| Titel: | Der rohe Weinstein und seine Verfälschungen; von Guido Schnitzer in Wien. | 
| Autor: | Guido Schnitzer | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LXXVI., S. 301 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXVI.
                        Der rohe Weinstein und seine Verfälschungen; von
                           Guido Schnitzer in Wien.
                        Schnitzer, über den rohen Weinstein und seine
                           Verfälschungen.
                        
                     
                        
                           Das Nachstehende war zunächst für einen engeren Kreis österreichischer Industriellen
                              bestimmt, um denselben zur Beurtheilung des rohen Weinsteins, welcher im
                              österreichischen Handel eine bedeutende Rolle spielt, sichere Merkmale und das
                              einfachste Prüfungsverfahren an die Hand zu geben. Der Verfasser, dem eine
                              langjährige Erfahrung im Einkauf, in der Untersuchung und Verarbeitung von rohem
                              Weinstein zur Seite steht,In den letzten acht Jahren führte derselbe nacheinander die Leitung von drei
                                    Weinsäurefabriken verschiedener Länder: die eine im deutschen Zollverein
                                    (chemische Fabrik Waldau (bei Heilbronn), die andere im südlichen Frankreich
                                    (usines de produits chimiques d'Endoume
                                       près Marseille), die dritte in Oesterreich (chemische
                                    Productenfabrik Guntramsdorf bei Wien). hat aber bei Ausführung seiner Arbeit gefunden, daß dieselbe einer
                              allgemeineren Anwendung fähig ist, weßhalb er sie dem „polytechnischen
                                 Journal“ in einer Fassung übergibt, die den Weinsteinhändlern und
                              Weinsäurefabrikanten auch außerhalb Oesterreichs willkommen seyn dürfte. Es wird
                              nämlich nicht allein der österreichische Weinsteinmarkt berücksichtigt, sondern es
                              sollen auch die im übrigen europäischen Verkehr vorkommenden Weinsteinsorten mit
                              möglichster Vollständigkeit besprochen werden.
                           
                           Diejenigen Länder, welche hauptsächlich rohen Weinstein liefern, sind einmal die um
                              das mittelländische Meer sich gruppirenden Weingegenden: Spanien, Frankreich,
                              Italien, Griechenland, Kleinasien; dann die Rheinlande, Süddeutschland, Schweiz;
                              endlich Oesterreich mit Ungarn. Der Weinstein der südlichen Länder wird meist in
                              Frankreich und England verarbeitet, der französische hauptsächlich in Frankreich,
                              der deutsche und schweizerische dem größten Theil nach in seiner Heimath, der
                              österreichische und ungarische Weinsteinmarkt versorgt mit seinem Ueberfluß fast
                              alle anderen Länder, besonders Deutschland, England und Frankreich. Innerhalb der
                              österreichischen Zollgrenze wird verhältnißmäßig wenig Weinstein verarbeitet, da nur
                              zwei größere Weinsäurefabriken und wenig Cremor
                                 tartari-Fabriken hier zu Land bestehen. Um so bedeutender ist der
                              österreichische Export in diesem Artikel, und zwar werden dabei die Sorten nach den
                              Provinzen des Reichs unterschieden aus denen sie kommen, so daß z.B.
                              „österreichischer Weinstein“ speciell nur derjenige heißt,
                              welcher von dem Wein der Provinzen Ober- und Niederösterreich stammt, während
                              man die anderen Gattungen je nach ihrem Ursprung als
                              „ungarischen,“
                              „croatischen,“
                              „steirischen,“
                              „tyroler“ u.s.w. Weinstein bezeichnet.
                           Außer den Weinsteinsorten, welche das Product der natürlichen Ablagerung in den
                              Gefäßen sind, die zur Aufbewahrung des Weines dienen, gibt es noch künstlich
                              erzeugten rohen Weinstein; es werden nämlich in manchen Weingegenden die Trester und
                              die Hefe (Geläger) zur Gewinnung von rohem Weinstein benützt, welcher dann als
                              sogenannter „Tresterfloß“ (cristaux de
                                 marc) und „Hefenfloß“ (cristaux
                                 de lie) in den Handel kommt. In Italien und Frankreich ist diese
                              vortheilhafte Ausnützung von Trestern und Hefe ziemlich allgemein, in Deutschland
                              bis jetzt nur in der Rheinpfalz und in Oberfranken, aber in Oesterreich noch gar
                              nicht eingeführt.
