie nach ist die dem Blutlaugensalz
                              entsprechende Schwefeleisenmenge, wie sie nach Formel 3 in der Schmelze auftritt,
                              nahezu 50 Proc., steigt aber in Folge des Schwefelüberschusses, mit welchem man
                              arbeitet, leicht auf 60 und mehr Procente, so daß – bei einer gleichzeitig
                              dem theoretischen Effect nicht gleichkommenden Blutlaugensalzausbeute, – in den Schmelzrückständen
                              12 Pfund Kalium verbleiben, wenn 100 Pfund Blutlaugensalz fabricirt werden. Da aber
                              100 Pfund des letzteren zu ihrer Bildung 32,7 Pfund kohlensaures Kali beanspruchen,
                              und obige 12 Pfund Kalium in den Schmelzrückständen 21,2 Pfund kohlensaurem Kali
                              gleichkommen, so geht aus diesen Zahlenwerthen hervor, daß von 100 Pfund
                              kohlensaurem Kali, wie sie in die Schmelze eingeführt werden, 60,7 Pfund zu
                              Blutlaugensalz verarbeitet und 39,2 Pfund in die unlöslichen Schmelzrückstände
                              übergeführt werden können.
                           Die in Obigem geschilderte Bereitungsweise des Blutlaugensalzes bedingt einen
                              gewissen Aufwand an Schwefel, der bei Wiederverwendung der von der
                              Rohsalzfabrication resultirenden Mutterlaugen (Schwefelkaliumlösung) auf ein sehr
                              geringes Quantum zurückgeht und bei Wiederverwerthung der Schmelzrückstände sowie
                              der gasförmigen Zersetzungsproducte immer wieder in den Schmelzproceß zurückgeführt
                              werden kann. Was zunächst die während des letzteren auftretenden ammoniakalischen
                              Gase (größtentheils Schwefelammonium) anbelangt, so erfordert deren Condensation
                              einen Schmelzapparat, welcher von dem bisher angewendeten völlig abweichen muß; für
                              diesen können vor der Hand nur Vorschläge geboten werden, die aber, den localen
                              Verhältnissen angepaßt, voraussichtlich keine praktischen Schwierigkeiten in ihrer
                              Ausführung bieten.
                           Die Verschmelzung so schwefelreicher Verbindungen, wie sie in vorliegendem Verfahren
                              auftreten, schließt die Anwendung gußeiserner Schmelzgefäße aus; letztere würden
                              durch die mit ihrer Verwendung nothwendig verbundene öftere Erneuerung die
                              Fabrication unnöthig vertheuern. Statt ihrer erscheint ein Schmelzherd mit stark
                              vertiefter Sohle, durch die untenstehende Figur in 1/60 der natürlichen Größe
                              dargestellt, am vortheilhaftesten:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 216
                              
