| Titel: | Beiträge zur Geschichte der vom Steinkohlentheer derivirenden Farbstoffe; von A. W. Hofmann. | 
| Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XCVII., S. 374 | 
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                        XCVII.
                        Beiträge zur Geschichte der vom Steinkohlentheer
                           derivirenden Farbstoffe; von A. W. Hofmann.
                        Aus den Comptes rendus,
                              t. LVI p. 1033; durch die Zeitschrift für Chemie und Pharmacie, 1863 S.
                              393.
                        Hofmann, Beiträge zur Geschichte der vom Steinkohlentheer
                           derivirenden Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           In meiner letzten ArbeitPolytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 139. theilte ich die Existenz zweier Diamine aus der aromatischen Reihe mit, die
                              beide durch die Formel
                           
                              
                                 C¹²H⁸N² =
                                 
                                    
                                    
                                 (C¹²H⁴)''H²H²
                                 
                                    
                                    
                                 N²
                                 
                              
                           
                           ausgedrückt werden. Sie zeigen, trotzdem daß sie sich im
                              Allgemeinen in ihren Eigenschaften gleichen, doch so fundamentale Verschiedenheiten,
                              daß ich an deren Besonderheiten nicht zweifelte und sie als Alpha- und Beta-Phenylendiamin
                              unterschied.
                           Die Existenz dieser zwei verschiedenen Phenylendiamine veranlaßte mich natürlich auch
                              die correspondirenden Monamine der Phenylreihe aufzusuchen. Zu diesem Zwecke
                              verglich ich Proben von Anilin, die durch verschiedenartige Processe erzeugt worden
                              waren.
                           Bei diesem vergleichenden Studium gelangte ich zu folgender bemerkenswerthen
                              Beobachtung:
                           Ich prüfte zunächst das durch Destillation des Indigos mit
                              Kali dargestellte Anilin.
                           Die auf diese Weise dargestellte Base siedet bei 182° C. und besitzt die
                              allgemeinen Eigenschaften, die man dem Anilin zuschreibt, liefert aber bei der
                              Einwirkung von Quecksilberchlorid, Zinnchlorid oder Arsensäure kein Anilinroth.
                           Ich stellte nun Anilin aus Benzol dar.
                           Das zu den Versuchen verwendete Benzol war auf zwei verschiedene Arten erhalten
                              worden, nämlich 1) durch Destillation von Benzoesäure mit Kalk, 2) aus dem Benzol
                              des Steinkohlentheers durch fractionirte Destillation und Erstarrenlassen bei
                              niederer Temperatur.
                           Das von dem Benzol aus Benzoesäure herstammende Anilin siedet bei 182° C.,
                              wandelt sich aber bei der Behandlung mit Quecksilber- oder Zinnchlorid, oder
                              mit Arsensäure auch nicht in Roth um.
                           Das aus dem reinen Benzol vom Steinkohlentheer gewonnene Anilin siedet ebenfalls bei
                              182° C., läßt sich jedoch auch nicht durch die genannten Oxydationsmittel in
                              Anilinroth überführen.
                           Diese, mir unerwartete Thatsache war in der Praxis, wie mir Nicholson mittheilte, schon lange bekannt.
                           Als ich nun einige Proben von Anilin untersuchte, das in den Fabriken von Frankreich
                              und England verarbeitet wird und bei der gewöhnlichen Behandlungsweise beträchtliche
                              Mengen von Roth liefert, fand ich, daß alle diese Substanzen bei einer höheren
                              Temperatur siedeten, indem der Siedepunkt zwischen 180° und 220° C.
                              schwankte. In der Handelswaare muß daher noch eine andere, vom gewöhnlichen Anilin
                              verschiedene Base existiren, deren Mitwirkung bei der Erzeugung von Roth
                              unumgänglich nöthig ist.
                           Ist diese ein Isomeres vom Anilin? Läßt sich das von Church aus dem Steinkohlentheer dargestellte, mit dem Benzol isomere Parabenzol, das bei 97°,5 siedet, durch Behandlung
                              mit Salpetersäure und Reductionsmittel in eine Base überführen, die dem Anilin isomer und fähig ist,
                              sich in Roth umzuwandeln? Oder enthält das Anilin des Handels noch eine andere, zur
                              Bildung des Rosanilins nothwendige Base?
                           Die Lösung dieser Fragen würde vielleicht Licht über die noch gänzlich räthselhafte
                              Entstehung des Anilinroths verbreiten.