                           Der rohe Weinstein, wie er aus den Lagerfässern des Weines geklopft wird, ist seiner
                              Zusammensetzung nach ein Gemenge von saurem weinsaurem Kali, weinsaurem Kalk, etwas
                              Hefe, Farbstoff, Holzsplittern von den Geschirren, mitunter auch Schwefel, der beim
                              Schwefeln der Fässer oft abschmilzt. Sand und Thon sollten sich bei sorgfältiger und
                              reinlicher Behandlung des Weines eigentlich nicht im Weinstein finden, doch zeigen
                              die meisten Sorten kleine Antheile davon, wahrscheinlich von dem Erdüberzug, den die
                              unteren Trauben des Weinstocks annehmen und der dann beim Abpressen so gut in den
                              Wein mit übergehen kann, als sich manchmal Kerne, Schalen und selbst Kämme von
                              Trauben darin finden. Ein Gehalt von Sand im rohen Weinstein, welcher 1 1/2–2
                              Proc. übersteigt, darf immerhin als eine absichtliche Zuthat betrachtet werden.
                           
                           Die Verfälschung des rohen Weinsteins mit Sand kommt sehr häufig vor. Sie kann aber
                              leicht dadurch nachgewiesen werden, daß man eine gewogene Probe der Waare glüht, die
                              Asche mit Salzsäure auszieht, den Sandrückstand trocknet und wiegt.
                           Eine andere Vermischung mit unorganischen Stoffen findet sich in manchen
                              Weinsteinsorten südlicher Länder. In Kleinasien z.B. und in Spanien ist es Sitte,
                              Gyps in den Wein zu werfen, um ihn rascher zu klären. Dieser Gyps setzt sich dann
                              mit dem Weinstein an den Wänden der Gefäße ab und kann, wenn nur eine einfache
                              Kalkbestimmung mit oxalsaurem Ammoniak gemacht wird, zu bedeutenden Irrthümern in
                              Betreff des Gehalts der Waare an weinsaurem Kalk führen. Man thut deßhalb besser,
                              den kohlensauren Kalk des geglühten Weinsteins (nach dem
                              Ausziehen des kohlensauren Kalis) durch Zusatz titrirter Salzsäure und Rücktitriren
                              des Ueberschusses mit Normalnatronlauge zu bestimmen, und aus der Menge des
                              gefundenen kohlensauren Kalks den ursprünglichen Gehalt des Weinsteins an weinsaurem
                              Kalk zu berechnen.
                           Die Betrügereien im Weinsteinhandel sind aber auch schon so weit getrieben worden,
                              daß dem rohen Weinstein schieferige Blättchen von Kesselstein, wie er sich in
                              Dampfkesseln, die mit sehr harten Wassern gespeist werden, ablagert, beigemengt
                              wurden. Einmal mit Weinsteinstaub überzogen, erhalten diese Blättchen eine
                              täuschende Aehnlichkeit mit Weinsteinstückchen, geben sich aber bei näherer
                              Untersuchung leicht als ein Gemeng von kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk zu
                              erkennen. Wo diese Verfälschung zu vermuthen ist, muß daher vor der Bestimmung des
                              weinsauren Kalks nach der eben angeführten Methode erst der im ungeglühten frischen
                              Weinstein vorhandene kohlensaure Kalk bestimmt und nachher von dem gesammten
                              kohlensauren Kalk in Abzug gebracht werden. Dieselbe Rücksicht ist bei einer Waare
                              zu beobachten, von der noch die Rede seyn wird, nämlich bei den sogenannten Sablons, d.h. weinsaurem Kalk, wovon durch Gährung ein
                              großer Theil in kohlensauren Kalk umgesetzt ist.