                           
                           Von dem Schachtofen A schlägt die
                              Flamme nach dem überwölbten Schmelzraume B und streicht
                              von da aus durch den Fuchs c unter die Herdsohle nach
                              C und von da durch e
                              nach dem Schornstein E. Ist die Bildung des
                              Schwefelkaliums unter dem Einflusse der directen Flamme erfolgt und soll das
                              Eintragen des Ammoniaksalzgemisches beginnen, dann werden die Schieber b und c geschlossen, und die
                              Flamme geht durch den geöffneten Schieber d nach D über das Herdgewölbe hinweg, schlägt durch zwei neben
                              c niedergehende Zugcanäle nach C und von da durch e wieder
                              nach dem Schornstein E. Es ist dadurch die Vermischung
                              der Feuergase mit den aus der Schmelze tretenden Ammoniakgasen verhindert und
                              letztere können durch das Rohr G nach den
                              Condensationskammern entweichen, an deren Ende ein nicht zu hoher Schornstein die
                              Bewegung der Gase durch letztere bedingt. Die Condensationskammern sind dann aus
                              Backsteinen errichtete, je 30 Kubikmeter haltende Räume (5 Meter lang, 2 Meter
                              breit, 3 Meter hoch), an deren Boden sich Eisenblechpfannen von gleicher Länge und
                              Breite und 3 Decimeter Höhe befinden, welche durch einen von der Decke der Kammer
                              niederfallenden Regen einer Eisenvitriollösung langsam gefüllt werden. Eine in die
                              Pfannen eingesetzte Pumpe, deren Hebel durch die Wand nach außen reicht, um von da
                              aus bewegt zu werden, gestattet ein wiederholtes Aufpumpen der Flüssigkeiten aus den
                              Pfannen nach den über den Kammern befindlichen Reservoiren. Die aus dem Schmelzraum
                              durch G entweichenden Gase kommen auf ihrem Wege durch
                              die Kammern mit der in Form eines feinen Regens niederströmenden Eisenvitriollösung
                              in Berührung, werden von dieser absorbirt und in der Weise umgesetzt, daß sich eine
                              Auflösung von schwefelsaurem Ammoniak bildet in dem Maaße, als sich unlösliches,
                              schwarzes Schwefeleisen aus den Laugen abscheidet. Erstere Lösung wird nach völliger
                              Entfernung des Eisens in Bleipfannen eingedampft und der Salzrückstand
                              (schwefelsaures Ammoniak) zu den Schmelzen verwendet.
                           Das hierbei gebildete Schwefeleisen, sowie die Schwefeleisen und Schwefelkalium
                              haltenden unlöslichen Schmelzrückstände führen alle den Schwefel mit sich, welcher
                              vorher in Substanz in den Schmelzproceß eingeführt wurde, und werden auf
                              Eisenvitriol dadurch verarbeitet, daß sie auf einer überdeckten Tenne in feuchtem
                              Zustande ausgebreitet, mit Wasser zeitweilig begossen, häufig gewendet werden und
                              dadurch allmählich in schwefelsaures Salz übergehen. Dieser unter dem Einfluß der
                              Atmosphäre verlaufende Oxydationsproceß nimmt zwar einen größeren Zeitraum in
                              Anspruch, ist aber das billigste Mittel, um diese Schwefelsalze wieder zur
                              Verwerthung zu bringen. Da letztere ihren Schwefel zum größten Theil als
                              schwefelsaures Ammoniak wieder abliefern, so wird mit diesem gleichzeitig das in den
                              Schmelzrückständen verbleibende Kali in den Betrieb zurückgeführt.
                           Ob sich die Schwefel haltenden Schmelzrückstände durch Röstung und nachherige
                              Extraction mit Wasser vortheilhafter verwerthen lassen, hängt von der Lage der
                              Fabrik und den localen Verhältnissen ab. Jedenfalls könnte ein Abrösten nur dann von
                              Vortheil seyn, wenn eine Schwefelsäurefabrik dieselben zur Verwerthung brächte.
                              Bevor wir uns nun zu der in dem oben beschriebenen Ofen auszuführenden Schmelzarbeit
                              wenden, möge der letzteren eine etwas genauere Beschreibung einzelner Ofentheile und
                              Apparate vorausgehen. Die vertiefte, aus feuerfesten Steinen errichtete Herdsohle
                              des Schmelzofens B muß eine kieselerdefreie
                              Ueberkleidung empfangen, soll nicht die Menge der in die Schmelze übergehenden
                              Kieselsäure schließlich eine weitere Verwendung des Mutterlaugensalzes für den
                              Schmelzproceß unmöglich machen. Hierzu eignet sich am besten ein Ueberzug, wie ich
                              solchen zur Conservirung der Schmelztiegel bei Anstellung meiner Schmelzversuche
                              anwendete. Derselbe besteht aus einer Mischung von getrockneten Schmelzrückständen
                              und Steinkohlentheer, welche, zu einer teigartigen Masse vereinigt, auf die
                              Herdsohle in zolldicken Lagen aufgetragen wird, nachdem diese vorher mehreremale mit
                              Theer überstrichen worden ist. Die Teigmasse wird dann mit Hämmern oder Holzklötzen
                              aufgeklopft und durch langsames Anwärmen vollständig ausgetrocknet. Hierbei
                              destillirt der Theer zum Theil ab, zum Theil wird er zersetzt und die rückständige
                              Kohle liefert mit dem Schwefeleisen eine harte, poröse Masse, welche, nach
                              Ausführung der ersten Schmelzung, mit Schwefelkalium durchtränkt lange Zeit
                              Widerstand leistet und sich mit Leichtigkeit erneuern läßt, ohne hohe Kosten zu
                              verursachen. Wie es ferner bisher Haupterforderniß war, daß die thierischen
                              Rohstoffe während der Schmelze möglichst in dieser untergetaucht blieben, so ist
                              auch bei Anwendung von Ammoniaksalzen dieselbe Bedingung zu erfüllen. Um aber diesen
                              Zweck zu erreichen, müssen die Rührvorrichtungen so getroffen seyn, daß auch ohne
                              weiteres Zuthun des Arbeiters die ammoniakalische Mischung stets unter der Schmelze
                              verharren muß. Hierzu eignen sich am besten eiserne Krücken, welche statt der
                              einfachen Eisenplatte an dem Ende, mit welchem sie in den Ofen gebracht werden, ein
                              durchbrochenes Fach tragen, in welches die schon oben besprochene teigartige
                              Mischung von schwefelsaurem Ammoniak, Schwefel und Kohle mit Theer (Formel 6)
                              eingedrückt und so während der Schmelzung fortwährend unter der Schmelze erhalten
                              wird. (Fig. 2 stellt eine solche Krücke dar. An dem
                              eisernen Stiel ist ein Doppelrechen von Gußeisen befestigt, welcher dazu bestimmt
                              ist, die Ammoniaksalzmischung in einzelnen Portionen aufzunehmen und, unter die Schmelzmasse getaucht,
                              mit dieser zu vermischen.) Während letzterer Arbeit muß die Arbeitsöffnung, welche
                              keinen größeren Durchmesser als die Krücke selbst zu haben braucht, theilweise
                              geschlossen seyn. Dieß geschieht durch Verlegen einer durchbrochenen Eisenplatte,
                              durch welche der Stiel der Krücke bequem hin und her bewegt werden kann.
                           Die Schmelzarbeit selbst beginnt nun damit, daß man nach Herstellung einer festen
                              Herdsohle in oben besprochener Weise 100 Pfund Mutterlaugensalz einträgt und
                              niederschmilzt, nachdem dieß erfolgt, eine Mischung von 15 Pfd. Potasche, 3 Pfd.
                              Schwefel und 2 1/2 Pfd. Kohle zufügt und während der Schmelzung dafür Sorge trägt,
                              daß der Schacht A mit Brennmaterial gehörig gefüllt sey,
                              zur Vermeidung einer oxydirenden Flamme. Ist Alles in ruhigem Fluß, hat das Schäumen
                              aufgehört, so öffnet der Arbeiter die Schieber d und g, und schließt die Füchse b
                              und c und trägt nun ein Gemisch von 40 Pfd.
                              schwefelsaurem Ammoniak, 9 Pfund Schwefel und 10 Pfund Kohle, mit Theer zu einem
                              Teige angeknetet, in den Ofen portionenweise ein, indem er die hier dargestellte
                              Krücke zeitweilig mit dem Teige anfüllt, und unter fortwährendem Umrühren letzteren
                              der Schmelze nach und nach einverleibt.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 169, S. 219
                              