                           Das natürliche Vorkommen von Hefe in allen Weinsteinsorten scheint viele
                              Weinsteinhändler auf die Idee gebracht zu haben, daß in einem weiteren Zusatz von
                              Hefe ihnen ein Mittel geboten sey, das Quantum ihrer Waare zu vermehren, ohne sich
                              dadurch der Entdeckung des Betrugs auszusetzen. Es ist auch in der That nicht wohl
                              möglich, durch quantitative Bestimmung der Hefe im Weinstein zu entscheiden, bis zu
                              welcher Grenze der Hefengehalt als der natürliche anzusehen sey. Hier muß das
                              Urtheil mehr durch äußeres Anschauen und Vergleichen geleitet werden. So ist es z.B.
                              immer als eine Verfälschung zu betrachten, wenn in einer Weinsteinsorte einzelne
                              Blättchen gepreßter Hefe sich finden, welche gewöhnlich auf ihrer Außenseite durch
                              einen Ueberzug von Weinsteinstaub den Geschmack und das Ansehen der ächten
                              Weinsteinstückchen angenommen haben, die aber sowohl durch das geringe specifische
                              Gewicht, als auch beim Zerbrechen durch das schwarzgraue amorphe Aussehen der
                              Bruchflächen sich als eine fremde Zuthat charakterisiren. Die Vermischung des
                              Weinsteins mit Hefe ist nicht nur der Fabrication von Cremor
                                 tartari und Weinsäure sehr hinderlich, indem die gelösten Hefentheile die
                              Laugen verunreinigen und eine unscheinbare Krystallisation bewirken, sondern sie
                              kann auch vor der Verarbeitung für die Waare selbst von ungeheurem Nachtheil seyn,
                              wenn nämlich letztere durch irgend einen Zufall feucht
                              wird. Denn es tritt alsdann im geschlossenen Faß oder auf großen Haufen eine von
                              innen nach außen um sich greifende Gährung ein, welche sich der Hand durch Wärme
                              kundgibt, bei der chemischen Prüfung aber als eine sehr rasch erfolgende Umsetzung
                              der weinsauren Salze in kohlensaure sich ausweist. Die Fälle sind uns nicht selten
                              vorgekommen, wo in feuchtgewordenen Weinsteinfässern sich weiße Krusten von
                              kohlensaurem Kali ausgeschieden hatten, oder wo ganze Ballen Sablons (weinsaurer
                              Kalk) als kohlensaurer Kalk an ihren Bestimmungsort gelangten.
                           Als zufällige Verunreinigungen des rohen Weinsteins sind noch aufzuzählen die
                              Holzstücke und Eisensplitter, welche sich gewöhnlich beim Umpacken der Waare
                              beimischen, indem Reifsplitter, Nägel u. dgl. von den Fässern und Kisten abspringen.
                              Da durch den Eisengehalt der Waare die Reinheit der zu fabricirenden Producte
                              beeinträchtigt wird, so läßt man am besten vor dem Mahlen des Weinsteins denselben
                              aussieben, wobei leicht auf dem Sieb die Eisenstückchen unter den gröberen
                              Weinsteinblättern erkannt und ausgelesen werden können. Natürlich wählt man die
                              Siebweite in der Art, daß der durchfallende Staub (Gries, le
                                 menu du tartre) ohne weitere Vorbereitung zur Verwendung kommen kann.