                           Die Einführung frischer Mengen des letzteren Gemisches
                              erfolgt, sobald die Zersetzung der ersteren beendet und die Schmelze wieder in
                              ruhigen Fluß gekommen ist. Würde in dieser Weise die Salzmischung allmählich
                              eingeführt, somit die Bildung von Schwefelcyankalium und die Entwickelung der
                              Ammoniakgase ausgeführt, so trägt der Schmelzer nun noch 15 Pfd. Eisengranalien
                              (gekörntes Roheisen, alte Nägel, Eisenfeile u.s.w.) in die Schmelzmasse ein, rührt
                              gehörig um und schöpft letztere aus, sobald die Einwirkung des Eisens und das damit
                              verbundene Schäumen und Explodiren beendet und Alles wieder in ruhigem Flusse ist.
                              Durch die Einführung obiger Mengen schwefelsauren Ammoniaks in den Schmelzproceß
                              sind der Theorie nach 10,3 Pfd. als Schwefelammonium entwichen und durch das
                              Abzugsrohr G nach den Verdichtungskammern geführt
                              worden, woselbst im Verlauf der Schmelzarbeit 40 Pfd. Eisenvitriol, in der
                              acht- bis zwölffachen Menge Wasser gelöst, zur Absorption erforderlich sind.
                              Durch Anlegung mehrerer Verdichtungskammern ist der Vortheil geboten,
                              Eisenvitriollösungen von verschiedener Stärke anwenden und ihre Umsetzung durch
                              Translocation von den hinteren nach den vorderen Kammern vervollständigen zu
                              können, ohne einen Verlust an Ammoniak befürchten zu müssen. Die weitere
                              Verarbeitung der aus dem Herde geschöpften Schmelze erfolgt nun nach der bisher
                              üblichen Verfahrungsweise, wie sie auch vom Verfasser in Bolley's Handbuch der chemischen Technologie (II. Bd. II. Gruppe,
                              Fabrication chemischer Producte aus thierischen Abfällen, S. 20–25)
                              ausführlich beschrieben worden ist.
                           Der Theorie nach liefert obige Schmelzmasse 21,35 Pfd. krystallisirtes
                              Blutlaugensalz. Von dem Stickstoffgehalt des schwefelsauren Ammoniaks werden 4,24
                              Pfd. zur Cyanbildung verwendet, während die gleiche Menge als Schwefelammonium nach
                              den Verdichtungskammern geht.
                           Der in 40 Pfd. schwefelsaurem Ammoniak enthaltene Stickstoff entspricht:
                           
                              
                                   72,08 Pfd.
                                 wollenen Lumpen,
                                 
                              
                                   71,60   „
                                 Lederabfällen,
                                 
                              
                                 178,00   „
                                 thierischer Kohle.
                                 
                              
                           Aus jeder dieser drei Posten resultiren aber bis jetzt statt 21,35 Pfd. nur 4,15 Pfd.
                              Blutlaugensalz und alle hierbei entweichenden Ammoniakgase waren für den
                              Schmelzproceß verloren. Die Einführung des schwefelsauren Ammoniaks in den
                              Blutlaugensalzfabricationsproceß gestattet die Zurückführung der wichtigsten
                              Zersetzungsproducte zu der Schmelzung, erheischt die Benutzung aller im Verlauf der
                              Fabrication auftretenden Nebenproducte und läßt bei gehöriger Ausnutzung der aus den
                              Schmelzöfen abziehenden Feuergase zur Laugenconcentration einen nicht zu bedeutenden
                              Brennmaterialaufwand befürchten.