                           In früherer Zeit galt das saure weinsaure Kali für den einzigen Bestandtheil des
                              rohen Weinsteins, der weinsaure Kalk desselben also für eine Verunreinigung. Und
                              noch heutzutage sieht mancher Fabrikant von Cremor
                                 tartari den weinsauren Kalk im rohen Weinstein als etwas nicht hergehöriges
                              an und weist ihn deßhalb mit den anderen Rückständen, die ihm von der Raffinirung
                              des Weinsteins bleiben, dem Dünger zu. Erst die Nachfrage nach Weinstein von Seite
                              der Weinsäurefabrikanten und die damit eingetretene Steigerung der Preise des rohen
                              Weinsteins hat die Aufmerksamkeit unternehmender Geschäftsleute auf die Abfälle der
                              Cremor tartari-Fabrication gelenkt. Man hat
                              erkannt, daß dieselben, wenn sie trocken aufbewahrt wurden, ein dem rohen Weinstein
                              an Werth nahe kommendes
                              Rohmaterial für die Weinsäureproduction abgeben konnten und es wurden darauf hin
                              diese in Frankreich Sablons
                              Man nennt Sablons bruns den Bodensatz im Kessel
                                    von der ersten Raffinirung, Sablons blancs den
                                    niedergefallenen weinsauren Kalk vom zweiten Umkrystallisiren des
                                    Weinsteins. genannten Abfälle nicht nur von französischen und deutschen
                              Weinsäurefabrikanten aufgekauft, um neben dem rohen Weinstein zur Erzeugung von
                              Weinsäure zu dienen, sondern es rief diese Erfahrung vor etwa fünf Jahren eine
                              eigene Fabrik in Montpellier, dem Mittelpunkt der Fabrication von Crême de tartre ins Leben, wo aus keinem anderen
                              Rohstoff, als aus den Abfällen der 25–30 Cremor
                                 tartari-Fabriken jener Gegend die schönste krystallisirte Weinsäure
                              dargestellt wird.
                           Aus dem eben Gesagten geht deutlich hervor, daß es bei der Prüfung von rohem
                              Weinstein wesentlich ist, nach den beiden seinen Werth constituirenden Factoren, den
                              weinsauren Kali- und Kalksalzen zu fragen. Dieß
                              wird auch vor der Verwendung der Waare in Weinsäurefabriken meistens geschehen.
                              Jedoch der Handel mit rohem Weinstein im Allgemeinen beschränkt sich noch immer auf
                              die alleinige Bestimmung des sauren weinsauren Kalis, um hiernach den Geldwerth der
                              Waare zu berechnen. Das einfachste Verfahren der Weinsteinbestimmung, die
                              Neutralisirung mit Normalnatronlauge (31 Gramme NaO im Liter), setzen wir als
                              bekannt voraus. Zur Erleichterung der Berechnung möge nachstehende Tabelle
                              dienen:
                           Tabelle zur Weinsteinbestimmung für
                              Proben von 2 Grm.Wir wählten als festes Gewicht der Probe 2 Gram. gepulverten Weinstein, weil
                                    sich daraus die für technische Untersuchungen ausreichende Progression um
                                    circa 1 Proc. (genau 0,94 Proc.) auf 1/10
                                    Kubikcentimeter ergibt. berechnet:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 305
                              Kubikcentimeter
                                 Normal-Natronlauge; Procentgehalt an reinem Weinstein
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 306
                              Kubikcentimeter
                                 Normal-Natronlauge; Procentgehalt an reinem Weinstein
                              
                           Um zu den Weinsteinuntersuchungen richtige Durchschnittsmuster größerer Partien rohen
                              Weinsteins zu bekommen, sollte man stets Proben von entgegengesetzten Orten der
                              Masse nehmen, diese gut mischen, mahlen oder pulvern und endlich hiervon eine
                              kleinere Probe zur Analyse bringen. Die eingetretene Neutralisirung des Weinsteins
                              durch die titrirte Natronlauge ist leicht an der Farbenänderung zu erkennen. Der
                              Farbstoff der weißen Weinsteinsorten geht dabei ins Grünlichgraue, derjenige der
                              rothen Weinsteinsorten ins Braune über. Deutlicher wird die Farbenwandlung
                              hervortreten, wenn man in die kochende Flüssigkeit einige Tropfen neutraler
                              Lackmuslösung gibt; dann zeigen alle diejenigen Weinsteinsorten, denen nicht
                              allzuviel Hefe beigemischt ist, beim Neutralisiren deutlich den Uebergang von
                              Ziegelroth durch Weinroth in Violett. Wo mehr Hefe in der Flüssigkeit ist, geht die
                              anfangs röthliche Farbe allmählich in Grünlichgrau, endlich in schmutziges Braun
                              über, womit der Sättigungspunkt erreicht ist. Dabei hat man zu berücksichtigen, daß
                              die Weinsteinflüssigkeit nach jeder Hinzufügung von Natronlauge aufs neue zum Kochen
                              gebracht werde, um zu erkennen, ob nochmals eine Röthung eintrete oder nicht.
                           Ueber die Bestimmung des weinsauren Kalks im rohen Weinstein ist schon oben bei
                              Aufführung der Verfälschungen dieser Waare mit anderen Kalksalzen das Nöthige
                              erwähnt. Es wäre nur noch hinzuzufügen, daß aus der Summe der Procentzahlen für reinen Weinstein und
                              weinsauren Kalk, die man durch Analyse gefunden hat, sich höchst einfach der
                              Gesammtgehalt einer Weinsteinsorte an trockener Weinsäure berechnen läßt, da
                              derselbe zufällig sowohl bei saurem weinsaurem Kali, als bei wasserfreiem weinsaurem
                              Kalk 70 Procent ausmacht, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
                           
                              
                                 KO
                                   47
                                   25,1
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 2 
                                 132
                                   70,2
                                 CaO
                                   28
                                   30
                                 
                              
                                 HO
                                     9
                                     4,7
                                     
                                   66
                                   70
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 188
                                 100
                                 
                                   94
                                 100
                                 
                              
                           In einzelnen Fällen kann aus der chemischen Zusammensetzung einer Weinsteingattung
                              ein Schluß auf deren Ursprungsort gemacht werden, und vielleicht würden
                              Zusammenstellungen von Weinsteinanalysen, wie sie Scheurer-Kestner vor einiger Zeit gegeben hatPolytechn. Journal Bd. CLXII S. 128., bei Berücksichtigung der geognostischen Verhältnisse des Bodens, auf
                              welchem die entsprechenden Weine wachsen, nicht allein sichere Anhaltspunkte für das
                              Urtheil des Geschäftsmannes bieten, sondern sie könnten im Weiteren auch der
                              landwirthschaftlichen Chemie und der Physiologie der Gewächse von Nutzen seyn. Aber
                              leider ist, wie wir aus einer bedeutenden Reihe eigener Analysen wissen, das
                              Material, welches zu Grunde liegt, so vielartigen, oft rein zufälligen Veränderungen
                              unterworfen, daß mitunter Waaren von den gleichen Gegenden und denselben
                              Weingattungen, sehr bedeutende Differenzen in ihrer Zusammensetzung zeigen. Deßhalb
                              scheint es noch immer leichter zu seyn, die Heimath einer Weinsteinsorte aus äußeren
                              Merkmalen durch Uebung und Vergleichung, als aus der chemischen Zerlegung zu
                              erkennen.
                           In der nachfolgenden vergleichenden Uebersicht der bekannten Weinsteinsorten, welche
                              ich als einen vorläufigen Versuch, der seiner Ergänzung durch andere Kräfte
                              wesentlich bedarf, folgen lasse, habe ich meinen eigenen Analysen die bekannten von
                              Scheurer-Kestner und diejenige an die Seite
                              gestellt, welche Hr. Dr. Julius Härlin, der gegenwärtige technische Director der Fabrik Waldau bei
                              Heilbronn, mir aus seinen eigenen Arbeiten mitzutheilen die Güte hatte. Die
                              geognostischen Angaben betreffs der Weingegenden, denen die einzelnen
                              Weinsteinsorten entstammen, verdanke ich der Freundlichkeit des Hrn. Prof. Dr. v. Hochstetter am
                              Polytechnicum in Wien.
                           Bei den procentischen Angaben der chemischen Zusammensetzung wurde hauptsächlich der
                              reine Weinstein (Cremor, KO, 2 , HO) und der weinsaure Kalk
                              (CaO, ) berücksichtigt; nur in einigen wenigen Fällen ist auch der
                              Niederschlag von Thonerde und Eisenoxyd (Al²O³ + Fe²O³),
                              den ein Rohweinstein gab, beigefügt. Quantitative Bestimmungen des in der Waare
                              enthaltenen Sandes waren nur in den Fällen gemacht worden, wo eine absichtliche
                              Zuthat von solchen zu vermuthen war. Wasserbestimmungen sind ganz weggelassen, so
                              daß Krystallwasser, zufällige Feuchtigkeit der Waare und beigemengte Hefen-
                              und Holztheile sammt Spuren von Thon und Sand die Differenz zwischen 100 und der
                              Summe der beigesetzten Zahlen ausgleichen.
                           Was den geognostischen Charakter der Weingegenden anbelangt, so ist es bei der
                              Verschiedenartigkeit der Böden in denselben Bezirken vorläufig nur bei wenigen
                              möglich gewesen, genauere Angaben zu machen, da die geognostischen Karten gerade
                              hierüber noch am wenigsten Aufschluß geben. Sehr deutlich tritt die Schwierigkeit
                              dieser Bestimmungen in der Umgegend von Wien selbst hervor. Denn, wie ich den
                              Bemerkungen v. Hochstetter's entnehme, kann man am
                              Kahlenberg bei Wien allein schon dreierlei Böden und demgemäß verschiedene Weine
                              unterscheiden: „Kahlenberger“ wächst auf Kalkmergel, der der
                              Neocomformation angehört; „Nußberger“ auf bituminösem Kalkstein
                              derselben Formation; „Grinzinger“ auf sandig-mergeligem
                              Boden, der ein Gemisch von miocänem (tertiärem) Sand und Neocommergel ist. Oberhalb
                              Nußdorf stehen einzelne Weinberge auf Milliporenkalk (tertiär), andere auf Löß
                              (diluvial) und so ist es in anderen Gegenden auch. Bis daher anderweitige
                              Forschungen reicheres Material liefern, möge unser Versuch einer Uebersicht mit der
                              wünschenswerthen Nachsicht aufgenommen werden.
                           Vergleichende Uebersicht der bekannteren
                                 Weinsteinsorten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 308–309
                              Länder; Bezugsort und Benennung der
                                 Waare; Chemische Zusammensetzung in Procenten:; nach Guido Schnitzer; nach J.
                                 Härlin; n. Scheurer-Kestner; KO, 2 T, HO; CaO, T; Fe²O³
                                 + Al²O³; Sand; Bodenbeschaffenheit der betreffenden Weingegend;
                                 Häufigste Beimengungen; Aeußere Merkmale; Amerika; Afrika; Europa; Spanien;
                                 Portugal; Italien; Frankreich.; Weißer Weinstein von Chili; Gelber Weinstein vom
                                 Cap; Rother Weinstein v. Malaga; Spanischer rother Weinstein; Rother Weinstein
                                 v. Oporto; Weißer Weinstein aus Toscana; Rother Weinstein a. Piemont; Rother
                                 Isolaweinst. von Genua; Rother Weinstein von Brescia; Rother Weinstein von
                                 Livorno; Weißer Weinstein von Livorno; Rother Weinstein von Ferrara; Weißer von
                                 Ancona; Rother von Ancona; Schillerweinstein von Sesi; v. Montagna; Rother
                                 Weinstein von Neapel; Weißer Weinstein aus Sicilien; v. Messina; Rother
                                 Weinstein v. Marseille; Weinsteinstaub v. Mars.; Cristaux
                                    de marc v. Marseille; Cristaux de marc v.
                                 Montpel; Weißer Weinstein v. Castelnau; Rother Weinstein v. Castelnau; Rother
                                 Weinstein v. Bordeaux; aus Burgund; Weißer Weinstein vom Elsaß; Granit,
                                 Thonschiefer u. devonis. Sandst.; Tertiärer Kalk; Eocän; Jurassische Formationen
                                 am Südabhang d. Cevennen; Diluvialgebilde; Span. Weinst. enth. oft Gyps; Meist
                                 mit Staub von getrockneter rother Weinhefe vermischt; Tiefroth. Massige Stücke;
                                 Auf d. Weinsteinkrusten ausgebildete Krystalle v. weinsaur. Kalk
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 169, S. 310–311
                              Länder; Bezugsort und Benennung der
                                 Waare; Chemische Zusammensetzung in Procenten:; nach Guido Schnitzer; nach J.
                                 Härlin; n. Scheurer-Kestner; KO, 2 T, HO; CaO, T;
                                 Al²O³ + Fe²O³; Sand; Bodenbeschaffenheit der
                                 betreffenden Weingegend; Häufigste Beimengugen; Aeußere Merkmale; Schweiz;
                                 Deutschland; Oesterreich.; Weißer Weinstein v. Lausanne; Rother Weinstein von
                                 Zürich; Weinsteinstaub v. Zürich; Weißer Weinstein von Basel; Rother Weinstein
                                 von Basel; Weißer Weinstein v. Heilbronn; Weinsteinstaub v. Heilbr.;
                                 Schillerweinst. d. Neckargegd.; Schillerweinstein v. Stuttgart; Weißer Weinst.
                                 aus der Pfalz; Hefenfloß aus der Pfalz; Tresterfloß von Hambach; Hefenfloß von
                                 Würzburg; Rother Weinstein aus Tirol; Rother Weinstein von Botzen; Weißer
                                 Weinst. a. Niederöster; von Mödling; Rother österr. Weinst. (Wien); Weißer
                                 Weinst. a. Steiermark; Rother Weinstein von Cilli; Weißer Weinst. v. St.
                                 Georgen; v. Pöltschach; Weißer Weinstein aus Krain; Rother Weinstein aus Krain;
                                 Schillerweinstein von Laibach; Weißer Weinst. aus Croatien; Schillerweinstein v.
                                 Carlstadt; Weißer croatischer Weinstein; Weißer Weinstein aus Ungarn;
                                 Schillerweinst. von Oedenburg; Weißer Weinstein von Pesth; Weißer Weinst. von
                                 Temesvar; Rother Weinstein von Arad; Rother Weinstein von Pesth; Rother
                                 Weinstein a. d. Banat; Weißer Weinst. a. Siebenbürg; Weißer Weinst. von
                                 Mediasch; Molasse; Jurassische Formationen; Muschelkalk; Keupersandstein verm.
                                 mit Keupermergeln; Keuper; Rother Porphyr. Löß; verschied. Schicht. d. Wien.
                                 Beckens Miocän; Wiener Sandst. (Neocom und Eocän); In den steirischen und
                                 südlichen Kalkalpen befinden sich die Weingärten auf Böden der verschiedensten
                                 Formationen; Tertiärer kalkhaltiger Sandstein; Alluvium; Tertiärer Sandst. und
                                 ähnliche Formationen; Basl. Weinsteinstaub findet sich häufig mit gelb. Sand
                                 vermengt.; Enthält gew. Hefe bis zu 20 Proc. Gemengt mit Kämmen u.
                                 Traubenkernen. Tiroler Weinst. ist in der Regel sehr reich an Hefe; Im
                                 niederöster. Weinstein außer Kalk auch Spur. von Bittererde; Steirisch. Weinst.
                                 besteht a. dünnen Blättchen u. viel Weinsteinstaub; Krainer Weinst. hat d.
                                 Aussehen v. schuppig. Tresterfloß, führt viel Staub u. Holzth. mit sich;
                                 Croatis. Weinst. ist in d. Regel mit Hefe u. Sand vermischt; Hefe oft bis zu 30
                                 Procent; In Pesth wird fabrikmäßig Weinhefe getrocknet u.a. Weinsteinhändler zum
                                 Vermischen mit der Waare verkauft; Weinsteinstücke aus dem Neckargegenden zeigen
                                 meist auf ihrer Oberfläche durchschein. Krystalle v. weinsaur. Kalk; Getrockn.
                                 Weinhefe in schwarzen Körner fällt unter regeln äßigen Weinsteinblättern
                                 deutlich ins Auge; Hefenreiche Waare hat ein schmutzig-graues Ansehen.
                                 Die Hefenstücke zeigen beim Zerbrech. schwarze Bruchflächen; Bei länger
                                 Aufbewahr. zeigt die Waare gern den Geruch faul. Gährung u. erwärmt sich im
                                 Innern; Siebenb. Weinst. zeigt glänz. Krystallflächen; kleine Blättchen, wenig
                                 Staub